Vergütung eines Rechtsanwalts als Betreuer eines vermögenden Betreuten
Gründe:
I. Im Verfahren über die von der Betreuerin beantragte Genehmigung der geschlossenen Unterbringung der Betroffenen bestellte
das Amtsgericht den Beteiligten zu 1 zum Verfahrenspfleger. Mit Schreiben vom 16.9.1994 beantragte dieser eine Vergütung von
276,40 DM (4 Stunden zu 60 DM und Fahrtkosten von 36,40 DM). Auf Anfrage des Amtsgerichts teilte die Betreuerin am 13.10.
1994 mit, daß sich das Vermögen der Betroffenen auf 7 200 DM belaufe. Mit Beschluß vom 18.10.1994 setzte das Amtsgericht die
Vergütung antragsgemäß fest und stellte fest, daß diese aus dem Vermögen der Betroffenen zu entrichten sei. Auf die Beschwerde
(eingelegt namens der Betroffenen von der Betreuerin, zu deren Aufgabenkreis auch die Vermögenssorge gehört) hob das Landgericht
mit Beschluß vom 22.12.1994 den Beschluß des Amtsgerichts vom 18.10.1994 auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung
an das Amtsgericht zurück. In den Gründen seiner Entscheidung führte das Landgericht aus, das Vermögen der Betreuten betrage
nach Mitteilung der Betreuerin nur 7.200 DM; die Betreute sei daher mittellos, der Anspruch des Verfahrenspflegers richte
sich gegen die Staatskasse.
Mit Beschluß vom 1.2.1995 setzte das Amtsgericht die Vergütung gegen die Staatskasse auf 276,40 DM fest. Hiergegen wendete
sich die Staatskasse mit der Begründung, die Betreute sei nicht mittellos, sie verfüge nach Mitteilung der Betreuerin vom
1.11.1994 über ein Vermögen von 8.338,04 DM. Das Landgericht wies mit Beschluß vom 14.3.1995 die Beschwerde als unbegründet
zurück, da die Betreute aus den Gründen des Beschlusses vom 22.12.1994 als vermögenslos anzusehen sei. Hiergegen richtet sich
die weitere Beschwerde der Staatskasse.
II. 1. Die weitere Beschwerde ist zulässig.
Sie ist nicht durch § 16 Abs. 2
ZSEG ausgeschlossen. Diese Bestimmung eröffnet im gerichtlichen Festsetzungsverfahren nur die Erstbeschwerde und schließt die
weitere Beschwerde grundsätzlich aus (BayObLGZ 1993, 123; BayObLG FamRZ 1994, 1332; BayObLG Rpfleger 1984, 270). Dieser Ausschluß greift nach dem Sinn der in § 16 Abs. 2
ZSEG getroffenen Regelung nur ein, wenn die Höhe des festgesetzten Betrages angegriffen wird. Ziel der weiteren Beschwerde ist
hier jedoch nicht eine Abänderung des im Festsetzungsverfahren zuerkannten Betrages, sondern die Feststellung, daß das Festsetzungsverfahren
an sich unzulässig ist, weil die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Staatskasse nicht vorliegen. In diesem Fall
steht § 16
ZSEG der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde nicht entgegen (BayObLGZ 1995 Nr. 37; OLG Köln Rpfleger 1994, 417; SchlHOLG BtPrax 1994, 139).
2. Die weitere Beschwerde ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Beschlüsse des Landgerichts vom 14.3.1995 und des Amtsgerichts
vom 1.2.1995 über die Festsetzung der Vergütung gegen die Staatskasse und zur Bewilligung einer Vergütung aus dem Vermögen
der Betroffenen. Denn die Betroffene ist nicht mittellos im Sinn des §
1836 Abs.
2
BGB.
Diese Entscheidung ist nicht schon - verfahrensrechtlich - dadurch ausgeschlossen, daß das Landgericht in seinem Beschluß
vom 22.12.1994 zu dem gegenteiligen Ergebnis gekommen ist und dieser Beschluß von keinem der Beteiligten angefochten wurde.
Der landgerichtliche Beschluß vom 22.12.1994 hindert weder die Aufhebung der im Verfahren gegen die Staatskasse ergangenen
Entscheidungen noch die (erneute) Festsetzung der Vergütung nach §
1836 Abs.
1
BGB. Dabei kann offenbleiben, ob eine Beschwerdeentscheidung, die im Verfahren über die Bewilligung einer Vergütung nach §
1836 Abs.
1
BGB ergeht, überhaupt eine bindende Wirkung für das Verfahren auf Festsetzung einer Vergütung gegen die Staatskasse haben kann,
was mit Rücksicht auf die unterschiedliche Ausgestaltung der beiden Verfahren und die Verschiedenheit der an ihnen Beteiligten
zweifelhaft sein mag. Hier braucht nicht entschieden zu werden, ob die im Beschluß vom 22.12.1994 vertretene Auffassung, die
Betroffene sei mittellos, im Verfahren der Festsetzung der Vergütung gegen die Staatskasse als bindend beachtet werden muß.
Denn dem Beschluß vom 22.12.1994 kommt eine Bindungswirkung schon seinem Inhalt nach nicht zu.
a) Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt §
565 Abs.
2
ZPO entsprechend (BayObLGZ 1993, 323/326; Jansen FGG 2. Aufl. § 25 Rn. 14). Das Amtsgericht ist deshalb, wenn das Landgericht seine Entscheidung aufhebt und die Sache zurückverweist, an die
der Aufhebung unmittelbar zugrunde liegende Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch das Beschwerdegericht gebunden, außer
wenn sich nachträglich der Sachverhalt oder die Rechtslage geändert hat (BayObLGZ 1962, 47; Jansen aaO.). Wird das Beschwerdegericht,
nachdem keiner der Beteiligten weitere Beschwerde eingelegt hat, erneut mit der Sache befaßt, so ist es an seine Beurteilung
der Sach- und Rechtslage in gleichem Umfang gebunden wie das Amtsgericht (Bassenge/Herbst FGG/
RPflG 6. Aufl. § 23
FGG Rn. 4). Diese Bindungswirkung erstreckt sich im weiteren Verfahren auch auf das Rechtsbeschwerdegericht (BGHZ 15, 122; Keidel FGG 13. Aufl. § 25 Rn. 9; Jansen aaO. Rn. 15).
b) Im vorliegenden Fall besteht eine Bindungswirkung nur insoweit, als das Amtsgericht in dem Beschluß vom 22.12.1994 zu einer
erneuten Entscheidung aufgefordert wurde. Bezüglich des Vermögens der Betreuten und der Grenze der Vermögenslosigkeit enthält
der Beschluß keine Ausführungen, die eine Bindungswirkung entfalten können.
Die Kammer verweist darauf, daß die Betreuerin vorgetragen habe, das Betreutenvermögen betrage 7.200 DM. Der Beschluß enthält
aber keine Ausführungen dazu, daß das Amtsgericht diese, vom Landgericht offensichtlich nicht überprüfte Angabe der Betreuerin,
zur Grundlage seiner Entscheidung machen solle. Ferner läßt sich dem Beschluß nicht entnehmen, wann nach Auffassung der Kammer
ein Betroffener als mittellos anzusehen ist. Die Bezugnahme auf Entscheidungen der Kammer in anderen Verfahren kann die fehlenden
rechtlichen Ausführungen nicht ersetzen, da der Beschluß vom 22.12.1994 nicht mehr aus sich heraus verständlich ist (RG JW
1926, 815; OLG Düsseldorf WM 1952, 104; Bassenge/Herbst § 25
FGG Anm. 1 b). Das Landgericht hat über die Bewilligung einer Vergütung aus dem Vermögen der Betroffenen nicht abschließend entschieden.
Es hat vielmehr die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen, ohne festzustellen, ob ein für die Festsetzung einer Vergütung
gegen die Staatskasse erforderlicher Antrag gestellt worden war. Der Senat legt die Entscheidung deshalb dahin aus, daß mit
ihr das Amtsgericht angewiesen sein sollte, erneut darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Vergütung
aus dem Vermögen der Betroffenen oder für die Festsetzung gegen die Staatskasse gegeben sind.
3. Es ist nicht gerechtfertigt, dem Verfahrenspfleger eine Vergütung nach § 1836 Abs. 2, § 1835 Abs. 4 (anzuwenden über §
1908i Abs.
1
BGB) aus der Staatskasse zu bewilligen, da die Betroffene nicht mittellos ist.
a) Die Begriffe der Mittellosigkeit gemäß § 1835 Abs. 4 und der Vermögenslosigkeit nach §
1836 Abs.
2
BGB sind in gleichartiger Weise auszulegen (§
1836 Abs.
2 Satz 4
BGB).
Die Grenze der Mittellosigkeit ist nach der Rechtsprechung des Senats in entsprechender Anwendung der Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes
zu ziehen (BayObLGZ 1995 Nr. 37).
Die besondere Lage des Betroffenen, dem wegen seiner Krankheit oder Behinderung ohne oder gegen seinen Willen vom Vormundschaftsgericht
ein Betreuer bestellt wird, rechtfertigt es, die Mittellosigkeit anhand der Einkommensgrenzen des BSHG für die Hilfe in besonderen Lebenslagen zu bestimmen. Dadurch wird auch vermieden, daß eine Person, die auf Dauer Sozialhilfeleistungen
bezieht, als nicht mittellos im Sinne von §
1835 Abs.
4
BGB angesehen wird (vgl. SchlHOLG BtPrax 1994, 139, 140). Bezüglich des Schonvermögens hält der Senat wegen der insoweit mit Behinderten gemäß § 69 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 76 Abs. 2a Nr. 3
BSHG vergleichbaren Situation des Betreuten die Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 1b der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG (BGBl. 1988 I 150) und damit einen Betrag von 8.000 DM für angemessen. Hinsichtlich der monatlichen Einkünfte ist ein Vergleich
mit § 81 Abs. 1 Nr. 5
BSHG (pflegebedürftige Personen) und damit seit 1. Juli 1993 eine Einkommensgrenze von 1.450 DM gerechtfertigt.
b) Danach ist die Betroffene nicht mittellos. Sie verfügt über Vermögen von mehr als 8.000 DM. Hierzu fehlen zwar Feststellungen
in den von der Staatskasse angefochtenen Beschlüssen des Amtsgerichts und des Landgerichts. Der Senat kann aber selbst aus
den Akten die notwendigen Tatsachen ermitteln. Nach der Mitteilung der Betreuerin vom 1.11.1994 verfügte die Betreute zu diesem
Zeitpunkt über ein Vermögen von 8.338,04 DM; dieses hat sich bis 13.2.1995 auf 8.625,33 DM erhöht. Vernünftige Gründe, an
diesen Angaben der Betreuerin zu zweifeln, bestehen nicht.
Es kann dahingestellt bleiben, welcher Zeitpunkt für die Feststellung, die Betroffene habe kein Vermögen, entscheidend ist
(vgl. hierzu Knittel BtG §
1835
BGB Rn. 28). Das Vermögen der Betreuten lag jedenfalls schon am 22.12.1994, als das Landgericht in seiner ersten Entscheidung
die Vermögenslosigkeit der Betreuten annahm, über der Schongrenze und hat sich seither nicht verringert.
Da die Betreute sonach nicht mittellos ist, sind die Entscheidungen des Landgerichts und des Amtsgerichts über die Festsetzung
der Vergütung gegen die Staatskasse aufzuheben, ohne daß es noch darauf ankommt, ob der Beteiligte zu 1 den erforderlich Antrag
auf Entschädigung aus der Staatskasse gestellt hat (vgl. BayObLGZ 1992, 372/373).
4. Das Verfahren ist damit in die Lage zurückversetzt, in dem es sich vor den aufgehobenen Entscheidungen befunden hat und
in die es durch die Aufhebung und Zurückverweisung durch den Beschluß des Landgerichts vom 22.12.1994 versetzt worden war.
Es ist deshalb darüber zu befinden, ob und gegebenenfalls welche Vergütung dem Beteiligten zu 1 zuzubilligen ist. Diese Entscheidung
kann der Senat selbst treffen, da weitere Ermittlungen nicht mehr erforderlich sind (vgl. Jansen § 27 Rn. 50).
a) Der im Unterbringungsgenehmigungsverfahren zum Verfahrenspfleger bestellte Anwalt kann eine Vergütung nach der Bundesgebührenordnung
für Rechtsanwälte als Aufwendungsersatz gemäß §
1835 Abs.
3
BGB oder bei Vorliegen der Voraussetzungen nach §
1836 Abs.
1 oder 2
BGB beanspruchen (BayObLGZ 1993, 256/257; OLG Düsseldorf Rpfl. 1995, 109; Zimmermann in Damrau/Zimmermann Betreuung und Vormundschaft
§ 70b
FGG Rn. 10 l). Der Beteiligte zu 1 durfte daher seine Vergütung gemäß §
1836 Abs.
1
BGB berechnen. Für die Vergütung des Verfahrenspflegers sind die Grundsätze über die Vergütung des Betreuers anwendbar.
Über die Höhe der Vergütung entscheidet der Senat, wie das Landgericht an dessen Stelle er entscheidet, nach pflichtgemäßem
Ermessen (vgl. BayObLGZ 1983, 96/98; 1990, 184/186). Dabei sind die Größe des Vermögens des Betroffenen, der zeitliche Aufwand,
die Schwierigkeit der übertragenen Aufgabe und der hieraus sich ergebende Grad der Verantwortung und alle sonstigen Umstände
des Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. BayObLGZ 1986, 448/450; 1990, 184/185).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die vom Beteiligten zu 1 beantragte Vergütung von 240 DM keinesfalls zu hoch.
Darauf kommt es hier allein an, weil die Entscheidung des Amtsgerichts vom 18.10.1994 nur von der Betroffenen angefochten
worden war und eine Entscheidung zum Nachteil des Beschwerdeführers (reformatio in peius) nicht zulässig ist (vgl. BayObLGZ
1995, 35/37 m.w.N.). Dieses Verbot der Schlechterstellung bleibt auch dann zu beachten, wenn nach Aufhebung und Zurückverweisung
erneut über die Sache zu entscheiden ist (Senatsbeschluß vom 23.8.1995 3Z BR 125/95; vgl. BGH MDR 1989, 979 f.; 1994, 1242/1243). Der angesetzte Zeitaufwand von vier Stunden für Aktenstudium, Besprechung mit der Betroffenen im BKH
und Verfassen eines Berichts an das Vormundschaftsgericht erscheint angemessen (§
287
ZPO). Der von ihm berechnete Stundensatz von 60 DM liegt an der unteren Grenze (Barth/Wagenitz FamRZ 1994, 71/77 f.).
b) Auslagenersatz in Höhe von 36,40 DM kann dem Beteiligten zu 1 nicht bewilligt werden.
Aufwendungen können vom Vormundschaftsgericht nur bei mittellosen Betreuten gemäß §
1835 Abs.
4
BGB gegen die Staatskasse festgesetzt werden, nicht jedoch nach §
1836 Abs.
1
BGB bei vermögenden Betreuten (BayObLGZ 1993, 323/324).