Anspruch auf Übernahme der Reisekosten zur Ausführung einer Heilbehandlung nach dem SGB VII im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes im sozialgerichtlichen Verfahren
Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes im Beschwerdeverfahren die Kostenübernahme für Taxifahrten
zur Vorstellung bei einem Arzt in der Dreifaltigkeitsklinik in Köln zur Abklärung einer eventuellen Operation.
Der 1955 geborene Antragsteller, wohnhaft in Bad Oeynhausen, erlitt am 14.03.1983 einen von der Antragsgegnerin anerkannten
Arbeitsunfall. Als Unfallfolgen ist u.a. eine Arthrose des oberen und unteren Sprunggelenks rechts anerkannt (Bescheid vom
16.11.2018).
Am 12.11.2020 stellte sich der Antragsteller wegen Beschwerden im rechten Sprunggelenk bei einem Durchgangsarzt in Trier (Dr.
A) vor, der am gleichen Tag ein MRT des rechten oberen Sprunggelenks veranlasste. Ausweislich des MRT-Befunds vom 12.11.2020
fanden sich hierbei im Verlauf der lateralen Talusschulter subchondral zystische Veränderungen. Dr. A empfahl zum Verhindern
des Fortschreitens der arthrotischen Veränderungen die Durchführung intraartikulärer Spritzenserien mit Hyaluronsäure sowie
die Durchführung einer Magnetfeldtherapie. Daraufhin suchte der Antragsteller am 19.11.2020 den Durchgangsarzt B in Bad Oeynhausen
auf, der hinsichtlich der Unfallfolgen keine besonderen Maßnahmen für erforderlich hielt.
Am 30.12.2020 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin telefonisch mit, dass er sich aufgrund der sich aus dem MRT vom
12.11.2020 ergebenden zystischen Veränderungen am 11.01.2021 in Köln in der Dreifaltigkeitsklinik zur weiteren Abklärung vorstellen
wolle und begehrte die Übernahme der Taxikosten von seinem Wohnort Bad Oeynhausen zur Klinik in Köln. Diese Klinik sei die
einzige, die ihn in der aktuellen Coronasituation behandele und auch aufnehme. Dort solle eine eventuelle operative Versorgung
geprüft werden.
Mit Bescheid vom 04.01.2021 lehnte die Antragsgegnerin die Kostenübernahme aller Maßnahmen im Zusammenhang mit dem am 11.01.2021
vorgetragenen Termin in der Dreifaltigkeitsklinik in Köln ab. Warum eine Vorstellung in einer Klinik in Köln erfolgen müsse,
sei nicht nachvollziehbar. Eine adäquate Untersuchung könne auch in wohnortnahen Krankenhäusern erfolgen.
Hiergegen legte der Antragsteller noch am selben Tage Widerspruch sowohl per Email als auch mit unterschriebenen Telefax (VA
Bl. L 739) ein, den er u.a. damit begründe, dass er aufgrund der derzeitigen Pandemie bei keiner anderen Klinik einen Termin
bekäme und bereits mit 30 Kliniken telefoniert habe.
Am 05.01.2021 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Detmold beantragt, das Sozialgericht möge eine einstweilige Verfügung
dahingehend erlassen, dass die Antragsgegnerin die anlässlich des Vorstellungstermins am 11.01.2021 entstehenden Fahrtkosten
mit dem Taxi übernimmt. Er selbst solle kein Auto fahren, den öffentlichen Personennahverkehr könne er wegen Gepäck und Rollator
nicht nutzen, und er sei bislang stets ohne Widerspruch der Antragsgegnerin mit einem Taxi gefahren. Wegen der Einzelheiten
seines Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 05.01.2021 und vom 06.01.2021 Bezug genommen.
Hiergegen hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 08.01.2021 eingewandt, es bestünde derzeit kein akutes Therapieerfordernis.
Dies ergebe sich sowohl aus einer Stellungnahme des beratenden Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. C vom 07.01.2021 als auch
aufgrund des Verlaufsberichts vom 19.11.2020 des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. B. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens
wird auf den Schriftsatz vom 08.01.2021 Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 08.01.2021 abgelehnt. Der Antragsteller
habe weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Zwar seien grundsätzlich von der Antragsgegnerin
Reisekosten zu übernehmen, soweit sie zur Durchführung einer Heilbehandlung erforderlich seien, jedoch stünde der Antragsgegnerin
ein Ermessen hinsichtlich Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung nach §
26 Abs.
5 SGB VII zu. Ferner habe der Antragsteller in einem Telefonat gegenüber dem Sozialgericht angegeben, in der Lage zu sein, die Kosten
für ein Taxi zu verauslagen.
Mit der beim Sozialgericht am 08.01.2021 eingelegten Beschwerde hat der Antragsteller mitgeteilt, er habe den Termin am 11.01.2021
abgesagt. Ergänzend trägt er vor, es ginge nicht um die in anderen Verfahren streitige Spritzen- oder Magnetfeldtherapie,
sondern um die dringende Frage, ob die im MRT vom 12.11.2020 festgestellten Zysten entfernt werden müssten. Mit weiterem Schriftsatz
vom 14.01.2021 bringt er vor, dass er die Beschwerde auch nach Ablauf des ursprünglich am 11.01.2021 vereinbarten Termins
aufrechterhalte, da der Termin in der Dreifaltigkeitsklinik lediglich verschoben, aber nicht aufgehoben worden sei.
Mit Schreiben vom 15.01.2021 hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller zur Klärung weiterer Therapieoptionen eine ambulante
Vorstellung im Friederikenstift in Hannover oder in der BG Ambulanz in Bremen angeboten. Der Kläger hat beide Krankenhäuser
abgelehnt. Er meint das Friederikenstift in Hannover habe bereits 2007 eine falsche Diagnose gestellt und die BG - Ambulanz
sei von der Antragsgegnerin abhängig. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens im Beschwerdeverfahren wird auf den Schriftsatz
vom 15.01.2021 samt Anlagen Bezug genommen.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 08.01.20201 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung
zu verpflichten, die anlässlich eines zukünftigen Termins in der Dreifaltigkeitsklinik Köln entstehenden Kosten für Taxifahrten
zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 10.02.2021,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts Detmold für zutreffend. Zudem sei der Antragssteller nach Ablauf des
11.01.2021 nicht mehr beschwert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in Auszügen beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin
und die Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen ist.
II.
Die Beschwerde ist bereits unzulässig.
Die Beschwerde ist zwar statthaft und nicht nach §
172 Abs.
3 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ausgeschlossen. Einer Zulassung der Berufung in der Hauptsache bedarf es nicht, denn angesichts der Entfernung des Wohnorts
des Antragsstellers zu der Dreifaltigkeitsklinik in Köln und den ortsüblichen Taxikosten übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstands
bei Hin- und Rückfahrt 750,00 € (§
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGG).
Die Beschwerde ist jedoch unzulässig, weil der Antragsteller bei Einlegung des Rechtsmittels am 08.01.2021 durch den ablehnenden
Beschlusses des Sozialgerichts Detmold nicht mehr beschwert war. Der Antragsteller teilte bereits im Beschwerdeschriftsatz
vom 08.01.2021 mit, dass er den ursprünglichen Termin vom 11.01.2021, über den das Sozialgericht Detmold entschieden hat,
abgesagt habe. Auch ist durch den späteren Schriftsatz vom 14.01.2021, in dem der Kläger nunmehr die Taxikosten für einen
zukünftigen Termin in der Dreifaltigkeitsklinik in Köln begehrt, keine zulässige Antragsänderung nach §
99 Abs.
1 SGG analog erfolgt. Eine Antragsänderung in entsprechender Anwendung des §
99 Abs.
1 SGG setzt zunächst ein zulässiges Rechtsmittel voraus. Der Antragsteller müsste mithin sein ursprüngliches Begehren zumindest
teilweise weiter verfolgen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig /Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl. 2020, §
99 Rn. 12). Nachdem der Kläger am 08.01.2021 den Termin am 11.01.2021 abgesagt hatte, hat sich dessen ursprüngliches Begehr
jedoch in Gänze erledigt.
Die Beschwerde ist im Übrigen auch unbegründet. Dem auf den einer entsprechenden einstweiligen Anordnung nach §
86 b Abs.
2 S. 2
SGG gerichteten Begehren des Antragstellers fehlt es auch im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt
der Entscheidung des Senats sowohl an einem von ihm glaubhaft zu machenden Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund.
Zu Begründung schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung und Würdigung zunächst den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts
im angegriffenen Beschluss an und nimmt auf sie Bezug (§
142 Abs.
2 S. 3
SGG). Auch das Beschwerdevorbringen des Antragstellers vermag seinem Begehren nicht zum Erfolg zu verhelfen.
1.
Der Antragsteller hat einen (Anordnungs-)Anspruch auf Übernahme der beantragten Taxikosten für die künftige Wahrnehmung eines
Termins in der Dreifaltigkeitsklinik in Köln nach wie vor nicht glaubhaft gemacht.
Nach §
43 Abs.
1 S. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) werden Reisekosten zur Ausführung der Heilbehandlung nach den Abs. 2 bis 5 übernommen. Die Vorschrift begründet einen Anspruch
des Versicherten auf Erstattung von Reisekosten, wenn der Unfallversicherungsträger ihm eine Maßnahme der Heilbehandlung gewährt,
die Fahrten des Versicherten notwendig macht. Im Einzelfall werden nach §
43 Abs.
5 SGB VII i.V.m. den gemeinsamen Richtlinien in der Unfallversicherung über Reisekosten auch Taxikosten erstattet, soweit die Nutzung
eines PKW oder des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) behinderungsbedingt nicht möglich ist.
Es kann vorliegend offen bleiben, ob der Antragsteller überhaupt behinderungsbedingt auf die Nutzung eines Taxis angewiesen
ist. Denn er hat bereits keinen Anspruch auf die Gewährung einer Heilbehandlung ausschließlich in der Dreifaltigkeitsklinik
in Köln glaubhaft gemacht, welche Grundvoraussetzung für den nur akzessorisch gewährten Kostenerstattungsanspruch des §
43 SGB VII ist. Die Tragung der Fahrtkosten stellt eine ergänzende Leistung zu den Leistungen der medizinischen Heilbehandlung nach
§
26 Abs.
1 S. 1
SGB VII dar. Diese Akzessorietät verlangt zunächst die Gewährung einer bestimmten Heilbehandlung.
Zwar hat der Antragsteller aufgrund des anerkannten Versicherungsfalls gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Heilbehandlung
dem Grunde nach. Dieser Anspruch wird gemäß §
26 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII konkretisiert, in dem hierzu alle geeigneten Mittel gehören, die den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden
beseitigen oder bessern bzw. seine Verschlimmerung verhüten und seine Folgen mildern. Wie bereits vom Sozialgericht Detmold
ausgeführt, bestimmt im Unfallversicherungsrecht - anders als im Recht der gesetzlichen Krankenversicherungen - jedoch allein
der Unfallversicherungsträger und mithin die Antragsgegnerin nach §
26 Abs.
5 SGB VII Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung. Nicht dem Versicherten, sondern dem Unfallversicherungsträger steht ein
Wahlrecht hinsichtlich der Leistungsanbieter zu. Hinsichtlich Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung haben die Unfallversicherungsträger
ein Auswahlermessen nach §
39 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I), bei dessen Ausübung sie das Rehabilitationsziel, aber auch den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten
haben (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung. Handkommentar, Erg.-Lfg 4/19, § 26 Rn. 19 ).
Auch wenn eine einstweilige Anordnung über Leistungen ergehen kann, die eine Ermessensentscheidung der Behörde voraussetzen,
gilt dies nur soweit nach den besonderen Umständen des Einzelfalles eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, d.h. vorliegend
wenn jede andere Entscheidung der Antragsgegnerin als die Bewilligung der Heilbehandlung in der Dreifaltigkeitsklinik Köln
rechtswidrig wäre.
Dies ist hier nicht glaubhaft gemacht. Es ist nicht ersichtlich, warum ausschließlich die Dreifaltigkeitsklinik in Köln den
Antragsteller untersuchen können soll und klären kann, ob eine operative Versorgung unfallbedingt erforderlich ist.
Der Einwand des Klägers die Dreifaltigkeitsklinik in Köln sei in Corona- Zeiten die einzige Klinik, die ihn behandele, steht
unabhängig von einer grundsätzlichen durchgangsärztlichen Behandlungspflicht bereits die von der Antragsgegnerin im Schreiben
vom 15.01.2021 angebotene Vorstellung beim Friederikenstift in Hannover oder der BG Ambulanz in Bremen entgegen. Auch kann
in der Auswahl dieser Kliniken nach summarischer Prüfung kein Ermessensfehler gesehen werden. Sachfremde Erwägungen sind hier
nicht ersichtlich, vielmehr spricht nach summarischer Prüfung insbesondere das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
für eine wohnortnähere bzw. auf Unfallmedizin spezialisierte Klinik. Dem kann ein bislang nicht glaubhaft gemachter Behandlungsfehler
im Jahre 2007 oder die Trägerschaft von BG- Kliniken, insbesondere vor dem Hintergrund der Pflicht eines jeden Arztes, nach
den allgemein anerkannten fachlichen Standards zu behandeln, nicht entgegengehalten werden.
2.
Dessen ungeachtet fehlt es ebenso an einem Anordnungsgrund. Es ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen ihm die Durchführung
eines Verwaltungsverfahrens oder das Abwarten der Entscheidung in einem nachfolgendem Widerspruchs- und Klageverfahren nicht
zumutbar sein sollte und mit der Gefahr eines nicht wieder gut zu machenden Schadens einhergehen könnte. Der Senat vermag
im Anschluss an die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts keinen Eilfall zu erkennen, der ein vorzeitiges gerichtliches
Eingreifen im Sinne einer vorläufigen Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der Taxikosten gebietet.
So ist der bislang geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten nach §
43 SGB VII lediglich als nachträgliche Kostenerstattung ausgestaltet und eine grundsätzlich mögliche Vorschusszahlung nach §
42 SGB I bislang vom Antragsteller nicht beantragt. Auch wird vom Antragsteller nicht vorgetragen, die Durchführung oder der Erfolg
seiner Heilbehandlung sei bei fehlender Kostenübernahme gefährdet. Vielmehr hat der Antragsteller mehrfach sowohl gegenüber
dem Sachbearbeiter als auch gegenüber dem Sozialgericht eingeräumt, die erforderlichen Kosten zunächst aus eigenen Mitteln
finanzieren zu können. Die Klärung des von ihm behaupteten zukünftigen Erstattungsanspruchs muss damit dem Hauptsacheverfahren
vorbehalten bleiben. Dies gilt umso mehr als der Antragsteller einen konkreten, aktuell bevorstehenden Termin nicht genannt
hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).