Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
Gegenstand des Rechtsstreits ist, ob die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers bei der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse
geendet hat. Nachdem der Kläger mit der beigeladenen Krankenkasse für den Gartenbau in mehreren Verwaltungs- und Gerichtsverfahren
um das Bestehen von Versicherungspflicht nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) gestritten hatte, war diese bestands- bzw rechtskräftig festgestellt. Daraufhin stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger
fest, dass die bei ihr bestehende freiwillige Mitgliedschaft auf Grund der vorrangigen Pflichtversicherung nach dem KVLG geendet habe. Der hiergegen gerichtete Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos. Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung
der Revision im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 5. April 2005 Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerde des Klägers ist in entsprechender Anwendung von §
169 Satz 2 und
3 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
1. Den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) hat der Kläger nicht ausreichend dargelegt. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem
die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall
hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR
3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach
dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen genügt
die Beschwerdebegründung nicht.
a) Der Kläger legt in seiner Beschwerdebegründung zunächst dar, dass sich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache "aus
einer Verletzung mehrerer Grundrechte ergebe". Ergänzend führt er aus, dass der in §
5 Abs
1 Nr
3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (
SGB V) iVm § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG geregelte Versicherungspflichttatbestand gegen Art 2 Abs 1, Art
3 Abs
1, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Art
19 Abs
1 des Grundgesetzes (
GG) verstoße. Im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz trägt er weiter vor, er werde gegenüber anderen Unternehmern ohne
sachlichen Grund benachteiligt, weil er (überhaupt) in eine Pflichtversicherung einbezogen sei, obwohl er eigenständig für
seine Absicherung im Krankheitsfall sorgen könne, bzw weil er nicht einmal unter den vorhandenen gesetzlichen Krankenkassen
"frei wählen" dürfe. Wolle man an einer Versicherungspflicht für die von ihm repräsentierten Personen festhalten, so müsse
diese jedenfalls so ausgestaltet sein, dass diese Mitglieder einer "allgemeinen" gesetzlichen Krankenkasse mit der Folge der
"Wahlfreiheit" sein dürften. Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger damit überhaupt eine hinreichend konkrete Rechtsfrage
gestellt hat. Denn jedenfalls fehlen ausreichende Darlegungen dazu, dass eine solche klärungsfähig, dh sie im Falle der Zulassung
der Revision entscheidungserheblich wäre. Mit seinen Ausführungen hält der Kläger im Kern Fragen der Versicherungspflicht
nach dem KVLG für grundsätzlich bedeutsam. Wie sich aus den Entscheidungsgründen seines Urteils und der Begründung seiner auf Seite 9 des
Urteils getroffenen Kostenentscheidung nach §
193 SGG ergibt, hat sich das LSG hinsichtlich der Beurteilung des Verfahrensgegenstandes der Auffassung des Sozialgerichts angeschlossen,
wonach dieser die (bindend gewordene) Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers nach dem KVLG jedenfalls nicht mit umfasst. Zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Versicherungspflicht hat es auf Seite
7 ff seines Urteils lediglich beiläufig, dh im Rahmen eines obiter dictum (Der Senat hat "auch" keinen Zweifel daran, ...)
Stellung genommen. Diese Stellungnahme trägt das Berufungsurteil über den - auf die Feststellung des Endes der freiwilligen
Versicherung bei der Beklagten - eingeschränkten Verfahrensgegenstand nicht. Der Beschwerdebegründung lässt sich nicht entnehmen,
warum Fragen der Versicherungspflicht des Klägers bei zugelassener Revision vom Revisionsgericht zu beantworten wären. Der
Kläger verkennt, dass in dem hier vorliegenden Rechtsstreit (ausschließlich) über die Folgen einer (bereits) bindend festgestellten
Versicherungspflicht zu entscheiden ist, nämlich darüber, ob die Beklagte im Verhältnis zwischen Versicherungspflicht und
freiwilliger Versicherung wegen des Nachrangs Letzterer in Anwendung des §
191 Satz 1 Nr 2
SGB V deren Ende feststellen durfte. Zwar trägt der Kläger in der Beschwerdebegründung am Rande auch vor, dass er (und die Beklagte)
eine "Klärung des Verhältnisses zwischen freiwilliger Mitgliedschaft und Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG" wünsche, und sieht in dem "Vorrang der Pflichtversicherung vor freiwilligen Mitgliedschaften in gesetzlichen Krankenkassen"
einen Verstoß gegen Art
2 Abs
1 GG. Eine damit im Zusammenhang stehende konkrete Rechtsfrage, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus
Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich ist, stellt er jedoch nicht.
b) Der Kläger hält weiter für grundsätzlich bedeutsam, "wann überhaupt ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen
der Landwirtschaft im Sinne von §
5 Abs
1 Nr
3 SGB V iVm § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG vorliegt". Im Hinblick auf ein von ihm benanntes Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts meint er, Gründe der Rechtseinheit
geböten eine "rechtliche Klärung des Begriffs der Bodenbewirtschaftung". Auch insoweit fehlen ausreichende Darlegungen dazu,
warum eine Klärung dieser Frage nach Zulassung der Revision durch das BSG zu erwarten wäre. Auch über einzelne Tatbestandsvoraussetzungen
der Versicherungspflicht nach dem KVLG hat das LSG nicht entschieden.
2. Verfahrensmängel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), die zur Zulassung der Revision führen könnten, hat der Kläger nicht bezeichnet.
a) Der Kläger legt in seiner Beschwerdebegründung dar, das LSG sei seinen Hinweisen im Berufungsverfahren, dass der Schwerpunkt
seiner beruflichen Tätigkeit seit der Veräußerung seiner Betriebsflächen im Oktober 2003 nicht mehr in der Bodenbewirtschaftung
bestehe, nicht weiter nachgegangen und habe dadurch gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen. Hiermit kann er im Verfahren
der Nichtzulassungsbeschwerde schon deshalb nicht gehört werden, weil eine derartige Rüge der Verletzung des §
103 SGG durch §
160 Abs
2 Nr
3 SGG von vornherein ausgeschlossen ist.
b) Der Kläger vermutet als Grund des Absehens von (weiterer) Amtsermittlung zu den Umständen seiner unternehmerischen Tätigkeit,
dass sich das Berufungsgericht durch die bindende Feststellung der Versicherungspflicht nach dem KVLG daran gehindert gesehen habe. Er macht insoweit geltend, dass "neue Tatsachen den Einwand der Bestandskraft von Verwaltungsakten
nicht mehr erlaubten" mit der Folge, dass das LSG - erstens - schon im Hinblick auf diese neue Sachlage, - zweitens - wegen
des Umstandes, dass er in regelmäßigen Abständen Gebührenbescheide der Beigeladenen erhalte, und - drittens - allgemein wegen
der "zeitlichen Begrenzung der Bindungswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte" verpflichtet gewesen sei zu prüfen, ob "die
Voraussetzungen der Zwangsversicherung gegeben seien und § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG verfassungsgemäß sei". Soweit damit gerügt werden soll, dass das LSG einen Teil des Verfahrensgegenstandes der Berufung unentschieden
gelassen und deshalb §
123 SGG (iVm §
153 Abs
1 SGG) verletzt habe, ist der Kläger seiner insoweit bestehenden Darlegungspflicht nicht nachgekommen. Um deutlich zu machen, dass
das Berufungsgericht den Verfahrensgegenstand verkannt haben könnte, hätte der Kläger sich nicht auf den bloßen Hinweis beschränken
dürfen, dass dieses "in die Sachfrage habe einsteigen müssen". Vielmehr hätte er in der Beschwerdebegründung den Verfahrensgang
nachzeichnen, die den Verfahrensgegenstand bestimmenden Prozesserklärungen und Entscheidungen sowie die für ihre Auslegung
maßgeblichen Umstände benennen müssen. Insbesondere hätte er darzulegen gehabt, warum auf seine Berufung in einem gegen die
Beklagte geführten Rechtsstreit vom LSG über die Versicherungspflicht nach dem KVLG und die Gebührenbescheide in der Sache zu entscheiden gewesen wäre, obwohl diese Bescheide von der Beigeladenen stammen,
die Feststellung der Versicherungspflicht im Hinblick auf ihre Unanfechtbarkeit nicht zuvor in einem besonderen Verwaltungsverfahren
über die Aufhebung von Verwaltungsakten überprüft worden ist und die Bescheide auch nicht Gegenstand eines erstinstanzlichen
Gerichtsverfahrens waren.
Von einer weiteren Begründung wird in entsprechender Anwendung von §
160a Abs
4 Satz 3 Halbs 2
SGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.