Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts, wirksame Ausgangskontrolle bei der Telefaxübermittlung
Zur Verpflichtung des Rechtsanwalts, durch organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in
größtmöglichem Umfang auszuschließen, gehört insbesondere eine wirksame Ausgangskontrolle, durch die gewährleistet wird, dass
fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Bei der Übermittlung durch Telefax darf eine Frist erst
dann gelöscht werden, wenn für den Absender feststeht, dass die beabsichtigte Übermittlung wirklich erfolgt ist. Dies ist
grundsätzlich nur dann der Fall, wenn der Übermittler sich von seinem Telefaxgerät ein Sendeprotokoll hat ausdrucken lassen,
das die ordnungsgemäße Übermittlung belegt. Der generelle Verzicht auf Sendeprotokolle, also auch dann, wenn unmittelbar hintereinander
mehrere Schreiben an unterschiedliche Adressaten übermittelt werden sollen, genügt nicht dem zu fordernden Sorgfaltsmaßstab.
Die erst einige Zeit später vorliegende Telefonrechnung erlaubt von vornherein keine wirksame Ausgangskontrolle. [Nicht amtlich
veröffentlichte Entscheidung]
Gründe:
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (LSG) vom 17. Februar 2005, das ihr
am 15. März 2005 zugestellt worden ist, hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 14. April 2005,
beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 18. April 2005, Beschwerde eingelegt. Am 13. Mai 2005 hat sie Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand beantragt und dazu im Wesentlichen vorgetragen: Die Beschwerdeschrift habe am 14. April 2005 vorab per
Telefax an das BSG übermittelt werden sollen. Damit sei die in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte
C. B. beauftragt gewesen. Diese habe zwischen 12.13 Uhr und 13.04 Uhr insgesamt fünf wichtige Schreiben
- darunter die Beschwerdeschrift - per Telefax versandt. Das betreffende Faxgerät sei vom Modell her so konzipiert, dass ein
Sendebericht dann ausgedruckt werde, wenn ein Faxschreiben gesendet werde, allerdings auch dann, wenn beim anderen Anschlussinhaber
besetzt sei, keine Verbindung zu Stande komme etc. Aus diesem Grunde - und auch deshalb, weil für die Kanzlei eine vollkommen
aufgeschlüsselte Telefonrechnung ergehe - werde auf das Ausdrucken eines Sendeberichts verzichtet. Vielmehr bleibe die Angestellte,
welche mit der Versendung der Telefaxschreiben beauftragt sei, neben dem Faxgerät stehen, lese die erfolgreiche Übermittlung
vom Display ab und versehe das Aktenexemplar des Schriftsatzes mit einem Haken und der Uhrzeit der Sendung. Anhand der Telefonrechnung
dränge sich der Schluss auf, dass die Beschwerdeschrift versehentlich an die ADAC-Rechtsschutzversicherung versandt worden
sei, da dort für die fragliche Zeit zwei Übermittlungen anstatt einer an diesen Adressaten aber keine an das BSG vermerkt
sei.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat
nach Zustellung des Berufungsurteils eingelegt worden (§
160a Abs
1 Sozialgerichtsgesetz >SGG<). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt insoweit nicht in Betracht.
Gemäß §
67 Abs
1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche
Verfahrensfrist einzuhalten. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Fristversäumnis beruht auf einem Verschulden
der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, das letztere sich zurechnen lassen muss (vgl §
73 Abs
4 SGG iVm §
85 Abs
2 Zivilprozessordnung). Zwar hat ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht für Versäumnisse seines Büropersonals einzustehen (vgl Meyer-Ladewig,
SGG, §
67 RdNr 3f, 8b ff), hier ist der Prozessbevollmächtigten der Klägerin jedoch ein so genanntes Organisationsverschulden zur Last
zu legen.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl zB BGH NJW 1993, 1655 mwN) ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, durch organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen
in größtmöglichem Umfang auszuschließen; dazu gehört insbesondere eine wirksame Ausgangskontrolle, durch die gewährleistet
wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Soll ein derartiger Schriftsatz per Telefax
übermittelt werden, so setzt eine an diesen Grundsätzen ausgerichtete sorgfältige Ausgangskontrolle voraus, dass eine Frist
erst dann gelöscht werden darf, wenn für den Absender feststeht, dass die beabsichtigte Übermittlung wirklich erfolgt ist.
Dies ist grundsätzlich nur dann der Fall, wenn der Übermittler sich von seinem Telefaxgerät ein Sendeprotokoll hat ausdrucken
lassen, das die ordnungsgemäße Übermittlung belegt (vgl zB BGH VersR 1989, 1316; 1993, 719).
Entsprechende Vorkehrungen hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht getroffen. Vielmehr verzichtet sie nach ihrem
eigenen Vorbringen allgemein auf den Ausdruck von Sendeprotokollen. Zwar mag im Einzelfall von der Erstellung eines derartigen
Protokolls abgesehen werden können, wenn der gesamte Übermittlungsvorgang - wie hier - von einer zuverlässigen Bürokraft anhand
von Anzeigen am Faxgerät (Display) überwacht wird (vgl dazu einerseits BSG, Beschluss vom 26. August 1994 - 13 RJ 11/94 - in USK 9485; andererseits BGH NJW 1993, 1655). Der generelle Verzicht auf Sendeprotokolle, also auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - unmittelbar hintereinander
mehrere Schreiben an unterschiedliche Adressaten übermittelt werden sollen, genügt jedenfalls nicht dem zu fordernden Sorgfaltsmaßstab.
Die erst einige Zeit später vorliegende Telefonrechnung erlaubt von vornherein keine wirksame Ausgangskontrolle.
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2 iVm §
169 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG.