Rechtsstellung des Trägers der Sozialhilfe nach Überleitung vertraglicher Leibrentenansprüche; Anpassung an den Lebenshaltungskostenindex
Tatbestand:
Der klagende Kreis zahlt seit 1986 für die Schwester des Beklagten Heimkosten nach dem Bundessozialhilfegesetz. Er hat Altenteilsansprüche der Schwester gegen den Beklagten auf sich übergeleitet, die sich aus einem notariellen Vertrag
vom 10. Juli 1972 ergeben, durch den der Beklagte seiner Schwester ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht bestellt und
eine Geldrente versprochen hat. Der Kläger verlangt mit der Klage die - nach Maßgabe des notariellen Vertrages entsprechend
der Steigerung des Lebenshaltungskostenindexes erhöhte - Geldrente sowie anstelle des Wohnrechts eine weitere Geldrente. Der
Beklagte wendet dagegen ein, seine Schwester habe von dem vertraglichen Erhöhungsrecht nie Gebrauch gemacht; es habe zwischen
ihm und ihr darüber Einigkeit bestanden, daß nicht jede Steigerung der Lebenshaltungskosten ein Erhöhungsverlangen rechtfertige,
daß das Erhöhungsrecht vielmehr mit Zurückhaltung ausgeübt werden solle.
Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision wendet der Beklagte sich gegen die bestimmte Beträge übersteigende Verurteilung zur Zahlung
einer Geldrente.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß seine Verurteilung zur künftigen Zahlung einer Geldrente
an die Bedingung geknüpft ist, daß der Kläger künftig Sozialhilfe in Höhe der zugesprochenen Beträge ohne Unterbrechung von
mehr als zwei Monaten leistet.
I. Die Angriffe der Revision gegen das Berufungsurteil bleiben ohne Erfolg.
1. Für die Überleitung der streitbefangenen Ansprüche gilt ausschließlich § 90
BSHG und nicht § 91
BSHG. Diese Ansprüche sind keine Unterhaltsansprüche i. S. des § 91
BSHG, weil sie unabhängig von der Bedürftigkeit der Berechtigten und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten bestehen (vgl.
BVerwGE 82, 319 [322]).
2. Das Recht, eine Erhöhung der Leibrente zu verlangen, ist mit dem Rentenanspruch auf den Kläger übergegangen. Das wird von
der Revision ohne Erfolg in Frage gestellt.
§ 90
BSHG dient der Durchsetzung des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1
BSHG), indem er dem Träger der Sozialhilfe ein rechtliches Instrumentarium zur Verfügung stellt, das ihn in die Lage setzt, durch
Eintritt in die Gläubigerposition den vom Gesetz gewollten Vorrang der Verpflichtungen anderer, die dem Hilfeempfänger die
erforderliche Hilfe hätten gewähren können, nachträglich wiederherzustellen (BVerwGE 85, 136 [137]).
Die Überleitung eines Anspruchs nach § 90 Abs. 1
BSHG wirkt wie eine Abtretung. Die Rechtsnatur des Anspruchs bleibt unverändert. Er unterliegt der nämlichen rechtlichen Beurteilung
wie ohne die Überleitung, soweit das Gesetz keine besonderen Regelungen trifft (BGH Urteil vom 1. Juli 1987 - IVb ZR 74/86 - BGHR BSHG § 90 Abs. 1 Vergangenheit 1 = BGHR BSHG § 91 Abs. 2 Einjahresgrenze 1).
Wie bei gesetzlichen Unterhaltsansprüchen bewirkt die Überleitung bei einem Leibrentenanspruch allerdings nicht den Übergang
des Stammrechts selbst (vgl. BVerwGE 34, 219 [225]). Das schließt jedoch nicht den Übergang von Nebenrechten aus, die sich nicht auf das Rechtsverhältnis als ganzes,
sondern auf die einzelnen Leistungspflichten beziehen. Die Rechtsstellung des Zessionars als des (neuen) Forderungsgläubigers
(§
398 Satz 2
BGB) umfaßt das Recht, den Schuldner mit allen gesetzlichen Mitteln zur vertragsgemäßen Leistung anzuhalten. Hierzu gehört zum
Beispiel die Befugnis, den Schuldner zur Leistung aufzufordern, ihn zu mahnen und auf Leistung zu verklagen sowie ihm unter
Ablehnungsandrohung eine Nachfrist zu setzen (vgl. BGH Urteil vom 21. Juni 1985 - V ZR 134/84 - WM 1985, 1106 [1107]). Für die Befugnis, ein vertraglich vorgesehenes Erhöhungsverlangen zu stellen, kann nichts anderes gelten.
Die gebotene Rücksichtnahme auf persönliche Beziehungen der Vertragspartner des Leibrentenversprechens steht einem Übergang
des Rechts, entsprechend gestiegenen Lebenshaltungskosten eine Erhöhung der Rente zu verlangen, nicht entgegen. Der Sozialhilfeempfänger,
der öffentliche Unterstützung in Anspruch nimmt, ist verpflichtet, seine eigenen Einkunftsmöglichkeiten auszunutzen. Er könnte
bei der Bemessung seines Hilfebedarfs auf die Leibrente und auch auf die Möglichkeit, ihre Erhöhung zu verlangen, verwiesen
werden, soweit die ihm danach zustehende Rente ausreicht, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Durch die Möglichkeit, daß der
Sozialhilfeträger zunächst Hilfe leistet und die dem Empfänger zustehenden Erwerbsmöglichkeiten - einschließlich einer vertraglich
begründeten Erhöhungsmöglichkeit - auf sich überleitet, wird in die persönlichen Beziehungen der Vertragspartner nicht stärker
eingegriffen.
Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 5. März 1986 (- IVb ZR 25/85 - NJW 1986, 1688) läßt sich gegen einen Übergang des Rechts, eine Erhöhung der Leibrente zu verlangen, nichts herleiten. Der unterhaltsrechtliche
Auskunftsanspruch nach §
1605
BGB, der auf einer besonderen familienrechtlichen Beziehung beruht, kann in Bezug auf § 90
BSHG und §
401
BGB mit dem Recht, eine Erhöhung der Rente zu verlangen, nicht verglichen werden.
2. Die Altenteilsberechtigte hatte das Recht, die Erhöhung zu verlangen, nicht durch Nichtausübung verloren.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Altenteilsberechtigte ihr Recht, eine Erhöhung der Geldrente zu verlangen, "seit
der Bestellung des Altenteils im Jahr 1972 möglicherweise aus Rücksicht auf die engen finanziellen Verhältnisse des Beklagten
und auf seine Aufwendungen für die Reparaturen der Wohnung nie ausgeübt" habe; dies habe aber nicht zum Verlust oder zur Verwirkung
dieses Rechts geführt, weil der Beklagte aus dem Umstand, daß die Altenteilsberechtigte, solange sie noch in ihrer Wohnung
lebte, sich mit 100 DM im Monat begnügte, nicht habe entnehmen können, daß sie bei größerer Bedürftigkeit, insbesondere infolge
einer Notwendigkeit von Heimpflege, nicht eines Tages gezwungen sein würde, die ihr zustehenden Rechte voll auszunutzen. Diese
Beurteilung wird von der Revision als tatrichterliche Würdigung hingenommen und läßt Rechtsfehler auch nicht erkennen.
3. Dem Erhöhungsverlangen konnten die Lebenshaltungskosten von 1972 als Ausgangspunkt der Berechnung zugrunde gelegt werden.
Dadurch, daß die Schwester des Beklagten das Erhöhungsrecht zeitweilig nicht geltend gemacht hat, wurde das Recht, bei einem
- wie dargelegt weiterhin zulässigen - späteren Erhöhungsverlangen für die Zukunft von den Lebensverhältnissen zur Zeit des
Vertragsschlusses auszugehen, nicht berührt. Ein Verzicht hierauf kann der bloßen Untätigkeit der Altenteilsberechtigten nach
Treu und Glauben nicht entnommen werden. Dies macht auch die Revision nicht mehr geltend.
4. Das Berufungsgericht nimmt an, daß das vertragliche Wohnrecht der Schwester des Beklagten sich mit der Aufnahme in ein
Heim nach § 10 des Schleswig-Holsteinischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (AGBGB) vom 27. September 1974 (GVBl S. 357) in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat. Die Bejahung eines solchen Anspruchs läßt
revisionsrechtlich erhebliche Fehler nicht erkennen. Die Anwendung des § 10
AGBGB ist der revisionsgerichtlichen Nachprüfung grundsätzlich entzogen (§
549 Abs.
1
ZPO); dies wird auch von der Revision nicht verkannt. Eine Verletzung von Bundesrecht in diesem Zusammenhang ist nicht ersichtlich.
5. Der Anspruch des Klägers ist auch nicht durch Aufrechnung mit Gegenansprüchen des Beklagten erloschen oder vermindert.
Die Revision macht geltend, dem Beklagten stünden Gegenansprüche zu, weil er als Betreuer der Altenteilsberechtigten deren
Vermögen verwaltet und in diesem Zusammenhang Auslagen gehabt habe, deren Ersatz er nach §
1908 i. V. m. §. 1835
BGB beanspruchen könne; sein Hinweis in dem Schriftsatz vom 17. September 1992 sei als Aufrechnungserklärung zu verstehen gewesen;
dies hätte er bei gebotenem Hinweis des Gerichts (§§
139,
278 Abs.
3
ZPO) ausdrücklich klargestellt. Damit kann sie keinen Erfolg haben.
Der bloße Hinweis des Beklagten auf die dem Schriftsatz vom 17. September 1992 beigefügten Unterlagen, der sich lediglich
auf die nach diesen Unterlagen in die Abrechnung eingestellten Monatsbeträge bezog, mußte das Berufungsgericht nicht zu Hinweisen
nach §§
139,
278 Abs.
3
ZPO veranlassen. In diesem Schriftsatz hat der Kläger nämlich insoweit ausschließlich geltend gemacht, er habe auch in den Jahren
1989 und 1990 monatlich 100 DM an die Altenteilsberechtigte geleistet und könne nicht verpflichtet sein, diese Leistungen
"noch einmal" an den Kläger zu erbringen. Mit diesem Vorbringen hat bereits das Landgericht sich auseinandergesetzt und darauf
hingewiesen, daß der Beklagte nach Bekanntgabe des Überleitungsbescheides vom 11. Januar 1989 mit befreiender Wirkung nur
noch an den Kläger habe leisten können. Das wird von der Revision nicht beanstandet. Im übrigen hat der Beklagte in dem genannten
Schriftsatz nicht einmal behauptet, die in der Abrechnung genannten Aufwendungen aus seinem eigenen Vermögen und nicht aus
dem des Pfleglings, seiner Schwester, bestritten zu haben.
II. Kann die Revision sonach mit ihren Rügen nicht durchdringen, so bedarf die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer
(erhöhten) Geldrente dennoch einer Einschränkung.
Wird der Klage eines Sozialhilfeträgers aufgrund nach § 90
BSHG übergeleiteter, künftig fällig werdender Ansprüche stattgegeben, so ist die Bedingung der Überleitung, daß er künftig Sozialhilfeleistungen
in Höhe der zugesprochenen Beträge ohne Unterbrechung von mehr als zwei Monaten erbringt, in die Urteilsformel aufzunehmen;
die Erteilung der Vollstreckungsklausel setzt dann den Nachweis des Sozialhilfeträgers voraus, daß die Bedingung eingetreten
ist, daß er also die Verurteilung erreichende Unterhaltsleistungen laufend erbracht hat (BGH Urteil vom 18. März 1992 - XII ZR 1/91 - BGHR BSHG § 90 Überleitungsumfang 2).