Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache;
Einordnung einer primären biliären Zirrhose bei der GdB-Feststellung im Schwerbehindertenrecht
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus
Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: eine bestimmte
Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (hier verneint für die Frage, ob nach den Vorgaben
der Versorgungsmedizinischen Grundsätze Teil B Rz.10.3.5 der Medizinrechtsverordnung eine primäre biliäre Zirrhose in der
Weise analog zur Leberzirrhose zu beurteilen ist, dass unter Heranziehung der Ziffer 10.3.2, in der die Leberzirrhose behandelt
wird, mindestens ein GdB von 30 anzusetzen ist?).
Gründe:
I
Der 1949 geborene Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 ab dem 27.7.2010 anstelle des
zuerkannten GdB von 40. Dabei sind eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 30), sowie ein psoriasiformes Ekzem
bei atopischer Diathese mit Heuschnupfen und Schuppenflechte (Einzel-GdB 20), ein Magengeschwürsleiden, chronische Magenschleimhautentzündung
(Einzel-GdB 10), eine Sehminderung beidseits (EinzelGdB 10), eine Entleerungsstörung der Harnblase (Einzel-GdB 10), eine Funktionsbehinderung
des Kniegelenkes rechts (Einzel-GdB 10) sowie ein Leberschaden (Einzel-GdB 10) berücksichtigt.
Mit Urteil vom 27.10.2015 hat das Bayerische LSG einen weitergehenden Anspruch des Klägers verneint, weil insbesondere die
zwischen den Beteiligten im Streit stehende primäre Leberzirrhose im Stadium I lediglich mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten
sei. Insoweit sei entgegen den Ausführungen des Prof. Dr. Dr. K. mit Gutachten vom 11.5.2015 der versorgungsärztlichen Stellungnahme
des Dr. L. vom 1.6.2015 zu folgen, weil der Kläger völlig asymptomatisch sei und der Sachverständige Prof. Dr. Dr. K. eine
Zirrhose selbst ausgeschlossen habe. Lediglich im Hinblick auf die histologisch gesicherte, geringe entzündliche Aktivität
sei es grenzwertig vertretbar, einen Einzel-GdB von 20 anzusetzen. Gemäß §
2 Abs
1 SGB IX komme es auf eine Teilehabebeeinträchtigung am Leben in der Gesellschaft an. Vor diesem Hintergrund könne der Einzel-GdB
von 20 nicht zusätzlich GdB-erhöhend berücksichtigt werden, ebenso wenig wie die weiteren Beschwerdekomplexe mit einem Einzel-GdB-Wert
von jeweils 10, so dass der Gesamt-GdB mit 40 befundangemessen sei. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil
hat der Kläger beim BSG fristgemäß Beschwerde eingelegt und beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§
160a Abs
2 S 3
SGG), da keiner der in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist.
Grundsätzliche Bedeutung iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG, wie sie der Kläger hier ausschließlich geltend macht, hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft,
die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht
bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb
eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren
eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen:
(1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4)
die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger hält folgende Frage für eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage:
"Ist nach den Vorgaben der 'VG' Teil B Rz.10.3.5 der Medizinrechtsverordnung eine primäre biliäre Zirrhose in der Weise analog
zur Leberzirrhose zu beurteilen, dass unter Heranziehung der Ziffer 10.3.2, in der die Leberzirrhose behandelt wird, mindestens
ein GdB von 30 anzusetzen ist?"
Bei dieser vom Kläger gestellten Frage handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage, die auf die Auslegung eines gesetzlichen
Tatbestandsmerkmales abzielt, sondern um eine (unzulässige) Tatsachenfrage bezogen auf die Feststellung tatsächlicher Umstände
des Einzelfalls (vgl hierzu Becker, SGb 2007, 261, 265 zu Fußnote 42 mwN). Die vom Kläger gestellte Frage betrifft die tatsächliche Einschätzung und damit die tatrichterliche
Beurteilung der Auswirkungen von Gesundheitsstörungen durch das LSG. Dieses hat auf Seite 9 und 10 des angefochtenen Urteils
ausdrücklich eine Abgrenzung zu den von dem Kläger in Frage gestellten Ziffern der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vorgenommen und unter Hinweis auf die im Rahmen einer Leberhistologie ausgeschlossene Zirrhose die Einzel-GdB-Bewertung
nach den Vorgaben in Ziffer 10.3.5 der VersMedV vorgenommen. Folglich kritisiert der Kläger tatsächlich die Beweiswürdigung des LSG und rügt die inhaltliche Richtigkeit
der Entscheidung. Auf eine unzutreffende Rechtsanwendung durch das LSG kann allerdings eine Revisionszulassung nicht gestützt
werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
Der Kläger berücksichtigt nicht, dass die Bemessung des GdB nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in drei Schritten vorzunehmen und grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe ist, wobei das Gericht nur bei der Feststellung der
einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen (erster Schritt) ausschließlich ärztliches Fachwissen heranziehen
muss. Bei der Bemessung der Einzel-GdB und des Gesamt-GdB kommt es indessen nach §
69 SGB IX maßgebend auf die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft an. Bei diesem zweiten
und dritten Verfahrensschritt hat das Tatsachengericht über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände
auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen. Diese Umstände sind in die als sogenannte antizipierte Sachverständigengutachten
anzusehenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht
einbezogen worden. Für die seit dem 1.1.2009 geltende Anlage "versorgungsmedizinische Grundsätze" zur VersMedV gilt das Gleiche (vgl BSG Beschluss vom 9.12.2010 - B 9 SB 35/10 B - RdNr 5 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2, §
169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.