Gründe:
Der Antragsteller wendet sich mit einer Nichtzulassungsbeschwerde nach §
145 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. Mai 2009, mit dem ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
abgelehnt worden ist.
Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht statthaft.
Nach §
172 Abs.
3 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) in der seit dem 1. April 2008 geltenden und hier anzuwendenden Fassung des Art. 1 Nr. 29 b) und Art. 5 des Gesetzes zur
Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) ist die Beschwerde ausgeschlossen,
1. in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre,
2. gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen
für die Prozesskostenhilfe verneint,
3. gegen Kostengrundentscheidungen nach §
193 SGG,
4. gegen Entscheidungen nach §
192 Abs.
2 SGG, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.
Hier liegt ein die Beschwerde ausschließender Fall von §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG vor, denn in der Hauptsache wäre die Berufung nicht zulässig. Vorliegend ergibt sich insgesamt - wie in dem angefochtenen
Beschluss zutreffend dargelegt - ein unter der gesetzlichen Grenze von 750 € liegender Streitwert von maximal 420 €. Im Streit
sind somit auch nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr und mindestens 780 €, wie von dem Antragsteller
in seinem Schriftsatz vom 10. Juni 2009 unter Hinweis auf einen Bescheid des Antragsgegners vom 7. April 2009 behauptet. Zum
einen betrifft dieser Änderungsbescheid vom 7. April 2009 den Bewilligungszeitraum vom 1. Mai 2009 bis 31. Oktober 2009, sodass
daraus ein maximaler Beschwerdewert von 390 € folgen kann (65 € x 6 Monate), zum anderen ist dieser Bescheid durch weitere
Änderungsbescheide des Antragsgegners vom 6. Mai 2009 dahingehend geändert worden, dass der monatliche Aufrechnungsbetrag
auf 35 € herabgesetzt worden ist.
Ausnahmen hat der Gesetzgeber zu §
172 Abs.
3 SGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung nicht zugelassen. Insbesondere liegen auch die Voraussetzungen für eine Nichtzulassungsbeschwerde
nach §
145 SGG nicht vor.
Nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG in der oben näher bezeichneten Fassung bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde
durch Beschluss durch das Landessozialgericht, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- und
Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 € nicht übersteigt. Ein solcher Fall ist hier gegeben.
Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden (§
145 Abs.
1 Satz 1
SGG).
Nach §
144 Abs.
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der Obersten
Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die
Entscheidung beruhen kann.
Der Wortlaut der Vorschrift macht schon hinreichend deutlich, dass §
144 SGG "nur" auf die Nichtzulassung einer Berufung, nicht aber auf die Nichtzulassung einer Beschwerde anwendbar ist. Mangels zulässiger
Berufung ist mithin auch die Beschwerde unzulässig. Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht dadurch, dass in der Rechtsmittelbelehrung
des angegriffenen Beschlusses auf die Möglichkeit der Beschwerde für den Antragsteller hingewiesen wird. Denn damit ist die
Beschwerde nicht zugelassen.
Eine entsprechende Anwendung dieser Norm auf das Beschwerdeverfahren würde im Übrigen im Widerspruch zum Gesetzeszweck des
§
172 Abs.
3 SGG stehen und kommt hier deswegen nicht in Betracht. Ziel des Gesetzes vom 26. März 2008 (aaO.) ist nämlich u. a. eine nachhaltige
Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit durch Vereinfachung und Straffung des sozialgerichtlichen Verfahrens (BT-Drs. 16/7716
S. 12 f.). Danach wurde die Beschwerde ausgeschlossen bei wirtschaftlich nicht relevanten Kostengrund- und sonstigen Nebenentscheidungen
sowie in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und der Prozesskostenhilfe (BT-Drs. aaO. S. 14). Schließlich soll der
Ausschluss der Beschwerde gegen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig
wäre, dazu führen, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht gegenüber denjenigen im Hauptsacheverfahren
privilegiert werden. Der Senat hält insoweit - entgegen dem von dem Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 10. Juni 2009
genannten Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.10.2008 - L 6 AS 458/08 ER - in NdsRpfl 2009, 32 und juris - an seiner Rechtsprechung fest (Beschluss vom 16. Januar 2009 - L 29 B 2004/08 AS ER). Der Senat schließt sich diesbezüglich - wie bereits in seinem Beschluss vom 18. März 2009 - L 29 AS 296/09 B ER - veröffentlicht in sozialgerichtsbarkeit.de - der zu der Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen geäußerten Auffassung
des Hessischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 12. Januar 2009 - L 7 AS 421/08 B ER - zitiert nach juris) nach eigener Prüfung als ihn überzeugend an, wenn dieses ausführt:
"...Eine gesonderte Zulassungsbefugnis für das Beschwerdeverfahren ist §
177 Abs.
3 S. 1 Nr.
1 SGG F. 2008 schon deshalb nicht zu entnehmen, weil Maßstab für die Statthaftigkeit der Beschwerde ausdrücklich nur die allerdings
hypothetische Statthaftigkeit einer Berufung in der Hauptsache ist. Damit hat der Gesetzgeber allein auf die ausdrückliche
Regelung in §§
144,
145 SGG F. 2008 für das Berufungsverfahren abgestellt, ohne ein eigenständiges Zulassungsverfahren im Beschwerdeverfahren vorzusehen.
Es widerspräche auch der gebotenen Dringlichkeit im einstweiligen Rechtsschutz ein solches dem Beschwerdeverfahren vorzuschalten.
Die Beschwerde wäre auch nicht statthaft, wenn ohne gesonderte Zulassung im Beschwerdeverfahren alleine einer der in §
144 Abs.
2 SGG aufgeführten Zulassungsgründe vorläge.
Der Wortlaut des §
172 Abs.
3 S. 1 Nr.
1 SGG F. 2008 gibt dafür nichts her. Der Gesetzgeber hat sich leider gegen eine eindeutige Formulierung entschieden, nach der entweder
die Zulassungsgründe einzubeziehen wären oder unberücksichtigt bleiben müssen. Weder hat er ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass die Beschwerde ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfe noch hat er angeordnet,
der Ausschluss greife nicht, soweit Zulassungsgründe vorlägen.
Gestützt wird die Auffassung des Senats aber nach Sinn und Zweck des Zulassungsverfahrens und der hierfür erforderlichen Gründe
in der Hauptsache gemäß §§
144,
145 SGG sowie dem gesetzgeberischen Zweck der Neuregelung in §
172 Abs.
3 S. 1 Nr.
1 SGG F. 2008.
Getragen ist die Neuregelung von dem gesetzgeberischen Willen, die Landessozialgerichte zu entlasten. Aus diesem Blickwinkel
heraus, soll die Privilegierung von Rechtsschutzmöglichkeiten im Beschwerdeverfahren gegenüber dem Hauptsacheverfahren entfallen
(BT-Drucks 16/7716, S. 106, zu Nr. 29, Buchstabe b). Angestrebt ist damit eine Kongruenz zwischen der Rechtsmittelbefugnis
in der Hauptsache und im einstweiligen Rechtsschutz. Bei einfacher Betrachtung könnte das zunächst dafür sprechen, im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren gleichermaßen wie im Hauptsacheverfahren auch die Zulassungsgründe nach §
144 Abs.
2 SGG für die Statthaftigkeit der Beschwerde ausreichen zu lassen. Eine solche oberflächliche Betrachtung berücksichtigt aber nicht
ausreichend die zeitlichen und sachlichen Unterschiede einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz gegenüber der Hauptsache.
Dabei lässt es der Senat offen, ob aus der Verwendung des Konjunktivs in der Formulierung "die Berufung zulässig wäre" zu
folgern ist, §
172 Abs.
3 S. 1 Nr.
1 SGG F. 2008 stelle nicht auf die Zulässigkeit, enger: Statthaftigkeit, der Berufung für den Gegenstand der Hauptsache ab (so
noch: Senat, 11.8.2008 - L 7 AS 213/08 B ER; auch: LSG Hamburg, 1.9.2008 - L 5 AS 70/08 NZB; LSG Niedersachsen-Bremen, 8.9.2008 - L 13 AS 178/08 ER), sondern übertrage nur die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Berufungsverfahrens auf den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens
im einstweiligen Rechtsschutz (LSG Niedersachsen-Bremen, 21.10.2008 - L 6 AS 458/08 ER). Denn nach beiden Lesarten können die Zulassungsgründe nach §
144 Abs.
2 SGG nicht die Beschwerde gemäß §
172 Abs.
3 S. 1 Nr.
1 SGG F. 2008 eröffnen.
Sollte hypothetisch auf die Statthaftigkeit der Berufung für das zugrunde liegende Hauptsacheverfahren abzustellen sein, das
ggf. noch gar nicht anhängig ist, weil der gerichtliche einstweilige Rechtsschutz nach §
86b SGG bereits für das Verwaltungsverfahren eröffnet ist, fehlte es bereits an der dann erforderlichen zeitlichen Kongruenz zwischen
dem Berufungs- und Beschwerdeverfahren. In der Hauptsache können Zulassungsgründe nach §
144 Abs.
2 SGG die Berufung nur in dem Zeitpunkt statthaft werden lassen, in dem das Sozial- oder Berufungsgericht die Berufung deswegen
zugelassen hat. Die Zulassungsentscheidung ist konstitutive Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Berufung. Solange sie
nicht ergangen ist, bleibt die Berufung schwebend unzulässig. Eine Zulassung kann aber vor dem Abschluss des Beschwerdeverfahrens
über den einstweiligen Rechtsschutz nicht ergangen sein und ob sie zu einem späteren Zeitpunkt ergehen wird, bleibt in jedem
Fall schon deshalb fraglich, weil eine Entscheidung im vielleicht nachfolgenden Klageverfahren nicht - zwingend - zu ergehen
hat. Bei der anderen Lesart ist hingegen zu bedenken, dass die Zulassungsgründe des §
144 Abs.
2 SGG auf den einstweiligen Rechtsschutz nicht zugeschnitten sind und deshalb auch nicht übertragen werden können. Grundsätzliche
Bedeutung nach §
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG kann nicht die vorläufige Regelung im einstweiligen Rechtsschutz haben, sondern können nur die ihr zugrunde liegenden Ansprüche
in der Hauptsache haben, welche gerade nicht den Streitgegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bilden. Auch eine
Vereinheitlichung der Rechtsprechung nach §
144 Abs.
2 Nr.
2 SGG ist nicht angezeigt, weil durch die Verkürzung des Rechtswegs auf die Tatsachengerichte eine einheitliche Rechtsprechung
im einstweiligen Rechtsschutz ohnehin nicht herzustellen ist. Allein der Zulassungsgrund des §
144 Abs.
2 Nr.
3 SGG - Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung des SG beruhen kann -, könnte grundsätzlich auch für das einstweilige Rechtsschutzverfahren greifen....."
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).