Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für ein selbst beschafftes digitales Hörgerät, soweit diese nicht von
der beigeladenen Krankenkasse im Rahmen der Festbetragsregelung getragen worden sind.
Der im Jahre 1960 geborene Kläger ist seit seinem 11. Lebensjahr auf dem rechten Ohr taub und auf dem linken Ohr um 30 vH
hörgemindert. Seit 1992 war er als Gärtner an einem Krankenhaus beschäftigt, wo er mit der ständigen Pflege der Außenanlagen
betraut war.
Im April 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für ein digitales Hörgerät mit Spracherkennung.
Er wies auf erhebliche hörbedingte Probleme bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit hin. Er habe Anweisungen seines
Vorgesetzten nicht richtig verstanden und Besprechungen mit Kollegen bzw Landschaftsarchitekten akustisch nicht folgen können,
so dass es zu Missverständnissen bei der Arbeitsausführung gekommen sei. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 13.5.2004
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2004), weil ein digitales Hörgerät nicht zur Ausübung der Berufstätigkeit
erforderlich sei. Während des Widerspruchsverfahrens ist der Kläger mit einem digitalen Hörgerät versorgt worden. Der Kläger
beglich den - nach Abzug des von der Beigeladenen erbrachten Kassenanteils (in Höhe von 523,79 Euro) - verbleibenden Eigenanteil
(in Höhe von 1.669,71 Euro).
Mit Urteil vom 6.7.2007 hat das Sozialgericht Bremen (SG) die Beklagte unter Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, den vom Kläger getragenen Eigenanteil in voller
Höhe zu erstatten, weil der Kläger ohne die Versorgung mit einem digitalen Hörgerät nicht mehr den Anforderungen seines Arbeitsplatzes
entsprochen habe.
Mit der Berufung hat die Beklagte geltend gemacht, dass die Versorgung des Klägers mit einem voll digitalen Hörgerät aus medizinischer
Sicht nicht erforderlich gewesen sei. Mit Urteil vom 27.5.2009 hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) unter
Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte
als zuerst angegangener Leistungsträger iS von §
14 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB IX) zuständig sei. Die Beigeladene sei ihrer Leistungspflicht gemäß §§
33 Abs
1 Satz 1 iVm 36 Abs
1 Satz 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB V) durch die Kostenübernahme in Höhe des Festbetrages nachgekommen. Eine Leistungspflicht der Beklagten gemäß §
15 Abs
1 Satz 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB VI) iVm §
26 Abs
1 und
2 Nr
6 und §
31 Abs
1 Nr
3 SGB IX scheitere daran, dass ein digitales Hörgerät nicht aus beruflichen Gründen erforderlich gewesen sei. Hierfür hat sich der
Senat maßgeblich auf die Arbeitgeberauskunft vom 28.3.2008 bezogen. Die vom Kläger vorgetragenen hörbedingten Kommunikationsdefizite
seien allenfalls vereinzelt aufgetreten und im Übrigen nicht nachvollziehbar vorgetragen.
Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisanträge hat das LSG als Ausforschungsanträge zurückgewiesen
und über die Berufung ohne weitere Beweisaufnahme befunden.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger Verfahrensmängel wegen mangelnder tatrichterlicher Sachaufklärung (§
103 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 und
3 SGG.
II
Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet, soweit eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§§
103,
160 Abs
2 Nr
3 SGG) durch die unterbliebene Vernehmung des Zeugen W. R. geltend gemacht wird.
Das LSG ist dem hilfsweise gestellten Beweisantrag zu Unrecht nicht gefolgt.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG laut Sitzungsniederschrift vom 27.5.2009 ua den Antrag gestellt,
"hilfsweise, Herrn W. R., zum Beweis folgender Tatsache zu hören:
Der Zeuge wird bekunden, dass der Kläger ohne die Versorgung mit einem digitalen Hörgerät nicht zur ordnungsgemäßen Ausübung
seiner beruflichen Tätigkeit als Gärtner in der Lage war."
Entgegen der Auffassung des LSG handelt es sich um einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG, der den Beweisgegenstand (Zeugenvernehmung der benannten Person unter Angabe der Anschrift) und das Beweisthema (sinngemäß:
Relevanz der Hörverbesserung am Arbeitsplatz nach Versorgung mit einem digitalen Hörgerät) ausreichend bezeichnet hat. Der
Kläger hat dem LSG mithin in der mündlichen Verhandlung hinreichend deutlich vor Augen geführt, dass er die gerichtliche Aufklärungspflicht
in Bezug auf die aus der beruflichen Tätigkeit abgeleiteten Anforderungen an sein Hörvermögen noch nicht als erfüllt ansah
(vgl allgemein zur "Warnfunktion" eines Beweisantrags, BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; Senatsbeschluss vom 31.1.2008, B 13 R 53/07 B, Juris RdNr 6).
Entgegen der Auffassung des LSG handelt es sich hierbei nicht um einen unzulässigen "Ausforschungsbeweis" (zur Begrifflichkeit
vgl Greger in Zöller,
ZPO, Komm, 28 Aufl, RdNr 5 vor §
284). Nach den im Zivilprozess entwickelten Grundsätzen zum Ausforschungsbeweis zielt dieser darauf ab, bisher unbekannte Tatsachen
zwecks genaueren Vorbringens in Erfahrung zu bringen (vgl Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 5.4.2001, IX ZR 276/98, NJW 2001, 2327; Urteil vom 2.4.2007, II ZR 325/05, BB 2007, 1185 mwN). Im sozialgerichtlichen Verfahren liegt ein "Ausforschungsbeweis" vor, wenn ihm die Bestimmtheit bei der Angabe der
Tatsachen oder Beweismittel fehlt, oder aber der Beweisführer für seine Behauptung nicht genügend Anhaltspunkte angibt und
erst aus der Beweisaufnahme die Grundlage für seine Behauptungen gewinnen will (vgl BSG, Urteil vom 19.9.1979, 11 RA 84/78, zitiert nach Juris). Gleiches gilt, wenn der Zeuge über völlig aus der Luft gegriffene Behauptungen Aussagen machen soll,
die allein den Zweck haben, die Partei erst über ihr unbekannte Vorgänge und Sachverhalte zu informieren (vgl Kummer, Die
Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 211).
Der hier gestellte Beweisantrag zielte hingegen nicht auf eine solche Ausforschung ab. Hiergegen spricht bereits, dass das
LSG den Arbeitgeber des Klägers - unter Bezugnahme auf die bereits am 11.5.2005 erteilte Auskunft - selbst um die namentliche
Angabe des im Jahre 2004 zuständigen Vorgesetzten gebeten hatte, um nähere Auskünfte zum Leistungsvermögen des Klägers am
Arbeitsplatz zu erhalten. Der Arbeitgeber hat daraufhin mit Schreiben vom 28.3.2008 - neben dem Leiter der technischen Abteilung
- den damals zuständigen Meister, den vom Kläger benannten Zeugen W. R. benannt. Der in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltene
Beweisantrag war zwar anders formuliert, sinngemäß zielte er aber auf die Ermittlung hörbedingter Leistungseinschränkungen
am Arbeitsplatz ab. Dem steht nicht entgegen, dass das Beweisthema auch subjektive Einschätzungen und Wertungen des Zeugen
zur Arbeitsleistung des Klägers umfasste. Eine Pflicht, das Beweisthema durch eine Vielzahl von Einzeltatsachen weiter zu
konkretisieren, bestand angesichts des hinreichend deutlich bezeichneten Beweisthemas nicht.
Ein enger Ausnahmefall, wonach ein Gericht auf die Vernehmung eines ordnungsgemäß benannten Zeugen verzichten darf, lag nicht
vor. Solche Ausnahmefälle sind dann anzunehmen, wenn es auf die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht ankommt, diese bereits
erwiesen sind oder das Beweismittel ungeeignet oder unerreichbar ist (vgl BSG, Beschlüsse vom 28.5.2008, B 12 KR 2/07 B, Juris RdNr 11; vom 16.5.2007, B 11b AS 37/06 B, NZM 2007, 779; Senatsbeschluss vom 31.1.2008, B 13 R 53/07 B, Juris RdNr 8). Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor.
Auf die unter Beweis gestellten Tatsachen kam es bereits deshalb an, weil das LSG die aus der beruflichen Tätigkeit des Klägers
abgeleiteten Anforderungen an eine sachgerechte Versorgung mit einem Hilfsmittel zu prüfen hat, wie auch ob ggf berufsbedingte
Mehrkosten für ein Hilfsmittel im Rahmen der medizinischen Rehabilitation (§
15 Abs
1 Satz 1
SGB VI iVm §§
26 bis
31 SGB IX) im Ermessenswege zu übernehmen sind (vgl Senatsurteil vom 21.8.2008, B 13 R 33/07 R, BSGE 101, 207, 215 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7 RdNr 45 ff).
Zur Klärung dieser tatsächlichen Voraussetzungen war der benannte Zeuge ein geeignetes und erreichbares Beweismittel. Als
direkter Vorgesetzter hätte er die beruflichen Anforderungen an den Arbeitsplatz des Klägers beschreiben und ggf hörbedingte
Einschränkungen des Leistungsvermögens bei Versorgung mit einem analogen bzw digitalen Hörgerät beobachten können. Die unter
Beweis gestellte Tatsache war auch nicht bereits erwiesen; vielmehr hat das LSG seiner Entscheidung gerade das Gegenteil der
vom Kläger behaupteten Tatsache zugrunde gelegt. Die Ablehnung der Vernehmung des Zeugen R. erfolgte daher zu Unrecht.
Entgegen der Auffassung des LSG war diese Frage auch nicht an Sachverständige zu richten, weil bei verständiger Auslegung
des Beweisantrags die berufliche Einsatzfähigkeit des Klägers vor und nach Versorgung mit dem digitalen Hörgerät in das Wissen
des Zeugen gestellt wurde; hierüber hätte der benannte Zeuge als Vorgesetzter Auskunft geben können.
Durch die Ablehnung des hilfsweise gestellten Beweisantrags hat das LSG das Ergebnis der Beweisaufnahme unzulässig vorweggenommen.
Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts (§
103 SGG), wenn es Zeugen, die von dem Kläger zum Beweis für eine günstige Tatsache benannt worden sind, nicht vernimmt, sondern aufgrund
eigener Mutmaßungen unterstellt, dass die Zeugen diese Tatsache nicht bekunden werden (vgl BSGE 2, 273; Senatsbeschluss vom 31.1.2008, B 13 R 53/07 B; BSG vom 28.5.2008, B 12 KR 2/07 B, beide zitiert nach Juris).
Auf dem oben aufgezeigten Verfahrensmangel kann die Entscheidung des LSG beruhen. Im Ergebnis ist nicht auszuschließen, dass
das Berufungsgericht nach weiteren Ermittlungen zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre.
Schließlich kann dahinstehen, ob der Kläger auch die weiteren Verfahrensmängel und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
hinreichend dargetan hat. Das BSG kann in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß §
160a Abs
5 SGG die angefochtene Entscheidung auch dann wegen eines Verfahrensfehlers aufheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an
die Vorinstanz zurückverweisen, wenn die Beschwerde zusätzlich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt
ist, der Verfahrensmangel aber selbst bei Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung und bei Zulassung der Revision voraussichtlich
zur Zurückverweisung führen würde (vgl Senatsbeschluss vom 23.5.2006, B 13 RJ 253/05 B, Juris RdNr 8).
Zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen hat der Senat die Sache im Beschlusswege nach §
160a Abs
5 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.