Nachweis der Identität eines PKH-Antragstellers
Vollständiger PKH-Antrag
Parallelentscheidung zu BSG v. 06.02.2018 B 5 R 2/17 BH
Gründe:
I
Der Kläger begehrt die Leistung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw Erwerbsunfähigkeit aus der Versicherung der bei der
Beklagten versicherten und am 21.12.1998 verstorbenen Dr. med. L. U. O. sowie einer höheren großen Witwerrente, die Zahlung
von höheren Zinsen aus früheren Nachzahlungen und von "Krankenkassenteilbeträgen".
Die Versicherte war verheiratet mit dem ägyptischen Staatsbürger S. Y. El-S. El-E., geboren am 30.7.1949. Die Beklagte leistete
an den Witwer eine große Witwerrente. Adressat der Bescheide der Beklagten war jeweils "S. Y. El-S. El-E.".
Die Klage ist am 11.11.2010 beim SG Mannheim unter Vorlage einer Vollmacht eingereicht worden von Personen unter den Namen
"H. S." und "K. S." bzw "K. O. S.", die sich als Tochter und Sohn des Klägers ausgaben. Als Namen des Klägers ist zunächst
angegeben worden "Dr. Dr. S.". Das SG Mannheim hat den Rechtsstreit an das örtlich zuständige SG Berlin verwiesen (Beschluss
vom 18.3.2011). Das SG Berlin hat zur Feststellung einer ordnungsgemäßen Vertretungsbefugnis von Tochter und Sohn Nachweise
(Geburtsurkunden, Ausweispapiere) angefordert. Diese sind nicht vorgelegt worden. In den Gerichtsakten ist ein Telefonanruf
des Klägers vom 27.3.2013 vermerkt, in dem er eine neue Adresse mitgeteilt habe verbunden mit dem Hinweis, dass seine Kinder
nicht mehr zustellungsbevollmächtigt seien. Die Schriftsätze während des Verfahrens vor dem SG Berlin sind geführt worden
auch unter den Namen "Dr. Dr. S. Y." und "Dr. Dr. S. El-E.". Das SG Berlin hat die Klage mit der Begründung als unzulässig
abgewiesen, alle Streitgegenstände seien bereits Gegenstand anderer rechtskräftig abgeschlossener Verfahren vor den SGen gewesen
(Gerichtsbescheid vom 2.8.2014).
Dagegen hat der Kläger unter dem Namen "Dr. Dr. S. Y. O." Berufung eingelegt und zuletzt vor dem LSG Berlin-Brandenburg unter
dem Briefkopf "Fräulein U. H. S. O. & Herr K. S. O. DIPL. RER.POL.DR.DR.S. Y. O." korrespondiert. Der Kläger hat eine Lebensbescheinigung
(certificat de vie) vorgelegt, ausgestellt von der Stadt Reims am 30.11.2015 auf den Nachnamen "S." und den Vornamen "Y.".
Mit Urteil vom 24.1.2017 hat das LSG Berlin-Brandenburg auch unter Annahme eines weiteren Begehrens des Klägers, die wegen
einer fehlenden Lebensbescheinigung oder eines anderen Identitätsnachweises des Klägers "zum 31.1.2014 vorgenommene Einstellung
der Rentenzahlung aufzuheben", die Berufung zurückgewiesen. Das LSG hat hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung ausgeführt,
es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass die klagende Person mit dem aus der Versicherung der verstorbenen Dr. U. O. berechtigten
Witwer identisch sei. Die Berufung habe jedenfalls in der Sache wegen entgegenstehender Rechtskraft keinen Erfolg. Zudem bestünden
keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte eine fehlerhafte Rentenberechnung vorgenommen habe. Soweit der Kläger sich auch
gegen die Einstellung der Leistung einer großen Witwerrente zum 31.1.2014 wende, könne offenbleiben, ob das Begehren überhaupt
zulässigerweise zum Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sei. Das LSG hat unter Bezugnahme auf §
153 Abs
2 SGG auf Ausführungen des 6. Senates des LSG im Beschluss vom 28.1.2016 (L 6 R 952/15 B ER) verwiesen.
Der Kläger hat unter dem Namen "Dr. Dr. S. Y. O." Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens
gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Der Kläger
macht geltend, er sei entgegen früherer Annahmen nicht tot und verweist zum Nachweis seiner Identität auf ein vom Generalkonsulat
der Republik Ägypten in Paris am 17.4.2015 mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 16.7.2015 ausgestelltes provisorisches Reisedokument.
Das Dokument nennt als Namen "EL-E." und als Vornamen "S. Y. EL-S.". Zudem hat der Kläger verschiedene Unterlagen über den
Erhalt von ärztlichen Behandlungen und Arzneimitteln, Rechnungen sowie von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt
an eine Person unter dem Namen "S. Y.", "S. O." und "S. Y. O." sowie ein im Zusammenhang mit einer Wohnungsräumung erfolgtes
Schreiben der Sous-Préfète de Reims an "Monsieur S. Y." vom 20.4.2017 vorgelegt. Auf mehrfache Nachfragen der Berichterstatterin
(Schreiben vom 19.7.2017, 9.8.2017, 13.9.2017, 1.10.2017 und 29.11.2017) hat der Kläger kein aktuell gültiges offizielles
Dokument zum Nachweis seiner Identität vorgelegt. Mit einem Schreiben, eingegangen bei Gericht am 24.11.2017, hat der Kläger
mitgeteilt, er habe am 24.8.2017 einen Antrag erneuert auf einen "dauernden legitimen bestätigten Aufenthaltstitel in Frankreich".
Der Kläger hat auch auf weitere Nachfrage (Schreiben vom 29.11.2017) eine behördliche Antwort darauf nicht vorgelegt. Der
Kläger macht vielmehr geltend, für einen Aufenthaltsberechtigungstitel in Frankreich benötige er, wie für jeden anderen Nachweis
seiner Identität, das Original der vom Generalkonsulat der Republik Ägypten ausgestellten Urkunde vom 17.4.2015 und begehrt
die Herausgabe durch den Senat (zuletzt mit seinem Schreiben vom 12.12.2017). Der Kläger ist mehrfach, zuletzt mit Schreiben
vom 29.11.2017 darauf hingewiesen worden, dass sich die Verwaltungsakten bei der Beklagten befinden.
II
1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen, weil es an einer die Mindestanforderungen erfüllenden Antragstellung
fehlt.
Nach §
73a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) iVm §
114 Abs
1 S 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. PKH wird nur auf
Antrag gewährt (§
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
117 ZPO). Dieser ist bei dem Prozessgericht zu stellen. Er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag
ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen (§
117 Abs
1 S 1 und 2
ZPO).
a.) Die Prüfung eines solchen Antrags setzt zunächst voraus, dass die Mindestanforderungen an einen solchen Antrag erfüllt
sind. Der PKH-Antrag muss vollständig und damit bewilligungsreif iS des §
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
117 Abs
1 S 2
ZPO gestellt sein. Dazu gehören die Übermittlung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§
117 Abs
2 ZPO) unter Verwendung des Formulars nach §
117 Abs
3,
4 ZPO (vgl Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
73a RdNr 5b) und die Schilderung des Sachverhalts, wobei der Antragsteller wenigstens im Kern deutlich machen muss, auf welche
rechtliche Beanstandung er seine Klage stützt. Diese Anforderungen an einen vollständigen Antrag auf PKH sind in der Rechtsprechung
des BVerfG als verfassungsgemäß anerkannt (vgl BVerfG SozR 1750 § 117 Nr 5 und 6 und BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 14.4.2010
- 1 BvR 362/10 - Juris RdNr 15).
Ein nach diesen Maßgaben vollständiger Antrag setzt bereits logisch voraus, dass keinerlei Zweifel an der Person des Antragstellers
bestehen. Die verfassungsgerichtlich anerkannten Voraussetzungen an einen vollständigen Antrag dienen der Prüfung der Bedürftigkeit
nach §
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §§
114,
115 ZPO und der hinreichenden Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens. Nur wenn die Person des Antragstellers feststeht, kann
deren Bedürftigkeit und - wie vorliegend - die Erfolgsaussichten einer Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers geprüft
werden.
Dass Zweifel an der Person des Rechtsschutzsuchenden ausgeschlossen sein müssen, um in der Sache entscheiden zu können, ist
auch für andere Rechtsbehelfe anerkannt. Zu den Mindestanforderungen einer zulässigen Klage gehören die Bezeichnung des Klägers,
des Beklagten und des Gegenstandes des Klagebegehrens (§
92 Abs
1 S 1
SGG). Zur Angabe der Person, die Kläger ist, gehört auch, dass deren Identität feststeht (vgl Schmidt, aaO, § 92 RdNr 4 und 5).
Auch eine zulässige Berufung muss den Berufungsführer eindeutig bezeichnen (vgl Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
151 RdNr 11d mwN). Jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers muss ausgeschlossen sein (vgl BGH Beschluss vom 8.8.2017
- X ZB 9/15 - Juris RdNr 14). Nichts anderes gilt für die Einlegung einer zulässigen Revision, die deutlich machen muss, wer Revisionskläger
ist. Zumindest muss sich dies aus den fristgerecht eingereichten Unterlagen ergeben (vgl Leitherer, aaO, § 164 RdNr 4c mwN).
b.) Vorliegend ist die Identität des Antragstellers unklar. Der Senat hat begründete Zweifel daran, dass die Person, die vorliegend
einen Antrag auf Gewährung von PKH gestellt hat, mit derjenigen identisch ist, die unter dem Namen "S. Y. El-S. El-E." eine
große Witwerrente von der Beklagten erhalten hat und deren weiteren Rechte sie gegenüber der Beklagten verfolgt.
Im Verfahren vor dem SG und im Berufungsverfahren führte der Kläger den Rechtsstreit unter verschiedenen Namensangaben, zunächst unter "Dr. Dr. S.
Y." und "Dr. Dr. S. El-E." und schließlich (wie auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde) unter "Dr. Dr. S. Y. O.".
Die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte Lebensbescheinigung (certificat de vie) der Stadt Reims vom 30.11.2015 bescheinigt
den Nachnamen "S." und den Vornamen "Y.". Dagegen wurde das vom Kläger gegenüber dem Senat als Identitätsnachweis angeführte
provisorische Reisedokument des Generalkonsulats der Republik Ägypten in Paris vom 17.4.2015 auf den Namen "EL-E." mit den
Vornamen "S. Y. EL-S." ausgestellt. Zudem fällt auf, dass die zunächst überwiegend handschriftlich von der angeblichen Tochter
"H. S." als Prozessbevollmächtigte an das SG Mannheim und später von dem Kläger selbst erstellten Schriftsätze an das SG Berlin
dasselbe Schriftbild aufweisen (vgl Bl 57, 225 und 243 der Gerichtsakten). Die Schriftsätze im vorliegenden Verfahren der
Nichtzulassungsbeschwerde tragen jeweils eine Unterschrift, die diesem Schriftzug stark ähnelt.
Zur Feststellung, dass der Kläger die Person ist, unter deren Identität er den Antrag auf PKH gestellt und eine Nichtzulassungsbeschwerde
eingereicht hat, hat der Kläger keinen aktuellen Identitätsnachweis vorgelegt. Jeweils mit Schreiben vom 19.7.2017, 9.8.2017,
13.9.2017, 1.10.2017 und 29.11.2017 ist dem Kläger mitgeteilt worden, dass als Voraussetzung für ein Tätigwerden des Senats
zunächst seine Identität zu klären ist. Zugleich erging der Hinweis, dass das vom Generalkonsulat der Republik Ägypten in
Paris am 17.4.2015 ausgestellte provisorische Reisedokument nur für eine Gültigkeitsdauer bis zum 16.7.2015 erteilt wurde.
Der Kläger wurde aufgefordert, ein aktuell gültiges offizielles Dokument vorzulegen, das als Identitätsnachweis dienen kann
(zB Aufenthaltstitel in Frankreich, Pass- oder Passersatzpapier). Der Kläger hat das Schreiben vom 9.8.2017 ausweislich eines
mit Datum vom 11.11.2017 unterzeichneten Empfangsbekenntnisses am 18.9.2017 erhalten. Sein Schreiben vom 12.12.2017 nimmt
zudem Bezug auf das Schreiben der Berichterstatterin vom 29.11.2017, das er somit ebenfalls nachweislich erhalten hat.
c.) Der Senat hat die für eine Bewilligung von PKH erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten der begehrten Rechtsverfolgung
nicht mehr zu prüfen und deshalb auch nicht darüber zu befinden, ob das LSG den Streitgegenstand des Berufungsverfahrens hinsichtlich
der zum 31.1.2014 eingestellten Rentenleistung offenlassen durfte.
2. Die von dem Kläger selbst erhobene Beschwerde entspricht schon deshalb nicht den zwingenden gesetzlichen Formvorschriften,
weil sie nicht innerhalb der Beschwerdefrist durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§
73 Abs
4 SGG) eingelegt worden ist.
Die Beschwerde ist durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG.