Ersatz von Aufwendungen eines Betreuers eines vermögenden Betreuten
Gründe:
I. Für die Betroffene wurde durch Beschluß des Amtsgerichts vom 6.7.1982 Pflegschaft mit den Wirkungskreisen Aufenthaltsbestimmung
und Zuführung zur ärztlichen Behandlung angeordnet. Durch Beschluß des Amtsgerichts vom 8.10.1984 wurde die Pflegschaft auf
den Wirkungskreis Vermögensverwaltung erweitert.
Am 30.9.1992 bestellte das Amtsgericht anstelle der Betreuungsstelle des Landratsamts eine Vereinsbetreuerin zum Betreuer.
Am 22.10.1993 beantragte der Betreuungsverein als Vergütung für die Vereinsbetreuerin 2640 DM (44 Stunden zu je 60 DM) zuzüglich
Aufwendungsersatz in Höhe von 83, 69 DM abzüglich Vorschuß von 120 DM, also insgesamt 2603, 69 DM, festzusetzen.
Das Amtsgericht bewilligte mit Beschluß vom 22. November 1993 für die Zeit vom 13.10.1992 bis 22.10.1993 dem Verein die beantragte
Vergütung von 2603, 69 DM. Die Beschwerde der Betroffenen gegen diesen Beschluß wies das Landgericht mit Beschluß vom 23.11.1994
zurück. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen, mit der sie geltend macht, die Voraussetzungen dafür,
daß sie die Kosten der Betreuung tragen müsse, lägen nicht vor.
II. Die zulässige weitere Beschwerde ist begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Vergütung aus dem Vermögen der Beschwerdeführerin
lägen vor. Zwar könne der Einsatz des halben Miteigentumsanteils an der von der Betreuten bewohnten Eigentumswohnung und der
Ersparnisse von etwa 1100 DM nicht verlangt werden, weil dieses Vermögen unterhalb der Schongrenze liege. Die Betroffene verfüge
jedoch nach eigenen Angaben über Einkünfte von 3150 DM monatlich brutto. Selbst nach Berücksichtigung der üblichen Abzüge
für Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge und unterstellter krankheitsbedingter Mehraufwendungen von 64 DM verbliebe
ein Nettoeinkommen von 2000 DM pro Monat. Dieses Einkommen liege so weit über den in der Rechtsprechung für die Grenzen der
Mittellosigkeit diskutierten Einkommen, daß es einer Entscheidung, wo genau die Grenze der Mittellosigkeit anzusetzen sei,
nicht bedürfe.
2. Diese Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG, §
550
ZPO) nicht stand.
a) Mit der vom Landgericht bestätigten Vergütungsfestsetzung hat das Amtsgericht den Ersatz von Aufwendungen in Höhe von 83,
69 DM bewilligt. Das ist rechtsfehlerhaft. Aufwendungen können vom Vormundschaftsgericht nur bei mittellosen Betreuten gemäß
§
1835 Abs.
4
BGB gegen die Staatskasse festgesetzt werden, nicht jedoch nach §
1836 Abs.
1
BGB. Ist der Betreute nicht mittellos, kann der Betreuer, soweit ihm ein Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen zusteht (vgl. §
1835 Abs.
1
BGB), den entsprechenden Betrag grundsätzlich selbst dem Vermögen des Betreuten entnehmen. Im Streitfall entscheidet über den
Ersatz von Aufwendungen des Betreuers sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach das Prozeßgericht und nicht das Vormundschaftsgericht.
Ordnet das Vormundschaftsgericht gleichwohl die Erstattung von Aufwendungen nach §
1835
BGB aus dem Vermögen des Betreuten an, ist ein solcher Beschluß unwirksam und bindet - anders als ein Beschluß über eine Vergütung
nach §
1836
BGB - das Prozeßgericht nicht. Die unwirksame Entscheidung ist auf Beschwerde hin aufzuheben (BayObLGZ 1988, 275/277; 1993, 323/324;
Palandt/Diederichsen,
BGB, 54. Aufl. §
1835 Rn. 18). Das Landgericht hätte deshalb den auf Festsetzung von Aufwendungsersatz in Höhe von 83, 69 DM gerichteten Antrag
unter entsprechender Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung zurückweisen müssen. Dies wird vom Senat nunmehr nachgeholt.
b) Die Entscheidung des Landgerichts kann auch im übrigen keinen Bestand haben. Die Feststellungen des Landgerichts reichen
nicht aus, um die Voraussetzungen für die Bewilligung einer aus dem Vermögen der Betreuten zu zahlenden Vergütung (§
1836 Abs.
1
BGB) annehmen zu können.
aa) Zutreffend ist allerdings die Annahme des Landgerichts, daß der Miteigentumsanteil der Betroffenen an der von ihr bewohnten
Eigentumswohnung und ihr Sparguthaben von etwa 1100 DM eine Vergütung nach §
1836 Abs.
1 S. 2
BGB noch nicht zu rechtfertigen vermögen. Die Auffassung des Landgerichts, die Betroffene sei - legt man nur das genannte Vermögen
zugrunde - noch als mittellos im Sinne des §
1835 Abs.
4
BGB anzusehen, weil dieses Vermögen die Schongrenze nicht überschreite, begegnet keinen Bedenken. Anhaltspunkte dafür, daß die
Betroffene ihren Miteigentumsanteil an der von ihr bewohnten Wohnung verwerten müßte (vgl. § 88 Abs. 2 Nr. 7
BSHG), um sich den Erlös anrechnen zu lassen, sind nicht ersichtlich. Der Senat ist der Auffassung, daß die Mittellosigkeit eines
Betroffenen unter Heranziehung der Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes für die Hilfe in besonderen Lebenslagen zu bestimmen
ist. Danach ist (derzeit) Mittellosigkeit gegeben, wenn die laufenden Einkünfte des Betroffenen den Betrag von 1450 DM monatlich
(vgl. § 81 Abs. 1
BSHG) und das Vermögen die Schongrenze von 8000 DM nicht überschreiten (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 b der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG - BGBl. 1988 I 150 - und BayObLGZ 1995 Nr. 37).
bb) Die Feststellungen des Landgerichts zur Höhe des monatlichen Einkommens der Betroffenen sind nicht verfahrensfehlerfrei
zustande gekommen. Das Landgericht hat dieses Einkommen mit 2000 DM festgestellt, wobei es Steuern und Sozialversicherungsbeiträge
als einkommensmindernd berücksichtigt hat. Es hat aber nicht hinreichend ermittelt (vgl. § 12
FGG), ob es tatsächlich von einem monatlichen Bruttoeinkommen der Betroffenen in Höhe von 3150 DM ausgehen durfte. Zu weiteren
Ermittlungen hätte das Schreiben der Betroffenen vom 16.8.1994, auf welches sich das Landgericht stützt, Anlaß gegeben. Dort
hat die Betroffene auf die Frage nach dem monatlichen Einkommen angegeben: "Ist noch unklar. Brutto 3150 DM (kein Urlaubsgeld
etc.) (die letzte Zeit häufig Krankengeld)." Diesen Erklärungen läßt sich entnehmen, daß die Betroffene das angegebene Einkommen
nur bezieht, wenn sie arbeitet, daß sie hierzu aber wegen Krankheit häufig nicht imstande war. Aus den Beiakten läßt sich
außerdem ersehen, daß die Betroffene in der Zeit, für die Vergütung gefordert wird, zeitweise im Bezirkskrankenhaus Haar untergebracht
worden war.
Es ist nicht auszuschließen, daß die Berücksichtigung des tatsächlichen Einkommens der Betroffenen, daß das tatsächliche Einkommen
der Betroffenen, welches nicht ermittelt ist, zu einem anderen Ergebnis bei der Bemessung der Vergütung führt. Die Sache ist
deshalb zur Durchführung der erforderlichen weiteren Ermittlungen an das Landgericht zurückzuverweisen.