Eingliederungshilfe
Zinsloses Darlehen zur Finanzierung des Erwerbs einer Fahrerlaubnis der Klasse B
Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Gewährung eines zinslosen Darlehens zur Finanzierung des Erwerbs einer Fahrerlaubnis
der Klasse B.
Der 1991 geborene Kläger ist ein schwerbehinderter Mensch und pflegebedürftig; er lebt im selben Haus wie seine Eltern. Das
Hessische Amt für Versorgung und Soziales stellte bei ihm zuletzt wegen einer "Epilepsie" und wegen "Entwicklungsstörungen"
einen Grad der Behinderung von 90 sowie die Merkzeichen "G" und "B" fest.
Ende 2010 wechselte der Kläger aus dem Berufsbildungsbereich der D.-Werkstätten in den Arbeitsbereich dieser Werkstatt für
behinderte Menschen. Zugleich übernahm der Beklagte die Kostenträgerschaft von der Bundesagentur für Arbeit. Auf der Grundlage
einer amtsärztlichen Stellungnahme (Diagnosen: Intelligenzminderung, Hirnanfallsleiden) stellte der Beklagte eine wesentliche
geistige Behinderung fest, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werde. Daraufhin bewilligte er mit Bescheid
vom 15. Dezember 2010 Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in teilstationären Einrichtungen. Die konkrete
Tätigkeit des Klägers bestand von Anfang an im Wesentlichen aus Mithilfe in der Landwirtschaft. Schon als Kind half er gern
auf einem ortsansässigen Bio-Bauernhof aus und entwickelte ein fast familiäres Verhältnis zu den Betreibern. Dieser Bauernhof
fungiert zugleich als Außenarbeitsplatz der D.-Werkstätten. Mit Wirkung zum 1. März 2011 wurde ein entsprechender Beschäftigungsvertrag
als Anhang zum Werkstattvertrag geschlossen und seitdem fortlaufend verlängert.
Im März 2011 beantragten die Eltern und Betreuer des Klägers für diesen bei dem Beklagten die Kostenübernahme für den Führerschein
Klasse B. Dieser sei für den Kläger zur Ausübung seines Berufs zwingend erforderlich. Dem Antrag war eine ärztliche Bescheinigung
beigefügt, wonach bei Anfallsfreiheit seit mindestens 2006 keine Bedenken gegenüber dem Führen von Fahrzeugen oder dem Arbeiten
an landwirtschaftlichen Geräten bestünden. Der Betreiber des Bauernhofs gab an, der Kläger benötige einen Führerschein Klasse
L und/oder T; ein Pkw-Führerschein wäre darüber hinaus "von Vorteil". Im Verwaltungsverfahren teilte der Vater des Klägers
laut einem Aktenvermerk des Beklagten telefonisch mit, die Familie sei umgezogen. Der neue Wohnsitz sei abgelegen und der
Kläger könne daher keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Nach einem diesbezüglichen
Gespräch mit allen Beteiligten erstellte der Beklagte einen Gesamtplan. Danach sei von Seiten des Beschäftigungsbetriebs erklärt
worden, der Führerschein der Klasse L sei derzeit und perspektivisch für die nächsten Jahre ausreichend; größere Traktoren
werde der Kläger zunächst ohnehin nicht fahren. Auf Mitteilung des Beklagten, die (höheren) Kosten der Klasse B nicht zu übernehmen,
wurde die Möglichkeit einer Darlehensgewährung erörtert.
Im Mai 2012 beantragten die Eltern und Betreuer des Klägers für diesen daraufhin bei dem Beklagten die Gewährung eines zinslosen
Darlehens über 2.000,00 € zur Finanzierung des Erwerbs einer Fahrerlaubnis der Klasse B und boten an, dieses in monatlichen
Raten von 35,00 € zurückzuzahlen. Mit Bescheid vom 15. August 2012 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab. Die Voraussetzungen
für die Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe seien insoweit nicht erfüllt. Der Beschäftigungsbetrieb habe bestätigt,
dass der Führerschein der Klasse B für die Arbeit auf dem Bauernhof nicht zwingend erforderlich sei. Ausreichend sei ein Führerschein
der Klasse L. Nach dessen Erwerb dürfe der Kläger auch ein Mofa benutzen, mit dem er auch den Weg zur Arbeit selbständig zurücklegen
könne. Dagegen erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten fristgerecht Widerspruch. Der angefochtenen Verwaltungsentscheidung
fehle es zumindest an einer fehlerfreien Ermessensbetätigung. Dem Kläger sei die Fortbewegung über längere Strecken ohne Kraftfahrzeug
nicht möglich; sein Arbeitsplatz lasse sich nicht zumutbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Der Kläger müsse zudem
mit wechselnden Arbeitsorten rechnen und könne diese nur per Pkw zuverlässig und pünktlich erreichen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2012 wurde der Widerspruch von dem Beklagten als unbegründet zurückgewiesen. Hilfe
zur Fahrerlaubniserlangung könne nur dann in angemessenem Umfang bewilligt werden, wenn der Antragsteller wegen seiner Behinderung
auf die regelmäßige Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sei. Im Rahmen eines Gesamtplangesprächs habe man den Kläger
persönlich kennengelernt und sich ein Bild über seine Fähigkeiten und seine behinderungsbedingten Beeinträchtigungen machen
können. Dabei seien keine Hinderungsgründe (wie fehlende Verkehrssicherheit, Orientierungsprobleme, Einschränkungen im Gangapparat
usw.) festgestellt worden, die die Möglichkeit, längere Strecken mit dem öffentlichen Personennahverkehr zurückzulegen, beeinträchtigen
könnten. Zudem könne der Kläger den Fahrdienst der D.-Werkstätten zu nutzen, mit dem er die Möglichkeit habe, pünktlich und
sicher seine Arbeitsstätte zu erreichen und von dort aus auch wieder nach Hause zu gelangen. Aus den genannten Gründen sei
der Kläger nicht aufgrund seiner Behinderung auf die regelmäßige Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen. Die Erlangung
des Führerscheins der Klasse B sei auch nicht wegen der Behinderung zur Fortsetzung einer angemessenen Beschäftigung im Arbeitsleben
erforderlich. Der Arbeitgeber des Klägers habe mehrfach bestätigt, dass dieser zur Verrichtung seiner Tätigkeit auf dem Bauernhof
einen Führerschein der Klasse L benötige, nicht aber einen der Klasse B (dieser sei lediglich von Vorteil). Die Prüfung der
Finanzierung des Führerscheins der Klasse L habe der Beklagte dem Kläger und seinen Eltern als Betreuern bereits mehrfach
zugesagt, da hierbei die Notwendigkeit zur Fortsetzung der Beschäftigung auf dem Bauernhof gesehen werde. Dagegen hinge der
Bestand seines Beschäftigungsverhältnisses, auch nach erneuter Rücksprache mit dem Arbeitgeber, nicht vom Erwerb des Führerscheins
der Klasse B ab. Im Rahmen des Gesamtplangesprächs habe der Beklagte einen Großteil der verschiedenen Einsatzorte, an denen
der Kläger tätig werde, besichtigt. Da die verschiedenen Einsatzorte nicht kilometerweit voneinander entfernt wären, sei es
dem Kläger möglich, diese entweder mit einem Fahrrad oder einem kleinen Traktor, der mit der Fahrerlaubnis der Klasse L zu
führen sei, zu erreichen, wobei der genannte Traktor ohnehin oft an den Einsatzorten benötigt werde und daher vom Hofgut mitgenommen
werden müsse. Schließlich könne das begehrte Darlehen auch nicht als Sozialhilfe "in sonstigen Lebenslagen" angesehen werden,
denn dabei gehe es nur um Bedarfe, für die es keine spezielle gesetzliche Regelung gebe. Die Übernahme von Aufwendungen zur
Erlangung eines Führerscheins sei in den Normen über die Eingliederungshilfe aber genau geregelt.
Hiergegen hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 24. Oktober 2012 Klage zum Sozialgericht Kassel erhoben,
die zunächst unter dem Aktenzeichen S 11 SO 77/12 registriert worden ist. Nach zwischenzeitlichem Ruhen ist das Verfahren
unter dem Aktenzeichen S 11 SO 9/15 fortgesetzt worden. Der Kläger hat erklärt, er nutze zwar den Fahrdienst der D.-Werkstätten.
Deswegen müsse er aber während der Betriebsferien der D.-Werkstätten selbst Urlaub nehmen, da der Fahrdienst dann nicht tätig
sei. Ferner bestehe der Bauernhof aus zwei Betriebsteilen, die ca. 2,5 km auseinander lägen. Auch für diese Wegstrecke sei
ein Pkw wünschenswert. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens ist der Kläger (ebenso wie seine Eltern) an seine heutige
Wohnanschrift verzogen. Mit Urteil vom 25. Februar 2016 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen. Der Kläger habe
gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf die begehrten Fördermittel zur Erlangung einer Fahrerlaubnis der Klasse B. Der
angefochtene Bescheid sei sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden. Als behinderter Mensch gehöre der Kläger zwar unstreitig
zum förderungsfähigen Personenkreis für Eingliederungshilfeleistungen. Persönliche Voraussetzung für die Übernahme von Kosten
zur Erlangung einer Fahrerlaubnis sei aber stets, dass der behinderte Mensch in Folge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend
auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sei, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort oder den Ort einer sonstigen
Leistung der beruflichen Bildung zu erreichen. Daran fehle es hier. Das Erfordernis, dass die begehrten Hilfen der Erhaltung
oder Erlangung eines Arbeitsplatzes bzw. der Ermöglichung und der Erhaltung einer behindertengerechten, angemessenen und geeigneten
Beschäftigung dienen müssen, treffe auf den Kläger nicht zu. Die erkennende Kammer folge insoweit den ausführlichen Darlegungen
des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 21. September 2012, mache sich diese zu Eigen und sehe von einer weiteren Darstellung
der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend sei auszuführen, dass der Inhaber des Biohofes, bei dem der Kläger mittlerweile mehr
als vier Jahre beschäftigt sei, unmissverständlich darauf hingewiesen habe, dass für die Tätigkeit des Klägers in dem landwirtschaftlichen
Betrieb der Führerschein "auch weiterhin nicht erforderlich" sei, um dort arbeiten zu können. Er habe zudem betont, dass der
Kläger dort nicht zu den Bedingungen des ersten Arbeitsmarkts beschäftigt werde, sondern dass es sich um einen betriebsintegrierten
Beschäftigungsplatz handele, also um einen Außenarbeitsplatz der D.-Werkstätten. Das Gericht gehe davon aus, dass dem Kläger
behinderungsbedingt derzeit (noch) keine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt möglich sei. Der Hinweis des Betreuers und
Vaters des Klägers, der Kläger könne bei Erlangung der Fahrerlaubnisklasse B einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt
erhalten, gehe jedenfalls gegenwärtig ins Leere. Ohnehin wäre bei Beendigung der Förderleistungen in der Werkstatt durch den
Beklagten dessen Leistungszuständigkeit beendet und für Eingliederungshilfeleistungen auf dem ersten Arbeitsmarkt die Zuständigkeit
der Bundesagentur bzw. des Rentenversicherungsträgers gegeben. Bis dahin könne der Kläger für den täglichen Weg zur und von
der Arbeit den Fahrdienst der D.-Werkstätten nutzen. Daher sei die begehrte Nutzung eines Kraftfahrzeugs zur Erreichung des
Beschäftigungsortes nicht notwendig im Sinne der Förderbestimmungen.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 4. März 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. März 2016 bei dem Hessischen
Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Er ist der Ansicht, die Ablehnung der Darlehensgewährung durch den Beklagten werde der völkerrechtlichen Verpflichtung Deutschlands
zu einer Inklusion des Klägers nicht gerecht. Das Sozialgericht habe verkannt, dass der beabsichtigte Erwerb der Fahrerlaubnis
der Klasse B nicht nur der Sicherung der bestehenden Beschäftigung dienen solle, sondern auch der Integration des Klägers
in den ersten Arbeitsmarkt. Die UN-Behindertenrechtskonvention bezwecke aber gerade auch die Förderung eines beruflichen Aufstiegs.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 25. Februar 2016 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. August 2012 in der Fassung
des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten zur Erlangung der
Fahrerlaubnis B darlehensweise zu übernehmen,
hilfsweise,
Beweis zu erheben gem. schriftlichem Beweisantrag im Schriftsatz vom 6. Juli 2016.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des
Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 25. Februar 2016 ist zulässig, aber unbegründet. Die
Klage ist zu Recht abgewiesen worden, weil sie zulässig, aber unbegründet ist. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom
15. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2012 ist nicht aufzuheben, denn er ist rechtmäßig
und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung eines zinslosen
Darlehens zur Finanzierung des Erwerbs einer Fahrerlaubnis der Klasse B.
Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) stehen dem Kläger grundsätzlich Leistungen der Eingliederungshilfe zu. Dazu gehören gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auch die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §
33 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (
SGB IX). Diese umfassen insbesondere Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Aktivierung
und beruflichen Eingliederung (§
33 Abs.
3 Nr.
1 SGB IX) und sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben mit dem Ziel, behinderten Menschen eine angemessene und geeignete
Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten (§
33 Abs.
3 Nr.
6 SGB IX). In diesem Rahmen hat der Rehabilitationsträger gemäß §
33 Abs.
8 Satz 1 Nr.
1 SGB IX auch Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) zu gewähren. Dazu zählt auch die Übernahme von Kosten für die Erlangung einer Fahrerlaubnis (§ 8 KfzHV). Alle diese Leistungen werden allerdings nach §
33 Abs.
1 SGB IX nur erbracht, soweit sie erforderlich sind, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend
ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben
möglichst auf Dauer zu sichern. Daran fehlt es hier.
Eine Erforderlichkeit der vom Kläger begehrten Gewährung eines zinslosen Darlehens zur Finanzierung des Erwerbs einer Fahrerlaubnis
der Klasse B lässt sich im Hinblick auf die von ihm ausgeübte Werkstatt-Beschäftigung einschließlich der Betriebswege zur
Überzeugung des Senats nicht feststellen. Insoweit ermöglicht § 3 Abs. 3 KfzHV eine Kostenübernahme, wenn der behinderte Mensch zur Berufsausübung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nicht nur vorübergehend
auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist, infolge seiner Behinderung nur auf diese Weise die Teilhabe am Arbeitsleben dauerhaft
gesichert werden kann und die Übernahme der Kosten durch den Arbeitgeber nicht üblich oder nicht zumutbar ist. Der Kläger
ist seit Jahren dem Arbeitsbereich der D.-Werkstätten zugeordnet und dabei auf einem betriebsintegrierten Beschäftigungsplatz
tätig. Dabei handelt es sich um einen Bio-Bauernhof, der mehrere landwirtschaftliche Grundstücke bewirtschaftet, die bis zu
2,5 km voneinander entfernt liegen und naturgemäß nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln angebunden sind. Gleichwohl ist zur
Erfüllung der klägerischen Verpflichtungen aus dem Beschäftigungsvertrag eine Fahrerlaubnis der Klasse B nicht erforderlich.
Denn der Kläger ist nicht zwingend auf einen Pkw angewiesen, um die ihm obliegenden Tätigkeiten als Helfer in der Landwirtschaft
auszuüben. Das ergibt sich nicht nur aus der praktischen Erfahrung seit Abschluss des ersten diesbezüglichen Beschäftigungsvertrags
mit Wirkung ab 1. März 2011 (siehe zur Berücksichtigung der bisherigen Vorgehensweise bei der Beurteilung der Frage, ob ein
Behinderter auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist, BSG, Urteil vom 23. August 2013 - B 8 SO 24/11 R). Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2017 hat der Kläger bestätigt,
dass er die Betriebswege bislang mit einem Fahrrad zurücklegt. Der Senat stützt sich darüber hinaus auf die zahlreichen Äußerungen
des Betreibers des Bio-Bauernhofs, der als Beschäftigungsgeber des Klägers über Jahre hinweg inhaltsgleich mitgeteilt hat,
eine Fahrerlaubnis der Klasse B sei für die Tätigkeit zwar wünschenswert, aber nicht unbedingt notwendig. Damit fehlt es an
der Erforderlichkeit der entsprechenden Leistungsgewährung des Beklagten im Hinblick auf die Ausübung der Werkstatt-Beschäftigung
auf einem Außenarbeitsplatz.
Der Senat konnte sich auch nicht von der Erforderlichkeit einer Fahrerlaubnis der Klasse B für den Weg zum Arbeitsplatz überzeugen.
Insoweit ermöglicht § 3 Abs. 1 KfzHV eine Kostenübernahme, wenn der behinderte Mensch infolge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines
Kraftfahrzeugs angewiesen ist, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort oder den Ort einer sonstigen Leistung der beruflichen
Bildung zu erreichen. Der Senat ist jedoch aufgrund der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass für den Kläger
zumutbare Alternativen bestehen, um werktäglich seinen Außenarbeitsplatz auf dem Bio-Bauernhof zu erreichen und nach Feierabend
wieder nach Hause zu kommen. Insofern ist er zunächst auf den Fahrdienst der D.-Werkstätten zu verweisen, den er auch tatsächlich
schon seit Jahren nutzt. Der Kläger wird an jedem Arbeitstag zu Hause abgeholt und zu seinem betriebsintegrierten Beschäftigungsplatz
gebracht; dasselbe gilt für die Gegenrichtung. Dass dieser Bus während der Werkstattferien nicht verkehrt und der Kläger daher
seinen Urlaub entsprechend terminieren muss, steht dem nicht entgegen. Denn diese Obliegenheit trifft auch alle anderen im
Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen Beschäftigten, zu denen der Kläger rechtlich ungeachtet seiner Tätigkeit
auf einem Außenarbeitsplatz gehört. Auch der klägerische Einwand, der Werkstattbus ermögliche es ihm nicht, die auf dem Bio-Bauernhof
von ihm verlangten Arbeitszeiten einzuhalten, hat sich nicht verifizieren lassen. Vielmehr beträgt die wöchentliche Arbeitszeit
nach dem letzten Beschäftigungsvertrag nur noch 36 Wochenstunden. Die daraus resultierenden täglichen Anwesenheitszeiten am
Arbeitsplatz werden von dem Fahrdienst der D.-Werkstätten berücksichtigt. Dies haben beide Beteiligten im Termin zur mündlichen
Verhandlung am 10. Mai 2017 übereinstimmend bestätigt. Darüber hinaus müsste sich der Kläger für den Weg zur Beschäftigungsstelle
auch auf den öffentlichen Personennahverkehr verweisen lassen. Der Senat teilt insoweit die Einschätzung des Beklagten, dass
der Kläger gesundheitlich in der Lage ist, Linienbusse etc. zu benutzen. Die fehlende Anbindung seines konkreten Arbeitsplatzes
ist demgegenüber im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Denn diese Problematik steht nicht im Zusammenhang mit der Behinderung
des Klägers, so dass dieser dann ggf. nicht behinderungsbedingt auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen wäre. Selbst
wenn man Letzteres zugunsten des Klägers unterstellen wollte, ließe sich daraus kein Anspruch auf Gewährung eines zinslosen
Darlehens zur Finanzierung des Erwerbs einer Fahrerlaubnis der Klasse B ableiten. Denn bei dem Kraftfahrzeug müsste es sich
nicht zwingend um einen Pkw handeln. Der Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger auch ein Mofa benutzen
könnte, für das gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Fahrerlaubnis-Verordnung die Fahrerlaubnis der Klasse L ausreichen würde, deren Finanzierung er dem Kläger zugesagt hat.
Da es dem Kläger nach alledem bereits an den persönlichen Voraussetzungen des § 3 KfzHV fehlt, kommt die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben auch unter Annahme eines besonderen
Härtefalls oder als Darlehen nicht in Betracht, weil die insoweit einschlägige Rechtsgrundlage des § 9 KfzHV hiervon keine Ausnahme zulässt.
Soweit sich der Kläger im gerichtlichen Verfahren unter Hinweis auf die UN-Behindertenrechtskonvention ergänzend darauf stützt,
die Erlangung einer Fahrerlaubnis der Klasse B sei für seinen beruflichen Aufstieg (im Sinne einer Integration in den sogenannten
ersten Arbeitsmarkt) erforderlich, verhilft auch dies der Klage nicht zum Erfolg. Zum einen handelt es sich dabei um einen
anderen Streitgegenstand, für den die Klage schon mangels einer (ablehnenden) Verwaltungsentscheidung unzulässig wäre. Denn
sowohl der Antrag des Klägers als auch die angefochtenen Bescheide des Beklagten beziehen sich ausschließlich auf die im Zusammenhang
mit der Tätigkeit des Klägers auf dem Außenarbeitsplatz der Werkstatt für behinderte Menschen anfallenden Fahrten. Bei der
(gegenwärtig wohl ohnehin noch nicht konkret anstehenden) Aufnahme einer ungeförderten Berufstätigkeit in einem regulären
Arbeitsverhältnis handelte es sich demgegenüber um einen (anderen) eigenständigen Lebenssachverhalt, für den der Beklagte
auf Antrag eine neue Verwaltungsentscheidung zu treffen hätte. Einen solchen Antrag hat der Kläger - soweit ersichtlich -
bislang nicht gestellt. Er hätte auch keine Aussicht auf Erfolg, weil sich die Zuständigkeit des Beklagten gemäß §
42 Abs.
2 Nr.
4 SGB IX auf die Leistungen im Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen bezieht. Im Übrigen kämen vorrangig der für den
Kläger zuständige Rentenversicherungsträger oder die Bundesagentur für Arbeit als Rehabilitationsträger in Betracht - worauf
bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat. Vor diesem Hintergrund hatte der Senat auch keinen Anlass, dem Beweisantrag
des Klägers aus dem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 6. Juli 2016 nachzugehen. Die unter Beweis gestellte Tatsache,
der Kläger sei in der Lage, vollschichtig Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben, ist nicht erheblich. Nach
dem oben Gesagten kommt es auf die Leistungsfähigkeit des Klägers nicht an.
Auch abseits der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben findet sich keine Anspruchsgrundlage, auf die sich das klägerische
Begehren stützen ließe. Nach § 8 Eingliederungshilfe-Verordnung können lediglich Leistungen zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs (nicht zur Erlangung einer Fahrerlaubnis) erbracht werden.
Zudem setzt auch diese Regelung voraus, dass der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung auf die Benutzung
eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist, woran es im vorliegenden Fall nach dem oben Gesagten fehlt. Der Beklagte ist auch nicht
zur Vergabe eines zinslosen Darlehens an den Kläger zur Finanzierung des Erwerbs einer Fahrerlaubnis der Klasse B als Hilfe
in sonstigen Lebenslagen nach § 73 SGB XII verpflichtet. Insoweit teilt der Senat die Ansicht des Beklagten, dass es sich um eine subsidiäre Rechtsgrundlage handelt,
für die eine andere Bedarfslage als eine der im Dritten bis Neunten Kapitel des SGB XII bereits speziell normierten Lebenssituationen vorliegen muss (das BSG spricht in ständiger Rechtsprechung von einer "atypischen Bedarfslage"; siehe zuletzt Urteil vom 20. April 2016 - B 8 SO
5/15 R, SozR 4-3500 § 18 Nr. 3 m.w.N.). Das ist hier indes nicht der Fall. Die begehrte Kraftfahrzeughilfe zur Absolvierung
einer Maßnahme zur Teilhabe im Arbeitsleben ist als Leistung der Eingliederungshilfe bereits im Sechsten Kapitel des SGB XII vorgesehen. Ein gegen den Beklagten gerichteter Anspruch aus § 73 SGB XII scheitert aber auch an dessen fehlender sachlicher Zuständigkeit. Gemäß § 97 Abs. 1 SGB XII wäre insoweit der örtliche Sozialhilfeträger zuständig, von dem der Kläger auch laufende Leistungen der Grundsicherung bezieht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die in §
160 Abs.
2 SGG abschließend aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.