Parallelentscheidung zu BSG B 12 KR 60/20 B v. 28.10.2020
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob eine zur Beendigung
eines Rechtsstreits über die Höhe einer betrieblichen Altersrente vergleichsweise vereinbarte Einmalzahlung der Beitragspflicht
in der gesetzlichen Kranken- (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) unterliegt.
Der Kläger ist in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner bei der Beklagten pflichtversichert. Über die Höhe einer
ihm aus einem Pensionsfonds seiner ehemaligen Arbeitgeberin zustehenden Betriebsrente kam es zu einem arbeitsgerichtlichen
Rechtsstreit. In dessen Rahmen einigten sich der Kläger und seine ehemalige Arbeitgeberin vergleichsweise darauf, dass die
Rente zutreffend berechnet und in unveränderter Höhe zu zahlen sei und die ehemalige Arbeitgeberin zudem 19 000 Euro brutto
an den Kläger zahle, woraus aber zunächst lediglich der Nettobetrag zu leisten sei. Die Differenz zum Bruttobetrag solle nur
an den Kläger gezahlt werden, wenn nach der Auskunft des Finanzamtes bzw der Krankenkasse keine Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge
auf die Einmalzahlung anfielen.
Die Beklagten setzten sowohl auf die laufende Betriebsrente als auch auf 1/120 der Abfindung Beiträge zur GKV und sPV fest
(Bescheide vom 7.3.2017 und vom 12.6.2017, Widerspruchsbescheid vom 5.7.2018). Die dagegen gerichtete Klage (Gerichtsbescheid vom 13.11.2019) und Berufung sind erfolglos geblieben. Das LSG hat den arbeitsgerichtlichen Vergleich dahingehend ausgelegt, dass er zur
Abfindung der geltend gemachten Ansprüche auf eine höhere Betriebsrente geschlossen worden sei. Die Voraussetzungen der Beitragspflicht
auf einmalig gezahlte Versorgungsbezüge seien erfüllt, die Abfindung trete an die Stelle der eingeklagten höheren Versorgungsbezüge
(Urteil vom 27.5.2020).
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und eines Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre
nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage
im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger hat bereits keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen
Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit
das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Der Kläger wirft zwar eine Fülle von Fragen und Problemen auf, zB unter welchen Bedingungen §
229 SGB V oder §
228 SGB V anwendbar seien. Insoweit zielt sein Vortrag aber nicht auf eine bestimmte klärungsfähige Rechtsfrage, sondern letztlich
auf das Ergebnis des Subsumtionsvorgangs in seinem Einzelfall ab ("ob es eine Nachzahlung ist …"). Mit der Behauptung, das
Urteil des LSG sei inhaltlich rechtsfehlerhaft, lässt sich die Zulassung der Revision aber nicht erreichen (vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7). Dies betrifft insbesondere auch den Vortrag des Klägers zu der nach seiner Auffassung fehlerhaften Rechtsanwendung des LSG
bei der Auslegung des Vergleichs ("Verstoß gegen Denkgesetz"); insoweit räumt er im Übrigen selbst ein, dass zur Geltendmachung
einer grundsätzlichen Bedeutung Klärungsbedarf zu einer revisiblen Vorschrift des Bundesrechts aufzuzeigen wäre.
Der Kläger lässt offen, zu welchem Tatbestandsmerkmal welcher Norm er eine revisionsgerichtliche Entscheidung für erforderlich
hält und beschränkt sich darauf, eine Vielzahl von Einzelaspekten aufzuführen, ohne ihre Begründung hinreichend zu systematisieren
und zu strukturieren. Die Ausführungen zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde müssen aber ein Mindestmaß an Klarheit
und Verständlichkeit aufweisen (vgl BSG Beschluss vom 3.11.2010 - B 6 KA 35/10 B - juris RdNr 7 mwN). Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts aus einem Gemenge das herauszusuchen, was möglicherweise - bei wohlwollender
Auslegung - zur Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte (vgl BSG Beschluss vom 12.5.1999 - B 4 RA 181/98 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 26 mwN).
Abgesehen von der Formulierung einer Rechtsfrage fehlt es auch an einer hinreichenden Darlegung der weiteren Voraussetzungen
einer Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung. Der Kläger legt die Klärungsbedürftigkeit zu der aufgeworfenen Thematik nicht
hinreichend dar. Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen,
wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche
Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten
Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Daher muss substantiiert aufgezeigt werden, dass und warum sich früheren Entscheidungen keine solchen Anhaltspunkte entnehmen
lassen.
Es fehlt aber an einer hinreichenden Auseinandersetzung sowohl mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Beitragspflicht aus Versorgungsbezügen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 1.4.2019 - B 12 KR 19/18 R - juris; BSG Urteile vom 26.2.2019 - B 12 KR 17/18 R - BSGE 127, 254 = SozR 4-2500 § 229 Nr 24 und - B 12 KR 13/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 25 und - B 12 KR 12/18 R - BSGE 127, 249 = SozR 4-2500 § 229 Nr 26, jeweils mwN) und zur Einordnung von Abfindungen als Versorgungsbezüge (BSG Urteil vom 20.7.2017 - B 12 KR 12/15 R - BSGE 124, 20 = SozR 4-2500 § 229 Nr 21; BSG Urteile vom 29.7.2015 - B 12 KR 4/14 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 19 und - B 12 KR 18/14 R - juris; BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 26/10 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 16) als auch mit den höchstrichterlichen Grundsätzen zur Auslegung von Vergleichen (zB BSG Urteil vom 11.1.1989 - 10 RAr 5/88 - juris RdNr 20; BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 35/17 R - SozR 4-2600 § 96a Nr 19 RdNr 20). Der Kläger zitiert zwar eine Reihe von Urteilen des BSG, ordnet sie aber weder systematisch einem der angerissenen Themenkomplexe zu noch führt er aus, inwiefern noch eine Rechtsfrage
offengeblieben sei. Die Behauptung, das LSG habe die Rechtsprechung des BSG nicht beachtet, kann nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen.
Es fehlt ebenso an einer hinreichenden Darlegung der Bedeutung über den zu entscheidenden Sachverhalt hinaus. Der Kläger trägt
insofern zwar vor, dass noch hunderte Verfahren vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht für das Saarland anhängig
seien. Gleichzeitig stellt er jedoch die Unterschiede in den Sachverhalten heraus und betont die Notwendigkeit der Auslegung
des arbeitsgerichtlichen Vergleichs anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls. Eine grundsätzliche Bedeutung wird daraus
nicht hinreichend deutlich.
Soweit der Kläger eine Frage zu §
228 Abs
2 SGB V (Nachzahlungen) aufwerfen möchte, ergibt sich aus seinem Vortrag nicht hinreichend klar, dass es darauf überhaupt ankommt.
Der Kläger macht geltend, dass es bei der Abstandszahlung im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht um die Höhe der Betriebsrente
in der Vergangenheit gegangen sei. Warum es daher auf die Abgrenzung der §§
228 Abs
2,
229 Abs
2 SGB V und §
229 Abs
1 Satz 3
SGB V ankommen soll, erklärt er nicht hinreichend deutlich.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen
Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht
die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon
dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger zeigt weder einen Rechtssatz des BSG noch hinreichend auf, dass das LSG diesem Rechtssatz im Grundsätzlichen widersprochen hätte. Sein Vortrag beschränkt sich
vielmehr darauf, die vom BSG im Urteil vom 29.7.2015 (B 12 KR 18/14 R - juris) aufgestellten Kriterien zu zitieren und das mit der Beschwerde angefochtene Urteil dahingehend zu kritisieren, dass es nicht
zwischen der zu zahlenden Rente und dem Vergleichsbetrag unterscheide. Eine Abweichung von der genannten Entscheidung des
BSG im Grundsätzlichen zeigt er dadurch nicht hinreichend auf. Sein Vorbringen geht nicht über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
unbeachtliche Subsumtionsrüge hinaus (vgl BSG Beschluss vom 19.3.2015 - B 12 KR 16/14 B - juris RdNr 12).
3. Auch einen Verfahrensmangel iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG hat der Kläger nicht hinreichend bezeichnet. Auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann ein Verfahrensmangel gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Mit der Beschwerdebegründung wurde schon kein im Verfahren vor dem LSG prozessordnungsgemäß gestellter Beweisantrag aufgezeigt
(stRspr, vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - juris RdNr 10 mwN).
Soweit der Kläger die unrichtige Auslegung des Vergleichs durch das LSG rügt, macht er im Kern die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung
durch das LSG und die inhaltliche Unrichtigkeit des Urteils geltend. Beides kann nicht zur Zulassung der Revision wegen eines
Verfahrensmangels führen (§
160 Abs
2 Nr
3, §
128 Abs
1 Satz 1
SGG; vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = juris RdNr 9).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.