Kein Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII in Form einer Hilfe zur Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges
Tatbestand
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Begleitperson im Zusammenhang mit der Nutzung seines Kraftfahrzeugs
(Kfz).
Der am. 1956 geborene Kläger leidet infolge eines Motorradunfalls im Jahr 2002 u.a. an einer kompletten Querschnittslähmung
unterhalb D10 mit neurogener Blasen- und Darmentleerungsstörung. Er verfügt über einen Schwerbehindertenausweis mit einem
Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen "H", "G", "B" und "aG".
Der Beklagte gewährte dem Kläger - nach einem vorausgegangenen Gespräch am 20. Juli 2007 - mit Bescheid vom 21. November 2007
für den Kauf eines gebrauchten Pkw (Volvo V70, angeboten von der Firma T Automobile) einen Zuschuss in Höhe von 7.000,00 Euro
gemäß §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), i.V.m. §
55 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (
SGB IX), im Rahmen der Eingliederungshilfe. Außerdem würden die ungedeckten Kosten für den behindertengerechten Umbau des gleichen
Fahrzeugs auf Handbetrieb für Gas und Bremse gemäß §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. §
55 SGB IX übernommen. Das Angebot der Firma S GmbH vom 21. September 2007 sei insoweit Bestandteil dieser Kostenzusage. Bei dieser
Kostenzusage handele es sich um eine Einzelfallentscheidung. "Weitergehende Ansprüche auf Übernahme von Kosten, die [ ] durch
den Betrieb" des Fahrzeugs entstünden, würden nicht übernommen.
Wie beabsichtigt erfolgte der Ankauf und Umbau des Fahrzeugs, das vom Kläger in der Folgezeit genutzt wurde. Der Kläger beantragte
mit Datum vom 19. November 2010 beim Beklagten die Übernahme der Kosten für eine personelle Unterstützung im Umfang von ca.
50 Stunden in der Woche.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 7. Mai 2012 ab. Bei der vom Kläger begehrten personellen Unterstützung handele
es sich dem Grunde nach um eine Begleitperson. Die Übernahme der Kosten für eine Begleitperson sei dem Kläger bereits im Jahr
2008 verwehrt worden. Auf das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 28. Mai 2010 zum Aktenzeichen S 15 SO 41/09 werde zur
Begründung verwiesen.
Gegen den Bescheid vom 7. Mai 2012 erhob der Kläger am 15. Mai 2012 Widerspruch. Die Assistenz oder Hilfsperson solle es ihm
ermöglichen, außerhalb des Nahbereichs am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen und seine sozialen Kontakte aufrecht zu erhalten.
Er habe bereits auf diverse Aufgaben der Eingliederungshilfe hingewiesen. Er sei nicht in der Lage, sich außerhalb des Kfz
ohne Fremdhilfe fortzubewegen, soweit dies Strecken von mehr als 150 m betreffe, auch nicht mit dem Rollstuhl. Er verweise
auf die ihm zuerkannten Merkzeichen "aG" und "H". Er sei bei Fahrten außerhalb des Nahbereichs in der Freizeit auf die Mitnahme
seines Aufrichtrollstuhls "Life Stand" angewiesen, was ihm allein nicht möglich sei.
Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. August 2012 als unbegründet zurück, unter erneuter
Bezugnahme auf das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 28. Mai 2010 (S 15 SO 41/09). Eine gesundheitliche Verschlechterung,
die das Vorhandensein einer Begleitperson bei der Pkw-Nutzung erforderlich mache, liege nicht vor.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 27. August 2012 Klage erhoben. Aufgrund der ständig fortschreitenden gesundheitlichen
Einschränkungen sei ein selbstständiges Ein- und Ausladen des Rollstuhls nicht mehr möglich, zumal seitens des Beklagten auch
Hilfen beim Ein- und Aussteigen abgelehnt worden seien, zum Beispiel der Einbau einer Verlängerung des Sitzes, damit ein Übersteigen
vom Rollstuhl in den Wagen problemlos möglich und die entsprechende Lücke ausgefüllt sei. Er - der Kläger - leide zunehmend
unter einer Erkrankung im linken Schulterbereich (Schleimbeutelentzündung), einer Spastik im Bereich des Bauchs und weiteren
Einschränkungen, die ihm die Handhabung des Rollstuhls beim Ein- und Ausladen nicht mehr möglich machten. Eine Hilfe könne
auch nicht auf wenige Minuten beschränkt werden, da es wenig Sinn mache, wenn beim Start zu einem Ausflug, zum Beispiel an
die Ostsee, nach Lübeck etc. zwar eine Hilfe vorhanden sei, er dann aber am Ziel nicht aussteigen könne und später dann auch
nicht wieder einsteigen. Hinzu komme, dass auch eine Begleitperson am Zielort notwendig sei, da nicht davon ausgegangen werden
könne, dass überall die Möglichkeit bestehe, problemlos mit dem Rollstuhl zu fahren (zum Beispiel am Strand). Mit den bekannten
gesundheitlichen Einschränkungen im Oberkörper könne er auch immer eingeschränkter seinen Rollstuhl selbst fortbewegen; wenn
der Weg glatt und eben sei, sei das noch kein Problem, bei ansteigenden Wegen und Unebenheiten träten aber Probleme auf. Der
Kläger hat seiner Klageschrift einen ärztlichen Bericht des Facharztes für Orthopädie Dr. Sa aus U vom 4. April 2012 beigefügt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 7. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. August 2012 aufzuheben und den Beklagten
zu verurteilen, die Kosten für eine Begleitperson im Umfang von bis zu 50 Wochenstunden (für die Begleitung bei Fahrten mit
seinem Kraftfahrzeug) zu übernehmen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat hierzu im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 13. August 2012 verwiesen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. Mai 2014 abgewiesen. Die die begehrte Teilhabeleistung herbeiführende gesundheitliche
Verschlechterung, die nun die Erforderlichkeit einer Begleitperson bei der Kfz-Nutzung begründen solle, könne die Kammer nicht
erkennen. Der Kläger sei infolge seines im Jahre 2002 erlittenen Motorradunfalls querschnittsgelähmt. Seine Querschnittslähmung
sei unterhalb des gebrochenen zehnten Brustwirbelkörpers eingetreten und habe zu einer Blasen- und Mastdarmlähmung, einer
erheblichen Spastik der unteren Extremitäten sowie Einschränkungen der Rumpfstabilität geführt. Daneben lägen als weitere
Gesundheitsstörungen eine Verschleißumformung der Hüftgelenke mit Folgekontraktur, eine Beugekontraktur der Kniegelenke sowie
eine beidseits bestehende deutliche Spitzfußstellung vor, die den Kläger zusätzlich gesundheitlich beeinträchtigten, ohne
dass seit dem Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen, die im April 2007 zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen
der Pflegestufe II geführt hätten, eine Änderung im Sinne einer wesentlichen Verschlechterung der gesundheitlichen Verhältnisse
eingetreten sei, die sich auf die eigenständige Nutzbarkeit des Kfz auswirke. Eine die Nutzbarkeit des bewilligten Kfz ohne
Begleitperson ausschließende Verschlechterung der gesundheitlichen Verhältnisse könne die Kammer keinem der über den Kläger
vorliegenden Gutachten seit dem Untersuchungsbefund des Sachverständigen Dr. Sb im Verfahren S 15 SO 41/09 entnehmen. Die
dortigen Erkenntnisse über die eigenständige Nutzbarkeit des Kfz blieben für die Kammer weiterhin maßgebend. Danach reiche
sein körperliches Leistungsvermögen eindeutig aus, selbst einen Faltrollstuhl in seinem Kfz zu verstauen, das Kfz zu nutzen
und den Faltrollstuhl dann wieder eigenständig zu entladen. Soweit der Kläger eine Begleitperson für Fahrten zu Ärzten, zur
ärztlich verordneten Physiotherapie oder zum Reha-Sport beanspruche, sei seine Krankenkasse der für die Übernahme der Fahrtkosten
zuständige Leistungsträger.
Gegen das am 28. Oktober 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. November 2014 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht
habe sich fehlerhaft auf das Gutachten des Arztes Dr. Sb vom 10. Dezember 2009 gestützt. Aktuellere Atteste belegten, dass
er - der Kläger - eben nicht mehr eigenständig in der Lage sei, seinen Rollstuhl in den Pkw hineinzuheben und auch wieder
zu entladen. Auf den Bericht von Dr. Sa vom 4. April 2012 sei bereits hingewiesen worden. Er - der Kläger - sei demnach seit
2011, spätestens aber seit Anfang 2012 nicht mehr in der Lage gewesen, den Faltrollstuhl alleine zu verladen. Weiterhin benötige
er auch selbst beim Ein- und Aussteigen Hilfe. Selbst wenn er in der Lage gewesen wäre, einen Faltrollstuhl selbstständig
zu verladen, treffe dies keinesfalls auf den schweren Aufrichtrollstuhl zu. Darüber hinaus habe der Beklagte ihm eine Pkw-Beihilfe
bewilligt und damit eine grundsätzliche Entscheidung für die Benutzung des Pkw getroffen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 28. Mai 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 7. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 13. August 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm - dem Kläger - Leistungen der Eingliederungshilfe nach
dem SGB XII in Form der Übernahme der Kosten einer Begleitperson (für Begleitung bei Fahrten mit seinem Kraftfahrzeug) im Umfang von
bis zu 50 Wochenstunden zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung des Sozialgerichts vom 28. Mai 2014 für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge
des Beklagten - auch zu den Verfahren L 9 SO 65/14, L 9 SO 66/14, L 9 SO 34/15 und L 9 SO 5/16 - verwiesen. Diese sind zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 7. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. August
2012, mit dem der Beklagte es ablehnte, Kosten für eine personelle Unterstützung bzw. Begleitperson im Zusammenhang mit der
Nutzung des Pkw des Klägers zu übernehmen. Das Sozialgericht hat die hierauf gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Der angegriffene
Bescheid erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn dem Kläger steht der geltend gemachte
Anspruch nicht zu.
Als Rechtsgrundlage für einen Anspruch kommt § 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. §§ 53, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und §
55 SGB IX i.V.m. § 22 Eingliederungshilfe-Verordnung (EGHVO) in Betracht.
Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung
bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach
Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Dass der
Kläger, der an einer kompletten Querschnittslähmung unterhalb D10 mit neurogener Blasen- und Darmentleerungsstörung leidet,
zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehört, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Art und Umfang der Leistungen
der Eingliederungshilfe werden durch § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. §§
26,
33,
41 und
55 SGB IX und die auf Grundlage der Ermächtigung des § 60 SGB XII erlassene EGHVO näher bestimmt. Zu den Kosten einer Begleitperson findet sich in § 22 EGHVO eine Regelung. Danach gehören
zum Bedarf des behinderten Menschen, sofern Maßnahmen der Eingliederungshilfe eine Begleitung erfordern, (1.) die notwendigen
Fahrtkosten und die sonstigen mit der Fahrt verbundenen notwendigen Auslagen der Begleitperson sowie (2.) weitere Kosten der
Begleitperson, soweit sie nach den Besonderheiten des Einzelfalles notwendig sind.
Dass Maßnahmen der Eingliederungshilfe eine Begleitung in diesem Sinne erfordern, vermag der Senat nicht anzunehmen. Die vom
Kläger begehrte Begleitung steht nach dem gestellten Antrag im Zusammenhang mit Fahrten seines Pkw. Es geht um Hilfe beim
Ein- und Ausladen des Rollstuhls, beim Ein- und Aussteigen sowie am Zielort der Fahrt.
Nach Auffassung des Senats ist der Kläger jedoch nicht - wie nach § 8 Abs. 1 Satz 2 EGHVO für die Gewährung einer Kfz-Beihilfe
erforderlich - sozialhilferechtlich auf die Benutzung eines Pkw angewiesen. Der Kläger ist insbesondere auf die Nutzung alternativer
Verkehrsmittel wie Behindertenfahrdienste, Taxis und öffentliche Verkehrsmittel zumutbar zu verweisen. Insofern wird zur Vermeidung
von Wiederholungen auf die Ausführungen im Verfahren L 9 SO 34/15 Bezug genommen. Vor diesem Hintergrund kann er auch keine
Kosten für eine Begleitperson geltend machen, die ihn bei der Nutzung seines Pkw unterstützen soll.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 21. November 2007 einen Zuschuss
zum Erwerb und behindertengerechten Umbau eines Pkw gewährt hat. Es handelte sich hierbei um eine Einzelfallentscheidung,
aus der sich kein Anspruch auf Übernahme von Folgekosten ergibt. Hierzu wird auf die Ausführungen in den Verfahren L 9 SO
65/14, L 9 SO 66/14 und L 9 SO 5/16 verwiesen.
Gründe, die Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG durch den Senat zuzulassen, liegen nicht vor.