Beitragspflicht einer vergleichsweise vereinbarten Einmalzahlung in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde
zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob eine zur
Beendigung eines Rechtsstreits über die Höhe einer betrieblichen Altersrente
vergleichsweise vereinbarte Einmalzahlung der Beitragspflicht in der
gesetzlichen Kranken- (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV)
unterliegt.
Der Kläger ist in der Kranken- und
Pflegeversicherung der Rentner bei der Beklagten pflichtversichert. Über die
Höhe einer ihm aus einem Pensionsfonds seiner ehemaligen Arbeitgeberin
zustehenden Betriebsrente kam es zu einem arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit. In
dessen Rahmen einigten sich der Kläger und seine ehemalige Arbeitgeberin
vergleichsweise darauf, dass die Rente zutreffend berechnet und in
unveränderter Höhe zu zahlen sei und die ehemalige Arbeitgeberin zudem 15 500
Euro brutto an den Kläger zahle, woraus aber zunächst lediglich der Nettobetrag
zu leisten sei. Die Differenz zum Bruttobetrag solle nur an den Kläger gezahlt
werden, wenn nach der Auskunft des Finanzamtes bzw der Krankenkasse keine
Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge auf die Einmalzahlung
anfielen.
Die Beklagte setzte sowohl auf die
laufende Betriebsrente als auch auf 1/120 der Abfindung Beiträge zur GKV und
sPV fest (Bescheide vom 7.4.2017, Widerspruchsbescheid vom
30.6.2017). Die dagegen gerichtete Klage (Gerichtsbescheid vom
7.10.2019) und Berufung sind erfolglos geblieben. Das LSG hat den
arbeitsgerichtlichen Vergleich dahingehend ausgelegt, dass er zur Abfindung der
geltend gemachten Ansprüche auf eine höhere Betriebsrente gezahlt worden sei.
Die Voraussetzungen der Beitragspflicht auf einmalig gezahlte Versorgungsbezüge
seien erfüllt, die Abfindung trete an die Stelle der eingeklagten höheren
Versorgungsbezüge (Urteil vom 27.5.2020).
Gegen die Nichtzulassung der Revision
wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die
Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als
unzulässig zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz
2 und 3
SGG). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe
der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr 1
SGG), der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und eines
Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht hinreichend
dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung
ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu
entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder
Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist
(stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR
4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris
RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen,
inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht
ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das
Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen
soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 §
160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr
6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung
nicht.
Der Kläger hat bereits keine
Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer
konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl
BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN)
formuliert. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus
verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an
ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG
Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Der
Kläger wirft zwar eine Fülle von Fragen und Problemen auf, zB unter welchen
Bedingungen §
229 SGB V oder §
228 SGB V anwendbar seien. Insoweit zielt sein
Vortrag aber nicht auf eine bestimmte klärungsfähige Rechtsfrage, sondern
letztlich auf das Ergebnis des Subsumtionsvorgangs in seinem Einzelfall ab ("ob
es eine Nachzahlung ist …"). Mit der Behauptung, das Urteil des LSG sei
inhaltlich rechtsfehlerhaft, lässt sich die Zulassung der Revision aber nicht
erreichen (vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 §
160a Nr 7). Dies betrifft insbesondere auch den Vortrag des Klägers zu
der nach seiner Auffassung fehlerhaften Rechtsanwendung des LSG bei der
Auslegung des Vergleichs ("Verstoß gegen Denkgesetz"); insoweit räumt er im
Übrigen selbst ein, dass zur Geltendmachung einer grundsätzlichen Bedeutung
Klärungsbedarf zu einer revisiblen Vorschrift des Bundesrechts aufzuzeigen
wäre.
Der Kläger lässt offen, zu welchem
Tatbestandsmerkmal welcher Norm er eine revisionsgerichtliche Entscheidung für
erforderlich hält und beschränkt sich darauf, eine Vielzahl von Einzelaspekten
aufzuführen, ohne ihre Begründung hinreichend zu systematisieren und zu
strukturieren. Die Ausführungen zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde
müssen aber ein Mindestmaß an Klarheit und Verständlichkeit aufweisen
(vgl BSG Beschluss vom 3.11.2010 - B 6 KA 35/10 B - juris RdNr 7
mwN). Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus einem Gemenge
das herauszusuchen, was möglicherweise - bei wohlwollender Auslegung - zur
Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte (vgl BSG Beschluss vom
12.5.1999 - B 4 RA 181/98 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 26
mwN).
Abgesehen von der Formulierung einer
Rechtsfrage fehlt es auch an einer hinreichenden Darlegung der weiteren
Voraussetzungen einer Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung. Der Kläger
legt die Klärungsbedürftigkeit zu der aufgeworfenen Thematik nicht hinreichend
dar. Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht
(mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie
noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere
höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte
zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten
Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR
4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Daher muss substantiiert aufgezeigt
werden, dass und warum sich früheren Entscheidungen keine solchen Anhaltspunkte
entnehmen lassen.
Es fehlt aber an einer hinreichenden
Auseinandersetzung sowohl mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur
Beitragspflicht aus Versorgungsbezügen (vgl zuletzt BSG Urteil vom
1.4.2019 - B 12 KR 19/18 R - juris; BSG Urteile vom 26.2.2019 - B 12 KR 17/18 R
- BSGE 127, 254 = SozR 4-2500 § 229 Nr 24 und - B 12 KR 13/18 R - SozR 4-2500 §
229 Nr 25 und - B 12 KR 12/18 R - BSGE 127, 249 = SozR 4-2500 § 229 Nr 26,
jeweils mwN) und zur Einordnung von Abfindungen als Versorgungsbezüge
(BSG Urteil vom 20.7.2017 - B 12 KR 12/15 R - BSGE 124, 20 = SozR
4-2500 § 229 Nr 21; BSG Urteile vom 29.7.2015 - B 12 KR 4/14 R - SozR 4-2500 §
229 Nr 19 und - B 12 KR 18/14 R - juris; BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR
26/10 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 16) als auch mit den
höchstrichterlichen Grundsätzen zur Auslegung von Vergleichen (zB BSG
Urteil vom 11.1.1989 - 10 RAr 5/88 - juris RdNr 20; BSG Urteil
vom 12.3.2019 - B 13 R 35/17 R - SozR 4-2600 § 96a Nr 19 RdNr 20). Der
Kläger zitiert zwar eine Reihe von Urteilen des BSG, ordnet sie aber weder
systematisch einem der angerissenen Themenkomplexe zu noch führt er aus,
inwiefern noch eine Rechtsfrage offengeblieben sei. Die Behauptung, das LSG
habe die Rechtsprechung des BSG nicht beachtet, kann nicht zur Zulassung der
Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen.
Es fehlt ebenso an einer
hinreichenden Darlegung der Bedeutung über den zu entscheidenden Sachverhalt
hinaus. Der Kläger trägt insofern zwar vor, dass noch hunderte Verfahren vor
dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht für das Saarland anhängig seien.
Gleichzeitig stellt er jedoch die Unterschiede in den Sachverhalten heraus und
betont die Notwendigkeit der Auslegung des arbeitsgerichtlichen Vergleichs
anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls. Eine grundsätzliche Bedeutung
wird daraus nicht hinreichend deutlich.
Soweit der Kläger eine Frage zu §
228 Abs 2
SGB V (Nachzahlungen) aufwerfen möchte, ergibt sich aus seinem
Vortrag nicht hinreichend klar, dass es darauf überhaupt ankommt. Der Kläger
macht geltend, dass es bei der Abstandszahlung im arbeitsgerichtlichen
Verfahren nicht um die Höhe der Betriebsrente in der Vergangenheit gegangen
sei. Warum es daher auf die Abgrenzung der §§
228 Abs
2,
229 Abs
2 SGB V und §
229 Abs
1 Satz 3
SGB V ankommen soll, erklärt er nicht hinreichend.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz
setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des
BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder
des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung
ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau
bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die
angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten
rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit
genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die
höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die
Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung
im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie
liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den
Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG
entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch
widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung
herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B -
SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B -
SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Diesen Anforderungen genügt die
Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger zeigt weder einen Rechtssatz des BSG
noch hinreichend auf, dass das LSG diesem Rechtssatz im Grundsätzlichen
widersprochen hätte. Sein Vortrag beschränkt sich vielmehr darauf, die vom BSG
im Urteil vom 29.7.2015 (B 12 KR 18/14 R - juris)
aufgestellten Kriterien zu zitieren und das mit der Beschwerde angefochtene
Urteil dahingehend zu kritisieren, dass es nicht zwischen der zu zahlenden
Rente und dem Vergleichsbetrag unterscheide. Eine Abweichung von der genannten
Entscheidung des BSG im Grundsätzlichen zeigt er dadurch nicht hinreichend auf.
Sein Vorbringen geht nicht über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
unbeachtliche Subsumtionsrüge hinaus (vgl BSG Beschluss vom 19.3.2015 -
B 12 KR 16/14 B - juris RdNr 12).
3. Auch einen Verfahrensmangel iS
des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG hat der Kläger nicht hinreichend bezeichnet. Auf eine
Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann ein Verfahrensmangel
gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf
einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht
gefolgt ist. Mit der Beschwerdebegründung wurde schon kein im Verfahren vor dem
LSG prozessordnungsgemäß gestellter Beweisantrag aufgezeigt (stRspr,
vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr
11 mwN; BSG Beschluss vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - juris RdNr 10
mwN).
Soweit der Kläger die unrichtige Auslegung des Vergleichs
durch das LSG rügt, macht er im Kern die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung
durch das LSG und die inhaltliche Unrichtigkeit des Urteils geltend. Beides
kann nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels führen
(§
160 Abs
2 Nr
3, §
128 Abs
1 Satz 1
SGG; vgl BSG Beschluss vom
26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = juris RdNr
9).
4. Von einer weiteren Begründung
sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der
Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2
Halbsatz 2
SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf
der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.