Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Rüge einer Gehörsverletzung
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 Satz 2
SGG).
Nach §
160 Abs
2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte
Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §
109 SGG (Anhörung eines bestimmten Arztes) und §
128 Abs
1 Satz 1
SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG
ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (Nr 3). Den allein geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels hat die Klägerin nicht schlüssig bezeichnet (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
Die Klägerin rügt, das LSG habe gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen, weil es den im sozialgerichtlichen Verfahren
entsprechend anwendbaren §
227 ZPO verletzt habe. Es sei verpflichtet gewesen, den Termin zur mündlichen Verhandlung wegen eines erheblichen Grundes, nämlich
ihrer quarantänebedingten (und krankheitsbedingten) Verhinderung zu verlegen. Mit der Beschwerdebegründung, anhand der allein
das Vorliegen des geltend gemachten Verfahrensmangels zu prüfen ist, sind indes keine Tatsachen vorgetragen, die, ihre Richtigkeit
unterstellt, den behaupteten Verfahrensmangel ergeben (vgl zu dieser Anforderung Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160a RdNr 16).
Die Verpflichtung zur Absonderung in häusliche Quarantäne kann - wie die Klägerin zutreffend vorbringt - ein Grund sein, der
das Gericht zur Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung verpflichtet (vgl BSG vom 20.4.2021 - B 5 R 18/21 B - RdNr 15), zumal die Klägerin ausweislich der Beschwerdebegründung nicht anwaltlich oder anderweitig vertreten gewesen ist.
Ob die Klägerin am Tag der mündlichen Verhandlung verpflichtet gewesen ist, sich in Quarantäne aufzuhalten bzw zu isolieren,
ergibt sich aus der Beschwerdebegründung indes nicht. Vielmehr hat sie nach ihrem eigenen Vorbringen am 9.12.2021 ein positives
Schnelltestergebnis mittels Antigentest (PoC)Test bei einer Teststelle erhalten. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am
21.12.2021 fand mehr als zehn Tage später statt. Welche konkreten Vorgaben nach der von der Klägerin zitierten Allgemeinverfügung
des Bezirksamts Pankow von Berlin im Hinblick auf die Dauer und Beendigung von Isolationsmaßnahmen bestanden, ergibt sich
aus der Beschwerdebegründung vom 28.1.2022 nicht. Ähnliches gilt für Regelungen der mit der Ergänzung der Beschwerdebegründung
vom 3.3.2022 benannten Vierten SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Landes Berlin hinsichtlich der Möglichkeiten,
eine nach positivem PoC-Testergebnis eingetretene Pflicht zur Absonderung zu beenden. Daher kann nicht beurteilt werden, inwieweit
die Klägerin zu Recht annehmen konnte, sich wegen des PoC-Tests vom 9.12.2021 nicht aus ihrer Wohnung hinaus und letztlich
auch nicht zu Gericht begeben zu können.
Auch hinsichtlich einer krankheitsbedingten Hinderung der Klägerin an einer Teilnahme am Termin genügt das Vorbringen den
Anforderungen an die schlüssige Bezeichnung eines Gehörsverstoßes durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung trotz Verlegungsantrags
nicht. Insbesondere schildert die Beschwerdebegründung hierzu - wie zur beantragten Verlegung wegen einer Quarantäne - dass
das LSG die Klägerin nach deren Bezugnahme auf das Ergebnis des PoC-Tests ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass wegen
der geltend gemachten Hinderungsgründe eine behördliche Quarantäneanordnung oder ein ärztliches Attest vorzulegen sei (vgl zu Hinweispflichten des Gerichts bei für noch nicht glaubhaft gemacht gehaltenen Hinderungsgründen BSG vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - juris RdNr 11 f).
Soweit die Klägerin am 19.4.2022 nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 15.3.2022 das Datum eines positiven PCR-Tests
mitgeteilt hat, führt dies nicht zur schlüssigen Bezeichnung des Verfahrensmangels. Berücksichtigt wird grundsätzlich nur
die innerhalb der Beschwerdefrist eingegangene Begründung; ein "Nachschieben" von Gründen kommt nicht in Betracht (vgl BSG vom 13.8.2018 - B 13 R 393/17 B - RdNr 21; vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160a RdNr 19). Es kann offenbleiben, ob ein solches unbeachtliches Nachschieben nicht vorliegt, wenn bisheriges Vorbringen lediglich ergänzt
oder verdeutlich worden ist (vgl P. Becker in SGb 2007, 261, 263; Karmanski in BeckOGK, §
160a RdNr 117, Stand 1.5.2022; enger Voelzke in jurisPK-
SGG, §
160a RdNr 67, Stand 15.6.2022). Die innerhalb der Begründungsfrist vorgelegte Begründung vom 28.1.2022 erachtet die Frage des Ergebnisses eines PCR-Tests
ausdrücklich nicht für entscheidungserheblich und diejenige vom 3.3.2022 verhält sich dazu nicht. Deshalb liegt keine Ergänzung,
sondern eine Korrektur vor.
PKH ist der Klägerin nicht zu bewilligen, da ihre Rechtsverfolgung aus den vorstehend genannten Gründen keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 ZPO). Da die Klägerin keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch ihr Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt F abzulehnen
(§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 ZPO).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des §
169 Satz 3
SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§
183,
193 SGG.