Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der anwaltlichen Vergütung. Der Beschwerdeführer war der Klägerin in dem Klageverfahren
S 37 AS 1987/12 vor dem Sozialgericht Kiel im Wege der Prozesskostenhilfe als Prozessbevollmächtigter beigeordnet worden. Streitgegenstand
des Verfahrens war die Anfechtung eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides des dortigen Beklagten. Das Verfahren endete
ohne eine mündliche Verhandlung gütlich durch Vergleich auf Anregung des Gerichts mit entsprechendem Feststellungsbeschluss
vom 8. November 2013 unter Hinweis auf §
202 SGG i.V.m. §
278 Abs.
6 Satz 2
ZPO.
In seiner Kostenrechnung vom 8./12. November 2013 hat der Beschwerdeführer die Festsetzung von 690,20 EUR für das Klageverfahren
beantragt:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG
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170,00 EUR
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Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG
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200,00 EUR
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Einigung-/Aussöhnungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG
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190,00 EUR
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Post- und Telekommunikationsentgelte Nr. 7002 VV-RVG
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20,00 EUR
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Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG
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110,20 EUR
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Gesamtsumme
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690,20 EUR
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Mit Feststellungsbeschluss vom 19. November 2013 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den beantragten Betrag reduziert:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG
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170,00 EUR
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Einigungsgebühr Nr. 1006 i.V.m. 1000 VV-RVG
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190,00 EUR
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Auslagenpauschale Nr. 7001, 7002 VV-RVG
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20,00 EUR
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Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG
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72,20 EUR
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Gesamtbetrag
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452,20 EUR
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Zur Begründung ist ausgeführt, die Terminsgebühr könne nicht entstehen, da ein Vergleich geschlossen worden sei. Mit der (fiktiven)
Terminsgebühr wolle der Gesetzgeber nur die unstreitigen Erledigungen fördern, die in dieser Nummer ausdrücklich aufgeführt
seien. Hierzu gehöre der Vergleich nicht.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Erinnerung des Beschwerdeführers mit der Begründung, die Nr. 3106 VV-RVG sei im Lichte des Art.
3 GG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass sie wie die Vorschrift der Nr. 3104 VV-RVG die Festsetzung einer fiktiven Terminsgebühr in Fällen des Schriftsatzvergleiches zulasse, da kein Grund dafür ersichtlich
sei, die sozialgerichtlichen Verfahren, in denen Wertgebühren entstünden und für die deshalb nach Nr. 3104 VV-RVG fiktive Terminsgebühren entstünden, anders zu behandeln, als die sozialgerichtlichen Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren
entstünden. Bei der gleichwohl im Wortlaut unterschiedlichen Normierung der beiden Fälle handele es sich um ein gesetzgeberisches
Versehen. Dies folge aus der eindeutigen Aussage in der Begründung des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts,
wo der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass es sich bei der bisherigen Gesetzesfassung um eine missverständliche
Regelung handele. Die Neufassung des Gesetzes habe also insoweit lediglich klarstellende Funktion. Die bisherige Rechtsprechung
sei überholt und nicht mehr zu halten. Der Kostenprüfungsbeamte hat die Zurückweisung der Erinnerung beantragt unter Hinweis
auf die Rechtsprechung des 1. Senats des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 6. Mai 2014 die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückgewiesen, ebenfalls mit Hinweis
auf die Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. November 2007 (L 1 B 513/07 R SK) und Teile der Entscheidung wörtlich zitiert. Andere Landessozialgerichte würden ebenso entscheiden. Zwar sei die Nr.
3106 VV-RVG durch das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz mit Wirkung ab 1. August 2013 geändert worden. Diese Regelung sei jedoch
wegen der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die anwaltliche Beiordnung vor dem 1. August 2013 erfolgt sei.
Gegen den ihm am 12. Mai 2014 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers, eingegangen beim Sozialgericht
Kiel am 26. Mai 2014, die er mit Hinweis auf die Ausführungen im Erinnerungsverfahren begründet.
Der Beschwerdegegner verweist auf seine bisherige Stellungnahme.
II.
Der Senat entscheidet gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG durch den Einzelrichter.
Die Beschwerde ist zulässig. Nach § 1 Abs. 3 RVG in der Fassung ab 1. August 2013 gehen die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen
der für das zugrundeliegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor. Aufgrund dieser Ergänzung des § 1 RVG findet die bisherige Rechtsprechung des Senats, nach der wegen des abschließenden Normengefüges der §§
172 ff.
SGG die Beschwerde an das Landessozialgericht gegen die Entscheidung des Sozialgerichts ausgeschlossen ist (vgl. hierzu Schleswig-Holsteinisches
Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Januar 2011 - L 1 B 266/09 SF E - m.w.N.), keine Anwendung mehr. Da die Ergänzung des § 1 RVG um den Abs. 3 mit Wirkung ab 1. August 2013 gilt, findet diese Neuregelung auch auf den vorliegenden Fall Anwendung, da der Beschluss des
Sozialgerichts auf den 6. Mai 2014 datiert. Die Übergangsregelung des § 60 Abs. 1 RVG führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag
zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt
vor diesem Zeitpunkt bestellt oder beigeordnet worden ist. Diese Regelung findet jedoch allein auf die Gebührenregelung Anwendung,
nicht auf sonstige Regelungen. Dies verdeutlicht der Wortlaut der Vorschrift, der nur von der "Berechnung der Vergütung" spricht.
Verfahrensvorschriften, wie etwa § 1 Abs. 3 RVG, werden daher von dieser Übergangsregelung nicht erfasst. Für sie gilt, dass nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen
Prozessrechts die verfahrensrechtlichen Gesetzesänderungen auf anhängige Festsetzungsverfahren anzuwenden sind (Beschluss
des Senats vom 31. Januar 2014 - L 5 SF 526 B E). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt auch 200,00 EUR (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG).
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Gebührenfestsetzung durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle und im Beschluss
des Sozialgerichts vom 6. Mai 2014 ist nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf eine Terminsgebühr
nach Nr. 3106 VV-RVG.
Nach dieser Vorschrift in der Fassung bis 31. Juli 2013, die hier noch, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat,
Anwendung findet, entsteht diese Gebühr auch, wenn
1.
in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung
entschieden wird,
2.
nach §
105 Abs.
1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird oder
3.
das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.
Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Nr. 3106 VV-RVG liegen dessen Voraussetzungen, wie auch der Beschwerdeführer einräumt, nicht vor; denn er hat die Klägerin nicht in einem
Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin vertreten und es ist keiner der in den Nummern 1 bis 3 enthaltenen Fällen
einer fiktiven Terminsgebühr gegeben.
Der Beschwerdeführer hat auch nicht analog Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative VV-RVG Anspruch auf die Terminsgebühr. Der Senat bleibt für die noch nach altem Recht geltenden Fälle bei seiner bisherigen Rechtsprechung
(Beschluss vom 17. März 2014 - L 5 SF 43/14 B E), des für Kostenrechtsstreitigkeiten nicht mehr zuständigen 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts
und der Rechtsprechung anderer, vom Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss zitierter Landessozialgerichte auch unter
Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens.
Gegen eine analoge Anwendung der Nr. 3104 VV-RVG auf Fälle der vorliegenden Art spricht bereits der eindeutige Wortlaut der Nr. 3106 VV-RVG, die in den Nummern 1 bis 3 mehrere Beendigungstatbestände erwähnt, nicht hingegen die Beendigung durch einen schriftlichen
Vergleich, wie dies Inhalt der Nr. 3104 VV-RVG ist. Gegen die für die analoge Anwendung notwendige planwidrige Gesetzeslücke spricht überdies, dass in der Nr. 3104 VV-RVG ausdrücklich geregelt ist, dass die Terminsgebühr nach ihren Regelungen (nur) entsteht, "soweit in Nr. 3106 nichts anderes
bestimmt ist". Damit hat der Gesetzgeber in Nr. 3104 VV-RVG ausdrücklich auf die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV-RVG verwiesen, ohne die Vergleichsregelung aufzunehmen. Er hat damit an dieser Stelle offensichtlich einen besonderen Gebührenanreiz
nicht für notwendig erachtet (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26. November 2008 - L 6 B 130/08 SF). Dieser Umstand spricht zum einen gegen das Vorliegen einer Regelungslücke, aber auch gegen das Vorliegen eines Redaktionsversehens
des Gesetzgebers.
Die zitierte Rechtsprechung einschließlich die des 1. Senats des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts weist in diesem
Zusammenhang auch auf Unterschiede und mögliche Gründe für eine differenzierte Regelung hin. Dazu zählt insbesondere auch,
dass das
SGG eine Beendigung des sozialgerichtlichen Verfahrens durch einen schriftlichen Prozessvergleich- abweichend von den Vorschriften
der
ZPO (§ 278 Abs. 6) und der
VwGO (§
106 Satz 2) - bis 24. Oktober 2013 nicht ausdrücklich vorsah. Denn erst nach diesem Zeitpunkt ist in §
101 Abs.
1 Satz 2
SGG ausdrücklich bestimmt, dass ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden kann, dass die Beteiligten einen
in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden und des Berichterstatters schriftlich gegenüber
dem Gericht annehmen. Damit wollte der Gesetzgeber auch den Streit um die Rechtsfrage beenden, ob die entsprechende Regelung
in §
278 Abs.
6 ZPO über §
202 SGG anwendbar ist (BT-Drucks. 17/12297 S. 39 zu Nr. 9).
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers folgt auch nicht "aus der insoweit eindeutigen Aussage in der Begründung des
Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts", dass es sich in der Fassung Nr. 3106 VV-RVG bis 31. Juli 2013 um ein gesetzgeberisches Versehen gehandelt und der Gesetzgeber darauf hingewiesen hat, es habe sich bei
der bisherigen Gesetzesfassung um eine missverständliche Regelung gehandelt. In der Begründung der Änderung der Nr. 3106 VV-RVG heißt es vielmehr, dass die Vorschrift durch die Änderung an die Nr. 3104 "angeglichen werden soll".
Gegen ein gesetzgeberisches Versehen spricht darüber hinaus der Hinweis in dem Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts
vom 22. November 2011 (L 15 SF 69/11 B E) zur alten Rechtslage, dass, wenn überhaupt ein Versehen des Gesetzgebers vorliegt, dann wohl insoweit, als gemäß Nr.
3104 Abs. 1 Nr. 1 VV-RVG bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs eine Terminsgebühr anfällt. Zu Recht weist nämlich das Landessozialgericht darauf
hin, dass nicht nachvollziehbar ist, warum der Abschluss eines schriftlichen Vergleichs zur Entstehung zweier Gebühren (Einigungsgebühr
und Terminsgebühr) führt. Die (alte) Gebührenregelung für Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstanden, erschien demgegenüber
stimmiger: Im Fall eines angenommenen Anerkenntnisses erhielt der Anwalt neben der Verfahrensgebühr die (fiktive) Terminsgebühr,
im Fall eines Vergleichs neben der Verfahrensgebühr die Einigungsgebühr. An dieser Logik ändert auch nichts die ab 1. August
2013 geltende Erweiterung der Nr. 3106 VV-RVG in der Nummer 1.
Die Auffassung, wonach bei sozialgerichtlichen Verfahren eine Terminsgebühr bei Abschluss eines "schriftlichen Vergleichs"
nicht in Ansatz gebracht werden kann, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19.
Dezember 2006 - 1 BvR 2091/06).
Dieser Beschluss ist nach § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gebührenfrei.
Kosten werden nach § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG nicht erstattet.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§§ 1 Abs. 3, 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).