Hausgrundstück als verwertbares Vermögen eines Betreuten
Gründe:
I. Für die Betroffene wurde mit Beschluß des Amtsgerichts vom 27.1.1988 Pflegschaft mit den Wirkungskreisen Aufenthaltsbestimmung
und Zuführung zur ärztlichen Behandlung angeordnet. Am 28.1.1988 wurde der Beteiligte, Rechtsanwalt G., zum Pfleger bestellt.
Mit Beschluß des Amtsgerichts vom 23.3.1989 wurde der Wirkungskreis des Pflegers auf Vermögensverwaltung erweitert; auch für
den erweiterten Wirkungskreis wurde Rechtsanwalt G. bestellt.
Das Amtsgericht bewilligte ihm für die Zeit vom 28.1.1988 bis 31.12.1989 mit Beschluß vom 2.8.1990 eine Vergütung von 15.960
DM, für die Zeit vom 1.1. bis 31.12.1990 mit Beschluß vom 14.6.1991 eine Vergütung von 14.820 DM und mit Beschluß vom 7.4.1992
für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.12.1991 eine Vergütung von 18.240 DM, jeweils einschließlich Mehrwertsteuer.
Mit Beschluß vom 22.1.1993 bestellte das Amtsgericht den jetzigen Betreuer als Vereinsbetreuer; gleichzeitig entließ es Rechtsanwalt
G. als Betreuer. Der neue Betreuer legte gegen die Vergütungsbeschlüsse des Amtsgerichts vom 2.8.1990, 14.6.1991 und 7.4.1992
Erinnerungen ein, welchen Rechtspfleger und Richter nicht abhalfen. Das Landgericht wies mit Beschluß vom 25.11.1993 die Rechtsmittel
als unbegründet zurück.
Auf die weitere Beschwerde des Betreuers hob der Senat diesen Beschluß auf und verwies die Sache zu anderer Behandlung und
neuer Entscheidung an das Landgericht zurück. Die Annahme des Landgerichts, die Betroffene besitze Vermögen von über 1,3 Millionen
DM, sie könne daher nicht als mittellos angesehen werden, werde durch die bisher getroffenen Feststellungen nicht getragen;
das Landgericht habe nicht ausreichend festgestellt, ob das Anwesen der Betroffenen von der Regelung des § 88 Abs. 2 Nr. 7
BSHG erfaßt werde. Durch Beschluß vom 31.1.1995 wies das Landgericht erneut die Beschwerden des jetzigen Betreuers gegen die Beschlüsse
des Amtsgerichts vom 2.8.1990, 14.6.1991 und 7.4.1992 zurück. Hiergegen wendet sich die weitere Beschwerde des Betreuers,
mit der er geltend macht, für die Frage der Vergütung hätten alle Änderungen nach Beendigung der Tätigkeit des Betreuers unbeachtet
zu bleiben, die Betroffene sei mittellos, die vom Amtsgericht bewilligten Vergütungen seien sittenwidrig.
II. Die weitere Beschwerde ist zulässig, der Betreuer konnte sie gemäß § 69g Abs. 2
FGG für die Betreute einlegen, da er auch für den Aufgabenkreis Vermögensverwaltung bestellt ist.
Das Rechtsmittel ist aber nicht begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, auch unter Beachtung der Darlegungen des Senats und unter Berücksichtigung des neuerlichen
Sachvortrags sei nicht von einer Mittellosigkeit der Betroffenen auszugehen. Das Beschwerdegericht entscheide nach Maßgabe
des Sachverhalts, wie er sich zur Zeit seiner Entscheidung darstelle; über die Vergütungsanträge des früheren Betreuers sei
deshalb aufgrund der jetzigen Vermögensverhältnisse der Betroffenen zu entscheiden. Neben einem Rentenanspruch in Höhe von
voraussichtlich 1.924,81 DM komme als einziges Vermögen der Betroffenen deren Grundstück im Werte von rund 1,3 Millionen DM
in Betracht. Dessen Verwertbarkeit werde nicht nach § 88 Abs. 2 Nr. 7
BSHG ausgeschlossen.
Es sei bereits fraglich, ob noch von einem Bewohnen ihres Anwesens durch die Betroffene ausgegangen werden könne; diese sei
auch nach dem Tod ihres Ehemannes im August 1994 im Pflegeheim geblieben und seither nicht in ihr Haus zurückgekehrt; nach
Angaben des Betreuers könne sich die Betroffene noch nicht entscheiden, ob sie endgültig in ein Pflegeheim gehen wolle.
Die Verwertung des Anwesens sei aber auch nicht ausgeschlossen, wenn unterstellt werde, die Betroffene bewohne es nur vorübergehend
nicht. Es handle sich nicht um ein angemessenes Hausgrundstück, weil das Anwesen der Betroffenen ein Zweifamilienhaus auf
einem Grundstück mit der Fläche von 1.006 m² sei; dies ergebe sich aus dem Einheitswertbescheid zum 1.1.1994 und der Tatsache,
daß die Räume im ersten Stock (Wohnraum, Küche, Kammer, Bad und WC), die getrennt vom Treppenhaus durch eine eigene Türe begangen
werden können, durch Mietvertrag vom 15.6.1989 vermietet gewesen seien.
Selbst wenn man davon ausgehe, das Haus sei kein Zweifamilienhaus und die Wohnfläche liege unter 130 m², sei das Haus im Hinblick
auf den Wohnbedarf der Betroffenen allein, der sich auf das Erdgeschoß beschränke, als zu groß zu bezeichnen. Einer ununterbrochenen
Tag- und Nachtpflege bedürfe die Betroffene nicht. Hinzu komme, daß das Grundstück die nach BSHG angemessene Fläche von 500 m² um mehr als 100 m² überschreite und von der Betroffenen in keiner Weise selbst versorgt werden
könne.
Der Verwertbarkeit des Grundstücks stehe auch die Härteregelung des § 88 Abs. 3
BSHG nicht entgegen. Das Grundstück könne für 760.000 DM verkauft werden, wenn der Betroffenen ein unentgeltliches Wohnrecht auf
Lebenszeit eingeräumt werde, durch das ihr die gewohnte Umgebung erhalten bleibe.
Da die Aufhebung des Beschlusses vom 25.11.1993 allein die Klärung der Vermögensverhältnisse der Betroffenen zum Gegenstand
gehabt habe, seien unter Zugrundelegung der Stundenzahl und des Stundensatzes der früheren Entscheidungen die amtsgerichtlich
bewilligten Vergütungen des früheren Betreuers angemessen und gerechtfertigt.
2. Diese Ausführungen halten der in der Rechtsbeschwerdeinstanz allein zulässigen rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1
FGG, §
550
ZPO) stand.
a) Die Mittellosigkeit der Betroffenen ist unter Heranziehung der Bestimmungen des BSHG zu bestimmen. Danach ist ein Betreuter mittellos, wenn sein Vermögen die Schongrenze von 8.000 DM nicht überschreitet (BayObLGZ
1995, 212).
b) Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, daß das Vermögen der Betroffenen diese Grenze überschreitet, weil sich der
Wert ihres Anwesens auf 1,3 Millionen DM beläuft und § 88 Abs. 2 Nr. 7 und Abs. 5
BSHG den Einsatz oder die Verwertung desselben nicht hindern.
c) Es braucht nicht entschieden zu werden, ob die Betroffene das Anwesen bewohnt, ob dieses ein Zweifamilienhaus ist und ob
ein solches unter § 88 Abs. 2 Nr. 7
BSHG fällt (vgl. hierzu Oesterreicher/Schelter/Kunz BSHG § 88 Rn. 14; Schorn/Jirasek/Seipp BSHG 14. Aufl. § 88 Rn. 57 f.). Nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts, die zugrunde zulegen sind, ist das
Anwesen der Betroffenen nämlich kein angemessenes Hausgrundstück im Sinne dieser Bestimmung. Bei der Prüfung der Angemessenheit
sind Wahl der Bewohner, Wohnbedarf, Grundstücksgröße, Hausgröße und Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes zu
berücksichtigen (§ 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 BSHG). Dies hat das Landgericht getan.
Zwar sind Familienheime im Sinne von §§ 7 und 12 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes in der Regel nicht unangemessen groß, wenn
ihre Wohnfläche die Grenzen des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 in Verbindung mit Abs. 2 des zweiten Wohnungsbaugesetzes nicht
übersteigt (§ 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 3 BSHG). Die Höchstgrenze für ein Familienheim beträgt danach 130 m². Das Landgericht ist aber zu Recht zu dem Ergebnis gekommen,
daß das Anwesen der Betroffenen, auch wenn es die Wohnfläche von 130 m² nicht überschreite, zur Finanzierung des Versorgebedarfs
herangezogen werden könne. Es hat hierzu festgestellt, daß das Anwesen für die Betroffene zu groß ist, diese selbst kann es
in keiner Weise versorgen. Der Wohnbedarf der Betroffenen, die nach dem Tode ihres Ehemanns allein ist, beschränkt sich auf
das Erdgeschoß. Im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Betroffenen ist eine ununterbrochene Tag- und Nachtpflege nicht
erforderlich. Die Größe des Grundstücks beträgt mehr als das Doppelte der bei einem freistehenden Haus als angemessen anzusehende
Fläche von 500 m² (vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp aaO. Rn. 60; Oesterreicher/Schelter-Kunz aaO. Rn. 15).
d) Die Härteregelung des § 88 Abs. 3
BSHG steht nach dem vom Landgericht festgestellten Sachverhalt dem Einsatz des Grundstücks nicht entgegen. Diese Bestimmung will
gewährleisten, daß die vorhandene Lebensgrundlage des Betroffenen nicht wesentlich beeinträchtigt wird und er nicht zu einem
wirtschaftlichen Ausverkauf gezwungen wird (Knopp/Fichtner BSHG 7. Aufl. § 88 Rn. 17). Bei der Bestimmung des Begriffs der Härte kommt es darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschriften zu einem den
Leitvorstellungen des Absatz 2 nicht entsprechenden Ergebnis führen würde (Schellhorn/Jirasek/Seipp aaO. Rn. 68). Für die
Frage, ob ein Hausgrundstück zum verwertbaren Vermögen zu rechnen ist, ist entscheidend, ob die Verwertung eine besondere
Härte für den Betreuten und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen bedeutet. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn
der Betreute keine unterhaltsberechtigten Angehörigen hat und sichergestellt werden kann, daß er weiterhin im Haus wohnen
bleiben kann.
So ist es hier.
Das Grundstück kann für den Lebensbedarf der Betroffenen eingesetzt werden, ohne daß die Betroffene ihre gewohnte Umgebung
und ihr Elternhaus verliert. Auf welche Weise dies geschieht, hat letztlich der Betreuer zu entscheiden. In Betracht kommen
nach den Ausführungen des Landgerichts z.B. die Veräußerung des ganzen Grundstücks unter Einräumung eines lebenslänglichen
Wohnrechts für die Betroffene oder die Teilvermietung des Hauses.
e) Zur Entscheidung der Kammer auf Grund der Zurückverweisung durch den Senatsbeschluß vom 8.7.1994 stand nur die Frage, ob
die Betroffene mittellos ist. Die Ausführungen zur Höhe der Vergütung hat der Senat gebilligt (Ziff. II 2 b des Beschlusses).
An diese Billigung ist der Senat, ebenso wie das Landgericht gebunden (§
565 Abs.
2
BGB analog; BGHZ 15, 122); über den Einwand der Betroffenen, die bewilligten Vergütungen seien wegen ihrer Höhe sittenwidrig, kann er deshalb nicht
mehr entscheiden.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.