Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen nach einer Betriebsprüfung
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Rüge der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen
in Höhe von 32.963,30 Euro nach einer Betriebsprüfung.
Der Kläger ist Inhaber einer Firma für Baustahlverlegung. Aufgrund eines Verdachts des Hauptzollamtes (HZA) auf Scheinselbstständigkeit
bezüglich der Beigeladenen zu 1. bis 3. führte die Beklagte eine Betriebsprüfung für den Zeitraum Februar bis Oktober 2011
durch. Der Kläger hatte "Werkverträge" mit diesen Beigeladenen als Subunternehmer über Eisenflechtarbeiten abgeschlossen.
Diese hatten ein eigenes Gewerbe angemeldet und mit identisch gestalteten Rechnungen jeweils 17 Euro pro Stunde abgerechnet.
Die Beklagte forderte für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bis 3. Sozialversicherungsbeiträge in bezeichneter Höhe nach,
weil diese in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zum Kläger gestanden hätten. Das SG hat die Klage nach Anhörung des Klägers und des Beigeladenen zu 3. sowie nach Vernehmung von drei Zeugen abgewiesen (Urteil vom 4.8.2017). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Die Ansicht des Klägers, ohne (erneute) Anhörung der Beigeladenen zu 1. bis 3.
könne die Sach- und Rechtslage nicht beurteilt werden, teile der Senat nicht. Einer erneuten Anhörung des Klägers wegen mangelnder
Deutschkenntnisse bedürfe es nicht; Verständigungsprobleme habe er bei seiner Vernehmung nicht zu erkennen gegeben. Auch einer
erneuten Anhörung des Beigeladenen zu 3. bedürfe es nicht. Seine Angaben vor dem SG seien eindeutig gewesen. Es sei nicht ersichtlich, welcher Erkenntnisgewinn durch eine persönliche Anhörung erreicht werden
oder dass er sich nicht auf Deutsch habe verständigen könne. Der Kläger habe sich zur Erfüllung eines eigenen Auftrags der
Beigeladenen zu 1. bis 3 bedient. Deren Tätigkeit habe hinsichtlich des vorgegebenen Zeitpunkts, des Orts und Umfangs ohne
Einschränkungen den Weisungen des Klägers unterlegen. Sie seien wie andere Arbeitnehmer des Klägers organisatorisch in dessen
Arbeitsprozess und Betriebsablauf eingegliedert gewesen. Die konkrete Eisenflechttätigkeit habe keiner weitergehenden direkten
Weisungen bedurft, weil diese durch die vorgefundene Situation auf der Baustelle bestimmt gewesen sei (Beschluss vom 4.8.2021).
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Der Kläger hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG nicht hinreichend bezeichnet.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung
erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen
kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht.
Auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann eine Beschwerde nur gestützt werden, wenn sich der geltend gemachte Verfahrensmangel auf einen
Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Das Übergehen eines Beweisantrags ist nur dann ein Verfahrensfehler, wenn das LSG vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen
wurde, dass der Beteiligte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts noch nicht als erfüllt ansieht. Insoweit ist darzulegen,
dass ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag, mit dem sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema angegeben und aufgezeigt
wurde, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden sollte, in der abschließenden mündlichen Verhandlung oder
bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich zu einem Zeitpunkt, in dem feststand, dass das LSG von sich
aus Ermittlungen nicht mehr durchführen würde, bis zuletzt aufrechterhalten oder gestellt worden ist (vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 6; BSG Beschluss vom 18.12.2000 - B 2 U 336/00 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 51 f; BSG Beschluss vom 28.5.1997 - 9 BV 194/96 - SozR 3-1500 § 160 Nr 20 S 32 f).
1. Der Kläger rügt in der Beschwerdebegründung die Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§
103 SGG), weil die Beigeladenen zu 1. und 2. weder vom SG noch vom LSG vernommen worden seien. Während der Beigeladene zu 3. bei seiner Vernehmung durch das HZA angegeben habe, eine
Stundenvergütung von lediglich 10 Euro erhalten zu haben, hätten die Beigeladenen zu 1. und 2. zu Protokoll gegeben, dass
sie eine Vergütung je Arbeitsstunde von 17 Euro bekommen hätten. Dies sei als Unternehmerlohn für die Art der ausgeübten Tätigkeit
durchaus angemessen gewesen, wie die Einholung eines Sachverständigengutachtens zeigen würde. Die jeweiligen Feststellungen
zu den tatsächlichen Verhältnissen hätten für jeden der Beteiligten individuell getroffen werden müssen; daran fehle es.
Insoweit hat der Kläger bereits nicht hinreichend dargelegt, dass er einen oder mehrere bestimmte prozessordnungsgemäße Beweisanträge
gestellt und auf das Anhörungsschreiben des LSG vom 26.4.2021 zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss aufrechterhalten
habe. Der Kläger erklärt zwar, er habe mit Schriftsatz vom 16.6.2021 an dem "Beweisantrag" festgehalten, dass das Gericht
den Sachverhalt von Amts wegen selbst zu erforschen und dabei zwingend alle Beteiligten zu den getroffenen Vereinbarungen
und der tatsächlich gelebten Realität - "unabhängig vom Vorbringen der Parteien" - anzuhören habe. Daraus ergibt sich jedoch
kein Bezug auf einen konkreten prozessordnungsgemäßen Beweisantrag zu einer bestimmten Tatsache (vgl zu diesem Erfordernis zB BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Dasselbe gilt für das Begehren, die Beteiligten zu 1. und 2. an "deren jeweiligen Heimatort nach internationalen Regularien
zu laden". Auch soweit der Kläger in der Beschwerdebegründung auf die "differierenden Angaben zur Höhe der Vergütung pro Stunde"
hinweist, zeigt er nicht auf, dass er gerade hierzu einen bestimmten Beweisantrag vor dem LSG gestellt und aufrechterhalten
habe. In dem von ihm wörtlich zitierten Schriftsatz vom 1.3.2021 wurde die Einvernahme der Beigeladenen zu 1. und 2. ua zum
Beweis der Tatsachen angeboten, dass die Beigeladenen "mit dem Kläger Werkverträge für einzelne Baustellen abgeschlossen und
auf Basis eines vorher vereinbarten Stundensatzes abgerechnet" hätten, sowie "auf eigene Kosten mit dem eigenen Fahrzeug zu
den einzelnen Baustellen gefahren" seien und "auch bei anderen Firmen nach Aufträgen gefragt und diese dann erledigt" hätten.
Selbst wenn insoweit von konkreten Beweisanträgen ausgegangen würde, so ist aber nicht hinreichend substantiiert dargelegt,
welche davon mit Schriftsatz vom 16.6.2021 aufrechterhalten worden sein sollen.
Abgesehen davon versäumt es der Kläger, die Rechtsauffassung des LSG wiederzugeben, aufgrund derer diese Tatsachen als klärungsbedürftig
erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung hätten drängen müssen. Außerdem gibt er auch nicht das voraussichtliche Ergebnis
der unterbliebenen Beweisaufnahme an und schildert nicht, dass und warum die Entscheidung des LSG darauf beruhen kann, das
LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem
anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können. Insoweit reicht es nicht, dass der Kläger selbst
der Höhe der Vergütung "wesentliche Bedeutung für die entscheidungserhebliche Frage" des Status beimisst. Vielmehr wäre hierfür
eine substantiierte Auseinandersetzung mit der Entscheidung des LSG erforderlich gewesen; es fehlen jedoch bereits Angaben
dazu, von welchen Tatsachen das LSG ausgegangen ist und welche Bedeutung es ihnen jeweils beigemessen hat.
2. Auch soweit der Kläger eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren bzw sinngemäß des §
61 Abs
1 SGG iVm §
185 GVG rügt, weil das SG ihn und den Beigeladenen zu 3. ohne Dolmetscher vernommen und das LSG die Vernehmung deshalb nicht wiederholt habe, ist ein
Verfahrensmangel nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
Nach §
185 Abs
1 Satz 1
GVG ist ein Dolmetscher heranzuziehen, wenn unter Beteiligung von Personen verhandelt wird, die der deutschen Sprache nicht mächtig
sind. Ein fremdsprachiger Beteiligter soll die ihn betreffenden Verfahrensvorgänge verstehen und sich in der Verhandlung verständlich
machen können. Der Mitwirkung eines Dolmetschers bedarf es folglich nicht, wenn ein Beteiligter die deutsche Sprache zwar
nicht beherrscht, sie aber in einem die Verständigung mit ihm in der mündlichen Verhandlung ermöglichenden Maße spricht und
versteht (vgl BVerwG Beschluss vom 11.9.1990 - 1 CB 6/90 - juris RdNr 10; BFH Beschluss vom 9.2.2005 - X B 156/04 - juris RdNr 7). Das dies tatsächlich nicht der Fall gewesen sei, trägt die Beschwerde nicht substantiiert vor. Es fehlt schon an einer konkreten
Auseinandersetzung mit den protokollierten Äußerungen. Außerdem macht der auch erstinstanzlich anwaltlich vertretene Kläger
nicht geltend, dass er den Mangel der unterlassenen Zuziehung eines Dolmetschers rechtzeitig in der mündlichen Verhandlung
vor dem SG gerügt habe (§
202 Satz 1
SGG iVm §
295 ZPO; vgl auch BVerwG Beschluss vom 7.10.1987 - 9 CB 20/87 - juris RdNr 6) oder aus welchen Gründen er daran gehindert gewesen sein soll. Er legt auch nicht dar, was er noch Erhebliches hätte vorbringen
wollen, aber mangels ausreichender Deutschkenntnisse nicht habe vortragen können. Der pauschale Vortrag, dass es bei der Abgrenzung
von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit um rechtliche Feinheiten gehe, die selbst der durchschnittlich
verständige Deutsche kaum verstehe, geschweige denn ein Ausländer, reicht insoweit nicht. Gleiches gilt auch für den Beigeladenen
zu 3.
3. Soweit der Kläger geltend machen will, dass das LSG in seiner Anhörungsmitteilung nach §
153 Abs
4 SGG nicht benannt habe, was für die Unbegründetheit der Berufung spräche, ergibt sich daraus kein Verfahrensmangel. Denn die
Anhörungsmitteilung muss keine Angaben über die Gründe der beabsichtigten Entscheidung enthalten (vgl BSG Beschluss vom 12.3.2019 - B 13 R 273/17 B - juris RdNr 27 mwN).
4. Mit dem Vorwurf, dass das Abwägungsergebnis des LSG bei "sachgerechter Würdigung" unter Anlegung der vom BSG entwickelten Grundsätze aus Sicht des Klägers anders hätte ausfallen müssen, wendet er sich gegen die Richtigkeit der Entscheidung.
Mit der Behauptung, die Entscheidung des LSG sei inhaltlich rechtsfehlerhaft, lässt sich die Zulassung der Revision aber nicht
erreichen.
5. Von einer weiteren Begründung wird nach §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG abgesehen.
7. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm §
63 Abs
2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der Höhe der streitigen Beitragsforderung.