Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlusswege
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe eines Verfahrensmangels,
auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, und einer Divergenz nicht in der gebotenen Weise bezeichnet hat (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG, §
169 SGG).
1. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§
109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs
1 Satz 1
SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG
ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss
zu seiner Bezeichnung (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig
darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 §
160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160a RdNr 16 mwN). Die Beschwerdebegründung des Klägers wird diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht.
Die Beschwerde rügt zunächst, das LSG habe im Beschlusswege nach §
153 Abs
4 SGG entschieden, obwohl die Vorrausetzungen dieser Vorschrift nicht vorgelegen hätten. Nach §
153 Abs
4 Satz 1
SGG kann das LSG, außer in Fällen, in denen das SG durch Gerichtsbescheid (§
105 Abs
2 Satz 1
SGG) entschieden hat, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung
nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind gemäß §
153 Abs
4 Satz 2
SGG vorher zu hören. Die Entscheidung, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß §
153 Abs
4 Satz 1
SGG zurückzuweisen, steht in pflichtgemäßem Ermessen des Berufungsgerichts und kann nur auf einen fehlerhaften Gebrauch dieses
Ermessens, dh auf sachfremde Erwägungen und eine grobe Fehleinschätzung, überprüft werden. Eine grobe Fehleinschätzung liegt
vor, wenn bei Abwägung aller zu berücksichtigender Umstände die Wahl des vereinfachten Verfahrens ohne mündliche Verhandlung
unter keinen Umständen zu rechtfertigen ist (stRspr, zuletzt BSG vom 21.10.2021 - B 5 R 51/21 B - RdNr 4 mwN; vgl zum Ganzen auch Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 2017, §
153 RdNr 67 ff, Stand: 7.12.2021).
Zu diesen Voraussetzungen und Maßgaben führt der Kläger zwar aus, dass es "um relevante, komplexe Rechts- und Sachfragen nebst
hierzu ergangener Rechtsprechung" gehe. Warum der von dieser Sicht abweichenden Beurteilung durch das LSG sachfremde Erwägungen
oder eine grobe Fehleinschätzung zugrunde gelegen hätten, lässt sich seinem Vorbringen indes nicht entnehmen. Das LSG ist
- so auch das Vorbringen der Beschwerde - von gefestigter, breit zitierter Rechtsprechung ausgegangen, und es hat sich von
dem Ziel leiten lassen, das Verfahren zu beschleunigen. Beides erscheint weder sachfremd noch grob fehlerhaft. Damit setzt
sich der Kläger nicht auseinander. Soweit der Kläger rügt, nicht erneut angehört worden zu sein, legt er nicht dar, aus welchen
Gründen dies erforderlich gewesen sein sollte. Der Verweis auf ein Akteneinsichtsgesuch reicht jedenfalls dann nicht aus,
wenn - wie hier - nichts dazu vorgetragen wird, dass und warum trotz des fortgeschrittenen Verfahrensverlaufs bisher keine
ausreichende Aktenkenntnis vorgelegen haben soll.
Auch ein Verfahrensfehler durch die Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach §
103 SGG ist durch die Beschwerde nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechend gerügt. Hierzu hätte auf einen prozessordnungsgemäßen
Beweisantrag Bezug genommen werden müssen. Daran fehlt es, denn die Beschwerde verweist lediglich auf Beweisangebote, denen
schon kein konkretes und eindeutiges Beweisthema zu entnehmen ist (vgl zu den Anforderungen an einen Beweisantrag nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160 RdNr 18a mwN).
2. Eine Abweichung (Divergenz) iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen
Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht
schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung
einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über
den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung
im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr, vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 §
160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 2017, §
160 RdNr 119, Stand: 4.3.2022). Die Beschwerdebegründung des Klägers wird auch diesen Darlegungsanforderungen nicht gerecht. Es werden schon keine entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussagen der angegriffenen Entscheidung des LSG genau bezeichnet, wenn der Kläger breit ausführt, warum das LSG
unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls eine (frühere) Antragstellung aus seiner Sicht zu Unrecht verneint hat. Diese
Bezugnahme auf die Einzelfallumstände lässt zudem eine Abweichung von Rechtsprechung des BSG im Grundsätzlichen fernliegend erscheinen.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen
der Revisionszulassung beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.