Beitragserhebung zur gesetzlichen Krankenversicherung auf die Kapitalauszahlung einer betrieblichen Altersversorgung
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Beitragserhebung zur
gesetzlichen Krankenversicherung auf die Kapitalauszahlung einer betrieblichen Altersversorgung.
Der 1944 geborene Kläger ist seit 2006 bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) pflichtversichert.
Im September 2008 erhielt er eine Auszahlung in Höhe von 38.172,37 Euro aus einer Direktversicherung, die 1991 durch seinen
damaligen Arbeitgeber abgeschlossen worden war. Die Beitragszahlungen erfolgten zunächst im Wege der Gehaltsumwandlung. Mit
Vertragsänderung vom 17.8.2001 wurde der Kläger anstelle des Arbeitgebers Versicherungsnehmer. Die Beklagte berücksichtigte
bei der Beitragsbemessung zur gesetzlichen Krankenversicherung ab Oktober 2008 für einen Zeitraum von zehn Jahren monatlich
1/120 der ausgezahlten Kapitalleistung, die sie zuletzt auf der Grundlage einer prämienratierlichen Berechnung in Höhe von
22.454,34 Euro zur Verbeitragung heranzog (Änderungsbescheid vom 24.6.2014; Widerspruchsbescheid vom 14.8.2014). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.11.2016), das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Das Vorbringen des Klägers, er falle als Gesellschafter-Geschäftsführer und damit
mangels Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis nicht in den Schutzbereich des
Betriebsrentengesetzes (
BetrAVG), sei nicht relevant; der beitragsrechtliche Begriff der "betrieblichen Altersversorgung" sei ohne Bindung an die Legaldefinition
des
BetrAVG auszulegen. Nur ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass er mit einem Gesellschafteranteil von nur 20 % (später 25 %) Beschäftigter
gewesen sei und der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Die prämienratierliche Berechnung entspreche der höchstrichterlichen
Rechtsprechung und sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Urteil vom 2.12.2020). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Der Kläger hat entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) und der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) nicht hinreichend bezeichnet.
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung
erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen
kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Die Begründung des Klägers erfüllt diese Darlegungsanforderungen
nicht.
a) Er rügt die Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§
103 SGG) und des behördlichen Untersuchungsgrundsatzes (§ 20 SGB X). Weder im behördlichen noch im sozialgerichtlichen Verfahren sei seine Gesellschafter-Geschäftsführerstellung einer ausreichenden
Sachverhaltsaufklärung unterzogen worden. Das LSG habe ihn im Gegensatz zum SG zumindest angehört, weitergehende Ermittlungen aber lapidar als nicht relevant zurückgewiesen. Außerdem habe die Beklagte
nicht einmal die Vertragsunterlagen der Direktversicherung angefordert.
Mit diesen Ausführungen genügt der in der Berufungsinstanz anwaltlich vertretene Kläger nicht den Anforderungen an eine zulässige
Sachaufklärungsrüge. Eine solche erfordert die Darlegung, dass das LSG einem bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen
prozessordnungsgemäßen Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG). Der Kläger zeigt in seiner Beschwerdebegründung aber weder auf, einen bestimmten Beweisantrag gestellt zu haben, noch, aus
welchen Gründen sich das LSG ausgehend von seiner Rechtsauffassung zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen
(vgl BSG Beschluss vom 20.8.2020 - B 12 KR 15/20 B - juris RdNr 5; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160a RdNr 16 f).
Soweit der Kläger der Beklagten eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 20 SGB X) vorwirft, handelt es sich nicht um einen Verfahrensmangel iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG. Ein solcher Mangel liegt nur vor, wenn infolge einer unrichtigen Anwendung oder infolge Nichtanwendung einer verfahrensrechtlichen
Vorschrift das Verfahren des LSG fehlerhaft geworden ist (vgl bereits BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4). Der Kläger bemängelt demgegenüber das verfahrensrechtliche Vorgehen der Beklagten. Sollte er damit rügen wollen, das LSG
habe zu Unrecht das Vorgehen der Beklagten gebilligt, würde es sich um die Geltendmachung der vermeintlich inhaltlichen Unrichtigkeit
der angefochtenen Entscheidung handeln. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.
b) Zu der gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führt der Kläger nichts weiter aus. Die Anforderungen an
eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge können nicht dadurch umgangen werden, dass der Vorhalt unzureichender Sachaufklärung
in der Gestalt einer Gehörsrüge geltend gemacht wird (vgl BSG Beschluss vom 14.12.2020 - B 12 R 29/20 B - juris RdNr 10).
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen
Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht
die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon
dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschlüsse vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Eine solche Abweichung hat der Kläger nicht hinreichend dargetan.
Soweit er ausführt, das Berufungsgericht sei von Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs abgewichen,
hat er eine Divergenz nicht hinreichend bezeichnet. Denn eine Divergenz im sozialgerichtlichen Verfahren kann lediglich auf
die Abweichung von einer Entscheidung der in §
160 Abs
2 Nr
2 SGG abschließend genannten Gerichte und nicht auch anderer Bundesgerichte gestützt werden (vgl BSG Beschluss vom 30.10.2019 - B 6 KA 22/19 B - juris RdNr 5 mwN).
Auch die Rüge, das LSG sei von einer Entscheidung des BVerfG (Beschlüsse vom 27.6.2018 - 1 BvR 100/15 und 1 BvR 249/15 - SozR 4-2500 § 229 Nr 27) abgewichen, entspricht nicht den Darlegungsanforderungen. Der Kläger zitiert eine Textpassage aus der Entscheidung des BVerfG,
stellt dem aber nicht - wie erforderlich - einen bestimmten Rechtssatz des LSG gegenüber. Soweit er die prämienratierliche
Berechnung des LSG im Ergebnis für nicht zutreffend hält, weil sie mit den zitierten Ausführungen des BVerfG nicht in Einklang
zu bringen sei, greift er letztlich die Richtigkeit des Berufungsurteils an. Mit der Behauptung, eine Entscheidung des LSG
entspreche nicht den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung und sei inhaltlich fehlerhaft, lässt sich die Zulassung
der Revision aber nicht erreichen.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.