Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zahlung des üblichen Tariflohns für im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung
geleistete Tätigkeiten.
Die 1958 geborene Klägerin bezog vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Mit Bescheid vom 20. Juli 2012 wies der Beklagte die Klägerin einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung gemäß
§ 16 d SGB II zu. Dabei handelte es sich um die Maßnahme "Ordnung und Sauberkeit Stadt St." für die Zeit vom 30. Juli bis 31. Dezember
2012. Nach dem Bescheid war Inhalt der Maßnahme die Beseitigung von Müll und Unkraut auf Wegen und Plätzen, Pflege und Säuberung
von Fuß-, Rad- und Wanderwegen, Pflege von Baumscheiben und anderen Bewuchsflächen durch jäten, hacken; Pflege von Grünanlagen
durch Rasenmähen und kleinflächige Rasenreparaturen; kleine Reparaturen an Geh- und Radwegen durch Beseitigung von Löchern
und Stolperstellen; Kleinreparatur und Farbgebung von Bänken, Papierkörben, Geländern. Einsatzort war der Ortsteil A ... der
Stadt St ...
Gegen den Bescheid vom 20. Juli 2012 legte die Klägerin am 30. Juli 2012 Widerspruch ein. Es handele sich nicht um zusätzliche
Aufgaben, sondern um Hauptaufgaben der Gemeinde. Zugleich nahm sie die zugewiesene Arbeitsgelegenheit am 30. Juli 2012 für
6 Stunden und danach für 4 Stunden täglich wahr. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2012 wies der Beklagte den Widerspruch
zurück. Bei den zugewiesenen Arbeiten handele es sich nicht um Pflichtaufgaben der Gemeinde, womit eine Verdrängung regulärer
Arbeitsverhältnisse nicht zu befürchten sei.
Dagegen hat die Klägerin am 23. August 2012 Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg erhoben. Sie hat neben der Aufhebung des
Bescheides vom 20. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2012 die Zahlung des üblichen Tariflohns
vom Beklagten begehrt. Denn die Arbeiten seien nicht zusätzlich. Es handele sich um originäre Aufgaben der Stadt, da dieser
aufgrund der bestehenden Straßenreinigungssatzung die Straßenreinigungspflicht obliege. Da diese Aufgaben ständig und regelmäßig anfallen, würden reguläre Beschäftigungsverhältnisse
verdrängt oder gar vernichtet.
Nachdem eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kam, erließ der Beklagte mit Bescheid vom 8. August 2012 eine Eingliederungsvereinbarung
durch Verwaltungsakt für die Zeit vom 8. August 2012 bis 7. Februar 2013. Darin war insbesondere vorgesehen, dass die Klägerin
an der vorgenannten Arbeitsgelegenheit für die Zeit vom 30. Juli bis 31. Dezember 2012 teilnehmen solle. Dagegen legte die
Klägerin am 14. August 2012 Widerspruch erneut mit der Begründung ein, dass die Zusätzlichkeit der Arbeiten nicht nachgewiesen
sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die per Verwaltungsakt erlassene
Eingliederungsvereinbarung entspreche den gesetzlichen Bestimmungen.
Dagegen hat die Klägerin am 16. November 2012 Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg erhoben und erneut geltend gemacht, dass
die Arbeiten nicht zusätzlich gewesen seien. Sie hat die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 8. August 2012
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2012 begehrt.
Das Sozialgericht hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Urteil vom 7. Dezember
2015 die Klage abgewiesen. Es sei nicht zu erkennen, dass die durchgeführten Arbeiten nicht zusätzlich gewesen seien. Dass
Reinigungsarbeiten während der Dauer der Maßnahme von der Stadt nicht oder nur seltener ausgeführt worden seien, sei weder
vorgetragen noch wahrscheinlich. Reinigungs- und Pflegearbeiten könnten durchaus auch gründlicher bzw. öfter durchgeführt
werden.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 14. Dezember 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Januar 2016 Berufung
eingelegt und diese mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. Januar 2016 begründen lassen. Sie begehrt neben
der Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts die Zahlung des üblichen Tariflohns für die Dauer der Maßnahme. Es handele sich
um Arbeiten, die in die originäre Zuständigkeit der Gemeinde fielen. Diese sei für die Ordnung und Sauberkeit zuständig. Insbesondere
sei die Gemeinde für die Beseitigung von Müll und Unkraut auf Wegen und Plätzen zuständig sowie für die Säuberung von Fuß-
und Radwegen. Auch für die Pflege von Grünanlagen durch Rasenmähen und kleinflächige Rasenreparaturen sei der Beklagte (gemeint:
Gemeinde) zuständig. Es falle in ihren originären Zuständigkeitsbereich, Rad- und Fußwege in Ordnung zu halten, sodass es
zu keinen Verletzungen von Personen kommen könne. Diese Arbeiten im Wege einer Arbeitsgelegenheit auf Leistungsempfänger zu
übertragen und nicht entsprechend zu vergüten, sei unzulässig. Dem habe sich auch das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 13. April 2011 (B 14 AS 98/10 R) angeschlossen. Lediglich Arbeiten, die nicht in den originären Zuständigkeitsbereich des Beklagten fielen, könnten im
Wege der Arbeitsgelegenheit auf erwerbsfähige Hilfebedürftige übertragen werden. Dabei sei auch nicht auf die finanzielle
Situation der Kommunen abzustellen. In diesem Fall würden sämtliche originären Aufgaben nunmehr auf arbeitsfähige Hilfebedürftige
übertragbar, da sie aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt erledigt würden.
Die Klägerin beantragt:
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 07.12.2015 wird aufgehoben und der Klägerin wird für die Dauer der Maßnahme vom
30.07 bis 31.12.2012 der übliche Tariflohn unter Anrechnung der vom Beklagten für die Klägerin erbrachten Aufwendungen zur
Sicherung des laufenden Lebensunterhaltes gezahlt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 07.12.2015 zurückzuweisen.
Er verweist auf das angegriffene Urteil.
Der Senat hat die Klägerin mit Schreiben vom 28. Mai 2020 darauf hingewiesen, dass die Berufung bereits deshalb keine Aussicht
auf Erfolg haben dürfte, weil deren Arbeitsleistung nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Denn die Klägerin habe mit der Berufung
die Anfechtung des Zuweisungsbescheides vom 20. Juli 2012 und der Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt vom 8. August
2012 nicht weiterverfolgt. Damit seien beide bestandskräftig und stellten den Rechtsgrund für die Arbeitsleistung dar.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat dazu in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, dem Berufungsvorbringen,
offenbar dem Schriftsatz vom 25. Januar 2016, sei zu entnehmen, dass auch die Anfechtung des Zuweisungsbescheides vom 20.
Juli 2012 und der Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt vom 8. August 2012 begehrt werde.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten
und der Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
1. a.
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)). Sie ist auch statthaft gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG, denn der übliche Tariflohn für die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten übersteigt jedenfalls für den beanspruchten Zeitraum
vom 30. Juli bis 31. Dezember 2012 den maßgeblichen Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR.
b.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts nur die Zahlung des üblichen Tariflohns
für die Dauer der Maßnahme. Nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist dagegen die Aufhebung des Zuweisungsbescheides vom
20. Juli 2012 und der Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt vom 8. August 2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide
vom 9. August und 18. Oktober 2012. Denn dahingehendes ist dem Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren und insbesondere
dem Schriftsatz vom 25. Januar 2016 nicht zu entnehmen.
Die Klägerin hat beim Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits am 7. Dezember 2015 im Wege der objektiven
Klagehäufung (§
56 SGG) mehrere selbstständige Klagebegehren in einer Klage zusammen verfolgt. Zum einen hat sie sich im Wege der Anfechtungsklage
(§
54 Abs.
1 Satz 1 Alt. 1
SGG) gegen den Zuweisungsbescheid vom 20. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2012 gewendet. Zum
zweiten hat sie im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage (§
131 Abs.
1 Satz 3
SGG) begehrt, die Rechtswidrigkeit des die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheids vom 8. August 2012 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2012 festzustellen. Schließlich hat sie im Rahmen einer allgemeinen Leistungsklage
(§
54 Abs.
5 SGG) die Zahlung eines Tariflohns unter Anrechnung bereits erbrachter Aufwendungen begehrt. Mit der Berufung hat sie jedoch nach
ihrem eindeutigen Antrag im Schriftsatz vom 25. Januar 2016 allein die allgemeine Leistungsklage weiterverfolgt.
Die Berufung kann auch nicht - über den eindeutigen Wortlaut des Berufungsantrags hinaus - derart ausgelegt werden, dass innerhalb
der Berufungsfrist von einem Monat die Anfechtungsklage und die Fortsetzungsfeststellungsklage weiterverfolgt worden wären.
Zwar sind Prozesshandlungen auszulegen, wobei §
133 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (
BGB) heranzuziehen ist (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, Vorbemerkung vor §
60 Rn. 11a, dort auch zum folgenden). Danach ist bei der Auslegung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am Wortlaut zu
haften. Maßgebend ist, wie die Erklärung nach den Gesamtumständen zu verstehen ist. Dabei sind alle Umstände zu beachten (insbesondere
der Wortlaut der Erklärung, sonstige Schriftsätze, vorher zu Protokoll gegebene Erklärungen). Dies gilt auch bei anwaltlich
vertretenen Beteiligten, bei denen jedoch der Formulierung der Prozesshandlung eine größere Bedeutung zukommt. Bei der Auslegung
von Prozesshandlungen ist § 19 Abs. 4
Grundgesetz (
GG) zu beachten, der auch die Effektivität des Rechtsschutzes garantiert und verbietet, den Zugang zum Gericht in unzumutbarer,
aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Dieser Grundsatz wäre verletzt, wenn das Gericht der Erklärung
des Beteiligten eine Bedeutung beilegt, die zur Zurückweisung als unzulässig führt, während bei - nach dem Wortlaut möglicher
- sachdienlicher Auslegung eine Sachentscheidung zu treffen wäre. Ergibt sich aus dem Inhalt einer schriftlichen Erklärung
i.V.m. den offensichtlichen Umständen zweifelsfrei, dass ein Rechtsbehelf eingelegt werden soll, darf dieser nicht nur deswegen
als unzulässig behandelt werden, weil er unzulänglich formuliert ist. Ein Anhaltspunkt für die Auslegung ist ferner das von
dem Beteiligten vernünftigerweise Gewollte. Dieses muss aber in irgendeiner Form für das Gericht und die übrigen Beteiligten
erkennbar zum Ausdruck gekommen sein. Eindeutigen Erklärungen darf nicht durch Auslegung ein anderer Erklärungsinhalt gegeben
werden.
Hier ist das Berufungsbegehren im Schriftsatz vom 25. Januar 2016 eindeutig formuliert und einer Auslegung nicht zugänglich.
Sowohl der Zuweisungsbescheid vom 20. Juli 2012 als auch die Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt vom 8. August
2012 werden in den Schriftsätzen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Berufungsverfahren nicht einmal erwähnt. Insbesondere
werden diese im Schriftsatz vom 25. Januar 2016 und dem dort gestellten Antrag nicht genannt. Es ist gerade nicht ausreichend,
dass die Klägerin die Aufhebung dieser Bescheide auch im Berufungsverfahren vernünftigerweise hätte beantragen sollen. Denn
ein dahingehender Wille ist nicht erkennbar zum Ausdruck gekommen. Der Wortlaut des Vortrags der Klägerin im Berufungsverfahren
und insbesondere der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag lassen keine Auslegung dahingehend, dass auch die Aufhebung
der Bescheide vom 20. Juli und 8. August 2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide begehrt werden sollte, zu. Anderenfalls
würde den eindeutigen Erklärungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in unzulässiger Weise durch Auslegung ein anderer
Erklärungsinhalt gegeben.
2.
Die Berufung ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zahlung des üblichen Tariflohns für die Dauer der
Maßnahme.
Als Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin kommt allein ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch als gewohnheitsrechtlich
anerkanntes und aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut in Betracht.
Der Anspruch gleicht eine mit der Rechtslage nicht übereinstimmende Vermögenslage aus und verschafft dem Anspruchsinhaber
ein Recht auf Herausgabe des Erlangten, wenn eine Leistung ohne Rechtsgrund oder ohne eine sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebung
erfolgt ist (BSG, Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 98/10 R, Rn. 14).
Vorliegend ist die Arbeitsleistung der Klägerin jedoch nicht ohne Rechtsgrund erfolgt.
Als Rechtsgrund für eine Arbeitsgelegenheit kommen insbesondere ein rechtswirksamer Zuweisungsbescheid bzw. eine Eingliederungsvereinbarung
mit konkreter Benennung der Arbeitsgelegenheit in Betracht (BSG, Urteil vom 27. August 2011 - B 4 AS 1/10 R, Rn. 29). Der Rechtsgrund für die Arbeitsgelegenheit entfällt dann, wenn die Eingliederungsvereinbarung und/oder der Zuweisungsbescheid
wirksam angefochten sind (BSG, Urteil vom 22. August 2013 - B 14 AS 75/12 R, Rn. 19; Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 98/10 R, Rn. 20). Sind der Zuweisungsbescheid und/oder die Eingliederungsvereinbarung dagegen bestandskräftig geworden, so stellen
sie unabhängig von ihrer materiellen Rechtmäßigkeit die Rechtsgrundlage für die Arbeitsgelegenheit dar.
Die Klägerin hatte zwar mit den Klagen zum Sozialgericht Magdeburg sowohl den Zuweisungsbescheid vom 20. Juli 2012 als auch
die Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt vom 8. August 2012 angefochten. Mit der Berufung hat sie diese Begehren
aber, wie oben ausgeführt, nicht weiterverfolgt. Damit sind sowohl der Zuweisungsbescheid vom 20. Juli 2012 als auch die Eingliederungsvereinbarung
durch Verwaltungsakt vom 8. August 2012 bestandskräftig geworden, §
77 SGG.
Diese stellen daher den Rechtsgrund für die Arbeitsleistung dar, sodass ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch ausscheidet.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.