Tatbestand:
Die beklagte Trägerin der Rentenversicherung und Berufungsklägerin wendet sich gegen ein Urteil des Sozialgerichts, durch
welches sie verpflichtet wurde, die Zeit vom 31. Januar 1986 bis zum 25. Juli 1989 als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit
des Klägers in der DDR vorzumerken.
Der im Jahr 1948 geborene Kläger und Berufungsbeklagte lebte bis zu seiner Übersiedlung im Juli 1989 in der DDR. Er absolvierte
von September 1962 bis August 1966 eine Ausbildung als Werkzeugmacher, von September 1968 bis September 1970 eine Ausbildung
als Gebrauchswerber (Schauwerbegestalter). Von September 1966 bis Mai 1968 studierte er an der TH M "Ausrüstungen der Metallurgie"
und brach das Studium ohne Abschluss ab. Er hat zwei 1969 und 1970 geborene Kinder mit seiner geschiedenen Ehefrau M J. Im
September 1986 hat er seine jetzige Ehefrau B G (geb. B) geheiratet.
Der Kläger beantragte am 27. April 1998 eine Kontenklärung bei der Beklagten. Dabei gab er unter anderem an, dass er vom 31.
Januar 1986 bis zum 25. Juli 1989 nach Stellung eines Ausreiseantrags arbeitslos gewesen sei. Mit Bescheid vom 22. Oktober
1999 stellte die Beklagte gemäß §
149 Abs.
4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) die im beigefügten Versicherungsverlauf festgestellten Zeiten fest. Als letzte in der DDR zurückgelegte Beschäftigungszeit
findet sich in der Anlage 2 der Zeitraum vom 11. bis 30. Januar 1986 als Arbeitsausfalltage, die Zeit danach wurde nicht als
Anrechnungszeit berücksichtigt.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 28. Oktober 1999 Widerspruch ein. Er sei arbeitslos geworden, nachdem er seinen
Ausreiseantrag gestellt habe. Trotz intensiver Bemühungen habe er keine neue Beschäftigung gefunden. Daher müssten diese Zeit
als Anrechnungszeit berücksichtigt werden. Außerdem habe die Beklagte für die Zeit von Juni 1973 bis März 1974, während derer
er als Werbeleiter im Zentralen Klub der Jugend Magdeburg gearbeitet habe, zu geringe Verdienste berücksichtigt.
Die Beklagte zog daraufhin unter anderem den Verwaltungsvorgang des Landesamtes für Gesundheit und Soziales betreffend das
Verwaltungsverfahren nach dem Bundesvertriebenengesetz bei. Daraus ergab sich, dass der Kläger im Rahmen des Notaufnahmeverfahrens als Übersiedler im Jahr 1989 angegeben hatte,
erstmals am 25. Januar 1986 bei DDR-Behörden einen Antrag auf Übersiedlung gestellt zu haben. Ferner hatte er angegeben, dass
er vor der Übersiedlung von Januar bis Mai 1984 ein "Nettomonatsgehalt" in Höhe von 1.300,- M als selbständiger Grafiker,
von Juni 1984 bis Januar 1986 in Höhe von 900,- M als Grafiker beim Maxim-Gorki-Theater und von Februar 1986 bis Juli 1989
in Höhe von 850,- M als selbständiger Grafiker und Siebdrucker erzielt habe. Zur Begründung seiner Übersiedlung führte er
damals an, dass er und seine Ehefrau B G jede Form der Diktatur und des Missbrauchs staatlicher Gewalt zur Durchsetzung von
Ideologien, wirtschaftlichen und politischen Zielen ablehnten. Aufgrund der Rechtslage in der DDR hätten sie keine Möglichkeit
zur effektiven Opposition gehabt. Bereits die Nichtanpassung an die geforderte "sozialistische" Norm habe sie in ihrer beruflichen
und persönlichen Existenz benachteiligt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Soweit der Kläger geltend mache, dass
er während seiner Tätigkeit als Werbeleiter im Zentralen Klub der Jugend in Magdeburg mehr verdient habe, als im Sozialversicherungsausweis
eingetragen sei, hätten sich hierfür trotz intensiver Recherchen keine Nachweise gefunden. Die Zeit von Februar 1986 bis Juli
1989 könne nicht als Zeit der Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden. Der Kläger habe selbst im Notaufnahmeantrag im Rahmen
der Übersiedlung angegeben, monatlich 850,- M als selbständiger Grafiker verdient zu haben. Als Selbständiger sei er während
dieser Zeit jedoch nicht subjektiv und objektiv im Sinne der Arbeitslosenversicherung (West) arbeitslos gewesen.
Durch Bescheid vom 17. Dezember 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Februar 2008 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit
oder nach Altersteilzeitarbeit in Höhe von 329,41 EUR (Zahlbetrag: 298,62 EUR) monatlich auf der Grundlage von 12,5393 persönlichen
Entgeltpunkten als Vorschuss gemäß §
42 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I). Die Rentenfestsetzung erfolgte ausdrücklich zunächst ohne Berücksichtigung des im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen
Zeitraums vom 31. Januar1986 bis 25. Juli 1989.
Am 21. Juni 2004 hat der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid Klage erhoben. Er hat sich gegen die Nichtberücksichtigung
der Zeit von Februar 1986 bis Juli 1989 als Zeit der Arbeitslosigkeit gewendet und die Berücksichtigung eines höheren Einkommens
während seiner Tätigkeit beim Zentralen Klub der Jugend gefordert. Im Notaufnahmeantrag sei er lediglich nach Selbständigkeit
gefragt worden, nicht aber ob er haupt- oder nebenberuflich selbständig war. Er habe zum damaligen Zeitpunkt keine Kenntnisse
der einschlägigen Regelungen der Bundesrepublik Deutschland gehabt. So habe er etwa nicht gewusst, dass man auch bei einer
Beschäftigung von weniger als achtzehn Stunden in der Woche noch arbeitslos sei, wenn man gleichzeitig eine Beschäftigung
als Angestellter suche. Ferner habe er irrtümlich als Einkommen für seine selbständige Tätigkeit nicht den Gewinn, sondern
seinen Umsatz angegeben. Der Kläger hat eine Erklärung seiner Ehefrau B G eingereicht, in der diese bekundet, dass er sich
von Februar 1986 bis Juli 1989 intensiv um eine Arbeit bemüht, aber keine gefunden habe. Durch Gelegenheitsarbeiten mit einem
Umfang von etwa 10 Stunden und einem Einkommen von circa 100,- M pro Woche habe er zum Haushaltseinkommen beigetragen.
In einem Erörterungstermin am 24. Juni 2005 vor dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger angegeben, dass er nach Stellen seines
Ausreiseantrags zum Intendanten des Maxim-Gorki-Theaters gerufen worden sei und auf dessen Veranlassung den Aufhebungsvertrag
unterschrieben habe. Während seiner Arbeitslosigkeit sei er insgesamt drei Mal beim Arbeitsamt gewesen und habe sich jeweils
beworben. Er habe dort Arbeitsangebote erhalten und die Stasi habe ihm ebenfalls offene Arbeitsstellen benannt. Jedoch habe
wegen seines Ausreiseantrags kein Arbeitgeber ihn anstellen wollen, weil er ja womöglich bald ausgereist wäre. Er habe anschließend
von seinen Ersparnissen und zunächst noch vom Einkommen seiner Ehefrau gelebt. Aus seiner Tätigkeit als Grafiker habe er monatlich
etwa 400,- M erzielt, anfangs mehr, später weniger. Er habe vor allem T-Shirts bedruckt, welche auf Märkten verkauft worden
seien.
Durch Urteil vom 10. Februar 2006 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide
verpflichtet, die Zeit vom 31. Januar 1986 bis zum 25. Juli 1989 als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit vorzumerken, und
im Übrigen die Klage abgewiesen. Nach §
252 a Abs.
1 S. 1 Nr.
3 SGB VI seien Anrechnungszeiten im Beitrittsgebiet auch Zeiten zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 1. März 1990, während derer Versicherte
arbeitslos gewesen seien. Entgegen der Auffassung der Beklagten handele es sich bei dem Zeitraum vom 31. Januar 1986 bis zum
25. Juli 1989 um Zeiten der Arbeitslosigkeit des Klägers, welche nach §
149 Abs.
5 SGB VI festzustellen seien. Der Kläger sei während dieser Zeit unfreiwillig ohne Arbeit, arbeitswillig und -fähig gewesen. Er sei
auch subjektiv bereit gewesen, jede zumutbare Tätigkeit zum nächstmöglichen Termin aufzunehmen. Sofern die Beklagte sich darauf
stütze, dass er während dieser Zeit selbständig tätig gewesen sei, treffe dies nicht zu. Er habe nur als ungenehmigte Tätigkeit
Grafiken und Druckarbeiten angefertigt und glaubhaft versichert, dass dies keinen Umfang von mehr als 18 Stunden eingenommen
habe. Er habe ebenso nachvollziehbar dargelegt, dass er sich in dem Zeitraum um Arbeit bemüht, jedoch wegen seines Ausreiseantrags
keine gefunden habe. Zu berücksichtigen sei dabei, dass die Regelung des §
252 a SGB VI gerade die Fälle von Arbeitslosigkeit habe erfassen sollen, die es offiziell wegen des in der DDR garantierten "Rechts auf
Arbeit" nicht gegeben habe, die jedoch gleichwohl bei der Stellung eines Ausreiseantrags hätten entstehen können. Zwischen
dem Ausreiseantrag und der Arbeitslosigkeit habe ein enger zeitlicher Zusammenhang bestanden. Die Angaben im Protokoll des
Rates des Stadtbezirks Friedrichshain vom 5. März 1986, der Kläger habe seine Arbeit durch Aufhebungsvertrag selbst aufgegeben,
stünden der Annahme einer unfreiwilligen Arbeitslosigkeit nicht entgegen. Daraus könne insbesondere nicht gefolgert werden,
dass der Kläger sich freiwillig aus dem Arbeitsleben zurückgezogen und sich nicht mehr um eine neue Beschäftigung bemüht habe.
Die Kammer sei vielmehr überzeugt, dass der Kläger seine Arbeitsstelle im Zusammenhang mit dem Ausreiseantrag verloren und
deshalb auch keine neue Arbeit gefunden habe. Soweit der Kläger die Vormerkung höherer Arbeitsentgelte für den Zeitraum vom
6. Juni 1973 bis zum 14. März 1974 begehre, sei die Klage abzuweisen gewesen. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass der
Kläger während dieser Zeit mehr verdient habe als in seinem Sozialversicherungsausweis eingetragen sei.
Gegen das ihr am 7. März 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. April 2006 Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil
insoweit aufzuheben, als sie verpflichtet worden ist, die Zeit vom 31. Januar 1986 bis zum 25. Juli 1989 als Anrechnungszeit
wegen Arbeitslosigkeit vorzumerken. Bei der Frage, ob jemand im Sinne von §
252 a Abs.
1 S. 1 Nr.
3 SGB VI arbeitslos gewesen sei, komme es auf die Verhältnisse des Einzelfalles an. Nach §
252 a Abs.
1 S. 3
SGB VI seien in den Fällen der Arbeitslosigkeit auch die Voraussetzungen von §
252 Abs.
7 SGB VI zu prüfen. Demgemäß sei nur derjenige im Sinne von §
252 a Abs.
1 S. 1 Nr.
3 SGB VI arbeitslos gewesen, der in entsprechender Anwendung der jeweiligen in der Bundesrepublik geltenden Regelungen über die Arbeitslosenversicherung
nicht abhängig beschäftigt oder selbständig tätig gewesen sei sowie eine Arbeit gesucht habe und objektiv zur Ausübung einer
Beschäftigung imstande gewesen sei. Nach seinen ersten Angaben vom 18. Juni 2004 habe sich der Kläger während seiner 42 Monate
andauernden Arbeitslosigkeit bei acht Arbeitgebern um Arbeit bemüht. Später habe er behauptet, sich bei etwa 30 Arbeitgebern
vorgestellt zu haben. Diese erhebliche Differenz sei vom Gericht nicht aufgeklärt worden. Nachweise über seine Arbeitsbemühungen
seien nicht vorgelegt worden, aus der "Stasi-Akte" ergebe sich ebenfalls nichts. Im Notaufnahmeverfahren habe er angegeben,
ab Februar 1986 bis zur Übersiedlung als Grafiker und Siebdrucker selbständig gewesen zu sein und hieraus ein monatliches
Einkommen von 850,- M erzielt zu haben. Diese Angaben habe er im Erörterungstermin dann auf 400,- M verringert, am Anfang
habe er mehr, später weniger verdient. Zum zeitlichen Umfang habe der Kläger keine Angaben gemacht. Gemäß § 101 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) habe bei Selbständigen Arbeitslosigkeit vorgelegen, wenn eine Tätigkeit ausgeübt worden sei, welche die Grenze des §
8 Abs.
1 SGB IV nicht überschritten habe. Nach der von 1983 bis 1991 gültigen Fassung von §
8 Abs.
1 SGB IV habe eine geringfügige Beschäftigung vorgelegen, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als 15 Stunden die Woche ausgeübt
worden sei und das Arbeitsentgelt regelmäßig ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nicht überstiegen habe. Eine Bezugsgröße
sei zwar in der DDR nicht festgesetzt worden. Hilfsweise könne aber etwa §
248 Abs.
3 Nr.
3 SGB VI i. V. m. der Anlage 11 zum
SGB VI herangezogen werden. Danach seien freiwillige Beiträge ab einem Monatsgehalt von rund 75,- M zu berücksichtigen, was einem
Sozialversicherungsbeitrag von monatlich 15,- M entsprochen habe. Ebenso könne eine fiktive Bezugsgröße gebildet werden. Die
Bezugsgröße sei 1986 und 1989 jeweils auf etwa 50 v. H. der Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt worden. Die Beitragsbemessungsgrenze
habe in der DDR bei 600,- M gelegen, die Hälfte seien 300,- M, ein Siebtel hiervon sei 42,86 M. Ab dem 1. Januar 1991 habe
die Geringfügigkeitsgrenze im Beitrittsgebiet bei 225,- DM gelegen. Ein monatliches Einkommen von 400,- M stehe so der Annahme
einer geringfügigen Beschäftigung entgegen. Da der Kläger seine selbständige Tätigkeit nicht angemeldet und keine Steuern
bezahlt habe, lasse sich nicht nachvollziehen, welche Höhe seine Einkünfte gehabt hätten. Sofern der Kläger infolge seines
Ausreiseantrags seine Arbeit verloren habe, liege im Übrigen ein Fall nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (
BerRehaG) vor. Dieses Verfahren sei vorrangig zu betreiben, der Kläger sei hierzu bereits mit Schreiben vom 18. März 2003 aufgefordert
worden.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Februar 2006 hinsichtlich der Verurteilung, die Zeit vom 31. Januar 1986 bis
zum 25. Juli 1989 als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit vorzumerken, aufzuheben und die Klage vollständig abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er habe bereits in seiner Klagebegründung angegeben, dass er sich "u. a." bei acht namentlich genannten Arbeitgebern vorgestellt
habe, insoweit bestehe kein Widerspruch zu der später genannten Zahl von 30 Arbeitgebern. Die von ihm benannten Arbeitgeber
seien diejenigen gewesen, bei denen er sich die höchste Erfolgsaussicht ausgerechnet habe. Wenn schon diese Arbeitgeber ihn
aus Angst vor Repressionen nicht anstellen wollten, hätte eine Bewerbung bei anderen Arbeitgebern erst Recht keinen Sinn gehabt.
Soweit er im Notaufnahmeverfahren nach seiner Übersiedlung zunächst einen höheren Verdienst aus seiner selbständigen Tätigkeit
angegeben habe, sei dies darauf zurückzuführen, dass ihm der Unterschied zwischen "Umsatz" und "Gewinn aus Einnahme-Überschuss-Abrechnung"
(noch) nicht geläufig gewesen sei. Er habe aufgrund seines Ausreiseantrages seine Arbeit verloren. Eine neue zu finden, sei
ihm unmöglich gewesen, da potentielle Arbeitgeber mit Repressionen zu rechnen hatten.
Der Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie derjenige des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin betreffend das Verwaltungsverfahren
nach dem Bundesvertriebenengesetz haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten
wird auf diese sowie den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie ist nach §
143 SGG statthaft, innerhalb der Frist des §
151 Abs.
1 SGG eingelegt und auch begründet. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Beklagte dem Kläger inzwischen durch Bescheid
vom 17. Dezember 2007 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bewilligt und darin die bei der Rentenfeststellung zu berücksichtigenden
Zeiten festgesetzt hat. Denn die Beklagte hat in diesem Bescheid ausdrücklich die hier streitgegenständliche Zeit unter Verweis
auf das laufende Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahren ausgenommen und nur Leistungen als Vorschuss bewilligt.
Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, die Zeit vom 31. Januar 1986 bis zum 25. Juli 1989 als Anrechnungszeit
wegen Arbeitslosigkeit vorzumerken. Zur Überzeugung des Senats war der Kläger während dieser Zeit in der DDR selbständig tätig
und nicht arbeitsuchend. Die Beklagte ist nicht nach §
149 Abs.
5 SGB VI i. V. m. §
252 a Abs.
1 S. 1 Nr.
3 SGB VI verpflichtet, diesen Zeitraum als Zeit der Arbeitslosigkeit vorzumerken. Nach §
149 Abs.
5 SGB VI stellt der Versicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und
nicht bereits geklärten Daten durch Bescheid fest. Nach §
252 a Abs.
1 S. 1 Nr.
3 SGB VI sind im Beitrittsgebiet Anrechnungszeiten auch Zeiten nach dem 8. Mai 1945, während derer Versicherte arbeitslos waren. Nach
§
252 a Abs.
1 S. 3
SGB VI gelten für diese Zeiten die Vorschriften über Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit. Da es in der DDR (offiziell) keine
Arbeitslosen gab, gab es auch keine Arbeitslosenversicherung bzw. entsprechende Regelungen. Dementsprechend muss auf die einschlägigen
Regelungen zurückgegriffen werden, welche in der Bundesrepublik Deutschland galten (so etwa LSG Thüringen, Urt. v. 31. März
2003 - L 6 RJ 231/01, juris; Klattenhoff in Hauck/Noftz, §
252 a SGB VI Rn. 22). Nach § 101 AFG (in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 1976 (BGBl. I, 3845)) war arbeitslos, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis
stand oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübte. Ein Arbeitnehmer war hiernach nicht arbeitslos, wenn er eine Tätigkeit
als Selbständiger ausübte, welche die Grenze des § 102 AFG überschritt. Nach § 102 AFG war eine Beschäftigung kurzzeitig, wenn sie der Natur der Sache nach wöchentlich auf weniger als 19 Stunden (so § 102 AFG in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1985, BGBl. I, 2484) bzw. 18 Stunden (so § 102 AFG in der Fassung des Gesetzes vom 14. Dezember 1987, BGBl. I 2602) beschränkt war. Soweit die Beklagte in der Begründung ihrer
Berufung auf den erzielten Verdienst und damit die Geringfügigkeitsgrenze des §
8 Abs.
1 SGB IV abstellt, gehen diese Ausführungen fehl. Hierbei übersieht sie nämlich, dass der Verweis auf §
8 Abs.
1 SGB IV erst durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24. März 1997 (BGBl. I, 594) eingefügt und zuvor streng zwischen Geringfügigkeit
nach §
8 Abs.
1 SGB IV und Kurzzeitigkeit im Sinne von § 102 AFG unterschieden wurde. Im hier interessierenden Zeitraum stellte § 102 AFG allein auf die Dauer der (selbständigen) Tätigkeit ab. Ferner war nach § 103 AFG Voraussetzung, dass der Betreffende der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand, d. h. insbesondere bereit war, jede zumutbare
Beschäftigung anzunehmen, die er annehmen kann und darf.
Der Senat vermochte nicht zu der Überzeugung zu gelangen, dass sich der Kläger nach dem Ende seiner Beschäftigung als angestellter
Graphiker beim Maxim-Gorki-Theater in nennenswertem Umfang um Arbeit bemüht hatte. Aufgrund der Ausführungen des Klägers in
der mündlichen Verhandlung erscheint es dem Senat trotz des ungewöhnlich kurzen zeitlichen Abstands zwischen dem vom Kläger
behaupteten Datum des Ausreiseantrags und dem Aufhebungsvertrag zwar nicht ausgeschlossen, dass er die Arbeitsstelle beim
Maxim-Gorki-Theater gegen seinen Willen verloren hat. Während jedoch die Schilderung der Vorgänge um den Verlust seiner Arbeitsstelle
in der mündlichen Verhandlung detailreich und lebendig waren, erschöpfte sich die Schilderung der Bemühungen um eine Arbeitsstelle
darin, dass er sich dreimal beim Amt für Arbeit gemeldet habe sowie der Wiedergabe seiner Angaben aus der Klageschrift. Auch
in seinem Widerspruch hatte er ursprünglich lediglich mitgeteilt, dass er "trotz intensiver Arbeitssuche" arbeitslos gewesen
sei. Gegen erhebliche Arbeitsbemühungen spricht jedoch der Umstand, dass er schilderte, mit etwa 20 bis 30 M pro Woche ausgekommen
zu sein und mit einer Stunde selbständiger Tätigkeit etwa 10 M verdient zu haben. Selbst sein nunmehr behaupteter Gewinn von
nur etwa 100 M lag erheblich über diesem Bedarf. Zudem verdiente auch die Ehefrau des Klägers anfangs noch und konnte so zum
Unterhalt beitragen. Sein Auskommen und das seiner Frau waren gesichert, zumal der Kläger nach seinen Angaben in der mündlichen
Verhandlung geerbt hatte. Angesichts der erhofften baldigen Ausreise aus der DDR erscheint wenig überzeugend, dass sich der
Kläger intensiv um einen Arbeitsplatz bemüht haben soll.
Der Vertreter der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung zutreffend darauf hingewiesen, dass die Angaben des Klägers
zu seinen Beschäftigungszeiten auch ansonsten widersprüchlich sind. So hatte der Kläger etwa im Notaufnahmeverfahren angegeben,
von Januar bis Mai 1984 selbständig gewesen zu sein und dabei den für DDR-Verhältnisse ungewöhnlich hohen Verdienst von 1.300
M monatlich erzielt zu haben. In der von ihm gefertigten tabellarischen Übersicht über die Beschäftigungszeiten in dem Antrag
auf Kontenklärung hatte er angegeben, während dieser Zeit ebenfalls arbeitslos gewesen zu sein. Hinsichtlich dieses Zeitraums
hatte der Kläger zudem - wie für den hier streitgegenständlichen Zeitraum - in seinem Widerspruchsschreiben vom 28. Oktober
1999 angegeben, dass er "trotz intensiver Arbeitssuche" keine Arbeit habe mehr finden können. Angesichts des ungewöhnlich
hohen Verdienstes erscheint der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht angegebene zeitliche
Umfang von drei Stunden täglich vollkommen unwahrscheinlich, so dass für diesen Zeitraum jedenfalls von einer selbständigen
Beschäftigung im Umfang von mehr als 18 bzw. 19 Stunden pro Woche ausgegangen werden muss. Die Angabe des Klägers, dass er
während dieses Zeitraums im Jahr 1984 arbeitslos im Sinne von § 101 ff. AFG gewesen sei, war daher falsch.
Die Angaben zu seiner selbständigen Tätigkeit waren auch im Übrigen nicht in sich konsistent. Wenngleich die Höhe seines Verdienstes
für die Frage der Arbeitslosigkeit nach den §§ 101 ff. AFG keine unmittelbare Bedeutung besitzt, erlauben die Angaben des Klägers hierzu Rückschlüsse auf die Glaubhaftigkeit seiner
Angaben im Übrigen. So vermochte der Kläger etwa nicht schlüssig darzulegen, wie die Differenz zwischen dem zunächst im Notaufnahmeantrag
angegebenen Einkommen von 850,- M und den später behaupteten 400,- M zustande kam. Nach seinen Äußerungen in der mündlichen
Verhandlung erhielt er die T-Shirts von seinem Vater bzw. seiner Tante kostenfrei aus Berlin (West) bzw. der Bundesrepublik
Deutschland. Steuern brauchte der Kläger auch nicht zu entrichten, da seine Tätigkeit nicht genehmigt war. Die Angaben zum
Preis der sonstigen Materialien - Farbe, Rahmen und Gaze - blieben ungenau. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht
behauptete er dann erstmals, dass mit seinem Vater ein Darlehen vereinbart war und er dies bei der Ermittlung des Gewinns
berücksichtigt habe. Außerdem gab er seinen Umsatz abermals niedriger an, nämlich mit 200 M pro Woche, "wenn es gut lief".
Dies bedeutet, dass der Kläger maximal knapp über 800,- M pro Monat Umsatz erzielte, was weniger ist, als er im Notaufnahmeantrag
angegeben hatte. Der Kläger ist im gerichtlichen Verfahren ersichtlich bemüht, Verdienst und Umfang seiner selbständigen Tätigkeit
den Interessen im vorliegenden Verfahren entsprechend gering zu halten.
Schließlich ist der Senat auch nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger weniger als 18 bzw. 19 Stunden wöchentlich
seiner selbständigen Tätigkeit nachgegangen ist. Vielmehr ist der zeitliche Umfang unklar geblieben. Um von Arbeitslosigkeit
des Klägers im Sinne von § 101 AFG ausgehen zu können, muss jedoch der zeitliche Umfang nachgewiesen sein. Da es sich um ein für den Kläger positives Tatbestandsmerkmal
handelt, geht die Nicht-Erweislichkeit nach den allgemeinen Regeln zu seinen Lasten. Die Angaben des Klägers zum zeitlichen
Umfang blieben jedoch während des gesamten Verfahrens ungenau und arm an Einzelheiten. Zwar erwähnte er, dass er nach Bedarf
in seiner Speisekammer die T-Shirts gedruckt habe. Zum zeitlichen Umfang führte er jedoch lediglich aus, dass "eine Arbeitszeit
von 10 Stunden pro Woche ... schon hoch gegriffen" sei. Nähere Angaben zu den vorbereitenden Arbeiten - insbesondere der Materialbeschaffung
- und zum späteren Verkauf, welchen der Kläger zumindest teilweise selbst besorgt haben will, fehlten völlig. Die Vor- und
Nacharbeiten waren jedoch nach § 102 Abs. 2 AFG ausdrücklich bei der Arbeitszeit zu berücksichtigen. Ein sicheres Bild hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der selbständigen
Tätigkeit des Klägers vermochte der Senat so nicht zu erlangen.
Angesichts der in sich widersprüchlichen Angaben zu Art und Umfang seiner selbständigen Tätigkeit und der detailarmen Schilderung
seiner Arbeitsuche vermochte der Senat weder zu der Überzeugung zu gelangen, dass der Kläger sich ernsthaft um eine Arbeitsstelle
bemüht, noch dass seine selbständige Tätigkeit nachweislich weniger als 18 bzw. 19 Wochenarbeitsstunden umfasst hatte. Da
die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 101 ff. AFG nicht nachgewiesen werden konnten, war bei entsprechender Anwendung der einschlägigen Regelungen des Arbeitsförderungsgesetzes
der Kläger nicht arbeitslos. Der Kläger hat so keinen Anspruch auf die Vormerkung der Zeit vom 31. Januar 1986 bis zum 25.
Juli 1989 als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit. Das entgegenstehende Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben und die
Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf §
193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.