Gründe:
I. Für die Betroffene ist deren Bruder als Betreuer bestellt. Mit Beschluß vom 6.9.1994 setzte das Amtsgericht (Rechtspfleger)
für den Betreuer eine Aufwandsentschädigung von 362, 50 DM für die Zeit vom 1.7.1993 bis 31.8.1994 gegen die Staatskasse fest.
Das hiergegen eingelegte Rechtsmittel des Bezirksrevisors wies das Landgericht mit Beschluß vom 8.12.1994 zurück. Bei der
Bestimmung des Begriffes der Mittellosigkeit ging es von einem Schonvermögen von 15 000 DM aus. Hiergegen richtet sich die
weitere Beschwerde der Staatskasse, mit der geltend gemacht wird, daß ein Freibetrag nur in Höhe von 4 500 DM gerechtfertigt
sei.
II. 1. Die weitere Beschwerde ist zulässig.
Sie ist nicht durch § 16 Abs. 2
ZSEG ausgeschlossen. Diese Bestimmung eröffnet im gerichtlichen Festsetzungsverfahren nur die Erstbeschwerde und schließt die
weitere Beschwerde grundsätzlich aus (BayObLGZ 1993, 123; BayObLG FamRZ 1994, 1332; BayObLG Rpfleger 1984, 270). Dieser Ausschluß greift nach dem Sinn der in § 16 Abs. 2
ZSEG getroffenen Regelung nur ein, wenn die Höhe des festgesetzten Betrages angegriffen wird. Ziel der weiteren Beschwerde ist
hier jedoch nicht eine Abänderung des im Festsetzungsverfahren zuerkannten Betrages, sondern die Feststellung, daß das Festsetzungsverfahren
an sich unzulässig ist, weil die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Staatskasse nicht vorliegen. In diesem Fall
steht §. 16 ZSEG der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde nicht entgegen (OLG Köln Rpfleger 1994, 417; SchlHOLG BtPrax 1994, 139).
2. Die weitere Beschwerde ist auch begründet.
a) Das Landgericht hat seiner Entscheidung den Vortrag des Bezirksrevisors, die Betroffene verfüge über ein Barvermögen von
14 947, 21 DM, zugrundegelegt und angenommen, die Betroffene sei mittellos im Sinne des §
1835 Abs.
4
BGB. Es hat ausgeführt, für die Bestimmung der Mittellosigkeit begegne sowohl die bloße Heranziehung der Prozeßkostenhilfesätze
als auch derjenigen des Sozialhilferechts Bedenken. Vielmehr sei § 88
BSHG in modifizierter Form anzuwenden. Hinsichtlich des Barvermögens erscheine die Grenze des § 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG für die Bestimmung der Mittellosigkeit als zu niedrig angesetzt. Ein Schonvermögen in Höhe von 15 000 DM erscheine angemessen.
Eine Abweichung vom Wortlaut des § 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG sei auch zulässig, da es um die Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffes gehe.
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Es ist nicht gerechtfertigt, dem Betreuer eine Aufwandsentschädigung nach § 1836a
BGB, §
1835 Abs.
4 (anzuwenden über § 1908i Abs.
1
BGB) aus der Staatskasse zu bewilligen, da die Betroffene nicht mittellos ist.
Die Begriffe der Mittellosigkeit gemäß § 1835 Abs. 4 und der Vermögenslosigkeit nach §
1836 Abs.
2
BGB sind in gleichartiger Weise auszulegen (§
1836 Abs.
2 S. 4
BGB).
aa) Wann Mittellosigkeit vorliegt, wird in Rechtsprechung und Lehre unterschiedlich beurteilt:
Das LG Frankfurt (Rpfleger 1990, 357) und das LG Duisburg (Rpfleger 1993, 196) stellen auf die Umstände des Einzelfalles ab; letzteres bejahte Mittellosigkeit bei einem Guthaben von 6 466, 15 DM und
monatlichen Renten von insgesamt 1 006, 25 DM.
Das LG Hannover (Rpfleger 1993, 197) und das LG Berlin (BtPrax 1995, 28) bejahen Mittellosigkeit, wenn das Vermögen des Betreuten unterhalb des Schonbetrages des § 88
BSHG (4 500 DM) liegt und das Einkommen die Unpfändbarkeitsgrenze des §
850c
ZPO um nicht mehr als 15% übersteigt; ein Zuschlag auf die Pfändungsfreigrenze sei erforderlich, weil die bewilligte Vergütung
notfalls im Wege der Vollstreckung in zumutbaren Teilbeträgen einziehbar sein müsse.
Das OLG Schleswig (BtPrax 1994, 139) stellt die Mittellosigkeit unter Heranziehung der Regelungen des BSHG über den Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens fest; dies seien die unterschiedlichen Einkommensgrenzen der §§ 79 ff BSHG für die Hilfe in besonderen Lebenslagen und § 88
BSHG bei der Berücksichtigung von Vermögen (ebenso Damrau/Zimmermann Betreuung und Vormundschaft 2. Aufl. §
1835
BGB Rn. 20).
Das LG Oldenburg (FamRZ 1995, 494) nimmt Mittellosigkeit an, wenn das Vermögen des Betreuten entsprechend § 92 Abs. 1 S. 1 KostO den Betrag von 50 000 DM nicht erreicht und sein Einkommen unterhalb des Dreifachen des für ihn nach der Tabelle des §
114
ZPO maßgebenden Betrages bleibt; auch der Heidelberger Kommentar (§§
1835 - 1836a
BGB Rn. 55) befürwortet, die Mittellosigkeit in Anlehnung an die Maßstäbe des. § 92 Abs. 1
KostO zu definieren.
Der Senat bejahte die Mittellosigkeit nach §
1835 Abs.
3
BGB a. F., wenn die laufenden Einkünfte des Betroffenen unter den Sätzen der Tabelle zu §
114
ZPO a. F. und denen des BSHG liegen und das Vermögen die Schongrenze von §
115 Abs.
2
ZPO a. F., § 88
BSHG nicht überschreitet; dabei forderte er, die Sätze der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG, auch unter Berücksichtigung der Härteregelungen, konkret zu berechnen (BayObLGZ 1992, 372 f.; ebenso BayObLG BtPrax 1994,
173 = FamRZ 1995, 112 (nur Leitsatz) = Rpfleger 1995, 69 und die nicht veröffentlichten Beschlüsse vom 8.7.1994 - 3Z BR 95/94 und 9.2.1995 - 3Z BR 263/94; Soergel/Damrau
BGB 12. Aufl. §
1835
BGB a.F. Rn. 10).
bb) Der Senat hält nach erneuter Überprüfung seiner Meinung auch unter Berücksichtigung der Neufassung von §
115
ZPO an seiner bisherigen Auffassung nicht mehr fest. Er befürwortet, wie das Bezirksgericht Potsdam (BtPrax 1994, 68/69), aufgrund
folgender Erwägungen die entsprechende Anwendung der Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes:
Die Bestimmung der Mittellosigkeit anhand von §
850c
ZPO, selbst wenn neben dessen Absatz 1 auch Absatz 2 berücksichtigt wird, kommt nicht in Betracht. Der Betreute ist kein Schuldner,
dem im Interesse seiner Gläubiger eine Einschränkung seiner Lebensführung zugemutet werden kann.
Einen Rückgriff auf § 92
KostO hält der Senat für nicht angebracht (BayObLG BtPrax 1994, 173).
Einer Heranziehung der Sätze des Prozeßkostenhilferechts steht die nicht vergleichbare Interessenlage entgegen. Es stellt
einen wesentlichen Unterschied dar, ob jemand auf Kosten des Staates einen Prozeß führen will oder ob er für seine Lebensführung
einer Betreuung bedarf und der Staat für insoweit anfallende Unkosten herangezogen wird (vgl. auch LG Oldenburg FamRZ 1995,
494/495).
Die besondere Lage des Betroffenen, dem wegen seiner Krankheit oder Behinderung ohne oder gegen seinen Willen vom Vormundschaftsgericht
ein Betreuer bestellt wird (BGBl. 1988 I 150), rechtfertigt es, die Mittellosigkeit anhand der Einkommensgrenzen des BSHG für die Hilfe in besonderen Lebenslagen zu bestimmen. Dadurch wird auch vermieden, daß eine Person, die auf Dauer Sozialhilfeleistungen
bezieht, als nicht mittellos im Sinne von §
1835 Abs.
4
BGB angesehen wird (vgl. OLG Schleswig BtPrax 1994, 139/140). Bezüglich des Schonvermögens hält der Senat wegen der insoweit
mit Behinderten gemäß § 69 Abs. 4 S. 2 i.V.m. § 24 Abs. 2
BSHG vergleichbaren Situation des Betreuten die Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 1b der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG (BGBl. 1988 I 150) und damit einen Betrag von 8 000 DM für angemessen. Hinsichtlich der monatlichen Einkünfte ist ein Vergleich
mit § 81 Abs. 1 Ziff. 5 BSHG (pflegebedürftige Personen) und damit seit 1.7.1993 eine Einkommensgrenze von 1 450 DM gerechtfertigt.
cc) Da hier das Barvermögen des Betroffenen nach den Feststellungen des Landgerichts das Schonvermögen von 8 000 DM überschreitet,
ist für eine Inanspruchnahme der Staatskasse kein Raum.