Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren, Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Verfassungsmäßigkeit
einer Beitragsbemessung
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, von der vom Versorgungswerk für Rechtsanwälte bezogenen
Altersrente und dem von der Ländernotarkasse bezogenen Altersruhegehalt der Klägerin seit dem 1.1.2004 Beiträge nach dem vollen
allgemeinen Beitragssatz zu erheben.
Die Klägerin ist bei der Beklagten in der Krankenversicherung als Rentnerin pflichtversichert. Sie bezog am 1.1.2004 neben
einer monatlichen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von unter 250 Euro Leistungen vom Versorgungswerk für
Rechtsanwälte und der Ländernotarkasse in Höhe von insgesamt 2.854,28 Euro monatlich. Auf diese Leistungen erhob die Beklagte
bis zum 31.12.2003 Beiträge unter Zugrundelegung des halben, ab 1.1.2004 unter Berücksichtigung des vollen allgemeinen Beitragssatzes.
Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin blieben erfolglos.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgerichts (LSG) vom 13.12.2006.
II. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 13.12.2006 ist in entsprechender
Anwendung von §
169 Satz 2 und
3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
1. Die Klägerin beruft sich zunächst auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Die Beschwerdebegründung muss hierzu ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR
3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach
dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). - Diesen Anforderungen genügt
die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hat die Frage formuliert, "ob die Verdoppelung der Krankenkassenbeiträge für Versorgungsrentner (§ 248 SGB) noch
mit der Verfassung vereinbar ist". Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass das BSG Fälle, in denen Versorgungsrenten aus
Versorgungswerken ganz oder überwiegend das Alterseinkommen des Versicherten ausmachen, insbesondere - wie in ihrem Fall -
mehr als 96 % der Alterseinkünfte betragen und sich der Erhöhungsbetrag auf monatlich etwa 220 Euro beläuft, bisher nicht
entschieden und insoweit bisher keine Aussagen dazu getroffen habe, ob in diesen Fällen die Erheblichkeits- und Zumutbarkeitsschwelle
überschritten sei.
Da es jedenfalls an den erforderlichen Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit fehlt, kann unerörtert bleiben, ob die Klägerin
hiermit überhaupt eine hinreichend konkrete Rechtsfrage formuliert und deren Klärungsfähigkeit im Rahmen des konkreten Rechtsstreits
aufgezeigt hat. Das LSG hat in seinem Urteil deutlich gemacht, dass das BSG zum Zeitpunkt seiner Entscheidung am 13.12.2006
in ständiger Rechtsprechung bereits entschieden hatte, dass gegen die Anhebung des für die Beitragsbemessung aus Versorgungsbezügen
einschlägigen Beitragssatzes zum 1.1.2004 durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen (Urteile vom 24.8.2005,
B 12 KR 29/04 R = SozR 4-2500 § 248 Nr 1, und vom 10.5.2006, B 12 KR 6/05 R = SozR 4-2500 § 240 Nr 7, B 12 KR 5/05 R, B 12 KR 13/05 R, B 12 KR 9/05 R, B 12 KR 3/05 R, B 12 KR 23/05 R, B 12 KR 7/05 R, B 12 KR 21/05 R, B 12 KR 10/05 R). Unter diesen Umständen hätte es im Rahmen der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde schlüssiger Darlegungen bedurft,
warum dennoch Klärungsbedürftigkeit weiter fortbestehen oder erneut aufgetreten sein sollte. Diesen Anforderungen genügt die
Klägerin nicht durch die bloße Behauptung des Gegenteils und die Darstellung ihrer eigenen abweichenden Auffassung. Allein
deshalb, weil die Klägerin Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des §
248 SGB V in der ab dem 1.1.2004 geltenden Fassung andeutet, gilt nichts anderes. Vielmehr hätte die Begründung auch insofern darlegen
müssen, warum trotz einer den ordentlichen Rechtsweg abschließenden Klärung durch den zuständigen und hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit
prüfungskompetenten obersten Gerichtshof des Bundes Klärungsbedürftigkeit fortbestehen bzw erneut aufgetreten sein sollte.
Die Klägerin hätte folglich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BSG zu
den von ihr angeführten Normen der Verfassung (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 11) im Einzelnen darlegen müssen, inwiefern die
bisherige Rechtsprechung des BSG jeweils Lücken gelassen hat oder in Rechtsprechung und Literatur mit beachtlichen Gründen
in Zweifel gezogen worden ist. Die bloße Bezugnahme auf anhängige Verfassungsbeschwerdeverfahren reicht insoweit nicht. Die
Klägerin hätte sich insbesondere mit den Ausführungen des BSG zur Typisierungs- und Generalisierungsbefugnis des Gesetzgebers
befassen und damit auseinandersetzen müssen, dass das BSG die Anwendung des vollen allgemeinen Beitragssatzes gerade auch
in Fällen, in denen individuelle Versorgungsbezüge aus berufsständischen Versorgungswerken gegenüber der individuellen Rente
besonders hoch sind, für zumutbar gehalten und darauf hingewiesen hat, dass die frühere hälftige Beitragslast auf Versorgungsbezüge
hier gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz besonders problematisch war (vgl vor allem Urteil vom 24.8.2005, aaO, und Urteil
vom 10.5.2005, B 12 KR 5/05 R). Die Klägerin hat auf Seite 6 ihrer Beschwerdebegründung selbst mitgeteilt, dass mindestens zwei der anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahren
ähnlich gelagerte Fälle betreffen. Inwiefern sich aus dieser Rechtsprechung des BSG nicht ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung
der Gesetzesänderung im Hinblick auf die von ihr repräsentierte "Sondergruppe der Versorgungsempfänger" ergeben, hat die Klägerin
nicht dargetan.
2. Die Klägerin macht außerdem Abweichungen des LSG von der ständigen Rechtsprechung des BVerfG geltend und zählt hierbei
einzelne seiner Entscheidungen auf (BVerfG, Urteil vom 28.2.1980, 1 BvL 17/77 ua, BVerfGE 53, 257 = SozR 7610 § 1587 Nr 1 = NJW 1980, 692; Urteil vom 16.7.1985, 1 BvL 5/80 ua, BVerfGE 69, 272 = SozR 2200 § 165 Nr 81 = NJW 1986, 39; Beschluss vom 18.2.1998, 1 BvR 1318/86 ua, BVerfGE 97, 271 = SozR 3-2940 §
58 Nr
1). Abweichung (Divergenz) iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde
gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem
vorhandenen abstrakten Rechtssatz der in der Vorschrift genannten Gerichte aufgestellt hat. Die Beschwerdebegründung muss
daher erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in den herangezogenen höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist und welcher
im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67). - Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hat bereits keinen Rechtssatz des Berufungsgerichts herausgearbeitet, der für die Entscheidung des LSG rechtserheblich
gewesen ist. Sie hat zur Begründung ihrer Divergenzrüge dargelegt, das LSG habe Anwartschaften im Versicherungsvertrag nicht
für Vermögen gehalten bzw die Schutzbedürftigkeit einer Versicherungsanwartschaft von freiwillig Versicherten am Maßstab des
Eigentumsgrundrechts verneint bzw die Position des freiwillig versicherten Mitglieds ... nicht als durch Art
14 GG geschützt eingestuft. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung hat sich das Berufungsgericht hierauf jedoch nicht
entscheidungserheblich gestützt, sondern gerade offengelassen, "ob die Klägerin eine derartige, im Sinne des Art.
14 Abs.
1 GG begründete Anwartschaft erworben hat, bei Eintritt in das Rentenalter in ihrer Eigenschaft als Versorgungsempfängerin mit
dem halben Beitragssatz versichert zu werden". Das LSG hat den Eigentumsschutz unterstellt, einen - angenommenen - Eigentumseingriff
aber für verhältnismäßig und zumutbar gehalten. Warum das Berufungsgericht die angesprochene Frage bei dieser Begründungsstruktur
nicht nur erwogen, sondern tatsächlich beantwortet hat, hat die Klägerin nicht dargetan.
3. Auch einen möglicherweise entscheidungserheblichen Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) hat die Klägerin nicht bezeichnet.
a) Sie legt dar, dass das LSG ihrem in der Berufungsschrift vom 28.1.2006 gestellten und in der mündlichen Verhandlung am
13.12.2006 wiederholten Antrag nicht gefolgt sei, wonach durch Einholung einer Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit
und des Bundesstatistischen Amtes darüber Beweis zu erheben sei, wie hoch die Beiträge der Versorgungsrentner in den Jahren
2002, 2003 und 2004 waren und auf wie viel sich die von ihnen verursachten Leistungsausgaben beliefen. Die als Verfahrensfehler
geltend gemachte Verletzung des §
103 SGG kann gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG nur darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht einem Beweisantrag (im hier maßgeblichen Sinn der
ZPO) ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Es kann unerörtert bleiben, ob die Klägerin mit dem Antrag auf Einholung
einer amtlichen Auskunft der genannten Behörden überhaupt einen diesen Anforderungen genügenden Beweisantrag bezeichnet hat.
Jedenfalls hat sie nicht aufgezeigt, warum sich das LSG vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung, auf
die es für die Beurteilung eines Verfahrensmangels ankommt, zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen. Das Berufungsgericht
hat sich erkennbar die unter 1. genannte Rechtsprechung des BSG zu Eigen gemacht, wonach die gesunkene Beitragsdeckungsquote
von Krankenversicherungsleistungen an Rentner allgemein zur verstärkten Beteiligung von Versorgungsrentnern an der Finanzierung
berechtigte und der Gesetzgeber Personen wie die Klägerin bis zur Grenze seiner Typisierungs- und Generalisierungsbefugnis
in die Gesetzesänderung mit einbeziehen durfte sowie nicht verpflichtet war, zur Anhebung der Beitragsdeckungsquote sämtliche
Rentner, etwa durch eine Erhöhung des Beitragssatzes für die Rente, zu belasten.
b) Soweit die Klägerin auf Seite 3 ihrer Beschwerdebegründung ausführt, das Berufungsgericht habe die monatliche Belastung
mit Krankenversicherungsbeiträgen mit etwa 280 Euro als zu gering angesehen, könnte darin die Rüge eines Verstoßes gegen die
Amtsermittlungspflicht (§
103 Satz 1
SGG) oder der fehlerhaften Beweiswürdigung liegen (§
128 Abs
1 Satz 1
SGG). Auf beides kann eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen Verfahrensmangels nicht gestützt werden (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Auch hätte die Klägerin nicht dargelegt, inwieweit das angefochtene Urteil auf einem - solchermaßen angenommenen - Verfahrensmangel
beruht.
4. Soweit sich die Klägerin auf Seite 4 ff - auch unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 1.2.2006 (X B 166/05, BFHE 212, 242) - inhaltlich mit dem Urteil des LSG auseinandersetzt, kann sie eine Revisionszulassung ebenfalls nicht erreichen. Ob und
inwieweit die Entscheidung des Berufungsgerichts richtig oder unrichtig ist, kann das BSG erst im Revisionsverfahren, mithin
erst nach erfolgter Zulassung prüfen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen, §
160a Abs
4 Satz 3 Halbsatz 2
SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.