Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung bei akuter Suizidgefahr
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel Cabaseril(r) außerhalb seines zugelassenen
Indikationsbereichs für die Zukunft sowie auf Kostenerstattung wegen Selbstbeschaffung dieses Mittels in der Vergangenheit.
2
Der im Jahre 1948 geborene Kläger, bei der beklagten Ersatzkasse gesetzlich krankenversichert, leidet seit seinem 47. Lebensjahr
am Restless Legs Syndrom (RLS). Diese nicht seltene, chronische Erkrankung ungeklärter Ursache bewirkt ziehende Schmerzen
und Unruhe vor allem in den Beinen, häufig auftretende unwillkürliche Beinbewegungen mit Weckreaktionen, bei dem Kläger ausgeprägte
Unruhe und massive Ein- und Durchschlafstörungen. Er konnte deshalb zwischenzeitlich seiner Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen.
Eine bei ihm von Juni 2001 bis Anfang Februar 2002 durchgeführte Behandlung mit dem für diese Indikation zugelassenen Medikament
Restex(r) (Wirkstoff Levodopa und Benserazid) zeigte auch in Verbindung mit einem Schlafmittel keine Wirkung. Da der Kläger
im Rahmen ambulanter Behandlung positive Erfahrungen mit dem nur für die Therapie der Parkinson-Krankheit arzneimittelrechtlich
zugelassenen Fertigarzneimittel Cabaseril(r) (Wirkstoff: Cabergolin) machte, beantragte er über seine behandelnde Ärztin bei
der Beklagten, ihn mit diesem Mittel zu versorgen (23. Juli 2002). Vom 26. Juli 2002 bis Ende Dezember 2005 beschaffte er
sich das Mittel selbst auf Privatrezept für insgesamt 2.028,83 EUR.
Die Beklagte lehnte den Antrag ab, gestützt auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung >MDK< (Bescheid
vom 2. Oktober 2002; Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2003). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte antragsgemäß zur Kostenerstattung und Versorgung mit Cabaseril(r) verurteilt (Gerichtsbescheid vom 23.
August 2004). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat die Voraussetzungen einer
die Arzneimittelzulassung überschreitenden Pharmakotherapie (Off-Label-Use) zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) als erfüllt angesehen, obwohl Cabaseril(r) für die RLS-Therapie mangels einer klinischen Prüfung der Phase III die arzneimittelrechtliche
Zulassungsreife fehle. Denn außerhalb eines Zulassungsverfahrens seien geringere, hier erfüllte Anforderungen an die Erfolgsaussicht
der Behandlung zu stellen (Urteil vom 30. März 2006).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 31 Abs 1, §
2 Abs
1 Satz 3 und §
12 Abs
1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (
SGB V). Es bestehe keine Datenlage, aufgrund derer von einer begründeten Aussicht auf einen Behandlungserfolg mit Cabaseril(r)
ausgegangen werden könne. Nach Verkündung des LSG-Urteils sei jetzt eine andere Therapie verfügbar, da die Arzneimittel Sifrol(r),
Mirapexin(r) (Wirkstoff jeweils: Pramipexol) und Adartel(r) (Wirkstoff Ropinirol) zur Behandlung des RLS im April und Mai
2006 zugelassen worden seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. März 2006 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 23.
August 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen den der Klage stattgebenden
Gerichtsbescheid des SG zu Unrecht zurückgewiesen, denn der Kläger kann von der Beklagten nicht die Zahlung von 2.028,83 EUR aus §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V (idF des Art 5 Nr 7 Buchst b Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001, BGBl I 1046)
und die Versorgung mit Cabaseril(r) für die Zukunft aus §
27 Abs
1 Satz 2 Nr
1 und
3, §
31 Abs
1 Satz 1
SGB V verlangen. Das LSG-Urteil und der Gerichtsbescheid sind deshalb aufzuheben und die Klage ist abzuweisen.
1. Die Voraussetzungen eines Sachleistungsanspruchs auf Cabaseril(r) und eines - hier allein in Betracht kommenden - Kostenerstattungsanspruchs
nach §
13 Abs
3 Satz 1 Fall 1 und 2
SGB V sind nicht erfüllt. Die Rechtsnorm bestimmt: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen
oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden,
sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war." Der Anspruch aus
§
13 Abs
3 Satz 1 Fall 1 und 2
SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher
im Regelfall voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in
Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, jeweils RdNr 10 mwN - Visudyne(r); zuletzt Senatsurteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 12/04 R - D-Ribose, RdNr 12 mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen und Senatsurteil vom selben Tage - B 1 KR 7/05 R - Tomudex(r), RdNr 15 mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen). Daran fehlt es für den Einsatz des Arzneimittels Cabaseril(r)
bei dem Kläger mangels arzneimittelrechtlicher Zulassung (dazu a) unabhängig davon, ob er erst die Entscheidung der Beklagten
hätte abwarten müssen, oder ob ihm dies angesichts der Gesamtumstände nicht zumutbar war (vgl hierzu BSGE 73, 271, 287 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4 S 26; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 22 S 105; zuletzt Senat, Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 7/05 R - Tomudex(r), RdNr 13 mwN). Auch ein Ausnahmefall, in dem sich der Sachleistungsanspruch nach allgemeinen Grundsätzen (dazu
b) oder aufgrund verfassungskonformer Auslegung (dazu c) auf Fertigarzneimittel im Bereich des sogenannten Off-Label-Use erstreckt,
liegt nicht vor.
a) Das Fertigarzneimittel Cabaseril(r) bedarf zur Anwendung bei dem Kläger grundsätzlich der arzneimittelrechtlichen Zulassung
für das Indikationsgebiet, in dem es von ihm genutzt wird, um dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zu
unterfallen. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§
2 Abs
1 Satz 1, §
12 Abs
1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der GKV nach §
27 Abs
1 Satz 2 Nr
1 und
3, §
31 Abs
1 Satz 1
SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs 1 AMG) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (stRspr, vgl zuletzt Senatsurteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 12/04 R - D-Ribose, RdNr 22 mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen; Senatsurteil vom heutigen Tage - B 1 KR 1/06 R - Ilomedin(r), zur Veröffentlichung vorgesehen). So liegt es hier. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung in diesem Sinne
besteht nur, wenn das Arzneimittel die Zulassung gerade für dasjenige Indikationsgebiet besitzt, in dem es im konkreten Fall
eingesetzt werden soll. Das zulassungspflichtige Cabaseril(r) hat weder in Deutschland noch EU-weit die erforderliche Arzneimittelzulassung
für das Indikationsgebiet RLS, für das es von dem Kläger beansprucht wird, sondern ist lediglich in Deutschland zur Behandlung
des Morbus Parkinson zugelassen. Das genügt nicht, um von einer Anwendung im Bereich der arzneimittelrechtlichen Zulassung
auszugehen.
b) Der Kläger konnte und kann Cabaseril(r) auch nicht nach den Grundsätzen des sogenannten Off-Label-Use beanspruchen. Um
einen Seltenheitsfall, der sich einer systematischen Erforschung entzieht (vgl dazu Senat, BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, jeweils RdNr 21 - Visudyne(r)), handelt es sich beim RLS nicht. Nach der Rechtsprechung des Senats
(grundlegend BSGE 89, 184, 191 f = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36 - Sandoglobulin(r)) kommt im Übrigen die Verordnung eines Medikaments in einem von der
Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet grundsätzlich nur in Betracht, wenn es 1.) um die Behandlung einer schwerwiegenden
(lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2.) keine andere
Therapie verfügbar ist und wenn 3.) aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat
ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
Der Kläger leidet an einer schwerwiegenden Erkrankung im Sinne der ersten Voraussetzung. Allerdings kann nicht jede Art von
Erkrankung den Anspruch auf eine Behandlung mit dazu nicht zugelassenen Arzneimitteln begründen, sondern nur eine solche,
die sich durch ihre Schwere oder Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankungen abhebt. An dieser Rechtsprechung hält der Senat
fest (vgl näher Senat, Urteil vom heutigen Tage - B 1 KR 1/06 R - Ilomedin(r)). Denn der sogenannte Off-Label-Use bedeutet, Arzneimittel ohne die arzneimittelrechtlich vorgesehene Kontrolle
der Sicherheit und Qualität einzusetzen, die in erster Linie Patienten vor inakzeptablen unkalkulierbaren Risiken für die
Gesundheit schützen soll (vgl hierzu Senat BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN - Wobe-Mugos E). Ausnahmen können nur in engen Grenzen aufgrund einer Güterabwägung
anerkannt werden, die der Gefahr einer krankenversicherungsrechtlichen Umgehung arzneimittelrechtlicher Zulassungserfordernisse
entgegenwirkt, die Anforderungen des Rechts der GKV an Qualität und Wirksamkeit der Arzneimittel (§
2 Abs
1 und §
12 Abs
1 SGB V) beachtet und den Funktionsdefiziten des Arzneimittelrechts in Fällen eines unabweisbaren, anders nicht zu befriedigenden
Bedarfs Rechnung trägt (vgl BSGE 89, 184, 190 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 34 ff; BSGE 95, 132 RdNr 17 f = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 24 f mwN; von Wulffen, Festschrift für Wiegand, 2003, 161, 174; Hauck, Arzneimittel
& Recht >A&R< 2006, 147, 148 f). Das nach den bindenden Feststellungen des LSG (vgl §
163 Sozialgerichtsgesetz >SGG<) in schwerwiegender Form bestehende RLS mit ganz massiven Schlafstörungen und daraus resultierenden erheblichen körperlichen
und seelischen Beeinträchtigungen entspricht diesen Anforderungen.
Ob es auch im Sinne der zweiten Voraussetzung an Behandlungsalternativen für den Kläger fehlt, bedarf keiner Entscheidung.
Denn die dritte Voraussetzung für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV ist nicht erfüllt: Aufgrund der Datenlage besteht
keine hinreichend begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg. Das LSG hat den Rechtsmaßstab für die Prüfung der hinreichenden
Erfolgsaussichten im Ansatz nicht verkannt. Nach der von ihm zu Recht weiterhin zugrunde gelegten Rechtsprechung des Senats
(BSGE 89, 184, 192 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36 - Sandoglobulin(r)) kann von hinreichenden Erfolgsaussichten dann ausgegangen werden, wenn
Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden
kann. Dies kann angenommen werden, wenn entweder (a) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt worden ist und Ergebnisse
einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht worden sind und eine
klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder (b) außerhalb
eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht worden sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels
in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen
Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.
Diese Voraussetzungen knüpfen an die arzneimittelrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen der §§ 21 ff AMG an und berücksichtigen ua, dass für den Regelfall des § 22 Abs 2 AMG das Arzneimittel nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft und die angegebene
therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Antragsteller zureichend
begründet sein muss (vgl im Einzelnen § 25 Abs 2 Nr 2 und 4 AMG), um mit den Zulassungsunterlagen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Mittels hinreichend darzutun. Mit dem unbestimmten
Rechtsbegriff des "jeweils gesicherten Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse" verweist der Gesetzgeber auf außerrechtliche
Erkenntnisquellen, um sicherzustellen, dass die Zulassung im Interesse der Arzneimittelsicherheit auf der Grundlage des jeweils
aktuellen Wissensstandes erfolgt.
Den außerrechtlichen Erkenntnisquellen und den ihre Ergebnisse rezipierenden Verwaltungsvorschriften hat die Rechtsprechung
zum Arzneimittelzulassungsrecht (vgl OVG Berlin, Urteil vom 25. November 1999 - Az: 5 B 11.98, juris Dokument Nr MWRE106300000) entnommen, dass sich die klinische Prüfung bis zur Zulassungserteilung regelmäßig in drei
Phasen gliedert: Zunächst wird an einer kleinen Zahl gesunder Probanden die Verträglichkeit der Substanz beim Menschen untersucht
mit ersten Informationen über Pharmakokinetik und Stoffwechsel. Rechtfertigen die Befunde dieser Phase I die weitere Untersuchung
der Prüfsubstanz, wird in einer Phase II an einer begrenzten Zahl von etwa 100 bis 200 Patienten versucht, die pharmakodynamische
Wirkung des Arzneimittels therapeutisch bzw diagnostisch zu objektivieren. Diese Studie dient dazu, Hinweise auf erwünschte
und unerwünschte Wirkungen, die Indikationen und Kontraindikationen zu finden sowie die richtige Dosierung des Arzneimittels
zu ermitteln.
Die gewonnenen Daten stellen die Grundlage für die Planung der Phase III-Studie dar; es sollen Erfahrungen in Bezug auf organisatorische
Mängel des Studiendesigns für die Phase III gewonnen werden, um so das Design der kontrollierten Studie festlegen zu können.
Die Phase III-Studie dient dem eigentlichen Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit und der Unbedenklichkeit der neuen Substanz,
der Bestätigung der in der Phase II-Studie gefundenen Hinweise. Diese konfirmatorische Studie erfordert Versuche an einer
großen Zahl von Patienten (in der Regel mehr als 200). Es sind Verum- und Kontrollkollektiv (Vergleichsgruppen mit und ohne
Therapie mit der Testsubstanz) hinreichender Größe sowie eine randomisierte (nach dem Zufallsprinzip erfolgte) Zuteilung der
Patienten zu den Behandlungsgruppen unverzichtbar. Der Vergleich dient der Unterscheidung der echten pharmakodynamischen Wirkungen
von arzneistoffunabhängigen Effekten (vgl insgesamt OVG Berlin, aaO, juris RdNr 30 ff mwN; vgl auch zuletzt zB 3. Bekanntmachung
zur klinischen Prüfung von Arzneimitteln am Menschen vom 10. August 2006. Gemeinsame Bekanntmachung des Bundesinstituts für
Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-Ehrlich-Instituts, veröffentlicht im Internet unter www.bfarm.de ab 4. September
2006). Obwohl sich die Phasen der klinischen Prüfung überschneiden können, müssen nach diesen Grundsätzen stets alle drei
Phasen durchlaufen werden. Ergibt die Überprüfung einer durchgeführten Studie - auch der Phase III - keinen hinreichenden
Beleg für einen zu erwartenden Behandlungserfolg in diesem Sinne, ist regelmäßig die dritte Voraussetzung für einen Off-Label-Use
zu Lasten der GKV nicht erfüllt.
An der erforderlichen Zulassungsreife der RLS-Therapie mit Cabaseril(r) fehlt es nach den Feststellungen des LSG. Zu einer
abgeschlossenen, veröffentlichten Studie der Phase III ist es nicht gekommen. Dem LSG ist nicht zu folgen, soweit es aus dem
Senatsurteil vom 19. März 2002 (BSGE 89, 184, 192 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36 - Sandoglobulin(r)) abgeleitet hat, gegenüber der Alternative (a), den notwendigen Erkenntnissen
während eines Zulassungsverfahrens, fordere die Alternative (b) für die "Veröffentlichung von Erkenntnissen außerhalb eines
Zulassungsverfahrens" ein geringeres, von der Cabergolin-Therapie erreichtes Niveau an wissenschaftlichen Erkenntnissen zum
Behandlungserfolg, um einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV zu ermöglichen. Die Alternative (b) ist hier allerdings deshalb
in den Blick zu nehmen, weil die Zulassung für den Wirkstoff Cabergolin - als Mittel zur Behandlung des RLS - bisher nicht
beantragt wurde. Im Rechtlichen ist indes klarzustellen, dass die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg,
die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachgewiesen sein muss, während und außerhalb eines
arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens regelmäßig gleich ist. Der Schutzbedarf der Patienten, der dem gesamten Arzneimittelrecht
zugrunde liegt und - wie dargelegt - in das Leistungsrecht der GKV einstrahlt, unterscheidet sich in beiden Situationen nicht.
Für den Schutz der Patienten ist es gleichgültig, ob die erforderlichen Erkenntnisse innerhalb oder außerhalb eines arzneimittelrechtlichen
Zulassungsverfahrens gewonnen worden sind (vgl auch Senat, Urteil vom heutigen Tage - B 1 KR 1/06 R - Ilomedin(r)).
c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Verfassungsrechts. Allerdings geht die Rechtsprechung des
Senats (vgl Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 7/05 R - RdNr 17 ff - Tomudex(r), zur Veröffentlichung vorgesehen) davon aus, dass die Regelungen des Leistungsrechts der GKV zur
Arzneimittelversorgung aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 - SozR 4-2500 § 27 Nr 5 = NZS 2006, 84 = NJW 2006, 891 = MedR 2006, 164 - immunbiologische Therapie) einer verfassungskonformen Auslegung bedürfen, wenn Versicherte an einer lebensbedrohlichen
Erkrankung leiden, bei der die Anwendung der üblichen Standardbehandlung aus medizinischen Gründen ausscheidet und andere
Behandlungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. So liegt es hier indes nicht.
Das RLS des Klägers kann nämlich trotz seiner schweren Ausprägung nicht mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich
verlaufenden Erkrankung auf eine Stufe gestellt werden, wie es etwa für den Fall akut drohender Erblindung (vgl dazu Senat,
BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 - Visudyne(r)) zu erwägen wäre (vgl Senat, Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 12/04 R - RdNr 31 - D-Ribose, zur Veröffentlichung vorgesehen). Auch wenn der Kläger in der Vergangenheit einmal suizidale Gedanken
geäußert hat, hat das LSG keine Gefahr der Selbsttötung festgestellt. Zudem bewirkt selbst hochgradige akute Suizidgefahr
bei Versicherten grundsätzlich nicht, dass sie Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der GKV beanspruchen können. Vielmehr
begründet Selbsttötungsgefahr regelmäßig nur einen Anspruch auf ihre spezifische Behandlung etwa mit den Mitteln der Psychiatrie.
Diese Therapiealternative schließt eine verfassungsrechtlich begründete Leistungsausdehnung aus. Insoweit liegt es anders
als selbst bei jenen engen, bloß denkmöglichen Ausnahmen, die der Senat zu dem Grundsatz erwogen hat, dass Eingriffe in den
gesunden Körper zur mittelbaren Besserung psychischer Störungen ausgeschlossen sind (vgl zusammenfassend zuletzt BSGE 93,
252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, jeweils RdNr 9, mwN).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.