Versicherungspflicht einer Aerobictrainerin in der gesetzlichen Rentenversicherung
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin als Aerobic-Trainerin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung unterliegt.
Die 1977 geborene Klägerin, die im Jahre 1999 eine Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau erfolgreich beendet hatte,
durchlief an vier Wochenenden im November 1999 bei einem privaten Institut die Ausbildung zur Aerobic-Trainerin. Nach weiterführendem
Selbststudium und Hospitationen bei anderen Trainern erwarb sie im Mai 2000 die B (Basic-)Lizenz der privaten A. -Academie.
Um sich fortzubilden, besuchte sie seitdem regelmäßig so genannte Fitness-Conventions.
Am 1.12.2000 nahm die Klägerin, die im Übrigen im Anstellungsverhältnis bei einem Lüneburger Sportverein arbeitete und jetzt
studiert, unter ihrer Privatanschrift ein Gewerbe als Aerobic-Trainerin mit eigenen Geschäfts- und Büroräumen auf.
In dem im Jahr 2001 begonnenen Verfahren auf Prüfung, ob eine versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit als Lehrerin
vorliegt, gab die Klägerin gegenüber der Beklagten an, für - damals - sechs verschiedene Fitnesscenter deren Mitglieder zu
trainieren und zu betreuen. Sie stufe die Besucher der Fitnesscenter zunächst nach ihrem gegenwärtigen physischen Zustand
ein. Danach entwerfe sie einen individuellen Trainingsplan, den sie mit den Kunden bespreche und ihnen erkläre. Sie erläutere
die Bedienung der Trainingsgeräte, überwache das Training, kontrolliere die Veränderung des physischen Zustandes der Kunden
und überarbeite den jeweiligen Trainingsplan. Beim Gruppentraining leite sie die jeweilige Gruppe (beispielsweise Hausfrauen,
Schwangere oder Rentner) an und mache die Übungen vor, die anschließend von der Gruppe nachzumachen seien. Zur Ausgestaltung
der vertraglichen Zusammenarbeit mit den Fitnesscentern (Auftraggebern) erläuterte die Klägerin ua, Abwesenheitszeiten seien
abzustimmen, die Auftraggeber seien bei plötzlicher Verhinderung zu informieren, besondere Arbeitsmittel der Auftraggeber
würden nicht in Anspruch genommen.
Nachdem sie zunächst in einem Schreiben vom 14.3.2001 angekündigt hatte, die Klägerin als versicherungspflichtige Selbstständige
anzusehen und dementsprechende Beiträge zu fordern, stellte die Beklagte mit dem Bescheid vom 4.5.2001 die Versicherungspflicht
der Klägerin als selbstständige Lehrerin für die Zeit ab dem 1.12.2000 fest. Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin
sind jeweils erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 6.9.2001, Urteil des Sozialgerichts [SG] Lüneburg
vom 19.3.2003, Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Niedersachsen-Bremen vom 24.5.2006). Das LSG hat zur Begründung seiner
Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, Lehrer seien Personen, die durch Erteilung von theoretischem und praktischem Unterricht
anderen Allgemeinbildung oder spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelten. Die Klägerin sei Lehrerin in diesem Sinne,
indem sie den Kunden bzw Teilnehmern ihrer Kurse spezielle Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Training sämtlicher
Muskelgruppen und zur Verbesserung der Bewegungsabläufe vermittle. Bestätigung finde die Ausübung einer Lehrtätigkeit in der
von der Klägerin erworbenen B-Lizenz. Im Übrigen hat das LSG auf die Ausführungen des SG Bezug genommen, das sich seinerseits wesentlich auf die Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren gestützt hatte.
Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Das LSG habe es für entscheidungserheblich gehalten, welche Tätigkeitsaspekte
im Vordergrund stünden, das heißt für die Gesamttätigkeit prägend seien. Hiervon ausgehend sei es dann aber nicht verständlich,
wenn das Berufungsgericht entgegen den von der Klägerin gemachten Angaben zu der Bewertung komme, bei ihr stünde die Vermittlung
von Wissen und Fertigkeiten im Vordergrund. Das LSG verkenne damit den Begriff des Lehrers oder habe jedenfalls dadurch, dass
es dem Beweisantrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens und auf Inaugenscheinnahme nicht gefolgt sei,
seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt. Das angefochtene Urteil verletze außerdem Art
3 GG. Nach den gesetzlichen Tatbeständen des §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI und §
2 Satz 1 Nr 9
SGB VI andererseits finde eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung von für mehrere Auftraggeber tätigen selbstständigen Lehrern und
für mehrere Auftraggeber tätigen sonstigen Selbstständigen dadurch statt, dass im Vergleich dieser Gruppen nur die selbstständigen
Lehrer versicherungspflichtig seien. Zur Vermeidung eines Grundrechtsverstoßes gegen Art
3 GG seien daher die Tatbestände des §
2 Satz 1 Nr 1-8
SGB VI und somit hier insbesondere die Nr 1 in dem Sinne verfassungskonform auszulegen, dass auch Lehrer, die für mehrere Auftraggeber
tätig sind, versicherungsfrei sind.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 24.5.2006 sowie das Urteil des SG Lüneburg vom 19.3.2003 sowie den Bescheid der
Beklagten vom 4.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.9.2001 aufzuheben.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ein Verstoß gegen Art
3 GG liege nicht vor.
II. Das Rechtsmittel ist im Sinn der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Auf der Grundlage des vom LSG festgestellten Sachverhalts kann bisher noch keine abschließende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit
der angegriffenen Verwaltungsakte getroffen werden. Die Beklagte ist zwar in den angefochtenen Bescheiden zutreffend davon
ausgegangen, dass die Klägerin ab 1.12.2000 selbstständige Lehrerin im hier allein maßgeblichen rechtlichen Sinn der gesetzlichen
Rentenversicherung ist und auch ansonsten die tatbestandlichen Voraussetzungen von §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI erfüllt. Die Instanzgerichte haben indes - wie bereits die Beklagte - verkannt, dass die streitige Frage nach der Versicherungspflicht
der Klägerin ihre Beantwortung nicht allein hierin finden kann, sondern notwendig auch die Prüfung einschlägiger Tatbestände
der Versicherungsfreiheit erfordert. Das LSG wird daher insbesondere die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen
der Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit (§§
8 SGB IV, 5 Abs
2 Satz 1 Nr
2 SGB VI) nachzuholen haben.
Der Senat hat die in der Revision aufgeworfenen Fragen bereits beantwortet. Hiernach bestehen gegen die Anordnung der Versicherungspflicht
selbstständiger Lehrer keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Urteil des Senats vom 12.10.2000, B 12 RA 2/99 R, SozR 3-2600 § 2 Nr 5, juris RdNr 17 ff; vom 12.10.2000, B 12 RA 4/00 R, Die Beiträge Beilage 2001, 234, RdNr 23 ff, die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde nicht zur Entscheidung angenommen,
Bundesverfassungsgericht [BVerfG] 1. Senat 3. Kammer vom 26.6.2007, 1 BvR 2204/00; vom 23.11.2005, B 12 RA 9/04 R, USK 2005-47, juris RdNr 11, jeweils mwN). Auch genügt die Tätigkeit der Klägerin den Anforderungen des in langer Tradition
entwickelten sozialversicherungsrechtlichen Begriffs des Lehrers schon deshalb, weil sie nach den insofern unangefochtenen
Feststellungen des LSG ua darauf gerichtet ist, den Kunden bzw Teilnehmern ihrer Kurse spezielle Kenntnisse, Fähigkeiten und
Fertigkeiten zum Training sämtlicher Muskelgruppen und zur Verbesserung ihrer Bewegungsabläufe zu vermitteln. Die individuelle
Arbeit mit den Kunden, deren Einstufung nach dem vorgefundenen physischen Zustand, das Entwerfen individueller Trainingspläne,
die Überwachung des Trainings, die Anleitungen, um Fehlbedienungen an den Fitnessgeräten zu vermeiden, die Nachbesprechungen
und die Kontrolle des Erfolges der Trainingseinheiten spiegeln wesentliche Elemente der Lehrtätigkeit wieder. Schließlich
werden beim Vormachen von Übungen und beim Gruppentraining Körperbewegungen lehrend vermittelt, selbst wenn diese außerhalb
des Kurses nicht reproduzierbar sind (vgl Urteil vom 22.6.2005, B 12 RA 6/04 R, SozR 4-2600 § 2 Nr 1, juris RdNr 22, die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde nicht zur Entscheidung angenommen,
BVerfG 1. Senat 3. Kammer vom 25.7.2007, 1 BvR 2134/05).
Mit ihren Angriffen gegen die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, die genannten Betätigungen stellten den Schwerpunkt
ihrer selbstständigen Tätigkeit dar, kann die Klägerin nicht durchdringen. Ihr entsprechendes Vorbringen beruht bereits im
Ausgang auf einer mit der Rechtsprechung des Senats unvereinbaren Vorstellung vom Inhalt des Rechtsbegriffs des Lehrers. Die
Subsumtion des LSG kann daher aus dem von der Revision angeführten Grund, das LSG ziehe von der Klägerin abweichend bewertete
Elemente des Berufsbildes rechtlich unzutreffend in die Schwerpunktbildung ein, nicht durchgreifend bestritten werden. Unter
anderem aus dem selben Grunde scheitern auch die Angriffe der Revision auf die entsprechenden Tatsachenfeststellungen des
LSG. Die Beweisanregungen der Klägerin hätten im Rahmen von §
103 SGG nämlich allein dann Bedeutung erlangen können, wenn sich das Tatsachengericht von seiner Rechtsansicht aus zu weiteren Ermittlungen
hätte gedrängt fühlen müssen. Unabhängig hiervon hat die Revision auch nicht vorgetragen, warum sich das LSG auf der Grundlage
einer vorläufigen Würdigung der bereits vorliegenden eigenen Angaben der Klägerin (§
128 Abs
1 Satz 1
SGG) überhaupt noch zu weiteren Beweiserhebungen nach §
103 Satz 1 Halbsatz 1
SGG hätte gedrängt fühlen müssen und welche konkret abweichenden urteilsrelevanten tatsächlichen Ergebnisse sich aus der von
ihr beantragten weiteren Beweiserhebung ergeben hätten. Unter diesen Umständen ist vorliegend nicht näher darauf einzugehen,
dass - sollte das Vorbringen der Klägerin so zu verstehen sein - eine Beweiserhebung mit dem Ziel, ein bestimmtes Ergebnis
der Subsumtion unter den Tatbestand einer inländischen Norm zu bestätigen, von vornherein ausgeschlossen ist.
Der Senat hat auch die von der Klägerin im Zusammenhang mit Art
3 Abs
1 GG aufgeworfene Frage bereits beantwortet. Er hat im Urteil vom 5.7.2006 (B 12 RA 4/05 R, SozR 4-2600 § 2 Nr 9) ausgeführt und begründet, dass die Vorschrift nicht gebietet, die einschränkende Voraussetzung des
§
2 Satz 1 Nr 9 Buchst b
SGB VI in den Versicherungspflichttatbestand des §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI zu "übernehmen" und die Versicherungspflicht selbstständiger Lehrer auf solche einzugrenzen, die auf Dauer und im Wesentlichen
nur für einen Auftraggeber tätig sind. Auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Berufungsgerichts vorbehalten.