Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenversicherung für eine krankheitsbedingt erforderliche Diät bei Nichtvorliegen einer
bilanzierten Diät
Gründe:
I
Streitig ist die Übernahme zukünftiger Kosten für eiweißreduzierte Diätnahrung sowie die Erstattung von dafür bereits aufgewendeten
2118,14 Euro.
Der im Juni 1988 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger leidet an der autosomal-rezessiv vererbten
Ahornsirup-Krankheit (Leucinose, Maple syrup urine disease [MSUD], ICD 10 E71.0), einer Aminosäurestoffwechselstörung, die
auf genetisch bedingten Defekten eines Enzyms beruht. Die Krankheit manifestiert sich wenige Tage nach der Geburt und führt
unbehandelt zunächst zu einer ausgeprägten neurologischen Symptomatik und wenige Monate später zum Tod. Um dies zu verhindern,
ist mittels einer lebenslangen Diät die Zufuhr der Aminosäuren Leucin, Valin und Isoleucin stark einzuschränken. Abgesehen
von genau abgemessenen Mengen Obstes, Kartoffeln und Gemüses ernährt sich der Kläger deswegen von industriell gefertigten
eiweißreduzierten Nahrungsprodukten - insbesondere Mehl, Brot, Teigwaren, Ei- und Sahneersatzprodukten - (eiweißreduzierte
Diätnahrung). Er erhält ergänzend von der Beklagten Aminosäuremischungen. Sie erstattete ihm bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres
auch die Kosten für im Versandhandel selbst beschaffte Diätnahrung, lehnte aber für die Zeit danach eine weitere Übernahme
der Kosten für die eiweißreduzierte Diätnahrung ab (Bescheid vom 28.7.2006, Widerspruchsbescheid vom 29.1.2007). Der Kläger
ist mit seiner Klage auf Erstattung der ihm bisher entstandenen und Übernahme der künftig entstehenden Kosten der eiweißreduzierten
Diätnahrung beim SG (Urteil vom 23.3.2009) und LSG erfolglos geblieben: Die begehrte Diätnahrung sei weder als Fertigarzneimittel zugelassen
noch eine bilanzierte Diät iS des ab 1.1.2009 geltenden §
31 Abs
5 SGB V, sondern ein Grundnahrungsmittel. Sie sei auch keine ergänzende bilanzierte Diät iS der Nr 15.2.5 des Abschnitts E der Arzneimittel-Richtlinien
(AMRL) aF, die §
316 SGB V für anwendbar erkläre (LSG-Urteil vom 14.7.2010).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des §
31 Abs
1 SGB V. Die von ihm benötigte Diätnahrung sei zwar kein Fertigarzneimittel, habe jedoch arzneimittelgleiche Wirkung. Der allgemeine
Gleichheitssatz gebiete es daher, die Diätnahrung - ähnlich wie Insulin - als Arzneimittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) einzustufen. Die Diätnahrung erfülle auch die Voraussetzungen einer ergänzenden bilanzierten Diät nach §
31 Abs
5 SGB V iVm §
20 Satz 3 der ab 1.4.2009 geltenden Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL); jedenfalls seien die Regelungen grundrechtskonform in dieser
Weise auszulegen. Zusammensetzung und Darreichungsform der Diätnahrung seien keine sachlichen Gründe für einen Leistungsausschluss,
wenn bei anderen, der Ahornsirup-Krankheit vergleichbar schweren Erkrankungen Anspruch auf Trink- und Sondennahrung bestehe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Juli 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23.
März 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2007
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 2118,14 Euro bis zum 14. Juli 2010 entstandene Kosten der Diätnahrung zu erstatten
und für die anschließende Zeit die Kosten einer Diätnahrung mit maximal reduziertem Eiweißanteil abzüglich der gesetzlichen
Zuzahlung zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das SG-Urteil zurückgewiesen. Der Kläger kann von der beklagten KK weder zukünftig Versorgung mit eiweißreduzierter Diätnahrung
als Naturalleistung noch für die Vergangenheit Erstattung der ihm hierfür entstandenen Kosten nach §
13 Abs
3 Satz 1 Fall 2
SGB V (idF durch Art 1 Nr 5 Buchst b Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung [Gesundheitsstrukturgesetz - GSG] vom 21.12.1992, BGBl I 2266) verlangen. Er hat auch keinen Anspruch auf künftige Kostenfreistellung
nach §
13 Abs
3 Satz 1 Fall 1
SGB V (idF durch Art 1 Nr 5 Buchst b GSG vom 21.12.1992, BGBl I 2266), falls der Beklagten eine Naturalleistungsverschaffung nicht möglich ist.
Sowohl der Anspruch auf Kostenerstattung für die Vergangenheit als auch der Anspruch auf Versorgung oder Kostenfreistellung
für die Zukunft reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst
beschaffte und zukünftig zu beschaffende Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach-
oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl nur BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13 mwN - "Lorenzos Öl"). Dem Kläger steht keiner dieser Ansprüche zu, weil die eiweißreduzierte
Diätnahrung nach den unangegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) nicht zum Leistungskatalog der GKV gehört.
Der Kläger kann zwar nach §
27 Abs
1 Satz 1
SGB V Krankenbehandlung verlangen, wenn sie notwendig ist, um seine MSUD zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten
oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung auch die Versorgung der
Versicherten mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§
27 Abs
1 Satz 2 Nr
3 SGB V). Diesen Anspruch hat auch das
SGB IX nicht erweitert (vgl insgesamt BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 §
27 Nr 7 RdNr 12 f - D-Ribose). Der Senat muss nicht darüber entscheiden, ob die eiweißarme Diätnahrung als Arzneimittel oder
als Lebensmittel zu qualifizieren ist, was aufgrund der Feststellungen des LSG offen ist. In beiden denkbaren Fällen besteht
keine Leistungspflicht der Beklagten. Als Arzneimittel ist die Diätnahrung mangels Arzneimittelzulassung nicht verordnungsfähig
(dazu 1.). Sie gehört auch als Lebensmittel nicht zu den Produkten, auf die sich ausnahmsweise die Leistungspflicht der GKV
erstreckt (dazu 2.). Sie ist weder ein Heil- noch ein Hilfsmittel, sondern - wie zuvor dargelegt - Arznei- oder Lebensmittel
(dazu 3.). Die fehlende Einbeziehung in den GKV-Leistungskatalog verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (dazu 4.).
1. Wenn eiweißreduzierte Diätnahrung als Arzneimittel zu qualifizieren ist (§
31 Abs
1 Satz 1
SGB V; ausführlich zur Abgrenzung des Arzneimittelbegriffs vom Lebensmittelbegriff BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 15 ff - "Lorenzos Öl"), ist es nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig. Als Arzneimittel ist
eiweißreduzierte Diätnahrung jedenfalls nicht ein Rezeptur-, sondern ein Fertigarzneimittel (dazu a), dem jedoch die erforderliche
Zulassung fehlt (dazu b). Weder liegt ein sog Seltenheitsfall noch ein sonstiger Fall des arzneimittelrechtlich zulässigen
Einzelimports vor (dazu c).
a) Nach § 4 Abs 1 Arzneimittelgesetz ([AMG] idF durch Art 1 Nr 3 Buchst a Vierzehntes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29.8.2005, BGBl I 2570) sind Fertigarzneimittel Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den
Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden. Dies trifft auf die eiweißreduzierte Diätnahrung zu. Es ist
unerheblich, dass es sich bei der eiweißreduzierten Diätnahrung jedenfalls teilweise um Nahrungsbestandteile handelt, die
nicht bereits vom Hersteller, sondern erst durch den Endverbraucher für die Herstellung der zum Verzehr bestimmten Gerichte
verwendet werden. Denn die Hersteller bringen die Grundstoffe in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten, für Lebensmittel
typischen Verpackung in den Verkehr. Eine individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmte Dosisanpassung nach ärztlicher
Verordnung erfolgt nicht.
b) Eiweißarme Diätnahrung ist als Fertigarzneimittel mangels erteilter AMG-Zulassung grundsätzlich nicht von der Leistungspflicht der GKV nach §
31 Abs
1 Satz 1
SGB V umfasst. Für Fertigarzneimittel ist eine deutsche oder europäische Zulassung arzneimittelrechtlich erforderlich (§ 21 Abs 1 AMG idF durch Art 1 Nr 22 Buchst a Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009, BGBl I 1990). Nach der ständigen
Rechtsprechung des erkennenden Senats sind die Anforderungen des
SGB V an Pharmakotherapien mit Medikamenten, die nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts der Zulassung bedürfen, nur erfüllt,
wenn sie eine solche Zulassung besitzen. Ohne die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt es - auch in Würdigung
des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) - an der krankenversicherungsrechtlichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit dieser Arzneimitteltherapie
(vgl §
2 Abs
1 Satz 1, §
12 Abs
1 SGB V; stRspr, vgl statt vieler zB BSGE 72, 252, 256 f = SozR 3-2200 § 182 Nr 17 - GoldnerzAufbaucreme; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 22 mwN - D-Ribose; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 29 - "Lorenzos Öl").
c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eiweißarme Diätnahrung als Fertigarzneimittel im Rahmen eines Einzelimports nach
§ 73 Abs 3 AMG. Der erkennende Senat geht im Rahmen dieser Norm ausnahmsweise von der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zu Lasten der
GKV aus, wenn es sich um einen Fall der Seltenheit oder der grundrechtsorientierten Auslegung handelt. Daran fehlt es.
Die Voraussetzungen eines sog Seltenheitsfalls sind nicht erfüllt. MSUD ist zwar eine Krankheit, die weltweit nur sehr selten
auftritt - nämlich mit einer Häufigkeit von einer Erkrankung auf ca 200 000 Geburten. Eine zu erwägende Erweiterung der Leistungspflicht
knüpft aber an den Umstand an, dass bestimmte Krankheiten im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht
noch systematisch behandelt werden können (vgl dazu BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 21 - Visudyne). So liegt es hier nicht. Ursachen, Wirkungen und Therapiemöglichkeiten der MSUD
sind nämlich in der medizinischen Wissenschaft bekannt. Wie aus den von der Beklagten eingeholten Gutachten des Medizinischen
Dienstes der Krankenversicherung hervorgeht, sind die Voraussetzungen für die lebenslange Verhütung von Stoffwechselentgleisungen
mit irreparablen Schädigungen definiert, ihre praktische Handhabung ist medizinischer Standard.
Es fehlt auch ein Anlass zu einer grundrechtsorientierten Auslegung (vgl zu den Voraussetzungen BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31/32 - D-Ribose; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 20 ff - Tomudex; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 16 mwN - Idebenone; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32 - "Lorenzos Öl"). Zwar ist MSUD - unbehandelt - eine regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit.
Ein Einzelimport von Arzneimitteln setzt aber nach § 73 Abs 3 AMG (in allen seit 2006 geltenden Fassungen, vgl zuletzt Abs 3 idF durch Art 1 Nr 65 Buchst d Gesetz vom 17.7.2009 BGBl I 1990 mWv 23.7.2009) ua voraus, dass sie in dem Staat rechtmäßig in Verkehr gebracht
werden dürfen, aus dem sie in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden. Es ist indes weder vorgetragen noch sonst
ersichtlich, dass eiweißreduzierte Diätnahrung außerhalb des Geltungsbereichs des AMG als Fertigarzneimittel zugelassen ist.
2. Ist eiweißreduzierte Diätnahrung nicht als Arzneimittel, sondern stattdessen als Lebensmittel zu qualifizieren, unterfällt
eine Versorgung hiermit ebenfalls nicht dem Leistungskatalog der GKV. Das gilt sowohl für die Zeit ab 1.4.2009 (dazu a) als
auch für die davor liegende Zeit bis Ende 2008 (dazu b) sowie für die Zwischenzeit des ersten Quartals des Jahres 2009 (dazu
c).
a) Die Versorgung mit Lebensmitteln gehört grundsätzlich nicht zu den Aufgaben der GKV, selbst wenn therapeutische Nebeneffekte
damit verbunden sind (stRspr, vgl zB BSGE 81, 240, 243 f = SozR 3-2500 § 27 Nr 9 S 29 f - Diätnahrungsmittel; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7 RdNr 24 - D-Ribose; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 §
31 Nr
9, RdNr
34 - "Lorenzos Öl"). §
31 Abs
5 SGB V (idF durch Art 1 Nr 1a Buchst c Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-OrgWG] vom
15.12.2008, BGBl I 2426) regelt folgende Ausnahmen: Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung,
wenn eine diätetische Intervention mit bilanzierten Diäten medizinisch notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist; nach
§
31 Abs
5 Satz 2
SGB V legt hierzu der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in den Richtlinien nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 SGB V fest, unter welchen Voraussetzungen welche bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung vom Vertragsarzt verordnet werden
können und veröffentlicht im Bundesanzeiger eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Produkte. Der GBA hat diesen Auftrag
des Gesetzgebers in seiner Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung umgesetzt
(vgl AM-RL idF vom 18.12.2008/22.1.2009, BAnz 2009, Nr 49a, in Kraft getreten am 1.4.2009, Kapitel I.: Gesetzlich zugelassene
Ausnahmen zur Verordnungsfähigkeit von Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysaten, Elementardiäten und Sondennahrung [Enterale
Ernährung]). Zu den Ausnahmefällen nach §
31 Abs
5 SGB V, in denen die Versorgung mit Lebensmitteln in den Leistungskatalog der GKV fällt, gehört eiweißreduzierte Diätnahrung nicht.
Sie ist weder Aminosäuremischung noch Eiweißhydrolysat, Elementardiät oder Sondennahrung (dazu aa). Es liegt auch kein anderer
Ausnahmefall vor, weil eiweißreduzierte Diätnahrung keine bilanzierte Diät ist (dazu bb).
aa) Nach § 19 Abs 1 AM-RL sind Aminosäuremischungen diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte
Diäten im Sinne der Diätverordnung). Sie bestehen überwiegend aus qualitativ und quantitativ definierten Gemischen von Aminosäuren
und sind nicht für die Verwendung als einzige Nahrungsquelle geeignet. Entsprechend der Zweckbestimmung können gesetzlich
vorgeschriebene Mineralstoffe, Vitamine, Spurenelemente sowie zugelassene Zusatz- und Aromastoffe und Kohlenhydrate als Füll-
oder Geschmacksstoffe enthalten sein. Soweit dies medizinisch notwendig ist, können Aminosäuremischungen auch Fette und Kohlenhydrate
enthalten. Die vom Kläger begehrte eiweißreduzierte Diätnahrung besteht dagegen gerade nicht überwiegend aus Gemischen von
Aminosäuren. Diese Diätnahrung enthält vielmehr möglichst wenig Eiweiß und damit Aminosäuren. Die eiweißreduzierte Diätnahrung
schließt auch keine nach medizinischen Kriterien zusammengestellten, bei der Herstellung verwendeten definierten Aminosäuremischungen
ein. Um eine ausreichende und entsprechend seiner Erkrankung angepasste Aufnahme von Aminosäuren zu gewährleisten, muss der
Kläger gerade ergänzend zu seiner allgemein eiweißreduzierten Nahrungsaufnahme - hier nicht streitbefangene - lebensnotwendige
Aminosäuremischungen (isoleucin-, leucin- und valinfreie Aminosäurenmischungen) erhalten, die die Beklagte ihm als Sachleistung
gewährt.
Nach § 19 Abs 2 AM-RL sind Eiweißhydrolysate diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten
im Sinne der Diätverordnung), bestehend aus abgebauten Proteinen (niedermolekularen Proteinkomponenten in Form von freien
Aminosäuren, Oligopeptiden [2-10 Aminosäuren] und Peptiden). Sie sind nicht für die Verwendung als einzige Nahrungsquelle
geeignet. Die eiweißreduzierte Diätnahrung ist nach den vorstehenden Ausführungen zu den Aminosäuremischungen auch kein Eiweißhydrolysat.
Ziel der eiweißreduzierten Diätnahrung ist es nicht, dem Körper abgebaute Proteine zur Verfügung zu stellen, sondern umgekehrt
Proteine allgemein zu vermeiden.
Die eiweißreduzierte Diätnahrung ist ebenfalls keine Elementardiät. Elementardiäten sind nach § 19 Abs 3 AM-RL diätetische
Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten im Sinne der Diätverordnung), die - unabhängig von der
Molekulargröße - oral zuzuführende Gemische aus Proteinen (auch hochhydrolysierte Proteine), Aminosäuren, Kohlenhydraten,
Fetten, Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen enthalten, und die als einzige Nahrungsquelle geeignet sind (sog Trinknahrung).
Enthalten sein können entsprechend ihrer Zweckbestimmung gesetzlich vorgeschriebene Mineralstoffe, Vitamine, Spurenelemente
sowie zugelassene Zusatz- und Aromastoffe und Kohlenhydrate als Füll- oder Geschmacksstoffe. Die vom Kläger benötigte eiweißreduzierte
Diätnahrung ist demgegenüber nicht als einzige Nahrungsquelle geeignet. Sie klammert Eiweiß möglichst weitgehend aus, um irreversible
neurologische Schädigungen zu vermeiden. Sie ist aufgrund des die Krankheitssymptome auslösenden Enzymdefektes eine an ihn
angepasste, gezielt eingeschränkte und damit unvollständige Ernährung, die durch spezifische Aminosäuremischungen kompensiert
werden muss.
Die vom Kläger benötigte eiweißreduzierte Diätnahrung dient schließlich nicht der Sondennahrung. Sondennahrungen sind nach
§ 19 Abs 4 AM-RL diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten im Sinne der Diätverordnung),
die bei einer individuell gewählten Zusammensetzung und Dosierung als einzige Nahrungsquelle zur Ernährung über die Sonde
bestimmt sind. Die hier streitige eiweißreduzierte Diätnahrung ist nach der Art ihrer Herstellung dazu nicht geeignet. Abgesehen
davon, dass sie - wie bereits ausgeführt - nicht als einzige Nahrungsquelle geeignet ist, unterscheidet sie sich nach der
Art und Weise der mit ihr verbundenen Nahrungsaufnahme nicht von anderen Nahrungsmittelprodukten, die in Lebensmittelgeschäften
angeboten werden. Der Kläger benötigt aufgrund seiner Erkrankung zudem keine Sondennahrung.
bb) Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 20 Satz 3 AM-RL, weil eiweißreduzierte Diätnahrung keine bilanzierte
Diät ist. §
31 Abs
5 Satz 1
SGB V gewährt schon nach seinem klaren Wortlaut nur einen Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung. In diesem Sinne
ist auch § 20 Satz 3 AM-RL auszulegen. § 20 AM-RL enthält nämlich ergänzende Bestimmungen, um die Anforderungen des §
31 Abs
5 Satz 1
SGB V zu konkretisieren. Die Regelung umschreibt, welche bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung vom Vertragsarzt verordnet
werden können (vgl §
31 Abs
5 Satz 2
SGB V). Verordnete Produkte müssen danach der Legaldefinition für diätetische Lebensmittel (Diätverordnung) entsprechen und sich
rechtmäßig auf dem deutschen Markt befinden (§ 20 Satz 1 AM-RL). Produkte, die nicht den vorgenannten Definitionen entsprechen,
zB weil sie nur Kohlenhydrate oder Fette enthalten, sind keine Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate, Elementardiäten und
Sondennahrung im Sinne der AM-RL (§ 20 Satz 2 AM-RL). Dies gilt nicht für ergänzende bilanzierte Diäten zur Behandlung von
angeborenen, seltenen Defekten im Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel und anderen diätpflichtigen Erkrankungen, die unbehandelt
zu schwerer geistiger oder körperlicher Beeinträchtigung führen und bei denen eine diätetische Intervention mit ergänzenden
bilanzierten Diäten medizinisch notwendig ist (§ 20 Satz 3 AM-RL).
Der Begriff der ergänzenden bilanzierten Diäten nach §
20 Satz 3 AM-RL knüpft an §
31 Abs
5 Satz 1
SGB V an. Die Regelung verweist in der Sache auf §
1 Abs 4a Verordnung über diätetische Lebensmittel ([Diätverordnung] idF der Bekanntmachung vom 28.4.2005, BGBl I 1161). Das
erhellt aus der Entstehungsgeschichte (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit [14. Ausschuss]
zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen
Krankenversicherung [GKV-OrgWG], BT-Drucks 16/10609 S 50 f zu Nr 1a zu Buchst c, mit ausdrücklicher Bezugnahme auf § 1 Abs
4a Diätverordnung). Die Regelung begründet auf der Grundlage des § 1 Abs 4a Diätverordnung entsprechend der dortigen Definition
der diätetischen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke einen insoweit umfassenden, aber zugleich auch dadurch begrenzten
Leistungsanspruch.
Diese Auslegung entspricht auch dem Zweck der Regelung, wie er sich aus dem Ausschussbericht (BT-Drucks 16/10609 S 50) ergibt.
Denn der Ausschuss empfahl die Einfügung eines Abs
5 in §
31 SGB V, um die Regelungslücke zu schließen, die das Urteil des erkennenden Senats vom 28.2.2008 (BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9 - "Lorenzos Öl") in der gesetzlichen Konzeption des §
31 Abs
1 Satz 2
SGB V (idF durch Art 1 Nr
5 Buchst a Gesetz zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKVSolidaritätsstärkungsgesetz - GKV-SolG]
vom 19.12.1998, BGBl I 3853, und ab 1.7.2008 idF durch Art 5 Nr 3 Gesetz zur Änderung medizinprodukterechtlicher und anderer
Vorschriften vom 14.6.2007, BGBl I 1066 [§ 31 Abs 1 Satz 2
SGB V aF]) aufgezeigt hatte. Hierbei wollte der Gesetzgeber den Leistungsanspruch nicht über den engen Bereich des § 1 Abs 4a Diätverordnung
hinaus erweitern.
Nach § 1 Abs 4a Satz 1 Diätverordnung sind diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten)
im Sinne dieser Verordnung Erzeugnisse, die auf besondere Weise verarbeitet oder formuliert und für die diätetische Behandlung
von Patienten bestimmt sind. Sie dienen der ausschließlichen oder teilweisen Ernährung von Patienten mit eingeschränkter,
behinderter oder gestörter Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechslung oder Ausscheidung gewöhnlicher
Lebensmittel oder bestimmter darin enthaltener Nährstoffe oder ihrer Metaboliten oder der Ernährung von Patienten mit einem
sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf, für deren diätetische Behandlung eine Modifizierung der normalen Ernährung,
andere Lebensmittel für eine besondere Ernährung oder eine Kombination aus beiden nicht ausreichen (§ 1 Abs 4a Satz 2 Diätverordnung,
im Wesentlichen entsprechend dem Wortlaut des Art 1 Abs 2 Buchst b Richtlinie 1999/21/EG/Kommission vom 25.3.1999 über diätetische
Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, ABl L 91/29 vom 7.4.1999). § 1 Abs 4a Satz 3 Diätverordnung unterteilt bilanzierte Diäten in: 1. vollständige bilanzierte Diäten mit
einer Nährstoff-Standardformulierung oder mit einer für bestimmte Beschwerden spezifischen oder für eine bestimmte Krankheit
oder Störung angepassten Nährstoffformulierung, die bei Verwendung nach den Anweisungen des Herstellers die einzige Nahrungsquelle
für Personen, für die sie bestimmt sind, darstellen können und 2. ergänzende bilanzierte Diäten mit einer Nährstoff-Standardformulierung
oder mit einer für bestimmte Beschwerden spezifischen oder für eine bestimmte Krankheit oder Störung angepassten Nährstoffformulierung,
die sich nicht für die Verwendung als einzige Nahrungsquelle eignen.
Die vom Kläger begehrte eiweißreduzierte Diätnahrung genügt diesen Anforderungen nicht. Sie wird schon nicht als bilanzierte
Diät in Verkehr gebracht. Nach § 21 Abs 1 Diätverordnung ist für bilanzierte Diäten die Bezeichnung "Diätetisches Lebensmittel
für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diät)" Verkehrsbezeichnung im Sinne der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung. Bilanzierte Diäten dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie die Angaben nach Maßgabe des § 21 Abs 2 Satz 2 Diätverordnung
enthalten. Daran fehlt es. Die Bezeichnung als eiweißreduzierte Diätnahrung genügt hierfür nicht.
Ungeachtet der mangelnden Bezeichnung spricht zudem nichts dafür, dass eiweißreduzierte Diätnahrung der teilweisen Ernährung
von Patienten dient, für deren diätetische Behandlung eine Modifizierung der normalen Ernährung, andere Lebensmittel für eine
besondere Ernährung oder eine Kombination aus beiden nicht ausreichen, wie es § 1 Abs 4a Satz 2 letzter Halbs Diätverordnung
voraussetzt (vgl auch BGH WRP 2009, 300 RdNr
23 ff). Dieses Erfordernis spiegelt sich in den Gesetzesmaterialien zu §
31 Abs
5 SGB V wider, wonach etwa glutenfreie Spezialmehle, lactosefreie Milchprodukte, phenylalaninfreie Fertigprodukte und andere entsprechende
Lebensmittel grundsätzlich nicht verordnungsfähig sind. Es bleibt insoweit weiterhin dabei, dass die Versorgung mit Lebensmitteln,
Nahrungsergänzungsmitteln, sog Krankenkost und anderen diätetischen Lebensmitteln als bilanzierten Diäten grundsätzlich nicht
zu den Aufgaben der GKV gehört (vgl Ausschuss für Gesundheit, BT-Drucks 16/10609 S 51). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass
eine diätetische Ernährung, für die der Verbraucher selber sorgen kann, nicht der Sonderregelung über bilanzierte Diäten unterliegt.
Eine ergänzende bilanzierte Diät erfordert in diesem Sinne, dass ihre Nährstoffformulierung nicht durch eine planvolle Nahrungszubereitung
im häuslichen Bereich selbst bilanziert werden kann. Sie darf im Hinblick auf die Sicherstellung der Bilanzierung (dh die
konkrete Zusammensetzung der Nährstoffe) im betroffenen Ernährungssegment nicht durch die besondere Art der dem Erkrankten
oder Pflegepersonen möglichen individuellen Nahrungszubereitung substituierbar sein. Eine Substitution ist hingegen regelmäßig
ua dann möglich, wenn Lebensmitteln durch besondere produktionstechnische Verfahren einzelne, die Krankheit auslösende oder
verschlimmernde Nahrungsbestandteile, eventuell unter Verwendung von Ersatzstoffen, ganz oder teilweise entzogen worden sind,
sie aber als Bestandteile neben anderen "normalen" Lebensmitteln für eine selbst zu bilanzierende Diät verwendet werden.
Damit harmoniert, dass diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke den besonderen Ernährungserfordernissen
von Personen entsprechen sollen, die an bestimmten Krankheiten, Störungen oder Beschwerden leiden oder aufgrund von ihnen
unterernährt sind; daher sind sie unter ärztlicher Aufsicht, gegebenenfalls mit Unterstützung anderer kompetenter Angehöriger
der Heilberufe, zu verwenden (vgl Erwägungsgrund 1 der Richtlinie 1999/21/EG). Da hinsichtlich der Auslegung der Richtlinie
unter Berücksichtigung ihrer Erwägungsgründe keine vernünftigen Zweifel bestehen, ist insoweit eine Vorlage an den Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften nach Art 234 EG/Art 267 AEUV nicht erforderlich (stRspr; vgl EuGH Urteil vom 6.10.1982 - 283/81 - EuGHE 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 - CILFIT).
Diese Grundsätze greifen auch insoweit, als ein Ernährungssegment - hier die eiweißreduzierte Diätnahrung - betroffen ist,
das seinerseits in Gestalt von Aminosäuremischungen durch eine bilanzierte, der Erkrankung angepasste Nährstoffformulierung
ergänzt werden muss. Die eiweißreduzierte Ernährung bedeutet einen Verzicht auf eiweißreiche Lebensmittel, wie Milch, Milchprodukte
(Quark, Käse, Joghurt, Schokolade), Fleisch, Wurst, Fisch, Meeresfrüchte, Eier, Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen, Linsen), Mais,
Nüsse, Mandeln, Cornflakes, Gries, normales Brot, Kekse und gelatinehaltige Süßigkeiten. Dagegen können bei der Ahornsirupkrankheit
entsprechend der berechneten Menge der Aminosäure Leucin in den Lebensmitteln zB Obst, Gemüse, Kartoffeln und Kartoffelprodukte,
Reis, Sahneersatzprodukte, eiweißarme Nudeln, eiweißarmes Brot, Brötchen, Kuchen, Waffeln, eiweißarme Milch, Obstsäfte und
Apfelmus sowie nach Bedarf Wasser, Limonade, Kaffee, Tee, verdünnter Fruchtsirup, KABA fit Banane/Vanille, Erdbeere/Himbeere,
Margarine, Öl, Butter, Zucker, Zuckerwatte, Traubenzucker, Süßigkeiten ohne Gelatine, Kaugummi, Wassereis, Honig, Marmelade
und Konfitüre verzehrt werden. Dem steht nicht entgegen, dass der erkrankte Versicherte - wie hier - gezwungen sein kann,
die Nahrungszubereitung und -aufnahme sorgfältig zu planen und zu überwachen, um eine Stoffwechselentgleisung zu vermeiden.
b) Der Kläger hat auch für die vorangegangene Zeit vom Erreichen der Volljährigkeit im Juni 2006 bis 31.12.2008 keinen Anspruch
auf eiweißarme Diät aus §
31 Abs
1 Satz 2
SGB V aF iVm Nr 15.2.5 Satz 3 Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und KKn (jetzt: Gemeinsamer Bundesausschuss) über die
Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (idF der - im Wege der Ersatzvornahme durch das BGMS erfolgten
- Bekanntmachung einer Änderung der Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung
vom 25.8.2005, BAnz Nr 165 vom 1.9.2005 S 13241, [AMRL aF]). Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass Nr 15.2.5
Satz 3 AMRL aF mangels ausreichender Ermächtigungsgrundlage nichtig ist (vgl nur BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 43 ff - "Lorenzos Öl"). Daran hält er fest.
c) Der Kläger hat schließlich für die Zeit vom 1.1.2009 bis 31.3.2009 keinen Anspruch auf eine eiweißarme Diät aus der Übergangsregelung
des §
316 SGB V (GKV-OrgWG vom 15.12.2008, BGBl I 2426, in Kraft getreten am 1.1.2009; vgl Art 7 Abs 1 GKV-OrgWG). Der Gesetzgeber hat darin
angeordnet, dass Versicherte bis zur Veröffentlichung der Zusammenstellung der verordnungsfähigen Produkte nach §
31 Abs
5 Satz 2
SGB V im Bundesanzeiger Anspruch auf enterale Ernährung nach Maßgabe des Kapitels E der AM-RL idF vom 25.8.2005 haben. Ziel der
Übergangsvorschrift ist es lediglich, für die Zeit ab Inkrafttreten des §
31 Abs
5 Satz 2
SGB V (1.1.2009) bis zum Tag der Veröffentlichung der Zusammenstellung der verordnungsfähigen Produkte im Bundesanzeiger (31.3.2009)
im Vorgriff auf diese Veröffentlichung eine intermediäre Anspruchsgrundlage zu schaffen (vgl BT-Drucks 16/10609 S 63). Der
Gesetzgeber wollte mit §
316 SGB V dagegen nicht einen Anspruch begründen, der über die in §
31 Abs
5 SGB V geschaffene Ermächtigung hinausgeht. Nach §
31 Abs
5 Satz 1
SGB V besteht jedoch - wie oben dargelegt (vgl II. 2. a) - kein Anspruch auf "normale" Diätnahrungsmittel, die nicht die Qualität
von bilanzierten Diäten haben. Nur in diesem engen Rahmen gilt übergangsweise Nr 15.2.5 Satz 3 AMRL aF.
3. Eiweißreduzierte Diätnahrung ist auch weder Heil- (dazu a) noch Hilfsmittel (dazu b).
a) Heilmittel iS von §
32 SGB V sind alle ärztlich verordneten Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend
ausgebildeten Personen erbracht werden dürfen (vgl BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 50 mwN - "Lorenzos Öl"). Die eiweißreduzierte Diätnahrung wird nicht als Dienstleistung verordnet,
sondern als Arznei- oder Lebensmittel verabreicht.
b) Eiweißreduzierte Diätnahrung ist ebenso wenig Hilfsmittel iS von §
33 Abs
1 SGB V. Hilfsmittel sind alle ärztlich verordneten Sachen, die den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder Folgen von Gesundheitsschäden
mildern oder ausgleichen. Dazu gehören insbesondere Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel einschließlich
der notwendigen Änderung, Instandhaltung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel. Zwar ließe
sich bei einem weiten sprachlichen Verständnis eiweißreduzierte Diätnahrung als Sache ansehen, die die Funktion hat, Gesundheitsschäden
durch MSUD zu verhindern und dadurch den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern. Ein solches Gesetzesverständnis würde aber
die Gesetzessystematik vernachlässigen, welche Arzneimittel, Ernährungstherapien, Nahrungsergänzungsmittel und Nahrungsmittel
einer eigenständigen Regelung in §
31 SGB V unterworfen hat (vgl BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 §
31 Nr 9, RdNr 51-52 mwN - "Lorenzos Öl").
4. Die fehlende Einbeziehung von Lebensmitteln in den Leistungskatalog der GKV, die nicht die Qualität von bilanzierten Diäten
haben, ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
a) Die nach §
31 Abs
5 SGB V gesetzlich nur eingeschränkte Öffnung des Leistungskatalogs der GKV für Nahrungsmittel beruht auf sachgerechten Gründen,
ohne dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art
3 Abs
1 GG zu widersprechen (zu den Anforderungen vgl allgemein BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55 mwN; BVerfG Urteil vom 28.2.2007 - 1 BvL 5/03 - NJW 2007, 1343 f; BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 4 RdNr 9 mwN). Die KKn sind von Verfassungs wegen nicht gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder
Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (vgl BVerfG Beschluss vom 5.3.1997 - 1 BvR 1071/95 - NJW 1997, 3085; BVerfGE 115, 25, 45 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 28 f mwN - D-Ribose; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 §
31 Nr 9, RdNr 46 - "Lorenzos Öl"). Das
SGB V hat vielmehr Lebensmittel grundsätzlich aus dem Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen, sie also dem Bereich der Eigenverantwortung
der Versicherten (§
2 Abs
1 Satz 1
SGB V) zugerechnet, mag hierfür den Versicherten auch krankheitsbedingt ein Mehraufwand entstehen. Damit vermeidet es nicht nur
Abgrenzungsprobleme, die nach dem früheren Recht der
RVO entstehen konnten, sondern trägt der begrenzten Aufgabenstellung der GKV Rechnung, sich auf gezielte Maßnahmen der Krankheitsbekämpfung
zu beschränken (vgl BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 46 - "Lorenzos Öl"; vgl auch BVerfG Beschluss 1. Senat 3. Kammer vom 17.11.2010 - 1 BvR 556/09). Die Einbeziehung bilanzierter Diäten in sachlich besonders eingegrenzten Fällen beruht auf der sachlichen Nähe dieser Diäten
zu Arzneimitteln. So ist etwa der Nachweis, dass eine bilanzierte Diät wirksam in dem Sinne ist, dass sie den besonderen Ernährungserfordernissen
der Personen entspricht, für die sie bestimmt ist, durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten zu führen. Eine nach
allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellte, in der Fachliteratur veröffentlichte randomisierte, placebokontrollierte
Doppelblindstudie ist für den Wirksamkeitsnachweis grundsätzlich ausreichend (vgl BGH NJW-RR 2009, 110, LS 1).
Entgegen der Auffassung des Klägers ist er auch nicht denjenigen Versicherten gleichzustellen, die eine Trink- oder Sondennahrung
benötigen. Der allgemeine Gleichheitssatz ist auch nicht deswegen verletzt, weil er bei der MSUD keine oder kaum Ausweichmöglichkeiten
hat, also nicht nur gezwungen ist, bestimmte Nahrungsbestandteile lediglich zu meiden und zum Ausgleich andere, natürlich
vorkommende Lebensmittel zu wählen, sondern ganz überwiegend auf speziell produzierte eiweißreduzierte Diätnahrung angewiesen
ist. Die Fälle, in denen Trinkoder Sondennahrung medizinisch notwendig ist, sind jedoch schon nicht wesentlich gleich mit
einer Fallgestaltung, wie sie beim Kläger anzutreffen ist. Versicherte, die eine Trink- oder Sondennahrung benötigen, befinden
sich in einem bis zur Hilflosigkeit reichenden Zustand der gesteigerten Abhängigkeit von künstlicher Ernährung. Zugleich ist
diese Art der Nahrungszuführung regelhaft in einen ausgeprägten medizinisch-technischen Behandlungskontext eingebettet, der
eine natürliche Nahrungsaufnahme ganz oder teilweise ausschließt.
b) Die gesetzliche Konzeption, Lebensmittel, die nicht die Qualität bilanzierter Diäten erreichen - hier eiweißreduzierte
Diätnahrung - innerhalb der GKV der Eigenverantwortung des Versicherten (§
2 Abs
1 Satz 1
SGB V) zuzuweisen, führt auch nicht zu unzumutbaren, verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Belastungen der Versicherten (vgl
zum verfassungsrechtlichen Schutz des Existenzminimums BVerfGE 125, 175, 223 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 135; BSGE 100, 221 = SozR 4-2500 § 62 Nr 6, RdNr 31; BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R - BSGE 107, 217 RdNr 33, zur Veröffentlichung auch in SozR vorgesehen). Allerdings begründet es nach der gesetzlichen Konzeption keinen Anspruch
gegen die GKV, dass ein Versicherter wirtschaftlich nicht hinreichend leistungsfähig ist, sich selbst mit Lebensmitteln und
einfacher Diätnahrung zu versorgen, selbst wenn dies zur Vermeidung schwerwiegender gesundheitlicher Störungen oder des Todes
unverzichtbar ist. Das Gesetz sieht indes bei fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit insoweit Ansprüche gegen die Sozialleistungsträger
vor, zu deren Aufgaben die Existenzsicherung des Einzelnen im Falle der Bedürftigkeit zählt. Das trifft hier namentlich auf
die SGB II- und die SGB XII-Leistungsträger zu (vgl § 21 Abs 5 SGB II, § 30 Abs 5 SGB XII und dazu zB BSG Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R - RdNr 24; BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6, RdNr 39 ff; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 2 RdNr 28).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.