Entschädigung von Beteiligten im sozialgerichtlichen Verfahren; Keine Anordnung des persönlichen Erscheinens; Keine Entschädigung
von Bevollmächtigten
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen einer mündlichen Verhandlung, für die ihr persönliches Erscheinen nicht angeordnet worden ist und bei der nur ihr
Ehemann als ihr Bevollmächtigter erschienen ist.
In dem am Bayerischen Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 16 AS 297/13 geführten Rechtsstreit der Antragstellerin war auf den 22.01.2014 eine mündliche Verhandlung terminiert worden; das persönliche
Erscheinen der Antragstellerin war nicht angeordnet worden.
An der mündlichen Verhandlung am 22.01.2014 nahm die Antragstellerin nicht teil. Ihr Ehemann erschien als ihr Bevollmächtigter,
teilte aber mit, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, der mündlichen Verhandlung zu folgen. Die Vorsitzende
des 16. Senats wies darauf hin, dass eine Verhinderung des Bevollmächtigten dem Gericht frühzeitig mitzuteilen sei, und gab
der Klägerin auf, ein aktuelles Attest über die Erkrankung des bevollmächtigten Ehemanns vorzulegen.
Mit auf den 13.01.2014 datiertem Entschädigungsantrag, beim LSG eingegangen am 14.02.2014, beantragte die Antragstellerin
eine Entschädigung wegen des Termins am "22.11.13" (Fahrkosten, Attestgebühr).
Mit Schreiben vom 09.04.2014 lehnte der Kostenbeamte des LSG eine Entschädigung ab, da das persönliche Erscheinen nicht angeordnet
worden sei. Dem Bevollmächtigten - so der Kostenbeamte - stehe kein Anspruch nach dem JVEG zu. Rein informatorisch wies er darauf hin, dass die Geltendmachung eines Anspruchs für den 22.11.2013 auch verfristet wäre.
Mit Schreiben vom 14.04.2014 hat die Antragstellerin die Wiedereinsetzung beantragt. Mit Schreiben vom 16.04.2014 hat sie
zum Ausdruck gebracht, dass sie von einem Anspruch auf Entschädigung der geltend gemachten Kosten ausgehe.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 04.06.2014 ist der Antragstellerin erläutert worden, dass ihr Entschädigungsantrag zwar nicht
verfristet gewesen sei, aber Kosten des Bevollmächtigten nicht über einen Entschädigungsanspruch nach dem JVEG geltend gemacht werden könnten.
Dazu hat sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 16.06.2014 dahingehend geäußert, dass ihr zumindest die Kosten für das
ärztliche Attest zu erstatten seien.
II.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier die Berechtigte mit Schreiben vom 14. und 16.04.2014 sinngemäß die gerichtliche
Festsetzung beantragt.
Der Antragstellerin steht wegen der mündlichen Verhandlung am 22.01.2014 keine Entschädigung zu.
Sie hat keinen Anspruch auf Entschädigung nach den Regelungen des JVEG, da ihr persönliches Erscheinen zur mündlichen Verhandlung am 22.01.2014 nicht angeordnet worden ist. Im Übrigen ist die
Antragstellerin bei diesem Termin auch nicht erschienen.
Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens sind gemäß §
191 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) unter den dort genannten Voraussetzungen wie Zeugen zu entschädigen, sofern es sich wie hier um ein gerichtskostenfreies
Verfahren im Sinn des §
183 SGG handelt. Die Entschädigung ergibt sich aus dem JVEG.
1. Fristgerecht gestellter Antrag
Der Entschädigungsantrag ist fristgerecht gestellt worden. Mit Eingang des auf den 13.01.2014 datierten Schreibens am 14.02.2014
beim LSG ist die Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG von drei Monaten gewahrt. Dass der Kostenbeamte - lediglich der Vollständigkeit halber - die Antragstellerin darauf hingewiesen
hat, dass ein Entschädigungsanspruch auch verfristet wäre, hat sich die Antragstellerin selbst zuzuschreiben. Denn sie selbst
hat im formlosen Antrag von 13.01.2014 die Entschädigung für den "Termin am 22.11.13" beantragt. Dafür wäre der Antrag in
der Tat zu spät gestellt worden. Tatsächlich begehrt die Antragstellerin aber eine Entschädigung für den Gerichtstermin am
22.01.2014. Auf die Frage einer Wiedereinsetzung kommt es daher nicht an.
2. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG
Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige
Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die
durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.:
RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis
gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf
Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Kostenfestsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung
kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in
peius gilt nicht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.).
3. Grundvoraussetzung einer Entschädigung: Anordnung oder Gebotenheit des persönlichen Erscheinens
Beteiligte eines gerichtskostenfreien sozialgerichtlichen Verfahrens im Sinn des §
183 SGG sind gemäß §
191 SGG wie Zeugen, d.h. nach den Vorschriften des JVEG, zu entschädigen, wenn ihr persönliches Erscheinen angeordnet worden ist. Ist das persönliche Erscheinen nicht angeordnet
und erscheint der Beteiligte gleichwohl, steht eine Entschädigung im Ermessen des Gerichts, wenn das Gericht der Hauptsache
das Erscheinen für geboten hält. Bejaht das Gericht der Hauptsache die Gebotenheit des Erscheinens nicht, kommt eine Entschädigung
nicht in Betracht.
Diese Grundvoraussetzung ist bei der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 22.01.2014 nicht erfüllt. Weder hat das Gericht
der Hauptsache, der 16. Senat, das persönliche Erscheinen der Antragstellerin für die mündliche Verhandlung am 22.01.2014
angeordnet noch ist die Antragstellerin bei diesem Termin erschienen.
Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass Kosten des Bevollmächtigten nicht von einer Entschädigung
nach dem JVEG umfasst sein können. Das JVEG ermöglicht nur die Entschädigung des Beteiligten selbst, nicht aber des Bevollmächtigten.
Das Bayer. LSG hat über den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung gemäß § 4
Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).