Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Die 1964 in der Türkei geborene, seit 1979 in Deutschland lebende Klägerin ist geschieden und hat einen erwachsenen Sohn.
In der Türkei besuchte sie sechs Jahre lang die Volksschule und arbeitete dann auf dem Hof ihrer Großeltern mit. In Deutschland
absolvierte sie eine Berufsvorbereitungsmaßnahme; einen Beruf erlernte sie nicht. Von 1981 bis Ende April 2004 war sie, unterbrochen
von Zeiten des Mutterschutzes, der Krankheit und der Arbeitslosigkeit, im Wesentlichen als Verkaufshilfe erwerbstätig.
Bei der Klägerin war zunächst ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt; mit Bescheid vom 30. Juni 2006 wurde ein solcher
von 40 festgestellt.
Am 27. Dezember 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und gab an,
ihrer Auffassung nach keine Arbeiten mehr verrichten zu können, weil sie aufgrund eines Schulter-Arm-Syndroms, eines Bandscheibenvorfalls
im Bereich der Lendenwirbelsäule, einer Degeneration der Wirbelsäule und Depressionen nur noch über Restfähigkeiten verfüge,
die nicht beliebig abrufbar seien.
Im Verwaltungsverfahren lagen der Beklagten zwei Berichte des Radiologen F über am 22. Oktober 2002 bzw. am 10. Mai 2004 durchgeführte
Untersuchungen der Lendenwirbelsäule sowie ein Bericht des Radiologen C über eine am 30. Januar 2006 durchgeführte Magnetresonanztomographie
(MRT) der Halswirbelsäule vor. Auf Veranlassung der Beklagten untersuchte der Orthopäde Dr. R die Klägerin am 17. Januar 2006
und erstellte ein Gutachten, in welchem er die Diagnosen Zervikobrachialsyndrom bei verspannter Schulter-Nacken-Muskulatur,
Lumbalsyndrom ohne Funktionsminderung und Verdacht auf Somatisierungsstörung stellte. Das Leistungsvermögen der Klägerin beurteilte
er als hinreichend für die vollschichtige Verrichtung leichter bis mittelschwerer Arbeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen
und Sitzen, wobei Tätigkeiten mit Überkopfarbeit sowie Leiter- und Gerüstarbeiten und Arbeiten mit Absturzgefahr vermieden
werden sollten. Auch in ihrer letzten Tätigkeit als Verkäuferin könne die Klägerin noch vollschichtig arbeiten. Eine Einschränkung
der Wegefähigkeit bestehe aus orthopädischer Sicht nicht. Nachdem die Internistin Dr. C unter dem 3. Februar 2006 prüfärztlich
Stellung genommen hatte, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 7. Februar 2006 ab.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 27. Februar 2006 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie ein Attest des Allgemeinmediziners
Dr. B vom 23. Februar 2006 beifügte. Darin heißt es, seiner Auffassung nach seien die Beschwerdebilder, die zur Ablehnung
geführt hätten, nicht genügend gewürdigt worden. Insbesondere sei der Bescheid offenbar ohne Berücksichtigung der MRT-Untersuchungen
vom 30. Januar 2006 erfolgt. Dort seien massive Einschränkungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule beschrieben, die
zu weitreichenden Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit führten. Eine Erwerbstätigkeit von täglich mindestens sechs Stunden
an fünf Wochentagen sei nach hausärztlicher Ansicht nicht leistbar. In beiden Armen sei es bei der Klägerin bereits zu Parästhesien
und einem Abfall der groben Kraft gekommen. Im Bereich der Halswirbelsäule sei folgerichtig bereits eine Verlagerung des Myelons
beschrieben. Ebenso ausgeprägt seien die Destruktionen mit neurologischer Symptomatik auch im Lendenwirbelsäulenbereich. Hier
würden eine Doralschlauchpellotierung sowie Bandscheibenvorfälle im Bereich L4/L5 beschrieben.
Mit Bescheid vom 21. März 2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Daraufhin hat die Klägerin am 19. April 2006 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, um ihr Begehren weiterzuverfolgen. Sie
hat weitere Atteste ihres Hausarztes Dr. B vom 30. Mai 2006, vom 12. Februar 2007, vom 21. Februar 2007 mit anliegender Ablichtung
eines vom 9. Februar 2007 datierenden Berichts über eine am Vortag durchgeführte Magnetresonanztomographie der Halswirbelsäule,
vom 24. August 2007, vom 22. Oktober 2007, dem ein Aufsatz von Prof. Dr. F zum Krankheitsbild der Fibromyalgie beigefügt war,
und vom 15. November 2007 zu den Akten gereicht.
Das Sozialgericht hat Befundberichte des Allgemeinmediziners Dr. B vom 16. Mai 2006, der Fachärztin für Nervenheilkunde I
vom 4. Dezember 2006, des Neurochirurgen Dr. Z vom 4. Dezember 2006, des Orthopäden Dr. K vom 15. Dezember 2006, dem an noch
nicht bekannten medizinischen Unterlagen ein Befundbericht der Neurologin S vom 10. September 2006 in Ablichtung beilag, und
schließlich des psychologischen Psychotherapeuten N von Kügelgen vom 3. Januar 2007 eingeholt.
Aus der beim Landesamt für Gesundheit und Soziales, Versorgungsamt, bezüglich der Klägerin geführten Akte hat das Gericht
ein von Dr. B unter dem 4. Juni 2006 erstelltes ärztliches Attest zur Vorlage beim Versorgungsamt, ein unter dem 7. Juni 2006
von dem Internisten Dr. S erstelltes Gutachten und Laborbefunde vom 5. September 2005 abgelichtet und zu den Gerichtsakten
genommen. Ein von Dr. S, ärztlicher Dienst der Agentur für Arbeit Berlin-Süd, unter dem 6. November 2006 für das JobCenter
Tempelhof-Schöneberg erstelltes Gutachten nach Aktenlage ist in Ablichtung beigezogen und zu den Akten genommen worden.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat der Arzt für Orthopädie, Rheumatologie, Handchirurgie und physikalische Medizin Prof.
Dr. S die Klägerin am 29. Juni 2007 untersucht und unter dem 24. Juli 2007 ein Sachverständigengutachten erstellt. Darin heißt
es, auf orthopädisch-rheumatologischem Fachgebiet bestünden degenerative Umformungen, insbesondere der Bandscheiben im Bereich
der Hals- und Lendenwirbelsäule mit geringgradigen Nervenwurzelreizerscheinungen. Es liege eine beginnende Rotatorenmanschettenerkrankung
der linken Schulter vor und eine Fibromyalgie. Schließlich bestehe ein funktionell unbedeutendes Überbein am Handgelenk. Die
Klägerin könne auch unter Berücksichtigung dieser gesundheitlichen Störungen noch über die volle übliche Arbeitszeit von mindestens
acht Stunden täglich regelmäßig leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen ohne Einfluss von extremer Kälte, Feuchtigkeit oder
Zugluft verrichten. Sie könne in allen Haltungsarten arbeiten, wobei eine der Haltungsarten auch überwiegen könne; ein gelegentlicher
Wechsel sei erforderlich. Wegen des Weichteilrheumatismus' solle sie nicht in Früh-, Spät- oder Nachtschichten, sondern nur
in Tagschichten arbeiten. Auf Leitern und Gerüsten könne sie nicht mehr tätig sein. Die Belastbarkeit der Wirbelsäule sei
geringgradig herabgesetzt. Die festgestellten Leiden schränkten die Klägerin nicht in der Ausübung geistiger Tätigkeiten ein.
Uneingeschränkt sei auch die Wegefähigkeit. Die üblichen Pausen reichten aus. Die festgestellten qualitativen Einschränkungen
des Leistungsvermögens bestünden seit der Rentenantragstellung; eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes sei nicht
erkennbar, eine wesentliche Besserung des Krankheitsbildes nicht zu erwarten.
Ebenfalls auf Veranlassung des Sozialgerichts hat der Neurologe und Psychiater Dr. van H die Klägerin am 26. September 2007
untersucht und unter dem 30. September 2007 ein weiteres Sachverständigengutachten erstellt. Darin heißt es zusammenfassend,
es bestünden auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eine Migräne, eine Wurzelirritation bei L5/S1 bei spinaler Stenosierung
bei L4/L5, eine mittelschwere somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymie sowie ein Agoraphobie. Dabei seien die therapeutischen
Möglichkeiten zur Behandlung der Migräne, der depressiven Störung und der Agoraphobie nicht ausgeschöpft. Eine verhaltenstherapeutische
Behandlung der agoraphoben Störung sei noch nicht begonnen worden; auch sei kein stationäres Heilverfahren durchgeführt worden.
Hingegen erfolge die Behandlung der somatoformen Schmerzstörung lege artis in einer Kombination einer psychiatrisch-psychotherapeutischen
orthopädisch-hausärztlichen Behandlung. Auch in der Kombination dieser Erkrankungen ergäben sich aus nervenärztlicher Sicht
bezüglich des Leistungsvermögens deutliche qualitative, jedoch keine quantitativen Einschränkungen. Die Klägerin könne noch
körperlich leichte Arbeiten verrichten. Diese sollten in geschlossenen Räumen oder im Freien ohne Einfluss von Hitze, Kälte,
Zugluft, Staub und Feuchtigkeit stattfinden. Der Wechsel der Haltungsarten müsse spontan und jederzeit vornehmbar sein. Arbeiten
mit einseitiger körperlicher Belastung, festgelegtem Arbeitsrhythmus und unter Zeitdruck seien ebenso wenig möglich wie das
Heben und Tragen von Lasten über 5 kg. Im Wechsel von Früh- und Spätschicht könne die Klägerin arbeiten, in Nachtschicht jedoch
nicht mehr. Kurzzeitig und gelegentlich könne sie auf Leitern und Gerüsten arbeiten. Die Belastbarkeit der Wirbelsäule, der
Arme und der Beine sei herabgesetzt. In der Ausübung geistiger Arbeiten beschränkten die festgestellten Leiden die Klägerin
nicht. Sie sei zwar in der Lage, viermal täglich einen Fußweg von mehr als 500 m in 20 min zurückzulegen, sie könne jedoch
derzeit nicht zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Eine Begleitperson sei nicht erforderlich. Die Leistungseinschränkungen
seien auf die Schmerzerkrankung, die depressive Erkrankung und die Agoraphobie zurückzuführen. Das Leistungsvermögen habe
sich seit der Rentenantragstellung nicht geändert. Es bestehe die begründete Aussicht, dass die Leistungsminderung zumindest
teilweise behoben werden könne. Möglich seien eine Intensivierung der medikamentösen Behandlung sowie eine Intensivierung
der verhaltenstherapeutisch-nervenärztlichen Behandlung und die Durchführung eines Rehabilitationsverfahrens.
Auf Bitte des Sozialgerichts hat der Sachverständige Dr. von H Einwände gegen sein Gutachten gewürdigt und ergänzend Stellung
genommen. Dabei hat er zur Frage der Wegefähigkeit ausgeführt, dass die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel der Klägerin
auch unter zumutbarer Willensanstrengung aufgrund der agoraphoben Symptomatik ohne eine verhaltenstherapeutische Bearbeitung
des Problems nicht möglich sei. Grundsätzlich reiche ein Zeitraum von sechs Monaten aus, um eine agoraphobe Symptomatik zumindest
deutlich zu bessern.
Mit Gerichtsbescheid vom 29. August 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt,
die Gesamtbeurteilung habe ergeben, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig leistungsfähig sei. Zwar
sei die Wegefähigkeit derzeit eingeschränkt. Da die auf die agoraphobe Symptomatik zurückzuführende Problematik jedoch grundsätzlich
innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten gut therapierbar sei, liege keine andauernde, nämlich einen Zeitraum von sechs
Monaten überdauernde, relevante Beeinträchtigung vor. Auch bestehe bei der Klägerin diesbezüglich offenbar kein erheblicher
Leidensdruck, denn eine adäquate Therapie sei bislang nicht durchgeführt worden.
Gegen den ihr am 4. September 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 24. September 2008 Berufung eingelegt.
Sie hat ein ärztliches Attest des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. B vom 3. Juni 2010 und einen an diesen gerichteten
Arztbrief der Internisten Dr. H, Dr. R und M vom 19. Mai 2010 in Ablichtung zu den Akten gereicht.
Unter dem 2. März 2009 hat sich der behandelnde psychologische Psychotherapeut N von Kügelgen an das Gericht gewandt und mitgeteilt,
dass die psychische Situation der Klägerin sich seiner Einschätzung nach in den vergangenen Wochen verschlechtert habe. Seinem
Schreiben hat er vom 10. Juli 2007 und vom 5. Februar 2008 datierende Berichte über den Verlauf der Behandlung der Klägerin
in Ablichtung beigefügt. Unter dem 17. März 2009 hat der Psychologe einen Befundbericht erstellt.
Auf Veranlassung des Gerichts hat der Psychiater und Psychotherapeut Dr. B die Klägerin am 12. Juni 2009 untersucht und unter
demselben Datum ein Gutachten erstellt. Darin diagnostiziert er eine neurotische Entwicklung, eine zunehmend neurotische Depression
in dysthymer, schmerzbetonender und zeitweise vermeidender symptomatischer Ausprägung, im psychopathologischen Querschnittsbild
als Dysthymia und anhaltende somatoforme Schmerzstörung zu klassifizieren. Unter Auslassung der Fibromyalgie bleibe bezogen
auf die körperlichen Leiden und Beeinträchtigungen das Gutachten des Orthopäden und Rheumatologen Prof. Dr. S vom September
2007 gültig. Bei der festgestellten psychischen Störung handele es sich um eine frühe Störung der Erlebnisverarbeitung. Die
Klägerin dramatisiere im Vortrag etwas, ohne in körperlicher Untersuchung bedeutsam zu aggravieren. Die dem Bewusstsein nicht
entzogene Fehlhaltung sei nicht durch ärztliche Intervention allein, wohl aber mit zumutbarer Willensanstrengung zu überwinden.
Dabei sei die Vorenthaltung der Rente von wesentlicher Bedeutung. Es gehe auch um den Verzicht auf - zuletzt bitteren - Krankheitsgewinn.
Eine gesundheitliche Belastung sei im Fall der Arbeitsaufnahme nicht zu erwarten. Arbeitete die Klägerin noch, so geschähe
dies nicht auf Kosten ihrer Gesundheit. Sie könne, ohne auf Kosten ihrer Gesundheit zu arbeiten, täglich regelmäßig noch körperlich
leichte bis mittelschwere Arbeiten unter insofern geschützten Witterungsbedingungen verrichten, als sie sich vor nasskalter
Witterung und Zugluft schützen können sollte. Das Heben und Tragen sei auf leichte bis mittelschwere Lasten zu begrenzen.
Diese Arbeiten könne die Klägerin im Stehen, Gehen und Sitzen verrichten. Ein Wechsel der Haltungsarten sei ergonomisch günstig,
ohne als definierte Bedingung formuliert werden zu können. Zu meiden seien Arbeiten auf hohen Leitern und Gerüsten, dabei
sei weder an Haushalts- noch Regalleitern gedacht. An einseitigen körperlichen Belastungen seien Überkopfarbeiten zu vermeiden.
Einschränkungen der Belastbarkeit von Wirbelsäule und Extremitäten seien durch Gewichtsbegrenzung und den Ausschluss einseitiger
körperlicher Belastungen angemessen berücksichtigt. Für eine Übergangszeit seien ausgesprochen stressbelastete Arbeiten unter
Zeitdruck, im Akkord und maschinengetaktet am Fließband überfordernd. Ein sonst üblicher Arbeitsrhythmus sei gut zu leisten.
Von Arbeiten in Nachtschicht sei abzuraten; in Wechselschicht könne die Klägerin arbeiten. In der Ausübung geistiger Tätigkeiten
sei die Klägerin - unter Berücksichtigung ihres Ausbildungsniveaus - nicht beschränkt. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.
Die üblichen Pausenregelungen reichten aus. Die Einschränkungen bestünden unverändert seit Antragstellung. Eine quantitative
Einschränkung sei nicht zu erkennen und auch nicht zu erkennen gewesen. Der hier zur Beurteilung stehende sozialmedizinische
Verlauf sei ausgelöst durch den Verlust des Arbeitsplatzes im Jahr 2004, nicht durch neu aufgetretene Krankheiten.
Nachdem die Klägerin Einwände gegen das Gutachten erhoben hatte, hat der Sachverständige Dr. B unter dem 29. Oktober 2009
ergänzend gutachterlich Stellung genommen. Dabei hat er insbesondere zur Wegefähigkeit, zur Migräne, zur Fibromyalgie und
zur somatoformen Schmerzstörung weitere Ausführungen gemacht. Zusammenfassend hat er sein Gutachten nach kritischer Gewichtung
der Einwände uneingeschränkt in seiner Gültigkeit aufrechterhalten.
Nachdem die Klägerin nochmals Einwände erhoben hatte, hat der Sachverständige unter dem 17. Februar 2010 eine zweite ergänzende
gutachterliche Stellungnahme abgegeben und mitgeteilt, dass die Auseinandersetzung mit den von der Klägerin bezogenen theoretischen
Positionen über den konkreten Fall hinausgehende Erörterungen erforderlich gemacht hätten. Zusammenfassend sei zu sagen, dass
ihre Argumente im Ergebnis nicht stichhaltig seien, so dass auch eine andere als die im Gutachten mitgeteilte Beurteilung
nicht erfolgen könne.
Die Klägerin, die die Leistungsbeurteilung von Dr. B für unzutreffend und weitere Ermittlungen für erforderlich hält, beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. August 2008 sowie den Bescheid vom 7. Februar 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 21. März 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr ab dem 1. Dezember 2005 Rente wegen
voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und sieht ihre Auffassung durch die Ergebnisse der im Laufe des
Verfahrens angestellten medizinischen Ermittlungen, insbesondere der Sachverständigengutachten, bestätigt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (VSNR) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, insbesondere ist sie statthaft und form- und fristgerecht erhoben (§
143 und
151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen, denn einen Anspruch auf
die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat die Klägerin nicht; zu Recht hat die Beklagte ihren darauf gerichteten
Antrag abgelehnt und den Widerspruch zurückgewiesen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt die Klägerin nicht. Anspruch auf eine derartige
Rente besteht nach §
43 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) für Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten
fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit
haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte,
die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI); voll erwerbsgemindert sind nach §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI diejenigen, die nicht mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein können.
Zwar sind hier, wovon die Beklagte zutreffend ausgegangen ist, die für die Rentengewährung nach §
43 Abs.
2 Satz 1 Nrn 2 und 3
SGB VI erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Die Klägerin ist aber nicht erwerbsgemindert, denn sie ist
noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig
zu sein (§
43 Abs.
3 SGB VI).
Die Gesundheit der Klägerin ist, wie sich aus den vorliegenden zahlreichen medizinischen Unterlagen, insbesondere den Befundberichten
der behandelnden Ärzte und den Sachverständigengutachten ergibt, insbesondere beeinträchtigt durch eine psychische Störung
in Form einer Dysthymie und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie degenerative Veränderungen im Bereich des Skelettsystems.
Dabei steht die anhaltende psychische Problematik deutlich im Vordergrund. Bereits in dem nach der Rentenantragstellung Anfang
des Jahres 2006 erstellten Gutachten des Orthopäden Dr. R heißt es, es bestehe der Verdacht auf eine Somatisierungsstörung.
Der Arzt für Orthopädie, Rheumatologie, Handchirurgie und physikalische Medizin Prof. Dr. S stellt in seinem Gutachten vom
Juli 2007 fest, der Verdacht auf eine Somatisierungsstörung könne aus orthopädischer Sicht nicht eindeutig bejaht werde, es
müsse aber von einer Fibromyalgie ausgegangen werden. Diese Einschätzung bestätigt sich im weiteren Verlauf des Verfahrens
nicht. Vielmehr erhärtet sich in dem Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. van H, der im September 2007 die Diagnosen
einer mittelschweren somatoformen Schmerzstörung, einer Dysthymie und einer Agoraphobie stellt, der von Dr. R geäußerte Verdacht
auf eine Somatisierungsstörung. Dr. Bresser schließlich bestätigt die von Dr. van H gestellten Diagnosen und erläutert, dass
und warum die Diagnose einer Fibromyalgie nicht zutrifft. Die von Dr. van H gestellte Diagnose einer Agoraphobie liegt, so
erläutert er in der ersten ergänzenden Stellungnahme zu seinem Gutachten, nicht vor. Angst vor weiten, offenen Räumen hatte
die Klägerin weder bei ihm noch bei den vor ihm tätig gewordenen Sachverständigen geäußert. Die von Dr. van H gestellte Diagnose
mag auf einer Begriffsverwechslung beruhen. Letztlich kann dies dahinstehen, denn auch über klaustrophobische Zustände wird
weder glaubhaft noch in einer möglicherweise für das Verfahren bedeutsamen Schwere und Dauerhaftigkeit berichtet. Die im Bereich
der Wirbelsäule und der Extremitäten vorliegenden degenerativen Veränderungen schließlich haben, wie ihr Vortrag zeigt, auch
für die Klägerin selbst nur untergeordnete Bedeutung. Ob die geklagten Kopfschmerzen als Migräne oder als Spannungskopfschmerzen
anzusehen sind, kann dahinstehen, denn im Rahmen eines auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gerichteten Verfahrens
spielt die Klassifizierung einer Erkrankung keine Rolle. Entscheidend ist allein, ob und ggf. in welcher Art und in welchem
Ausmaß sie das Leistungsvermögen einschränkt. Die diesbezüglichen Ausführungen von Dr. B in seiner Stellungnahme vom 29. Oktober
2009 teilt der Senat uneingeschränkt.
Das Leistungsvermögen der Klägerin ist durch die gesundheitlichen Störungen in der von den Sachverständigen nahezu gleich
beschriebenen Weise eingeschränkt. In schlüssiger und nachvollziehbarer Weise stellen die Gutachter, insbesondere der Orthopäde
und Rheumatologe Prof. Dr. S, dar, dass es wegen der Verschleißerscheinungen insbesondere der Bandscheiben im Bereich der
Hals- und Lendenwirbelsäule und einer beginnenden Erkrankung des linken Schultergelenks beschränkt ist auf die Verrichtung
körperlich leichter Arbeiten in vorzugsweise wechselnder Körperhaltung. Wirbelsäulen- und gelenkbelastende Tätigkeiten, Haltungen
und Einflüsse müsse die Klägerin, so führen sie aus, meiden. Wegen der Dysthymie und der somatoformen Schmerzstörung solle
sie - allerdings nur für eine Übergangszeit - nicht unter besonderem Stress und Zeitdruck und möglichst auch nicht in Nachtschicht
arbeiten. Die Kopfschmerzen sind, davon ist der Senat überzeugt, von Dr. B zu Recht als nicht rentenrelevant beurteilt worden.
Weder sind sie dauerhaft noch beeinträchtigen sie das Leistungsvermögen in bedeutsamer Weise. Bei der Untersuchung durch den
Sachverständigen gab die Klägerin eine aktuelle Schmerzintensität von 85% an, zeigte sich aber nicht beeinträchtigt. Alle
als Gutachter tätig gewordenen Ärzte haben der Klägerin ein in quantitativer Hinsicht uneingeschränktes Leistungsvermögen
attestiert. Sie braucht nach der übereinstimmenden Auffassung aller Sachverständigen keine zusätzlichen, betriebsunüblichen
Pausen; ihre Wegefähigkeit ist erhalten. Soweit Dr. van H in seinem Gutachten insoweit Einschränkungen gemacht hatte, hat
er diese in seiner zweiten ergänzenden Stellungnahme relativiert, indem er ausgeführt hat, eine agoraphobe Störung sei grundsätzlich
in einem Zeitraum von sechs Monaten so weit behandelbar, dass die Symptomatik zumindest deutlich gebessert sei. Dem Ergebnis
der nach Auffassung des Senats schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren tätig
gewordenen Sachverständigen und insbesondere der durch die Sachverständigen erfolgten Leistungsbeurteilung schließt der Senat
sich aus eigener Überzeugung an.
Ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung folgt hier auch nicht daraus, dass aufgrund einer
Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder des Vorliegens einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung eine
konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen wäre, die Beklagte aber keine benannt hat und auch keine ersichtlich ist. Hinweise
darauf, dass ein Fall der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder des Vorliegens einer schweren spezifischen
Leistungsbehinderung vorliegen könnte, finden sich hier nicht.
Auch dem Hilfsantrag der Klägerin ist kein Erfolg beschieden, denn sie hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente
wegen teilweiser Erwerbsminderung. Erwerbsgemindert ist nämlich nach §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein
kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Dies ist hier, wobei auf die obigen Ausführungen
verwiesen werden kann, der Fall. Zum einen kann die Klägerin noch vollschichtig tätig sein, zum anderen kann sie dies unter
den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, so etwa in ihrem bisherigen Beruf.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in §
193 SGG und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in §
160 Abs.
1 Nrn 1 und 2
SGG genannten Gründe vorliegt.