Anspruch auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens
Gründe:
I
Der 5. Senat des BSG hat mit Beschluss vom 27.1.2016 (B 5 R 422/15 B) den Prozesskostenhilfe (PKH)-Antrag der Klägerin für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gegen das Urteil des Sächsischen
LSG vom 24.11.2015 (L 5 R 942/14) mangels Erfolgsaussicht abgelehnt und gleichzeitig ihre Nichtzulassungsbeschwerde aufgrund der Privatschriftlichkeit ihrer
Eingabe als unzulässig verworfen. Die hiergegen eingelegten Rechtsbehelfe hat der 5. Senat mit Beschluss vom 27.4.2016 als
Gegenvorstellung und Anhörungsrüge gewertet und als unzulässig verworfen sowie den erneuten PKH-Antrag für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
abgelehnt (B 5 R 4/16 C). Mit Schreiben vom 3.6.2019 hat die Klägerin das bisherige Verfahren weiter betreiben wollen und Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand beantragt, mit dem Zweck die Zulassung der Revision zu erreichen und weiter zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde
vorgetragen. Mit weiterem Beschluss vom 25.6.2019 hat der 5. Senat festgestellt, dass die erneute Eingabe der Klägerin in
der Sache nicht zu bescheiden ist, dass ihr mit Schreiben vom 3.6.2019 wiederholt vorgetragenes Rechtsschutzbegehren durch
die vorangegangenen Beschlüsse des Senats vollständig behandelt worden sei und dass Rechtsmittel gegen diese Beschlüsse nicht
mehr statthaft seien (B 5 R 24/19 C). Mit weiterem Schreiben vom 8.7.2019 hat die Klägerin Rüge wegen überlanger Dauer der Verfahren B 5 R 422/15 B, B 5 R 4/16 C, B 5 R 24/19 C erhoben "unter Geltendmachung einer Entschädigung wegen unangemessen langer Verfahrensdauer". Mit Schreiben der Vorsitzenden
des 5. Senats vom 11.7.2019 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass ihre Verfahren vor dem 5. Senat durch die oben genannten
Beschlüsse bereits abgeschlossen seien. Das Verfahren wurde daraufhin bei dem für die Geltendmachung von Ansprüchen wegen
überlanger Verfahrensdauer zuständigen 10. Senat des BSG unter B 10 ÜG 4/19 AR eingetragen. Unter dem 25.7.2019 wurde die Klägerin mit Schreiben des Berichterstatters auf die Unzulässigkeit
ihres Entschädigungsantrags hingewiesen, da die Verzögerung zum einen erst nach Abschluss der Verfahren vor dem 5. Senat gerügt
worden und zum anderen bereits die privatschriftliche Form ihres Antrags unzulässig sei. Zwecks Kostenvermeidung wurde bei
der Klägerin angefragt, ob sie ihren Antrag zurücknehme. Mit Schreiben vom 27.8.2019 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie
im "Schriftsatz vom 08.07.2019 keinen Antrag gestellt" habe. Gleichzeitig trägt sie vor, dass "in der Hauptsache" ihr "Anspruch
hinsichtl. der Wiedergutmachung auf andere Weise, insbes. möglich durch die Feststellung des zuständigen Entschädigungsgerichts,
daß die Dauer(n) des/der Verfahren(s) vor dem 5. Senat d. BSG Kassel unangemessen war/waren". Zugrunde liege ihr "Begehr",
"daß diese Feststellung in diesem besonders schwerwiegenden Fall neben der zuzugestehenden Entschädigung ledigl. noch gerichtl.
auszusprechen ist". Auf Seite 7 ihres Schreibens hat sie "vorsorglich … beantragt", die "im Rahmen der Entschädigungsgeltendmachungsklageerhebungssache
die zur zweckentspr. Rechtsverfolgung und -verteidigung notwendig werdenden/notwendig gewordenen aussergerichtl. Kosten u.
Verfahrenskosten ganz aus der Staatskasse zu erstatten".
II
Der sinngemäße Antrag auf Bewilligung von PKH für eine beabsichtigte Entschädigungsklage ist abzulehnen. Ein Beteiligter,
der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur
in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg
bietet (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 Abs
1 Satz 1
ZPO). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, denn die beabsichtigte Klage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Weder den
oben genannten Schreiben der Klägerin noch dem Inhalt der Akten sind bei der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung
des Streitstoffs Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die von der Klägerin beabsichtigte Klage auf Entschädigung wegen unangemessener
Dauer der vorgenannten Verfahren vor dem 5. Senat des BSG Erfolg haben könnte.
Gemäß §
198 Abs
3 Satz 1
GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil
erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit
und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§
198 Abs
1 Satz 2
GVG). Nach Abs
2 des §
198 GVG wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat.
§
198 Abs
3 Satz 1
GVG bestimmt, dass ein Verfahrensbeteiligter Entschädigung nur erhält, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer
des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge).
Es ist nicht ersichtlich, dass danach ein Anspruch auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer der von der Klägerin genannten
Verfahren nach §
198 GVG vorliegen könnte.
Nach §
198 Abs
5 Satz 1
GVG kann eine Klage zur Durchsetzung eines Entschädigungsanspruchs frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge
erhoben werden. Die Einhaltung dieser Wartefrist stellt eine besondere Sachurteilsvoraussetzung der Entschädigungsklage dar,
die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist. Eine vor Fristablauf erhobene Klage wird deshalb nach Ablauf
der Frist nicht zulässig (Senatsurteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/14 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 5 RdNr 19).
Vorliegend fehlt es bereits an einer Verzögerungsrüge nach §
198 Abs
3 Satz 1
GVG während der als überlang benannten Verfahren. Die Rüge mit Schreiben vom 8.7.2019 scheidet als Verzögerungsrüge schon deshalb
aus, weil sie erst nach Abschluss der von der Klägerin benannten Verfahren erhoben worden ist. Denn eine Verzögerungsrüge
soll dem bearbeitenden Richter die Möglichkeit zu einer beschleunigten Verfahrensförderung eröffnen und insofern als Vorwarnung
dienen (sog Warnfunktion der Verzögerungsrüge), weshalb sie im Übrigen auch bei dem Gericht erhoben werden muss, bei dem das
(als unangemessen lang empfundene) Verfahren anhängig ist (vgl Begründung der Bundesregierung vom 17.11.2010 zum Entwurf eines
Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, BT-Drucks 17/3802
S 20 zu Abs 3 Satz 1; Senatsurteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/14 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 5 RdNr 26).
Da der Klägerin keine PKH zusteht, kann sie auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).