Rente wegen Erwerbsminderung
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Der 1960 geborene Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte lehnte den erneuten Rentenantrag vom 11.1.2016 nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme beim Orthopäden
S1 ab (Bescheid vom 31.3.2016; Widerspruchsbescheid vom 19.1.2017). Das SG hat die Klage abgewiesen, nachdem es von Amts wegen Gutachten beim Orthopäden und Unfallchirurgen N (Gutachten vom 9.10.2017)
und bei der Neurologin R (Gutachten vom 13.1.2018) sowie auf Antrag des Klägers beim Orthopäden und Unfallchirurgen S2 (Gutachten
vom 9.10.2018) eingeholt hatte (Gerichtsbescheid vom 21.2.2019). Das LSG hat im dagegen vom Kläger angestrengten Berufungsverfahren zunächst weitere medizinische Unterlagen eingeholt sowie
ergänzende Stellungnahmen des Sachverständigen N vom 25.3.2020 und vom 1.4.2020 sowie 21.7.2020. Nachdem der beim Kläger eingesetzte
Rückenmarkstimulator entfernt worden war, hat es eine Begutachtung durch den Orthopäden und Unfallchirurgen H (Gutachten vom
27.10.2020) veranlasst und nach Einsatz eines neuen Stimulators eine Begutachtung durch den Orthopäden und Unfallchirurgen
D (Gutachten vom 21.5.2021). Der Kläger hat die Einholung eines Gutachtens beim Neurologen W, Klinik L, beantragt. Dieser
hat mitgeteilt, in Anbetracht der ausstehenden Denervierungsbehandlung gebe er den Gutachtenauftrag zurück und schlage eine
Stellungnahme sechs bis neun Monate nach der Behandlung vor. Der Kläger hat sodann letztlich den Neurologen F, ebenfalls Klinik
L, benannt. Dieser hat die Unterlagen mit dem Hinweis zurückgeschickt, die dortige Behandlung sei noch nicht abgeschlossen
und das Ende auch nicht abzuschätzen; er schließe sich der Empfehlung von W an. Das LSG hat den Kläger darauf hingewiesen,
es sei seine Sache, vorab die Bereitschaft der benannten Ärzte zur zeitnahen Gutachtenerstellung abzuklären. Da kein weiterer
Arzt benannt worden ist, hat es die Berufung mit Urteil vom 24.1.2022 zurückgewiesen. Der Kläger sei aufgrund der orthopädischen
Beschwerden infolge der wiederholten, letztlich erfolglosen Operationen sowie der Versteifung im Lendenwirbelsäulenbereich
eingeschränkt. Alle gehörten Sachverständigen seien übereinstimmend zur schlüssigen und überzeugenden Einschätzung gelangt,
dass er dennoch körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung im Umfang von sechs Stunden verrichten könne.
Die abweichende Annahme des Sachverständigen N in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21.7.2020, das Leistungsvermögen sei
infolge der seinerzeit aufgetretenen Schraubenlockerung auf unter drei Stunden abgesunken, sei nicht nachvollziehbar begründet
worden. Die vom Kläger beschriebenen Schmerzen seien überzeugend den orthopädischen Beschwerden zuzuordnen und hätten bei
den Begutachtungen - insgesamt fünf im gerichtlichen Verfahren - ausreichende Berücksichtigung gefunden. Eine weitere Begutachtung
auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Bereich sei nicht erforderlich und auch vom Kläger nicht angeregt worden; dessen Versuche,
auch in der Berufungsinstanz ein Gutachten nach §
109 SGG einzuholen, hätten auf neurochirurgische Sachverständige gezielt. Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit bestehe nicht. Der Kläger könne auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden.
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Form begründet wird. Sie ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG zu verwerfen. Der Kläger bezeichnet die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht anforderungsgerecht.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird die Beschwerdebegründung vom 6.4.2022 nicht gerecht.
a) Der Kläger rügt, das LSG sei der tatrichterlichen Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§
103 Satz 1 Halbsatz 1
SGG) nicht ausreichend nachgekommen, indem es von der Einholung eines weiteren Gutachtens abgesehen habe. Wird eine solche Sachaufklärungsrüge
erhoben, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht
ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe
der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung
der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe
des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des
LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses
der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis
hätte gelangen können (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 14.4.2020 - B 5 RS 13/19 B - juris RdNr 11). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger bezieht sich auf den mit Schriftsatz vom 20.4.2020 gestellten und mit Schriftsatz vom 16.11.2020 wiederholten Antrag,
"ein schmerztherapeutisches/psychotherapeutisches Gutachten zu beauftragen". Er legt schon nicht ausreichend dar, damit einen
prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt zu haben. Hierfür muss aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten
Punkte (vgl §
118 Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
403 bzw §
373 ZPO) und mit welchem Ziel Beweis erhoben werden sollte und dass es sich bei dem Vorbringen seinem Inhalt nach nicht nur um eine
Beweisanregung gehandelt habe (vgl zB BSG Beschluss vom 26.11.2019 - B 13 R 159/18 B - juris RdNr 8 mwN). Der Beweisantrag im Rentenverfahren muss sich möglichst präzise mit dem Einfluss dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen
auf das verbliebene Leistungsvermögen befassen. Im Rahmen eines Rentenverfahrens darf es dabei nicht nur auf eine Diagnosestellung
ankommen, es muss vielmehr der negative Einfluss von weiteren, dauerhaften Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene
Leistungsvermögen behauptet und möglichst genau dargetan werden (vgl zB BSG Beschluss vom 5.11.2019 - B 13 R 40/18 B - juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6). Der Kläger zeigt nicht auf, gegenüber dem LSG Beeinträchtigungen beschrieben zu haben, die sich erst aus der Begutachtung
durch einen Schmerztherapeuten oder Psychotherapeuten ergeben können (vgl dazu, dass das Beweisthema in Abgrenzung zu den bereits vorliegenden Aussagen von Sachverständigen oder sachverständigen
Zeugen zu benennen ist, Fichte, SGb 2000, 653, 656). Sein pauschaler Verweis auf die - zudem nur in Auszügen widergegebene - gutachtliche Stellungnahme des Sachverständigen
N vom 25.3.2020, wonach "eigentlich eine schmerztherapeutische bzw. eine psychotherapeutische Begutachtung mit sehr intensiver
Auseinandersetzung mit den Schmerzen des Klägers" in Betracht komme, reicht insoweit nicht aus.
Ungeachtet dessen ist nicht dargetan, dass der zuletzt im Schriftsatz vom 16.11.2020 formulierte Antrag bis zum Schluss aufrechterhalten
worden ist. Das ist, wenn wie hier aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden wird, dann der Fall, wenn ein Beweisantrag
bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten wird oder das Gericht
den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 13.10.2020 - B 12 KR 8/20 B - juris RdNr 23 mwN; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160 RdNr 18c mwN). Der bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Kläger legt nicht dar, den beschriebenen Antrag in der mündlichen
Verhandlung vor dem LSG weiterverfolgt und zumindest hilfsweise wiederholt zu haben. Ebenso wenig ist eine Wiedergabe des
Antrags im Berufungsurteil dargetan.
b) Der Kläger rügt als weitere Verletzung von §
103 Satz 1 Halbsatz 1
SGG, das LSG sei seinem Antrag auf Einholung eines Gutachtens bei F nicht gefolgt. Mit seinem Vorbringen, dieser habe die Begutachtung
nicht abgelehnt, sondern lediglich eine Begutachtung zu einem späteren Zeitpunkt für sinnvoller erachtet, rügt der Kläger
allerdings im Kern eine Verletzung seines Anspruchs auf gutachterliche Anhörung eines von ihm benannten Arztes (§
109 Abs
1 Satz 1
SGG). Es kann dahinstehen, ob das LSG von einer Anhörung des F absehen konnte. Ebenso wenig ist darauf einzugehen, ob der Antrag
zumindest in den Entscheidungsgründen hätte abgelehnt werden müssen. Auf eine Verletzung des §
109 SGG kann eine Revisionszulassung von vornherein nicht gestützt werden (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG). Dieser Ausschluss gilt umfassend und unabhängig davon, worauf der geltend gemachte Verfahrensmangel im Einzelnen beruhen
könnte (stRspr; zB BSG Beschluss vom 7.10.2005 - B 1 KR 107/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 9 RdNr 14; BSG Beschluss vom 27.6.2019 - B 5 R 1/19 B - juris RdNr 17; BSG Beschluss vom 27.3.2020 - B 9 SB 83/19 B - juris RdNr 14 - jeweils mwN).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 und 4
SGG.