Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Bezeichnung des Verfahrensmangels; Besetzungs-
und Anhörungsrüge
Gründe:
Die auf Verfahrensfehler des Landesozialgerichts (LSG) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Ein Verfahrensmangel iS des §
160 Abs
2 Nr
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ist in der Beschwerdebegründung nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise bezeichnet.
Nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG muss in der Begründung der Beschwerde der Verfahrensmangel, auf dem das Urteil des LSG beruhen kann, bezeichnet werden. Eine
Bezeichnung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die den Mangel (angeblich) begründenden Tatsachen substantiiert und schlüssig
dargetan sind (ua BSG SozR 1500 § 160a Nr 14; SozR 3-1500 § 73 Nr 10). Das Bundessozialgericht (BSG) muss allein anhand der
Begründung darüber entscheiden können, ob ein Verfahrensmangel in Betracht kommt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann (stRspr, ua BSG SozR 1500 § 160a Nr 14; SozR 3-1500 § 160a Nr 4). Die Ausführungen der Beschwerdebegründung des Klägers
genügen diesen Anforderungen nicht.
1. In der Beschwerdebegründung wird zunächst vorgetragen, das LSG habe die mit Schriftsätzen vom 27. Juni 2006 gestellten
Ablehnungsgesuche - ua gegen den Richter am LSG R - mit Beschlüssen vom 7. August 2006 abgelehnt. Über die hiergegen mit Schriftsatz
vom 24. August 2006 gestellten Anträge gemäß §
178a SGG habe das LSG mit Beschluss vom 11. September 2006 durch die Richter S, Dr. B und M entschieden. Es habe ausgeführt, die Anträge
seien unzulässig, weil sie eine unanfechtbare Zwischenentscheidung beträfen. Im Hauptverfahren habe das LSG unter Mitwirkung
der Richter Dr. B und R die Berufung des Klägers mit dem angefochtenen Beschluss vom 15. Dezember 2008 zurückgewiesen. Diese
Vorgehensweise sei verfahrensfehlerhaft, da es sich bei den die Ablehnungsgesuche ablehnenden Beschlüssen vom 7. August 2006
unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) um selbständige und mit der Anhörungsrüge
angreifbare Zwischenverfahren handle. Der angefochtene Beschluss vom 15. Dezember 2008 könne auch auf dem Verfahrensmangel
beruhen. Denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass aufgrund der Anhörungsrüge ein Ablehnungsgesuch erfolgreich und deswegen
ohne Mitwirken des Richters am LSG R eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre. Für den Fall des Nachrückens eines anderen
Richters habe auch nicht nach §
153 Abs
4 SGG entschieden werden können. Bei nach mündlicher Verhandlung ergehender Entscheidung wäre Gelegenheit zu weiterem Vortrag bzw
zu Beweisangeboten gegeben gewesen, insbesondere dazu, dass der Kläger den Anschein einer ausgeübten Vollzeitbeschäftigung
aufrechterhalten habe.
a) Soweit der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts rügt (§
202 SGG iVm §
547 Nr 1
Zivilprozessordnung [ZPO]), kann der Senat allein aufgrund der Angaben der Beschwerdebegründung nicht beurteilen, ob ein Verfahrensmangel vorliegt.
Denn daraus, dass das LSG mit Beschluss vom 11. September 2006 die Anhörungsrüge gegen den zurückweisenden bzw verwerfenden
Beschluss vom 7. August 2006 als unzulässig behandelt hat, ergibt sich noch nicht zwingend, dass zumindest einer der vom Kläger
abgelehnten Richter nicht zur Mitwirkung an der angefochtenen Entscheidung berufen war.
Zweifelhaft ist insoweit bereits, ob die Entscheidung des LSG vom 11. September 2006 als verfahrensfehlerhaft anzusehen ist.
Zwar ergibt sich aus der vom Beschwerdeführer angeführten Entscheidung des BVerfG vom 23. Oktober 2007 (BVerfGE 119, 292 = NZA 2008, 1201), die ein vor dem Bundesarbeitsgericht gestelltes Ablehnungsgesuch betrifft, dass es sich beim Richterablehnungsverfahren
um ein sog selbständiges Zwischenverfahren handelt. Die der Beurteilung des BVerfG zugrunde liegende Annahme, die im Zwischenverfahren
mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren getroffene Entscheidung könne später nicht mehr im Rahmen einer Inzidentprüfung
korrigiert werden (vgl auch BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 2009, 1 BvR 3113/08, NJW 2009, 833), lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf das sozialgerichtliche Verfahren und die vorliegende Fallgestaltung übertragen.
Denn obwohl auch das BSG grundsätzlich gemäß §
202 SGG iVm §
557 Abs
2 ZPO an unanfechtbare Entscheidungen gebunden ist, die dem Endurteil des LSG vorausgegangen sind, ist in der Rechtsprechung des
BSG anerkannt, dass eine Bindung des BSG nicht eintritt, wenn die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen
oder manipulativen Erwägungen beruht oder wenn die Zurückweisung darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite
der Verfassungsgarantie des Art
101 Abs
1 Satz 2
Grundgesetz (
GG) grundlegend verkannt hat (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 1 RdNr 9; SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 5, jeweils mwN; BSG, Beschluss vom 9. Januar 2008, B 12 KR 24/07 B, RdNr 11).
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren kann allerdings offen bleiben, ob gegen die Zurückweisung eines während des Berufungsverfahrens
gestellten Ablehnungsantrages die Anhörungsrüge immer statthaft ist. Denn selbst wenn dies im Anschluss an die Rechtsprechung
des BVerfG zu bejahen und deshalb der Beschluss des LSG vom 11. September 2006 als fehlerhaft anzusehen sein sollte, folgt
hieraus noch nicht, dass von einer erfolgreichen Anhörungsrüge und im Anschluss daran von der Begründetheit des jeweiligen
Ablehnungsgesuchs des Klägers auszugehen wäre (vgl hierzu auch BVerfGE 119, 292, 302 = NZA 2008, 1201, 1204).
Von der Mitwirkung wegen Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossen ist ein Richter nur, wenn ein Grund, der geeignet ist,
Misstrauen gegen die Unparteilichkeit zu rechtfertigen, tatsächlich vorliegt (§
60 SGG iVm §
42 ZPO). Ob dies der Fall ist, muss der Beschwerdeführer im Rahmen der Bezeichnungspflicht gemäß §
160a Abs
2 Satz 3
SGG im Einzelnen vortragen (vgl ua BSG SozR 4-1500 §
160a Nr 1 RdNr 10). In der Beschwerdebegründung wird jedoch weder angegeben, in welcher Hinsicht der Kläger zB bei dem Richter
am LSG R Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit gesehen hat und aus welchen Erwägungen heraus das LSG dieser Ansicht nicht
gefolgt ist, noch wird vorgetragen, weshalb der Kläger der Meinung war, das LSG habe bei der Zurückweisung bzw Verwerfung
des Ablehnungsgesuches seinen Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§
178a Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGG). Aufgrund des unsubstantiierten Vorbringens, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Anhörungsrüge zum Erfolg eines
oder mehrerer Ablehnungsgesuche geführt hätte, kann das BSG nicht beurteilen, ob der vom Kläger behauptete Mangel der nicht
vorschriftsmäßigen Besetzung vorliegt. Das (erfolglose) Ablehnungsgesuch gegen den Richter am LSG R steht dessen Mitwirkung
am Beschluss vom 15. Dezember 2008 nicht entgegen (vgl Zöller,
ZPO, 27. Aufl 2009, §
42 RdNr 29 mwN).
b) Soweit dem oben wiedergegebenen Vorbringen auch die Behauptung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) zu entnehmen sein sollte, fehlt es ebenfalls an der substantiierten Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Denn der Beschwerdeführer
führt nicht näher aus, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen
kann (vgl ua BSG SozR 1500 § 160a Nr 36; BSG, Beschluss vom 9. Januar 2008, B 12 KR 24/07 B, RdNr 12). Die kurzen Hinweise auf den nicht auszuschließenden Erfolg von Ablehnungsgesuchen genügen ebenso wenig den Anforderungen
wie die Ausführungen, bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei Vortrag bzw ein Anerbieten von Beweisen zur Frage
der Aufrechterhaltung des Anscheins einer ausgeübten Vollzeitbeschäftigung möglich gewesen. Damit ist auch nicht ansatzweise
dargelegt, welcher Vortrag im Einzelnen verhindert worden ist bzw in welcher Weise ein möglicher Vortrag in der mündlichen
Verhandlung zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.
c) Eine den Anforderungen genügende Bezeichnung eines Verfahrensmangels kann schließlich auch nicht den Hinweisen der Beschwerdebegründung
auf §
153 Abs
4 SGG entnommen werden. Insoweit hält der Beschwerdeführer die Vorgehensweise des LSG nur unter dem Gesichtspunkt der (angeblichen)
Besorgnis der Befangenheit im Hinblick auf den Richter am LSG R für bedenklich. Der Vortrag zum Ausschluss eines Richters
wegen Besorgnis der Befangenheit ist aber - wie ausgeführt - unzureichend. Im Übrigen enthält die Beschwerdebegründung keinerlei
Vorbringen zur Frage, ob das LSG unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles im Rahmen seines Ermessens ("kann")
die Berufung durch Beschluss gemäß §
153 Abs
4 SGG zurückweisen durfte oder nicht.
2. In der Beschwerdebegründung wird ferner vorgetragen, es werde als weiterer Verfahrensmangel geltend gemacht, dass dem Kläger
durch das Ablehnen der Anträge nach §
178a SGG rechtliches Gehör zu der behaupteten Gehörsverletzung im selbständigen Zwischenverfahren der Richterablehnung nicht gewährt
worden sei. Zu berücksichtigen sei, dass Richter Dr. B an dem Beschluss vom 11. September 2006 ebenso mitgewirkt habe wie
an dem Beschluss vom 15. Dezember 2008; im letztgenannten Beschluss fänden sich aber zu den Ablehnungsanträgen vom 24. August
2006 keine Ausführungen, weshalb nicht zu erkennen sei, dass das LSG den Vortrag des Klägers aus diesem Schriftsatz in seine
Erwägungen einbezogen habe. Es sei wiederum nicht ausgeschlossen, dass das LSG bei Miteinbeziehen des Antrags aus dem Schriftsatz
vom 24. August 2006 im Sinne des Klägers entschieden hätte.
Auch insoweit fehlt es aus den bereits genannten Gründen (vgl oben 1.b) an der formgerechten Bezeichnung eines Verfahrensmangels.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist weder zu entnehmen, in welcher Weise der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt
worden ist, noch kann nachvollzogen werden, dass und warum die angefochtene Entscheidung des LSG auf der geltend gemachten
Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen kann. Dass in der Mitwirkung des Richters Dr. B an den Entscheidungen vom 7. August
2006 einerseits und vom 15. Dezember 2008 andererseits ein Verfahrensfehler gesehen werden könnte, erschließt sich aus dem
Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht. Denn der Umstand der Vorbefassung vermag für sich genommen die Besorgnis der Befangenheit
nicht zu begründen (vgl §
60 SGG iVm §
41 Nr 6
ZPO).
Die unzulässige Beschwerde ist zu verwerfen (§§ 160a Abs
4 Satz 1,
169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.