Klagebefugnis im sozialgerichtlichen Verfahren beim Kurzarbeitergeldanspruch
Gründe:
I
Der Kläger begehrt höheres Kurzarbeitergeld (Kug).
Der Kläger war 1997 bei der Klinik-Verwaltungsgesellschaft M KG
(im Folgenden: KG) als Arzt beschäftigt. Die regelmäßige betriebsübliche Arbeitszeit belief sich auf 38,5 Wochenstunden; der
Kläger leistete jedoch im Durchschnitt fünf Mal pro Monat Nacht- und Wochenenddienste, wofür er entsprechend einer Betriebsvereinbarung
aus dem Jahre 1994 jeweils eine zusätzliche Vergütung erhielt.
Nach Abschluss einer weiteren Betriebsvereinbarung vom 22. November 1996 zwischen der KG und dem Betriebsrat, wonach in der
Zeit von Januar bis Juni 1997 Kurzarbeit eingeführt werden sollte, erstattete die KG im Dezember 1996 bei der Beklagten eine
Anzeige über Kurzarbeit für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1997. Dabei wurde ua angegeben, im ärztlichen Dienst sei ein
Ausfall von 44 % der Mitarbeiter und 26,24 % der Stunden zu erwarten. Mit Bescheid vom 12. Dezember 1996 bewilligte die Beklagte
dem Grunde nach Kug für den begehrten Zeitraum. Für den Monat Januar 1997 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Februar
1997 Kug in der Gesamthöhe von 114.631,37 DM; für den Kläger waren insoweit 166,83 (38,5 x 13 : 3) Ausfallstunden und ein
ihm für den genannten Monat zustehendes Kug in Höhe von 1.694,99 DM (166,83 x 10,16) angesetzt.
Gegen die Höhe des Kug erhob der Kläger im Februar 1997 Widerspruch mit Hinweis auf seine vertragliche Verpflichtung zur Ableistung
von Nacht- und Wochenenddiensten neben der normalen Wochenarbeitszeit. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 2. April 1997 zurück und führte zur Begründung aus, eine Berücksichtigung von über die tarifliche Arbeitszeit hinausreichenden
Ausfallstunden sei ausgeschlossen. Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) beantragte der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, ihm Kug auf der Grundlage von 230 Ausfallstunden für den Monat Januar
1997 zu gewähren. Während des Verfahrens ergingen weitere Bescheide der Beklagten über Kug für die Monate Februar bis Juni
1997 (Bescheide vom 8. April 1997, 26. Juni 1997, 8. August 1997). Mit Urteil vom 16. Oktober 1997 wies das SG die Klage als unzulässig ab, da dem Kläger keine Klagebefugnis zustehe.
Während des Verfahrens über die Berufung des Klägers wurde am 1. März 1998 das Konkursverfahren über das Vermögen der KG eröffnet.
Das Landessozialgericht (LSG) lud den Konkursverwalter und den Betriebsrat der KG, vertreten durch den Vorsitzenden, zum Verfahren
bei und wies mit Urteil vom 15. Dezember 2000 die Berufung zurück sowie die Klage auf Gewährung von höherem Kug für die Monate
Februar bis Juni 1997 ab. Das LSG führte ua aus: Die nicht ohne weiteres zulässige Berufung sei wegen grundsätzlicher Bedeutung
zuzulassen. In der Sache sei sie unbegründet, da das SG zutreffend eine Befugnis der Arbeitnehmer, Rechte auf Kug geltend zu machen, verneint habe. Hinsichtlich der Leistungsansprüche
für Februar bis Juni 1997 sei die Klage unzulässig.
Die vom LSG zugelassene Revision des Klägers wies das Bundessozialgericht (BSG) durch Urteil des Senats vom 8. November 2001
- B 11 AL 19/01 R - mit der Maßgabe zurück, dass die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen wurde: Der für eine statthafte Berufung
erforderliche Beschwerdewert sei nicht erreicht und eine Zulassung sei nicht wirksam ausgesprochen worden. Im Ergebnis zu
Recht habe das LSG die Klage auf höheres Kug für die Zeit ab Februar 1997 als unzulässig behandelt.
Die gegen die Entscheidung vom 8. November 2001 vom Kläger erhobene Verfassungsbeschwerde nahm das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) nicht zur Entscheidung an (Beschluss vom 4. April 2002, 1 BvR 60/02). Der Rechtsweg sei noch nicht ausgeschöpft, da dem Kläger noch der Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde zum SG zur Verfügung stehe.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers vom 3. Januar 2002 gegen das Urteil des SG vom 16. Oktober 1997 hat das SG mit Beschluss vom 10. September 2002 die Berufung zugelassen. Das LSG hat - nachdem inzwischen der vom Kläger am 4. Januar
2002 erhobene Widerspruch gegen die den Zeitraum Februar bis Juni 1997 betreffenden Bescheide von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid
vom 14. Januar 2002 als unzulässig verworfen worden war - das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt und mit
Urteil vom 28. Januar 2004 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 16. Oktober 1997 zurückgewiesen sowie die Klage betreffend die Monate Februar bis Juni 1997 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen
hat das LSG ua ausgeführt: Die Berufung sei unbegründet und die im Berufungsverfahren erhobene Klage hinsichtlich der Bescheide
betreffend die Monate Februar bis Juni 1997 unzulässig. Der Kläger sei zwar Inhaber des Anspruchs auf Kug (§ 63 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz >AFG<), jedoch nicht aktiv legitimiert, den Anspruch gegenüber der Beklagten im Verwaltungs- oder im sozialgerichtlichen
Verfahren geltend zu machen. Dies folge insbesondere aus § 64 Abs 1 Nr 4 und § 72 AFG. Die gesetzliche Prozessstandschaft des Arbeitgebers bzw der Betriebsvertretung schließe im Bereich des Kug eine Prozessführungsbefugnis
der Arbeitnehmer aus. Die im Schrifttum vertretene Auffassung von Bieback (in Gagel, Komm zum
SGB III, Stand August 2001, §
169, RdNr 88 ff), wonach eine Beteiligung des Arbeitnehmers dann notwendig sei, wenn es um individuelle Komponenten des Kug-Anspruchs
gehe, überzeuge nicht. Im Ausschluss der Aktivlegitimation des Arbeitnehmers sei kein Verstoß gegen Art
19 Abs
4 Grundgesetz (
GG) zu sehen, da der Arbeitnehmer bei einer Pflichtverletzung des Arbeitgebers gegen diesen einen Schadensersatzanspruch habe,
der auch den Anspruch auf Kug erhöhen könne.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 63 und 65 AFG bzw des §
169 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) sowie der Art
14 Abs
1 und 19 Abs
4 GG. Der Arbeitnehmer habe einen Anspruch auf Kug in der richtigen, gesetzlich vorgesehenen Höhe. Die von der Rechtsprechung
bisher angenommene Prozessstandschaft des Arbeitgebers mit der Folge eines Ausschlusses des Arbeitnehmers sei im Gesetz nicht
ausdrücklich angeordnet, sodass es auch nicht richtig erscheine, von einer "gesetzlichen Prozessstandschaft" zu sprechen.
Die angenommene Prozessstandschaft könne "funktionieren", wenn der Arbeitgeber auch verpflichtet sei, die Interessen seiner
Arbeitnehmer zu vertreten; das Bundesarbeitsgericht (BAG) habe indes entschieden, dass eine solche Verpflichtung gerade nicht
bestehe (Urteil vom 19. März 1992, NZA 1992, 1031). Auch gehe die Auffassung, der Arbeitnehmer könne gegebenenfalls einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber geltend
machen, an der Wirklichkeit vorbei; ende die Kurzarbeit in der Insolvenz, sei ein Schadensersatzanspruch wirtschaftlich wertlos.
Soweit die Verfahrensökonomie für den Ausschluss des Arbeitnehmers angeführt werde, überzeuge dies jedenfalls heute nicht
mehr, da die Arbeitsverwaltung inzwischen mit allen technischen Möglichkeiten zur Bewältigung von Massenverfahren ausgestattet
sei. Es gebe keinen Grund, das Interesse an der Rechtmäßigkeit der Höhe des Kug gegenüber dem Schutz der Arbeitsverwaltung
vor Mehrarbeit hintan zu stellen. Ebenso wenig überzeuge das Argument, nur durch eine Prozessstandschaft könnten divergierende
Entscheidungen vermieden werden, da bei einer Prozessführungsbefugnis des Arbeitnehmers die Beiladung von Arbeitgeber und
Arbeitnehmervertretung nach §
75 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) möglich sei. Eine Prozessstandschaft müsse jedenfalls dann enden, wenn der Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausgeschieden sei,
da vom Arbeitgeber nicht verlangt werden könne, dass er ein Verfahren für einen Betriebsfremden führe; vorliegend sei das
Arbeitsverhältnis am 23. Juni 1997 gekündigt worden. Als weitere Besonderheit komme in seinem Fall hinzu, dass er das Kug
für zu niedrig halte, weil seine Nacht- und Wochenenddienste nicht als Regelarbeitszeit gewertet worden seien, und sein (früherer)
Arbeitgeber der Beklagten gegenüber gegen seine eigenen Interessen argumentieren müsste, was von ihm - zumal in einer Krisensituation
- nicht verlangt werden könne. Die Versagung einer Prozessführungsbefugnis verletze auch sein Eigentumsrecht, da er mit seiner
Beitragsleistung ein durch Art
14 GG geschütztes Anwartschaftsrecht erworben habe. Die Klage sei auch in der Sache begründet, da die Beklagte das Kug unzutreffend
berechnet habe. Die von ihm geleisteten Bereitschaftsdienste hätten als Arbeitszeit iS von § 69 AFG berücksichtigt werden müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 28. Januar 2004, das Urteil des SG vom 16. Oktober 1997 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27. Februar 1997 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 2. April 1997 sowie unter Änderung der Bescheide vom 8. April 1997, 26. Juni 1997, 8. August 1997
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2002 zu verurteilen, ihm Kug auf der Grundlage von monatlich 230
Ausfallstunden für die Monate Januar bis Juni 1997 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Klage gegen
die für den Zeitraum Februar bis Juni 1997 ergangenen Bescheide der Beklagten abgewiesen.
1. Die Zulassung der Berufung durch Beschluss des SG vom 10. September 2002 im Wege der Abhilfe (§
145 Abs
5 SGG in der vor dem 2. Januar 2002 geltenden Fassung, vgl Art 17 des 6.
SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001, BGBl I 2144) ist bindend (§
144 Abs
3 SGG; vgl Bernsdorff in Hennig,
SGG, Stand 1996, §
145 RdNr
36; Meyer-Ladewig,
SGG, 8. Aufl 2005, §
144 RdNr 43a; Lüdtke in Hk-
SGG §
144 RdNr 23). Auf die im Beschluss des BVerfG vom 4. April 2002, 1 BvR 60/02, erörterte Frage, ob eine Nichtzulassungsbeschwerde nach Ablauf der Jahresfrist des §
66 Abs
2 Satz 1
SGG überhaupt noch eingelegt werden kann, kommt es deshalb nicht mehr an (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig, aaO, § 66 RdNr 13b).
2. Die Klage ist unzulässig, weil dem Kläger die Klagebefugnis nach §
54 SGG fehlt. Nach Abs
1 Satz 1 dieser Vorschrift ist die (Anfechtungs-)Klage unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig, "soweit gesetzlich
nichts anderes bestimmt ist". Dieser gesetzliche Vorbehalt einer anderen gesetzlichen Regelung greift hier ein. Der einzelne
Arbeitnehmer ist schon vom materiellen Recht her in der Geltendmachung und Durchsetzung seines Anspruchs durch die gesetzliche
Regelung des Kug beschränkt. Wie das LSG bereits zutreffend ausgeführt hat, ist der Kläger in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer
zwar Inhaber des Anspruchs auf Kug (§ 63 Abs 1 AFG), er ist jedoch nicht aktiv legitimiert, diesen Anspruch gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Dies entspricht dem im
streitgegenständlichen Zeitraum - 1997 - anzuwendenden Recht des AFG, das im Wesentlichen auch mit dem ab 1998 geltenden Recht des
SGB III vom 24. März 1997 (BGBl I 594) übereinstimmt.
Im System der das Kug betreffenden Vorschriften tritt der Arbeitnehmer nicht wie bei anderen Leistungen individuell dem Arbeitsamt
gegenüber, sondern er ist in ein Geflecht wirtschaftlicher und kollektivrechtlicher Beziehungen eingebunden (vgl Roeder in
Niesel, AFG, 2. Aufl, vor §
63 RdNr 3 ff, und in Niesel,
SGB III, 3. Aufl, §
169 RdNr 17 ff; Söhngen in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 6 RdNr 210 ff). Dabei sind dem Arbeitgeber
und der Betriebsvertretung wesentliche Funktionen zugeordnet. Zwar ist das Kug nach § 63 Abs 1 Satz 1 sowie § 65 Abs 1 AFG wie auch (seit 1998) nach §§
169,
172 SGB III den Arbeitnehmern zu gewähren; der Arbeitgeber hat jedoch den als Leistungsvoraussetzung konzipierten Arbeitsausfall anzuzeigen
(§§ 64 Abs 1 Nr 4, 72 Abs 1 Satz 1 AFG, vgl jetzt §§
169 Nr
4,
173 Abs
1 Satz 2
SGB III), hat dem Arbeitsamt die Voraussetzungen für die Gewährung von Kug nachzuweisen (§ 72 Abs 3 Satz 1 AFG, vgl §
320 Abs
1 Satz 1
SGB III), und er hat, da Kug nur auf Antrag gewährt wird, insbesondere innerhalb einer Ausschlussfrist den Antrag auf Kug zu stellen
und mit dem Antrag die persönlichen Daten der Arbeitnehmer mitzuteilen, für die Kug beantragt wird (§ 72 Abs 2 AFG, vgl jetzt §§
320 Abs
1,
323 Abs
2,
325 Abs
3 SGB III). Die Betriebsvertretung ist ebenfalls zur Erstattung der Anzeige und zur Antragstellung berechtigt (§ 72 Abs 1 Satz 2, Abs 2 Satz 2 AFG, vgl §§
173 Abs
1 Satz 2,
323 Abs
2,
325 Abs
3 SGB III). Aus den Befugnissen des Arbeitgebers und der Betriebsvertretung, im Wege der Verfahrens- und Prozessstandschaft die Rechte
der Arbeitnehmer geltend zu machen, hat die Rechtsprechung des BSG - schon unter der Geltung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung
und Arbeitslosenversicherung (AVAVG), das ähnliche Vorschriften enthielt - gefolgert, dass der anspruchsberechtigte Arbeitnehmer
selbst von der Geltendmachung seiner Ansprüche ausgeschlossen ist (BSGE 38, 94, 96 = SozR 1500 § 75 Nr 4; BSGE 38, 98, 100 = SozR 4100 § 69 Nr 1; ebenso die gleichartige Rechtsprechung zum Schlechtwetter- oder Wintergeld: BSGE 33, 64, 67 = SozR Nr 5 zu § 143l AVAVG; BSGE 68, 67, 72 = SozR 3-4100 § 71 Nr 1; BSGE 82, 183, 185 f = SozR 3-4100 § 71 Nr 2). Danach kommt auch die notwendige Beiladung des Arbeitnehmers nicht in Betracht; lediglich
eine einfache Beiladung wurde als möglich angesehen (vgl BSG SozR 4100 § 86 Nr 1). Wesentlicher Grund für diesen Ausschluss
des Arbeitnehmers von der Geltendmachung seiner Rechte ist neben dem Zweck des Kug (vgl BVerfGE 92, 365, 406 = SozR 3-4100 § 116 Nr 3 S 124) insbesondere die vom Gesetzgeber erstrebte Verwaltungsvereinfachung, und zwar unabhängig
von den - vom Kläger geltend gemachten - technischen Möglichkeiten. Über die Ansprüche auf Kug, deren betriebliche Voraussetzungen
für das Kollektiv aller betroffenen Arbeitnehmer insgesamt festgestellt werden, soll in einem überschaubaren Verfahren zügig
entschieden werden (vgl ua BSGE 38, 94, 96 = SozR 1500 § 75 Nr 4). An dieser Rechtsprechung, die auch in der Literatur Zustimmung gefunden hat (vgl zB Ulmer in
Hennig,
SGG, Stand Juni 2003, §
54 RdNr 91, Mutschler in Praxiskommentar
SGB III, §
169 RdNr 46 f; Schmalz in Hauck/Noftz,
SGB III, §
174 RdNr 9), ist festzuhalten.
Demgegenüber folgt der Senat nicht der Rechtsmeinung von Bieback (in Gagel, AFG, Stand 1998, §
72 RdNr 75 und in Gagel,
SGB III, Stand 2001, §
169 RdNr 90 ff mwN; ebenso wohl Roeder in Niesel,
SGB III, 3. Aufl, § 169 RdNr 20). Dieser erhebt den Einwand, die Bestimmungen zur Antragstellung in § 72 AFG bzw §
323 SGB III bezögen sich nur auf das Verwaltungsverfahren, und es fehle an einer klaren Vorschrift zum Ausschluss aus dem Rechtsmittelverfahren.
Der Ausschluss des Arbeitnehmers von der eigenen Geltendmachung von Rechten im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren
lässt sich vielmehr hinreichend klar den gesetzlichen Regelungen zur Antragstellung und zur gesetzlichen Ausschlussfrist entnehmen
(§ 72 Abs 2 Satz 4 iVm Abs 1 AFG, §
325 Abs
3 iVm §
323 Abs
2 SGB III). Wird nämlich die Ausschlussfrist nicht gewahrt, ist die Folge der Anspruchsverlust (vgl ua Urteile des Senats vom 6. April
2000, B 11 AL 81/99 R, NZA-RR 2001, 609, und vom 5. Februar 2004, B 11 AL 47/03 R, SozR 4-4300 § 325 Nr 1). Zur Wahrung der Ausschlussfrist bedarf es eines innerhalb gesetzlich vorgegebener Frist gestellten
Antrages und zur Antragstellung ist kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nur der Arbeitgeber oder die Betriebsvertretung
berechtigt. Stellt also weder der Arbeitgeber noch der Betriebsrat fristgerecht den Antrag, können den Arbeitnehmern Ansprüche
nicht zuerkannt werden. Gleiches gilt im Übrigen auch, wenn weder der Arbeitgeber noch der Betriebsrat eine Anzeige erstattet
(§ 72 Abs 1 AFG, §
173 SGB III). Der Gesetzgeber bringt mit den genannten Regelungen deutlich zum Ausdruck, dass es der einzelne Arbeitnehmer nicht in der
Hand haben soll, die ihm zustehenden Ansprüche selbst der Arbeitsverwaltung gegenüber geltend zu machen. Dies muss sich auch
auf das gerichtliche Verfahren beziehen, da es nicht mit dem Zweck der Beschränkung der Rechte der Arbeitnehmer, den Anspruch
auf Kug geltend zu machen, zu vereinbaren wäre, die Anfechtung im Verwaltungsverfahren zunächst dem Arbeitgeber bzw der Betriebsvertretung
zu überlassen, um dann später dem Arbeitnehmer - uU lange Zeit nach Ergehen eines Bescheides - noch eine gerichtliche Anfechtungsmöglichkeit
zu eröffnen (vgl bereits BSGE 33, 64, 67 = SozR Nr 5 zu § 143l AVAVG).
Der Senat folgt auch grundsätzlich nicht dem Vorschlag von Bieback (aaO), den einzelnen Arbeitnehmer "normalerweise" nicht
am Antragsverfahren zu beteiligen, ihm aber ausnahmsweise - insbesondere beim Streit um individuelle Besonderheiten und bei
Interessenwiderspruch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - ein Antrags- bzw ein Klagerecht zuzubilligen. Eine derartige
Handhabung ließe sich mit dem gesetzlichen Regelungsgefüge nicht vereinbaren. In der Rechtsprechung ist bereits darauf hingewiesen
worden, dass sich die Prozessführungsbefugnis nur auf den geltend gemachten Anspruch als ganzen beziehen kann, nicht aber
auf einzelne Elemente seiner Begründung (BSGE 38, 94, 96 = SozR 1500 § 75 Nr 4; BSGE 38, 98, 100 = SozR 4100 § 69 Nr 1; SozR 4100 § 86 Nr 1 S 3). Auch hieran ist festzuhalten. Auch wäre es kaum verständlich, einerseits
Arbeitnehmern, für deren Ansprüche die Anzeige oder der Antrag vom Arbeitgeber bzw vom Betriebsrat versäumt wird, den vollständigen
Anspruchsverlust zuzumuten, andererseits aber Arbeitnehmern in bestimmten Konstellationen ein eigenes Recht zur Klage hinsichtlich
individueller Besonderheiten ihres Anspruchs einzuräumen.
Offen bleiben kann, ob unter ganz außergewöhnlichen Umständen Ausnahmen vom Grundsatz des Ausschlusses des Arbeitnehmers im
Sinne der zitierten Rechtsprechung denkbar sein könnten. Denn entgegen dem Vorbringen der Revision liegen nach den vom LSG
festgestellten Tatsachen keine derart außergewöhnlichen Umstände vor. Dahinstehen kann insbesondere, ob eine Klagebefugnis
Arbeitnehmern ausnahmsweise dann zustehen könnte, wenn im Betrieb keine Betriebsvertretung existiert; denn im vorliegenden
Fall war ein Betriebsrat vorhanden und auch in die Vorgänge zur Anzeige von Kurzarbeit eingebunden. Ob sich der Betriebsrat
tatsächlich für einen einzelnen Arbeitnehmer individuell einsetzt - was vorliegend offenbar nicht der Fall war - kann eine
Ausnahme nicht rechtfertigen. Dahingestellt kann auch bleiben, ob der Beigeladene zu 1) und der Beigeladene zu 2) im Wege
eines Beteiligtenwechsels nach §
99 Abs
1 SGG auf die Klägerseite hätten überwechseln können (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig,
SGG, 8. Aufl, §
99 RdNr 6); denn jedenfalls im Revisionsverfahren ist eine Klageänderung nach §
168 Satz 1
SGG grundsätzlich unzulässig. Keine abweichende Beurteilung im Sinne der Argumentation des Klägers erlauben im Übrigen auch die
Feststellungen des LSG, wonach der Kläger sein Arbeitsverhältnis am 23. Juni 1997 gekündigt hatte und über das Vermögen des
Arbeitgebers im März 1998 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Insoweit sind beim Kläger, dessen Arbeitsverhältnis im gesamten
streitgegenständlichen Zeitraum (Januar bis Juni 1997) Bestand hatte, Besonderheiten im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern
nicht zu erkennen.
Ein Antrags- bzw Klagerecht kann entgegen dem Vorbringen der Revision schließlich auch nicht aus einem im vorliegenden Fall
nahe liegenden Interessengegensatz zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Hinblick auf die Frage der Einbeziehung von Überstunden
in die regelmäßige betriebsübliche Arbeitszeit hergeleitet werden. Im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist
insoweit zu beachten, dass letzterer bei der Antragstellung und im Rechtsmittelverfahren treuhänderisch für den Arbeitnehmer
tätig und diesem bei Verletzung seiner Fürsorgepflicht schadensersatzpflichtig wird (vgl Mutschler in Praxiskommentar
SGB III, §
169 RdNr 48; Leitherer in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
323 RdNr 46; Bieback in Gagel,
SGB III, §
169 RdNr 70 mwN). Hieraus wird deutlich, dass Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich im
Rahmen des Arbeitsverhältnisses und notfalls in einem vor dem Arbeitsgericht zu führenden Prozess auszutragen sind, nicht
aber in das Kug-Verfahren verlagert werden können. Zu beachten ist weiter, dass die Rechte des Arbeitnehmers im Verhältnis
zum Arbeitgeber auch durch die gesetzlich vorgesehene Antragsbefugnis der Betriebsvertretung, der eine Kontrollfunktion zukommt,
gewahrt werden (vgl Leitherer in Eicher/ Schlegel,
SGB III, §
323 RdNr 53). Entgegen dem Vortrag der Revision wird ein möglicher Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers auch nicht dadurch
entwertet, dass nach einer Entscheidung des BAG vom 19. März 1992 (BAGE 70, 71 = AP Nr 110 zu §
611 BGB Fürsorgepflicht) der Arbeitgeber bei der Gewährung von Kug nicht verpflichtet sein soll, gegenüber der Arbeitsverwaltung
Widerspruch bzw Klage zu erheben, "wenn er die einer ständigen Verwaltungspraxis entsprechende Rechtsauffassung der Arbeitsverwaltung
teilt", wobei offen bleiben kann, ob diese Entscheidung des BAG überhaupt auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden
kann (es ging dort um den Arbeitsentgeltcharakter des tariflichen Lohnausgleichs für die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr).
Das BAG hat jedenfalls in der vorbezeichneten Entscheidung die Rechtsprechung des BSG zum Ausschluss der Antrags- und Klagebefugnis
des Arbeitnehmers nicht grundsätzlich in Frage gestellt, sondern bezogen auf die konkrete Fallgestaltung eine Pflichtverletzung
des Arbeitgebers und damit einen Schadensersatzanspruch verneint.
3. Gegen die gesetzliche Regelung und die hiernach gegebene Einschränkung der Klagebefugnis bestehen keine durchgreifenden
verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Die Rechtsschutzgarantie des Art
19 Abs
4 GG ist erst verletzt, wenn der Zugang zu den Gerichten in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise
erschwert wird (ua BVerfGE 88, 118, 124). Eine solche Verletzung liegt nicht vor. Insbesondere sprechen erhebliche Sachgründe für die gesetzlichen Regelungen
zur Antragstellung und zur Ausschlussfrist (Zweck des Kug, das nicht nur der individuellen Sicherung des Arbeitnehmers, sondern
allgemein der Erhaltung und Stabilisierung von Arbeitsplätzen dient, vgl BVerfGE 92, 365, 406 = SozR 3-4100 § 116 Nr 3 S 124; Bedürfnis, über die Ansprüche in einem überschaubaren Verfahren zügig zu entscheiden).
Vor allem aber ist im Rahmen des Art
19 Abs
4 GG zu berücksichtigen, dass dem einzelnen Arbeitnehmer genügend Möglichkeiten zur Wahrnehmung seiner Rechte verbleiben und damit
dem Zweck der Verfassungsnorm, einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten, Genüge getan ist (vgl BVerfGE 83, 182 = BSG SozR 3-1100 Art 19 Nr 2). Zunächst kann er sich an seine Betriebsvertretung wenden (vgl §§ 84, 85 Betriebsverfassungsgesetz). Gegen den Arbeitgeber, der - wie ausgeführt - bei der Antragstellung und im Rechtsmittelverfahren treuhänderisch für den
Arbeitnehmer tätig wird, besteht bei Verletzung der Fürsorgepflicht ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers, der entgegen
dem Vorbringen der Revision durch die Rechtsprechung des BAG - wie oben dargestellt - nicht von vornherein ausgeschlossen
wird. Dagegen kann auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, der Schadensersatzanspruch sei wirtschaftlich wertlos, wenn der
Kurzarbeit, wie oftmals, die Insolvenz nachfolge. Denn das Risiko, Ansprüche wegen Insolvenz des Verpflichteten tatsächlich
nicht durchsetzen zu können, ist keine Besonderheit des Kug-Verfahrens, sondern besteht in allen Lebens- und Rechtsbereichen;
Folgerungen hieraus können im Hinblick auf Art
19 Abs
4 GG nicht gezogen werden.
b) Die von der Revision behauptete Verletzung des Art
14 GG liegt ebenfalls nicht vor. Das BVerfG hat es schon als zweifelhaft angesehen, ob das Kug überhaupt in den Schutzbereich der
Eigentumsgewährleistung fällt (BVerfGE 92, 365, 406 = SozR 3-4100 § 116 Nr 3 S 124). Selbst wenn dies zu bejahen wäre, hätte der Kläger den Anspruch nur so erwerben können,
wie er gesetzlich ausgestaltet ist, dh ohne eigenständiges Antrags- und Klagerecht des Arbeitnehmers. Insofern fehlt es bereits
an einem Eingriff in ein etwaiges Eigentumsrecht.
4. Eine Klagebefugnis des Klägers ist im vorliegenden Fall auch nicht etwa deswegen (teilweise) zu bejahen, weil die Beklagte
über den zuerst erhobenen Widerspruch gegen den das Kug für Januar 1997 betreffenden Bescheid mit Widerspruchsbescheid vom
2. April 1997 sachlich entschieden hat. Ein Fall, in dem die Rechtsprechung eine Klage bei sachlicher Entscheidung der Widerspruchsstelle
trotz einer Form- oder Fristverletzung als zulässig bzw einen angefochtenen Bescheid als nicht bin dend angesehen hat (vgl
BSGE 49, 85, 87 f = SozR 1500 §
84 Nr 3 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig,
SGG, 8. Aufl, §
84 RdNr 7), liegt ersichtlich nicht vor, da der Widerspruch des Klägers von vornherein nicht statthaft war (vgl auch BSG SozR
3-1500 § 87 Nr 1 S 5). Zwar ist der Widerspruchsbescheid vom 2. April 1997 insofern fehlerhaft, als sachlich entschieden und
der Widerspruch nicht als unzulässig behandelt worden ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 87 Nr 1 S 5 f); jedoch ist insoweit eine
Anfechtungsbefugnis des Klägers mangels rechtlicher Betroffenheit zu verneinen (vgl BFH Beschluss vom 1. Februar 2000, VII B 202/99, veröffentlicht in juris).
5. Da der Kläger somit nicht befugt ist, Rechte auf Kug selbst zu verfolgen, ist auch der Widerspruchsbescheid der Beklagten
vom 14. Januar 2002, der den Widerspruch des Klägers gegen die Bescheide vom 8. April 1997, 26. Juni 1997 und 8. August 1997
im nachgeholten Verwaltungsverfahren als unzulässig verworfen hat, nicht zu beanstanden; das LSG hat insoweit die im Berufungsverfahren
im Wege der Klageänderung einbezogene Klage (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig,
SGG, 8. Aufl, §
99 RdNr 12) zu Recht abgewiesen. Dabei kann dahinstehen, ob im Hinblick auf §
66 Abs
2 SGG (Jahresfrist) der Widerspruch gegen die 1997 erlassenen Bescheide im Jahre 2002 überhaupt noch zulässig erhoben werden konnte.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Der Senat hat es als angemessen angesehen, die Beklagte zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers im ersten
Rechtszug zu verpflichten, da die Klage auch durch die - zu Unrecht erfolgte - sachliche Entscheidung im Widerspruchsbescheid
vom 2. April 1997 veranlasst und der Kläger erstmals im Klageverfahren (in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 16. Oktober 1997) auf den Gesichtspunkt der fehlenden Antrags- bzw Klagebefugnis hingewiesen worden ist.