Gründe
I
Mit Urteil vom 6.6.2019 hat das Thüringer LSG einen im Überprüfungsverfahren geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Feststellung
von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der erzielten Arbeitsentgelte
wegen fehlender betrieblicher Voraussetzungen verneint und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Meiningen vom
22.9.2015 zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht eine Divergenz sowie Verfahrensmängel geltend (§
160 Abs
2 Nr
2 und
3 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Keiner der in §
160 Abs
2 SGG genannten Gründe werden in der Beschwerdebegründung nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
1. Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen.
Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten
Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des
LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat.
Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die
Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass der angefochtene
Beschluss auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung
erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil
des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (zum Ganzen vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 ff und aus jüngster Zeit BSG Beschluss vom 19.12.2019 - B 3 KR 8/19 B - RdNr 5 mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger trägt als Rechtssatz vor, auf dem die Entscheidung des LSG beruhe:
"Ein Betrieb ist nicht mit der industriellen Produktion im Sinne einer Massenproduktion entsprechend dem fordistischen Produktionsmodells
befasst, wenn sich die anfallenden Arbeiten der Bauproduktion jeweils auf ein konkretes Bau- bzw. Sanierungsvorheben beziehen."
Als Rechtssätze des BSG stellt der Kläger dem gegenüber:
"Fällt die Montage zu einem Endprodukt in einem Betrieb an, der die Bauteile im Wege industrieller Massenproduktion selbst
herstellt, kann auch der Zusammenbau dieser Teile zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion einschließlich
des Bauwesens sein. Dies wird stets dann der Fall sein, wenn diese Produkte ihrerseits massenhaft hergestellt werden und daher
ihr Zusammenbau mehr oder weniger schematisch anfällt. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette
oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig
angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der
zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden,
so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund,
entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion. In diesem Fall ist zu prüfen, ob der Betrieb in dem gleichermaßen die
industrielle Massenproduktion von Einzelteilen und der individualisierte Zusammenbau von Endprodukten anfallen, sein Gepräge
durch den erstgenannten Bereich erhält" (BSG Urteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R)
und
"Eine Massenproduktion im Bereich des Bauwesens war für die DDR von maßgeblicher Bedeutung. Mit der Konzentration der Baukapazitäten
in großen Bau- und Montagekombinaten sollte ein neuer, selbstständiger Zweig der Volkswirtschaft geschaffen werden, der die
Organisierung und Durchführung der kompletten Serienfertigung von gleichartigen Bauwerken zum Gegenstand hatte. Die Bau- und
Montagekombinate sollten danach u.a. den Bau kompletter Produktionsanlagen einschließlich der dazugehörigen Wohnkomplexe und
Nebenanlagen durchführen und jeweils die betriebsfertigen Anlagen und schlüsselfertigen Bauwerke bei Anwendung der komplexen
Fließfertigung und des kombinierten und kompakten Bauens übergehen. Von wesentlicher Bedeutung war somit das (Massen-)'Produktionsprinzip'
in der Bauwirtschaft. Demgemäß wurde in dem o.g. Beschluss u.a. unterschieden zwischen der von dem Bau- und Montagekombinaten
durchzuführenden Erstellung von Bauwerken in Massenproduktion einerseits und den Baureparaturbetrieben andererseits, die im
Wesentlichen zuständig waren für die Erhaltung der Bausubstanz, die Durchführung von Um- und Ausbauten sowie von kleineren
Neubauten; sie waren im Übrigen Baudirektionen unterstellt" (BSG Urteil vom 8.6.2004 - B 4 RA 57/03 R).
Der Kläger rügt, "die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts" sei mit den beiden zitierten "Rechtssätzen" des BSG unvereinbar. Die Entscheidung des LSG widerspreche der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Zur Begründung macht der Kläger
insbesondere geltend, die Massenproduktion von Bitumen-Mischsplitt für den gesamten Straßenbau im Bezirk L. und die standardisierte
Produktion von Bauwerksabdichtungen (zB im standardisierten Bikoflexverfahren) hätten dem Gesamtbetrieb des VEB Instandsetzung
und Bauwerksabdichtung W. in der Gesamtschau das Gepräge gegeben. Mit dem in Massenproduktion hergestellten Bitumen-Latex-Gemisch
sei die Abdichtung ua sämtlicher Neubauten in B. und in L. durchgeführt worden. Auch sei der gesamte Sportbodenbelag "Sprintan"
für sämtliche Sportstätten in der DDR und im Ausland als Massenware produziert worden.
Dieser Beschwerdebegründung lässt sich schon nicht entnehmen, dass das LSG einen eigenen abstrakten Rechtssatz aufgestellt
und selbst rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Das Berufungsgericht hat in seinen Entscheidungsgründen darauf abgestellt,
"ob der vom arbeitgebenden VEB tatsächlich verfolgte Hauptzweck auf die industrielle Fertigung (Fabrikation, Herstellung,
Produktion) von Sachgütern ausgerichtet war". Das LSG hat ausdrücklich betont, "was der tatsächliche Hauptzweck eines bestimmten
VEB war", sei keine Rechtsfrage, sondern aufgrund der konkreten tatsächlichen Verhältnisse aufzuklären. Woraus der Kläger
vor diesem Hintergrund den Entscheidungsgründen des LSG den vermeintlich aufgestellten abstrakten Rechtssatz entnimmt, begründet
er nicht. Auch stellt er dem keine abweichenden abstrakten Rechtssätze des BSG gegenüber. Der Kläger zitiert umfangreich aus zwei Urteilen des BSG, ohne dass er daraus hinreichend konkret und zutreffend tragende abstrakte Rechtssätze extrahiert. Er zeigt keinen Widerspruch
"im Grundsätzlichen" auf, wie es eine Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG voraussetzt. Vielmehr hat das LSG auf die vom BSG entwickelten betrieblichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der Technischen Intelligenz
nach Nr 1 der Anlage 1 zum AAÜG verwiesen und dabei ausdrücklich auf das Urteil des BSG vom 19.7.2011 (B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18) Bezug genommen. Auch dazu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht.
Mit seinem Vorbringen, das Berufungsgericht habe "vorliegend verkannt, dass die konkreten Bauund Sanierungsvorhaben, bei denen
die Bauwerksabdichtung durch den VEB Instandsetzung und Bauwerksabdichtung W. erfolgte, in der früheren DDR selbst standardisierte
Massenprodukte waren", macht der Kläger allenfalls einen im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde unbeachtlichen Subsumtionsfehler
geltend. Auf die vermeintliche Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung kann die Nichtzulassungsbeschwerde indes nicht
gestützt werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 67 und zuletzt Senatsbeschluss vom 3.7.2019 - B 5 RS 10/18 B - juris RdNr 11).
2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
a) Der Kläger rügt zunächst als Verfahrensmangel, das LSG sei seiner Aufklärungspflicht nach §
103 SGG nicht ausreichend nachgekommen. Wird ein solcher Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht geltend gemacht,
muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne
Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund
derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag
berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses
der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft
unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme
von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (BSG SozR 4-1500 §
160a Nr 3 RdNr 5 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl 2014, §
160a RdNr 55).
Der bereits vor dem LSG anwaltlich vertretene Kläger trägt vor, das LSG habe deshalb gegen §
103 SGG verstoßen, weil es eine Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugen unterlassen habe. Diese seien zum Beweis der Tatsache
benannt worden, "dass die Hauptaufgabe des VEB Instandsetzung und Bauwerksabdichtung L. W. in einer Massenproduktion von Bitumen-Mischsplitt,
PVC-Folien sowie Bauwerksabdichtungen bestand". Das so bezeichnete Beweisthema betrifft lediglich die Bewertung der tatsächlichen
Verhältnisse. Zu welchen neuen, bislang nicht bekannten Tatsachenangaben die Zeugeneinvernahme hätte führen sollen, erläutert
der Kläger nicht hinreichend. Die Beschwerdebegründung verweist selbst darauf, das LSG habe in seinen Entscheidungsgründen
die Einvernahme der Zeugen deswegen als nicht erforderlich angesehen, weil "es aufgrund der eingereichten Unterlagen nicht
mehr auf die Einvernahme der Zeugen ankomme". Dazu trägt der Kläger zwar vor, die Zeugen seien "nicht lediglich zur Bestätigung
der […] eingereichten betriebswirtschaftlichen Planungs- und Planerfüllungsunterlagen angegeben, sondern in erster Linie zum
Beweis der Hauptaufgabe einer standardisierten Massenproduktion von Bitumen-Mischsplitt, PVC-Folien und Bauwerksabdichtungen"
benannt worden. Nähere Ausführungen dazu, was die Zeugen - entgegen dem Inhalt der vorliegenden Unterlagen - hätten vortragen
können, wären insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil das Berufungsgericht ausführlich zu den Produktionszahlen in
den streitbefangenen Jahren Stellung genommen hat.
b) Auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) bezeichnet der Kläger nicht ausreichend.
Sein Vorbringen, in der mündlichen Verhandlung sei nicht absehbar gewesen, auf "welche Zahlen und Passagen" sich das LSG in
seinem Urteil stützen werde, enthält keine hinreichende Bezeichnung eines Verfahrensmangels in Form einer sog Überraschungsentscheidung.
Eine solche Überraschungsentscheidung ist nicht bereits dann anzunehmen, wenn einer der Beteiligten eine andere Entscheidung
des Gerichts erwartet hat. Voraussetzung ist vielmehr, dass das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder
tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der auch
ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer
Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (vgl BSG Beschluss vom 16.7.2019 - B 5 R 262/18 B - juris RdNr 8 mwN).
Wie aus der Beschwerdebegründung hervorgeht, lagen im Verfahren "umfangreiche Planungsunterlagen" in Form von "einzelnen Planzahlen
aus den eigereichten betriebswirtschaftlichen Unterlagen, der Leitungsvorlage und dem Statut" vor. Aus welchen Gründen sich
der Kläger deshalb "zu der konkreten Einschätzung der betriebswirtschaftlichen Angaben aus den Planungsunterlagen […] nicht
nochmals dezidiert äußern konnte", erläutert er nicht.
Auch soweit der Kläger als weitergehende Gehörsverletzung rügt, das LSG habe seinen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen,
der Hauptzweck des VEB sei nicht die Durchführung von Abdichtungsarbeiten an bereits errichteten Bauwerken gewesen, sondern
die Abdichtung von neuen Anlagen ("alles jeweils serienmäßig in Massenproduktion"), bezeichnet er nicht hinreichend eine mögliche
Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Hierzu ist auszuführen, welchen erheblichen Vortrag das Gericht bei seiner
Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen hat und inwiefern das Urteil auf diesem Sachverhalt beruhen kann (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Daran fehlt es hier. Nähere Ausführungen wären insbesondere deshalb angezeigt gewesen, weil das LSG auf Seite 8 des angegriffenen
Urteils auf den Vortrag des Klägers, der Betrieb sei auch bei Errichtung gänzlich neuer Objekte tätig geworden, explizit erwidert.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nicht, dass der Rechtsansicht eines Beteiligten gefolgt wird.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 und 4
SGG.