Vergütung stationärer Krankenhausleistungen; Abrechenbarkeit der Fallpauschale nach F57A des 2006 geltenden Fallpauschalenkatalogs
für eine perkutane Koronarangioplastie mit komplexer Intervention mit äußerst schweren Komplikationen und Komorbiditäten
Gründe:
I
Streitig ist die sich nach dem Fallpauschalen-Katalog 2006 bestimmende Höhe des Vergütungsanspruchs für eine stationäre Krankenhausbehandlung.
Die bei der klagenden Krankenkasse (KK) versicherte N. (im Folgenden: Versicherte) begab sich wegen einer Angina-pectoris-Symptomatik
am 14.11.2006 aufgrund ärztlicher Überweisung in das nach §
108 SGB V zugelassene Krankenhaus der beklagten Trägerin. Das Krankenhaus dilatierte bei ihr am 16.11.2006 im Zusammenhang mit einer
Herzkatheteruntersuchung (Operationen- und Prozedurenschlüssel [OPS] 1-275.2, Koronarangiographie, Druckmessung und Ventrikulographie
im linken Ventrikel) eine dabei festgestellte hochgradige CX-Stenose mit einem Stent (OPS 8-837.k0, perkutan-transluminale
Gefäßintervention an Herz und Koronargefäßen, Einlegen eines nicht medikamentenfreisetzenden Stents inkl: Bypassgefäß, ein
Stent in eine Koronararterie) und entließ die Klägerin am 17.11.2006. Die Beklagte diagnostizierte bei der Versicherten eine
atherosklerotische Herzkrankheit iS der Ein-Gefäßerkrankung (ICD 10 I25.11), eine instabile Angina pectoris (ICD 10 I20.0),
eine Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden bei leichter Belastung (ICD 10 I50.13) und eine benigne essentielle Hypertonie
(ICD 10 I10.00). Sie berechnete der Klägerin für die Behandlung der Versicherten insgesamt 4312,59 Euro, die die Klägerin
vorbehaltlich der Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zunächst zahlte. Die Beklagte legte
ihrer Berechnung die wegen Komplikationen oder Komorbiditäten (CC) höher bewertete DRG F57A (perkutane Koronarangioplastie
mit komplexer Intervention mit äußerst schweren CC) nach dem auf Diagnosis Related Groups (DRGs; diagnosebezogene Fallgruppen)
basierenden Fallpauschalen-Katalog der G-DRG-Version 2006 einschließlich weiterer Zuschläge zugrunde. Der MDK vertrat dagegen
die Auffassung, die Beklagte habe die Allgemeinen und Speziellen Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten
und Prozeduren (Deutsche Kodierrichtlinien [DKR]) unzutreffend angewandt, indem sie als Hauptdiagnose atherosklerotische Herzkrankheit
und als Nebendiagnose Angina pectoris angegeben habe. Genau umgekehrt hätte die Beklagte die erbrachte Leistung kodieren müssen.
Die erbrachte Leistung sei daher nach DRG F57B (perkutane Koronarangioplastie mit komplexer Intervention ohne äußerst schwere
CC) abzurechnen. Die Klägerin forderte vergeblich die Beklagte zur Rückzahlung von 1021,13 Euro auf. Dagegen ist sie mit ihrer
Zahlungsklage vor dem SG erfolgreich gewesen (Urteil vom 28.5.2010). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt,
aus dem eindeutigen Wortlaut der DKR 0901e ergebe sich, dass die Angina pectoris vor der atherosklerotischen Herzkrankheit
als Hauptdiagnose zu kodieren sei. Als speziellere Regelung verdränge sie die in DKR D002d enthaltene allgemeine Regelung
zur Kodierung von Hauptdiagnosen. Hingegen schließe DKR D003d als allgemeine Regelung zur Kodierung von Nebendiagnosen aus,
DKR 0901e bloß als spezielle Regelung über die zu beachtende Reihenfolge von Nebendiagnosen zu verstehen (Urteil vom 13.1.2011).
Die Beklagte rügt mit der Revision die Verletzung des §
109 Abs
4 Satz 3
SGB V iVm den auf Bundesebene vereinbarten Kodierregeln DKR D002d und DKR 0901e. Die DKR D002d lege fest, dass sich die Hauptdiagnose,
wenn die Krankheit bei Aufnahme bekannt sei oder während des stationären Aufenthalts bekannt werde, aus dieser und nicht aus
der Symptomatik ableite. Der sich aus der DKR-Systematik ergebende Vorrang der allgemeinen DKR D002d entfalle nur dann, wenn
abweichend von diesen Grundsätzen in speziellen Kodierrichtlinien ausdrücklich eine andere Diagnose als Hauptdiagnose bestimmt
werde. Die spezielle DKR 0901e regele hingegen lediglich die Fälle, in denen die Angina pectoris vor der atherosklerotischen
Herzkrankheit zu kodieren sei, wenn beide Nebendiagnosen seien, und lasse - nur insoweit von DKR D002d abweichend - die Kodierung
eines bloßen Symptoms zu. Eigentlicher Zweck der DKR 0901e sei es, dass die CC-relevante, erlössteigernde instabile Angina
pectoris überhaupt als Diagnose kodiert werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Januar 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom
28. Mai 2010 aufzuheben.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass die klagende KK
gegen die beklagte Krankenhausträgerin einen Anspruch auf Rückzahlung von 1021,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten
über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit hat. Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist
zulässig (dazu 1.) und begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erstattung
überzahlter Vergütung (dazu 2.). Der Differenzbetrag zwischen der allein abrechenbaren DRG F57B und der zu Unrecht bezahlten
DRG F57A beträgt 1021,13 Euro (dazu 3.). Der Beklagten stehen gegen den Anspruch der Klägerin keine Einreden zu (dazu 4.).
Die Klägerin hat auch Anspruch auf die von den Vorinstanzen zuerkannten Zinsen (dazu 5.).
1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin macht
zu Recht den Anspruch auf Rückzahlung eines Teils der für die Krankenhausbehandlung der Versicherten gezahlten Vergütung mit
der (echten) Leistungsklage nach §
54 Abs
5 SGG gegen die Beklagte geltend. Die Klage einer KK auf Rückzahlung zu Unrecht erbrachter Vergütung gegen einen Krankenhausträger
- wie hier - ist ein sog Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in
Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (zum umgekehrten Fall der Klage eines
Krankenhauses gegen die KK: BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, RdNr 10 mwN; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert (vgl zur Notwendigkeit
der Bezifferung BSGE 83, 254, 263 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1; BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2, RdNr 6; BSGE 107, 78 = SozR 4-2500 § 140d Nr 2, RdNr 10).
2. Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Zahlungsanspruchs ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Die sich
aus der Erbringung von Leistungen für nach dem
SGB V Versicherte ergebenden Rechtsbeziehungen zwischen KKn und als Leistungserbringer zugelassenen Krankenhäusern sind öffentlich-rechtlicher
Natur (dazu a). Bei derartigen öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen tritt an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs
nach §
812 BGB der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (dazu b).
a) Dass die Rechtsbeziehungen zwischen KK und Krankenhaus öffentlich-rechtlicher Natur sind, ergibt sich explizit aus §
69 Satz 2
SGB V (idF durch Art 1 Nr 1c Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser [Fallpauschalengesetz - FPG]
vom 23.4.2002, BGBl I 1412). Hiernach sind die Rechtsbeziehungen der KKn und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren
Verbänden abschließend im Vierten Kapitel des
SGB V, in den §§
63,
64 SGB V und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), dem Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt (zur entsprechenden Rechtslage vor Änderung des §
69 SGB V durch Art 1 Nr 26 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 [GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000] vom 22.12.1999,
BGBl I 2626 vgl BSGE 97, 125 = SozR 4-1500 § 92 Nr 3, RdNr 9 mwN). Da es sich bei diesen Vorschriften um solche des öffentlichen Rechts handelt, können
auch die hierauf beruhenden Rechtsbeziehungen zwischen KKn und Leistungserbringern nur öffentlich-rechtlicher Natur sein (vgl
auch BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 10).
b) Der im öffentlichen Recht auch ohne ausdrückliche Normierung seit langem anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch
(vgl nur BSGE 16, 151, 156 = SozR Nr 1 zu § 28 BVG mwN zur älteren Rspr und Literatur) ist aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit
der Verwaltung herzuleiten (BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 27). Er setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne
rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (BSGE 16, 151, 156 = SozR Nr 1 zu § 28 BVG; BSGE 69, 158, 160 = SozR 3-1300 § 113 Nr 1; BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, RdNr 8; BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 15). Seine Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen entsprechen zwar, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt
sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs (vgl BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 27 mwN zur Rspr des BVerwG). Es scheidet aber ein Rückgriff auf die zivilrechtlichen Normen
aus, soweit der vom öffentlichen Recht selbstständig entwickelte Erstattungsanspruch reicht (vgl BSGE 38, 46, 47 = SozR 2200 § 1409 Nr 1 S 1 f). Dies gilt namentlich für die Nichtanwendbarkeit der bereicherungsrechtlichen Vorschriften,
denen öffentlich-rechtliche Wertungszusammenhänge entgegenstehen (vgl zB zur Nichtanwendbarkeit des §
818 Abs
3 BGB bei der Rückforderung von Berufsausbildungsbeihilfe wegen des Vorrangs von § 152 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz aF BSGE 45, 38, 46 f = SozR 4100 § 40 Nr 17 S 54, mwN; vgl auch BVerwGE 71, 85, 88; BVerwGE 112, 351, 353 f).
3. Die Klägerin hat der Beklagten 1021,13 Euro Krankenhausvergütung ohne Rechtsgrund gezahlt, weil die Beklagte die zugunsten
der Versicherten erbrachten Leistungen in dieser Höhe nicht abrechnen durfte. Die Beklagte hat gegen die Klägerin einen Vergütungsanspruch
für Krankenhausbehandlung erworben (dazu a). Die geltend gemachte Krankenhausvergütung bemisst sich generell nach vertraglichen
Fallpauschalen (dazu b). Die konkrete Anspruchshöhe ergibt sich aus der niedriger vergüteten DRG F57B und nicht aus der von
der Beklagten angesetzten höher vergüteten DRG F57A (dazu c). Die rechnerische Differenz zwischen der abgerechneten und -
unter Vorbehalt - gezahlten DRG F57A und der allein abrechenbaren DRG F57B beträgt nach den unangegriffenen und damit bindenden
Feststellungen des LSG (§
163 SGG) 1021,13 Euro (dazu d). Weitere von der Beklagten abgerechnete und von der Klägerin bezahlte Vergütungsbestandteile sind
nicht Gegenstand des Rechtsstreits (allgemein zu weiteren Vergütungsbestandteilen vgl § 7 Satz 1 Nr 2 - 8 KHEntgG idF durch
Art 2 Nr 5 Zweites Gesetz zur Änderung der Vorschriften zum diagnose-orientierten Fallpauschalensystem für Krankenhäuser und
zur Änderung anderer Vorschriften [Zweites Fallpauschalenänderungsgesetz - 2. FPÄndG] vom 15.12.2004, BGBl I 3429).
a) Die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung sind erfüllt. Die Klägerin ist - was sie auch nicht bestreitet
- verpflichtet, die stationäre Krankenhausbehandlung ihrer Versicherten im Krankenhaus der Beklagten vom 14. bis 17.11.2006
zu vergüten. Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme
der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt
wird und iS von §
39 Abs
1 Satz 2
SGB V erforderlich ist (stRspr, vgl BSGE 70, 20, 22 = SozR 3-2500 § 39 Nr 1 S 3; BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4 S 19; BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 3; BSGE 90, 1, 2 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 11; BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 11). Die Vorinstanzen sind zu Recht hiervon ausgegangen und haben festgestellt, dass diese Voraussetzungen erfüllt
sind.
b) Die betroffene Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage (dazu aa).
Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich aus einem Fallpauschalen-Katalog, der Teil einer Vereinbarung ist, und Regelungen
zur Ermittlung der jeweiligen Fallpauschale, auf die in dieser Vereinbarung Bezug genommen wird und die ihrerseits durch vertragliche
Kodierrichtlinien erst operationabel sind (dazu bb). Besonderheiten dieser Regelungselemente (dazu cc) wirken sich auf die
Rechtsanwendung und -kontrolle dahingehend aus, dass nur eingeschränkte Auslegungsmöglichkeiten bestehen und der rechnergestützte
Anwendungsprozess des Fallpauschalen-Katalogs nachvollziehbar gemacht werden muss (dazu dd).
aa) Die geltend gemachte Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die
Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich gesetzlich aus §
109 Abs
4 Satz 3
SGB V (idF durch Art 1 Nr
3 FPG vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 5 2. FPÄndG vom 15.12.2004, BGBl I 3429) und § 17b KHG (idF durch Art 56 Neunte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.10.2006, BGBl I 2407; vgl entsprechend BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge) konkretisiert. Nach § 1 Abs
1 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 1 Gesetz zur Änderung der Vorschriften zum diagnose-orientierten Fallpauschalensystem für Krankenhäuser
vom 17.7.2003, BGBl I 1461) werden die vollstationären und teilstationären Leistungen der Krankenhäuser nach diesem Gesetz
und dem KHG vergütet. § 7 Satz 1 Nr 1 KHEntgG bestimmt: "Die allgemeinen Krankenhausleistungen werden gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern
mit folgenden Entgelten abgerechnet: 1. Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 9), ... ."
Mit diesen Entgelten werden alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet
(§ 7 Satz 2 KHEntgG). Die Spitzenverbände der KKn (ab 1.7.2008: Spitzenverband Bund der KKn) und der Verband der privaten
Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG (idF durch Art 5 FPG vom 23.4.2002, BGBl I 1412)
mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach
§ 11 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 8 2. FPÄndG vom 15.12.2004, BGBl I 3429) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der
Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte
oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KHEntgG
(idF durch Art 5 FPG vom 23.4.2002, BGBl I 1412). Daneben bestimmt § 17b Abs 1 Satz 1 Halbs 1 KHG, dass für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes
Vergütungssystem einzuführen ist. Das Vergütungssystem hat Komplexitäten und Komorbiditäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad
soll praktikabel sein (§ 17b Abs 1 Satz 2 KHG). Mit den Entgelten nach Satz 1 werden die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen
Behandlungsfall vergütet (§ 17b Abs 1 Satz 3 KHG). Nach § 17b Abs 2 Satz 1 Halbs 1 KHG vereinbaren die Spitzenverbände der KKn und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam entsprechend den Vorgaben
der Absätze 1 und 3 des § 17b KHG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene ein Vergütungssystem, das sich an einem international
bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der DRGs orientiert; nach dieser Vorschrift vereinbaren die Vertragspartner
ferner die jährliche Weiterentwicklung und Anpassung des Vergütungssystems, insbesondere an medizinische Entwicklungen, Kostenentwicklungen,
Verweildauerverkürzungen und Leistungsverlagerungen zu und von anderen Versorgungsbereichen, und die Abrechnungsbestimmungen,
soweit diese nicht im KHEntgG vorgegeben werden. Sie orientieren sich dabei unter Wahrung der Qualität der Leistungserbringung
an wirtschaftlichen Versorgungsstrukturen und Verfahrensweisen (§ 17b Abs 2 Satz 2 KHG).
Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass Vereinbarungen auf Landesebene zwischen den in § 18 Abs 1 Satz 2 KHG genannten Vertragsparteien mit Wirkung für die ("lokalen") Vertragsparteien nach § 18 Abs 2 KHG (§ 10 KHEntgG idF durch Art 258 Neunte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.10.2006, BGBl I 2407), Vereinbarungen zwischen den Krankenhausträgern und
den Sozialleistungsträgern für das einzelne Krankenhaus (§§ 3 und 4 KHEntgG, idF durch Art 2 Nr 1 und Nr 2 2. FPÄndG vom 15.12.2004,
BGBl I 3429, §§ 5 und 6 KHEntgG, idF durch Art 258 Neunte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.10.2006, BGBl I 2407,
§
11 KHEntgG) und vertragliche Regelungen nach §
112 SGB V den Vergütungsanspruch ebenfalls konkretisieren können.
bb) Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich daraus, dass die nach den aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen
Vertragspartner eine Fallpauschalenvereinbarung (FPV) mit einem Fallpauschalen-Katalog als Teil derselben und Allgemeine und
Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren (Deutsche Kodierrichtlinien [DKR]) vereinbart
haben. DKR und FPV bilden den konkreten vertragsrechtlichen Rahmen, aus dem die für eine Behandlung maßgebliche DRG-Position
folgt. Nach den aufgezeigten gesetzlichen Vorgaben und der FPV greifen das in der FPV in Bezug genommene DRG-Ermittlungsprogramm
(Grouper), der Fallpauschalen-Katalog und die Kodierrichtlinien als vereinbarte Abrechnungsbestimmungen ineinander. Sie sind
bei der Anwendung des Katalogs zugrunde zu legen. In Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages haben nämlich die Parteien gemäß
§ 17b Abs 2 KHG in Abschnitt 1 § 1 Abs 1 Satz 1 FPV 2006 zur Abrechnung von Fallpauschalen vereinbart: "Die Fallpauschalen werden jeweils von dem die Leistung erbringenden
Krankenhaus nach dem am Tag der Aufnahme geltenden Fallpauschalen-Katalog und den dazu gehörenden Abrechnungsregeln abgerechnet."
Die Regelung verweist nicht nur auf das Zusammenspiel von Fallpauschalen-Katalog und den dazu gehörenden Abrechnungsregeln,
sondern legt zugleich den zeitlichen Anwendungsbereich von DKR und FPV fest. Dementsprechend sind im vorliegenden Fall die
am 13.9.2005 getroffene Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2006 (Fallpauschalenvereinbarung
2006 - FPV 2006) einschließlich der Anlagen 1 bis 6 (insbesondere Anlage 1 Teil a) [Bewertungsrelationen bei Versorgung durch
Hauptabteilungen] Fallpauschalen-Katalog 2006) und die von den Vertragspartnern auf Bundesebene am 8.9.2005 getroffene Vereinbarung
zu den DKR für das Jahr 2006 (Ergänzungsvereinbarung 2006 zur Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien Version 2002
für das G-DRG-System gemäß § 17b KHG, zuletzt geändert durch die Ergänzungsvereinbarung 2005 [DKR [2006]]) maßgebend.
Die normative Wirkung der FPV 2006 und der DKR 2006 für den einzelnen Kostenträger, im Falle des
SGB V die KKn, und die Krankenhausträger beruht auf §
8 Abs 1 Satz 1 Halbs 1 KHEntgG (idF durch Art 5 FPG vom 23.4.2002, BGBl I 1412). Danach sind die Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen,
wozu namentlich die Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog zählen (§ 7 Satz 1 Nr 1 KHEntgG),
für alle Benutzer des Krankenhauses einheitlich zu berechnen. Ergänzend dazu sieht § 8 Abs 2 Satz 1 KHEntgG (idF durch Art
5 FPG vom 23.4.2002, BGBl I 1412) vor, dass für die Behandlungsfälle die Fallpauschalen zu berechnen sind, die in dem Fallpauschalen-Katalog
nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG bestimmt sind. Dadurch ist sowohl der nach seinem jeweiligen Recht zur Leistungsgewährung
und -vergütung verpflichtete Kostenträger - hier die Klägerin nach §
27 Abs
1 Satz 2 Nr
5, §
39 Abs
1 SGB V gegenüber der Versicherten und nach §
109 Abs
4 Satz 3
SGB V gegenüber der Beklagten - als auch der zur Leistungserbringung verpflichtete Träger des Krankenhauses - hier die Beklagte
nach §
109 Abs
4 Satz 2
SGB V - unmittelbar durch die auf Bundesebene vereinbarten Regelungen gebunden.
cc) FPV und DKR weisen Besonderheiten auf, die sich auf die Rechtsanwendung und -kontrolle auswirken. FPV und DKR bilden nämlich
nicht ein System von Pauschalen, das nach Art einer Gebührenordnung jeweils schriftlich fixierte, abstrakt umschriebene Behandlungstatbestände
mit Abrechnungsvorgaben (zB Geldbeträgen oder Punktwerten) auf der Rechtsfolgenseite verknüpft, sodass der konkrete Behandlungsfall
unter den Tatbestand zu subsumieren ist, vergleichbar der Subsumtion unter andere Rechtsnormen. Vielmehr umschreibt der vereinbarte
Fallpauschalen-Katalog lediglich mit Buchstaben und Ziffern gekennzeichnete DRG-Positionen, deren zugehörige Bewertungsrelationen
und weitere Angaben (zB zur Verweildauer), die für die Abrechnung von stationären Leistungen notwendig sind. Die textliche
Bezeichnung beschreibt lediglich die verschlüsselte Position, umreißt aber keinen einer Auslegung als Basis und Ausgangspunkt
zugrunde zu legenden subsumtionsfähigen Vergütungstatbestand. Welche DRG-Position - quasi als Folge für die Vergütungshöhe
- abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich überhaupt nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand,
sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem
und dessen Anwendung. Nach § 1 Abs 6 Satz 1 FPV 2006 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls in die jeweils
abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH -
Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (im Folgenden DRG-Institut), einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind. Die Zertifizierung erfolgt, wenn die zu zertifizierenden
Programme die vom DRG-Institut maßgeblich vorbereitete und von den Vertragsparteien auf Bundesebene in Gestalt eines programmierten
Algorithmus vertraglich konsentierte jährliche Weiterentwicklung und Anpassung des DRG-Vergütungssystems nach § 17b Abs 1 Satz 1 KHG umsetzen.
Der zertifizierte Grouper führt nach Eingabe der Daten einen automatisierten Subsumtionsvorgang durch. Er bewirkt damit eine
rechnergestützte Rechtsanwendung. Die einzugebenden Diagnosen und Prozeduren sowie die sonstigen benötigten Sachverhaltsangaben
- etwa das Alter des Patienten - sind als Tatsachen einem gerichtlichen Beweis zugänglich. Die automatisierte Subsumtion ist
hingegen eine rechtliche Bewertung des Sachverhalts und als solche nicht einem medizinischen oder informationstechnischen
Sachverständigengutachten zugänglich. Das Prozesshafte des Groupierungsvorgangs und seine Grundannahme, dass es für jede Behandlung
nur eine richtige Eingabe und DRG-Position gibt, die bereits im zertifizierten Grouper durch den Algorithmus vorgezeichnet
ist, bedeutet jedoch, dass die rechtlich verbindlichen Regelungen nicht in "klassischen" Vergütungstatbeständen abgebildet
werden, die nach anerkannten Auslegungsmethoden weiter konkretisiert werden. Vielmehr beinhaltet der zertifizierte Grouper
eine zwar endliche, in ihrer Differenzierungsstruktur klare, aber in ihrer Komplexität nur schwer überschaubare Vielzahl von
derart detaillierten Vergütungstatbeständen, dass Tatbestand und rechtliche Auslegung in jedem Rechenprozess-Schritt bis zum
Ergebnis zusammenfallen.
Durch das umfangreiche Eingabeprogramm findet eine weitgehende Annäherung des Abstrakt Generellen an das Konkret-Individuelle
statt. Dies bedeutet zwar nicht, dass für jeden Patienten ein eigener Tatbestand geschaffen wird. Lediglich die Patienten
mit identischen vergütungsrelevanten Sachverhalten bilden eine tatbestandlich zusammengefasste Gruppe. Die daraus erwachsende
Vielzahl der Gruppen hat aber zur Folge, dass die Verfahrensbeteiligten, die sich auf einen bestimmten Programmablauf berufen,
dem Gericht diesen Weg - nämlich als detaillierte Tatbestandsdarlegung von dem Gericht nicht unmittelbar zugänglichem untergesetzlichem
Recht - in allen Einzelheiten des Rechenprozesses darstellen müssen, wenn sich das Gericht nicht in der Lage sieht, den (prozesshaften)
Tatbestand anhand der Definitionshandbücher nachzuverfolgen. Nicht die Definitionshandbücher, sondern allein die zertifizierten
Grouper mit ihrem jeweiligen Rechenprogramm sind verbindlich vereinbart und entfalten normative Wirkung.
Um effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten (Art
19 Abs
4 GG), muss das Gericht den sachlichen, nicht notwendig detailliert den mathematischen Entscheidungsprozess nachvollziehen können,
der nach der Sachverhaltseingabe im Rechnerprogramm abläuft, um zu einer Fallpauschale zu gelangen. Zugleich muss für das
Gericht überprüfbar gemacht werden, welche Eingabe zu welchem Ergebnis führt. Das Gericht muss die mit der Eingabe verknüpften
wesentlichen Entscheidungen nachvollziehen, denen der Datenverarbeitungsprozess mit Blick auf den Fallpauschalen-Katalog dient.
In diesem Sinne muss es in den Entscheidungsgründen verdeutlichen, welche Gabelungen mit welchem Ergebnis der Grouper in dem
Entscheidungsbaum "ansteuert", der dem Programm zugrunde liegt.
In welcher Art und Weise die Eingaben in das Datensystem zu erfolgen haben, gibt nicht allein der Grouper durch die vorprogrammierten
Abfragen mit genormten Antworten vor. Vielmehr regeln die FPV und die DKR konkrete Vorgaben für die Eingaben. So enthält Abschnitt
1 der FPV 2006 Abrechnungsbestimmungen für DRG-Fallpauschalen. Die DKR (2006) regeln Kodieranweisungen. Sie beeinflussen den
Weg zur korrekten DRG an vielen verschiedenen Stellen des den Grouper steuernden Algorithmus. Das den Algorithmus enthaltende
und ausführende Programm greift dabei auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart
sind (zB die Zuordnung von ICD 10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum)
oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale
Klassifikation der Krankheiten (ICD 10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information
(DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel als solche (OPS, hier in der Version 2006 einschließlich Erweiterungskatalog
vom 26.10.2005, BAnz Nr 212 vom 10.11.2005, S 15834, in Kraft getreten am 1.1.2006).
Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand,
dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind. Die Rezeption der Klassifikationen richtet sich nach den jeweils für
die zertifizierten Grouper geltenden Regelungen, hier der FPV 2006, nicht dagegen nach §
301 SGB V. Diese Norm regelt nicht die rechtliche Verbindlichkeit der Klassifikationssysteme für die Ermittlung der DRGs, sondern sieht
Informationspflichten der Krankenhäuser, anderer stationärer Einrichtungen und der ermächtigten Krankenhausärzte gegenüber
den KKn im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vor. Das DRG-Vergütungssystem ist demgegenüber nicht GKV-spezifisch
geregelt, sondern erfasst alle Behandlungsfälle, namentlich auch die Selbstzahler. Es beruht - wie dargelegt - auf der Grundlage
des § 17b KHG und des KHEntgG.
dd) Folge der aufgezeigten Besonderheiten von Fallpauschalen-Katalog und DKR ist zunächst wie dargelegt, dass der rechnergestützte
Anwendungsprozess des Fallpauschalen-Katalogs vom Gericht nachvollziehbar gemacht werden und hierbei der einzugebende Sachverhalt
festgestellt sein muss. Im Rahmen der Rechtsanwendungskontrolle bewirkt die vom Programm zugelassene virtuelle Tatbestandsvielfalt,
dass für eine Auslegung des DRG-Algorithmus, also der geregelten Prozeduren zur Lösung der definierten Probleme des Fallpauschalen-Katalogs,
nach juristischer Methodik kaum ein Anwendungsbereich verbleibt.
Der Senat lässt jedoch ausdrücklich offen, ob unter Beachtung des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art
19 Abs
4 GG) ausnahmsweise auch eine Auslegung des Algorithmus selbst in Betracht kommen kann. Die FPV bezieht sich auf die zertifizierten
Grouper bestimmter Anbieter und damit auf die dahinterstehende Programmierung gemäß den Vorgaben des DRG-Instituts für das
entsprechende Systemjahr. Gegenstand der Vereinbarung ist der programmierte DRG-Algorithmus. Die Definitionshandbücher sind
- wie bereits dargelegt - insoweit nur ein Hilfsmittel. Aufgrund der Komplexität des DRG-Systems kann bei dessen jährlich
vorzunehmender Weiterentwicklung und Anpassung nicht ausgeschlossen werden, dass die Vertragsparteien auf Bundesebene einen
DRG-Algorithmus für das jeweilige Systemjahr vereinbart haben, dessen ungewollte Weiterungen sie nicht erkannt haben und uU
auch nicht erkennen konnten. Bei widersprüchlichen (perplexen) oder evident sinnwidrigen Regelungen (Rechenschritten), insbesondere
bei gravierenden Programmierungsfehlern, kann eine weitergehende normative Auslegung insbesondere eine entstehungsgeschichtliche,
in Betracht kommen. Dies setzt aber voraus, dass ansonsten grob unbillige Ergebnisse eintreten, die unter wirtschaftlichen
Aspekten auch für die Laufzeit von einem Jahr oder bis zur Fehlerkorrektur nicht mehr hingenommen werden können. Beispielhaft
ist an eine existenzielle Bedrohung eines Krankenhausträgers zu denken. Die - nach Auffassung eines Beteiligten - bloße Unterbewertung
oder Nichtbewertung eines Leistungsbestandteiles einer Krankenhausbehandlung als solche rechtfertigt demgegenüber kein Abweichen
von einer strengen Wortlaut- und ergänzenden systematischen Auslegung.
Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften
Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden
der Rechtswissenschaft. Die DKR sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb
eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen
(vgl allgemein bereits BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN). Der erkennende Senat sieht sich hierbei in Übereinstimmung mit dem 3. BSG-Senat, nach dessen Rechtsprechung der ausdifferenzierte Algorithmus, mit dem die verschlüsselten Prozeduren und Diagnosen
in eine bestimmte DRG "übersetzt" werden, einer wertenden Betrachtung im Einzelfall nicht zugänglich ist. Eine Vergütungsregelung,
die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn
sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum
für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls
ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht.
Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs 2 Satz 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie
die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl zum Ganzen BSGE 107, 140 RdNr 18, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18; zur
Bundespflegesatzverordnung: BSG SozR 3-5565 § 14 Nr 2 S 15; BSG SozR 3-5565 § 15 Nr 1 S 6). Rechtsähnlich verfahren der erkennende 1. und der 6. Senat des BSG bei der Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsregelungen (vgl BSG SozR 4-2500 § 28 Nr 4 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 10 RdNr 13).
c) Die Beklagte durfte die erfolgte stationäre Behandlung der Versicherten - ausgehend von den dargelegten generellen Vorgaben
- nicht nach der DRG F57A, sondern nur nach der niedriger vergüteten DRG F57B abrechnen. Im Rahmen der schrittweisen Ermittlung
der Basis-DRG (dazu aa) führt hier DKR (2006) 0901e zur Maßgeblichkeit der DRG F57B, weil aufgrund der Kodieranweisung Eingaben
so vorzunehmen sind, dass der Grouper diese Einzel-DRG ansteuern muss (dazu bb).
aa) Nach der DRG-Entscheidungslogik der zertifizierten Grouper, die unstreitig und für das Gericht anhand im Internet zugänglicher
Beispielseingaben überprüfbar (zB mit dem Webgrouper der DRG-Research-Group, abrufbar unter http://drg.uni-muenster.de/index.php?option=com_webgrouper&view
= webgrouper&Itemid=26) den Darstellungen in den Definitionshandbüchern entspricht, ist vorliegend die Basis-DRG F57 anzusteuern.
Im FallpauschalenKatalog 2006 sind die DRG F57A (perkutane Koronarangioplastie mit komplexer Intervention mit äußerst schweren
CC) und F57B (perkutane Koronarangioplastie mit komplexer Intervention ohne äußerst schwere CC) aufgeführt. Aus Ihrer Bezeichnung
geht hervor, dass beide DRGs der Hauptdiagnosegruppe 5 "Krankheiten und Störungen des Kreislaufsystems" (Major Diagnostic
Category 5 [MDC 5]) zugeordnet sind. Die MDC-Unterteilungen bauen auf einem Körpersystem oder einer Erkrankungsätiologie auf
und werden grundsätzlich über die für die "Behandlungsepisode" (den Krankenhausaufenthalt) maßgebliche Hauptdiagnose bestimmt
(G-DRG-Version 2006 Definitionshandbuch, Kompaktversion Bd I, S 6 f und S 11). Der Fallpauschalen-Katalog 2006 verfügt über
insgesamt eine Prä-MDC und 23 MDCs, zum Teil nochmals unterteilt (MDC 18A, 18B, 21A, 21B). Besonders teure Einzel-DRGs und
besondere Situationen, die kostenaufwändig sind (zB HIV [MDC 18A], Polytrauma [MDC 21A]), sind in der Prä-MDC erfasst. Nach
einer vorläufigen Zuordnung zu einer MDC entsprechend der Hauptdiagnose wird geprüft, ob die Behandlungsepisode gleichwohl
vorrangig nach Maßgabe der Prä-MDC anders einzuordnen ist. Daneben gibt es, konsequenterweise ohne MDC-Kennzeichnung, eine
eigene Gruppe Fehler-DRGs und sonstige, insbesondere nicht anders zuordenbare DRGs (901A, 901B, 901C, 901D, 902Z, 960Z, 961Z,
962Z, 963Z; G-DRG-Version 2006 Definitionshandbuch, Kompaktversion Bd I, S 9 f).
Im vorliegenden Fall greift weder eine Prä-MDC ein noch findet eine der vorgenannten besonderen DRGs Anwendung. Die bei der
Versicherten gestellten, vorliegenden Diagnosen sind: Atherosklerotische Herzkrankheit im Sinne der Ein-Gefäßerkrankung (ICD
10 I25.11), instabile Angina pectoris (ICD 10 I20.0), Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden bei leichter Belastung (ICD 10
I50.13) und benigne essentielle Hypertonie (ICD 10 I10.00). Sämtliche Diagnosen sind - wenn sie Hauptdiagnosen sind - der
MDC 5 zugeordnet (vgl G-DRG-Version 2006 Definitionshandbuch, Kompaktversion Bd I, S 219). An dieser Stelle bedarf es daher
noch keiner Unterscheidung, welche Diagnose die Hauptdiagnose ist. Ist eine Behandlungsepisode einer MDC zugeordnet, erfolgt
die weitere Zuordnung durch die der jeweiligen MDC vorgegebene, streng hierarchisch strukturierte Entscheidungslogik (Algorithmus),
die sich am durchschnittlichen (mittleren) Ressourcenverbrauch orientiert und gewöhnlich mit den DRGs beginnt, die den höchsten
Ressourcenverbrauch haben (G-DRG-Version 2006 Definitionshandbuch, Kompaktversion Bd I, S 8).
Hier hat die Zuordnung nach dem für die MDC 5 maßgeblichen Algorithmus (G-DRG-Version 2006 Definitionshandbuch, Kompaktversion
Bd I, S 207-218) zu erfolgen. Die Reihenfolge richtet sich dabei nach den signifikanten Prozeduren (dazu sogleich). Der Algorithmus
der MDC 5 beginnt mit "Stammzelltransfusion bei Krankheiten und Störungen des Kreislaufsystems". Bei Bejahung wird direkt
die DRG F96Z angesteuert. Der Algorithmus endet mit "Andere Krankheiten des Kreislaufsystems" und steuert dort die Basis-DRG
F75 (Adjacent Diagnosis Related Group [ADRG]) an, die in drei Einzel-DRGs gesplittet ist (F75A, F75B, F75C). Ist danach immer
noch keine Zuordnung möglich, wird 960Z (nicht gruppierbar) angesteuert. Die Basis-DRGs richten sich ihrerseits nach den Partitionen
(G-DRG-Version 2006 Definitionshandbuch, Kompaktversion Bd I, S 3, 7 f), unterteilt in "Operative Partition" (Operating Room
[OR]; OR-Prozedur: Nr 01 - 39), "Andere Partition" (Non-Operating Room [NonOR]; NonOR-Prozedur: 40 - 59) und "Medizinische
Partition" (ohne signifikante Prozedur: Nr 60 - 99).
Nach den unangegriffenen und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des LSG steht fest (§
163 SGG), dass aus medizinischer Sicht die benigne essentielle Hypertonie (ICD 10 I10.00) und die Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden
bei leichter Belastung (ICD 10 I50.13) bei der Versicherten nur Nebendiagnosen ohne damit verbundene OR- oder NonOR-Prozeduren
sind. Eine Zuordnung dieser Diagnosen über die Medizinische Partition scheidet von vornherein aus, weil der Algorithmus die
vorrangige Prüfung der OR- und der NonOR-Prozeduren gebietet, die hier mit den beiden anderen Diagnosen (Ein-Gefäßerkrankung
[ICD 10 I25.11], instabile Angina pectoris [ICD 10 I20.0]) inhaltlich verbunden sind. Als signifikante Prozedur führte das
Krankenhaus bei der Versicherten eine perkutane Koronarangioplastie mit komplexer Intervention (DRG F 57 A, DRG F 57 B) durch,
die über den OPS 8-837.k0 (perkutan-transluminale Gefäßintervention an Herz und Koronargefäßen, Einlegen eines nicht medikamentenfreisetzenden
Stents inkl: Bypassgefäß, ein Stent in eine Koronararterie) definiert wird (G-DRG-Version 2006 Definitionshandbuch, Langversion
Bd I, S 603); ferner eine invasive kardiologische Diagnostik außer bei akutem Myokardinfarkt (DRG F 46 Z), die durch den OPS
1-275.2 (Koronarangiographie, Druckmessung und Ventrikulographie im linken Ventrikel - Herzkatheteruntersuchung) definiert
wird (G-DRG-Version 2006 Definitionshandbuch, Langversion Bd I, S 585).
Hierarchisch zuerst kommt die perkutane Koronarangioplastie mit komplexer Intervention (G-DRG-Version 2006 Definitionshandbuch,
Kompaktversion Bd I, S 213) vor der invasiven kardiologischen Diagnostik außer bei akutem Myokardinfarkt (G-DRG-Version 2006
Definitionshandbuch, Kompaktversion, Bd I S 215); damit bleibt letztere für die Ansteuerung der Basis-DRG unberücksichtigt.
Die weitere Entscheidungslogik sieht wie folgt aus (G-DRG-Version 2006 Definitionshandbuch, Kompaktversion Bd I, S 213):
bb) DKR (2006) 0901e bestimmt mit Blick auf die erforderlichen Eingaben, dass die Frage nach der äußerst schweren CC (Komplikationen
und/oder Komorbiditäten) mit nein zu beantworten und die F57B anzusteuern ist.
Ob eine äußerst schwere CC vorliegt, kann nicht unmittelbar aus dem Algorithmus und allein aus der DKR (2006) 0901e abgeleitet
werden. Vielmehr bedarf es dazu - wie allgemein bereits oben dargelegt - eines eigenständigen, im Grouper programmierten Subbewertungssystems.
Die sich daraus ergebende Bewertung hängt maßgeblich davon ab, wie die Diagnosen zu kodieren sind. Dies bestimmt die DKR (2006)
0901e.
DRGs innerhalb einer Basis-DRG unterscheiden sich durch ihren Ressourcenverbrauch und sind anhand der Faktoren patientenbezogener
Gesamtschweregrad (Patient Clinical Complexity Level [PCCL]), Alter, Verweildauer, Beatmung, Entlassungsgrund, Hauptdiagnose
und in einigen Fällen Nebendiagnose oder Prozedur unterteilt (G-DRG-Version 2006 Definitionshandbuch, Kompaktversion Bd I,
S 8). Dabei gibt das vierte Zeichen der DRG-Bezeichnung den Ressourcenverbrauch innerhalb der Basis-DRG an (A = höchster Ressourcenverbrauch,
B= zweithöchster Ressourcenverbrauch, usw, ... Z = keine Unterteilung, S 4 aaO). Vorliegend ist für die Zuordnung der Behandlungsepisode
zur richtigen DRG entsprechend dem Algorithmus die Beantwortung der Frage nach der äußerst schweren CC entscheidend. Ob eine
solche bei der Versicherten anzunehmen ist, richtet sich nach deren PCCL während der Behandlungsepisode.
Komplikationen oder Komorbiditäten können die Behandlung von Krankheiten erschweren und verteuern. Deshalb muss die DRG-Klassifikation
die unterschiedliche Schwere einer Erkrankung berücksichtigen (vgl auch § 17b Abs 1 Satz 2 KHG). Schweregrade von Komplikationen oder Komorbiditäten (Complication or Comorbidity Level [CCL]) sind Schweregrad-Stufen,
die für alle Nebendiagnosen, aber auch nur für Nebendiagnosen vergeben werden. Ihr Wert kann zwischen 0 und 4 für operative
und neonatologische Behandlungsepisoden und zwischen 0 und 3 für medizinische Behandlungsepisoden variieren und wird aus einer
Kombination von medizinischen Bewertungen und statistischen Analysen ermittelt. Die Stufen sind wie folgt definiert:
- CCL = 0 - Der Kode ist entweder keine Komplikation oder Komorbidität, oder
der Kode ist Teil der Definition der DRG, der diese Behandlungsepisode zugewiesen wurde, oder
der Kode kennzeichnet eine Komplikation oder Komorbidität, die jedoch eng mit der Hauptdiagnose verbunden ist, oder
genau derselbe Kode ist bereits an einer anderen Stelle des Datensatzes enthalten;
- CCL = 1 - Der Kode kennzeichnet eine leichte CC.
- CCL = 2 - Der Kode kennzeichnet eine mäßig schwere CC.
- CCL = 3 - Der Kode kennzeichnet eine schwere CC.
- CCL = 4 - Der Kode kennzeichnet eine äußerst schwere CC.
Der PCCL wird entsprechend den jeweiligen CCL-Werten in fünf Stufen unterteilt (0 - 4). Er stellt keine einfache Addition
der individuell bestehenden CCL-Werte dar, sondern beruht auf einem eigenständigen Berechnungsvorgang, der die logisch möglichen
Verknüpfungen miteinander in Beziehung setzt, um einen individuell gewichteten Gesamt-CCL-Wert, den PCCL, zu erhalten. Diese
PCCL-Ermittlung verhindert eine ungerechtfertigte Kumulation sich in ihrer Wirkung überschneidender Komplikationen oder Komorbiditäten
(vgl zum Ganzen G-DRG-Version 2006 Definitionshandbuch, Kompaktversion Bd I, S 5).
Der Grouper ermittelt für jede Diagnose in einem Datensatz automatisch den CCL-Wert, verwendet jedoch bei Neugeborenen und
Fällen außer Neugeborenen unterschiedliche Verfahren. In Fällen, in denen es sich - wie hier - nicht um Neugeborene handelt,
geht der Grouper folgendermaßen vor:
1. Er identifiziert die Basis-DRG, zu der die Behandlungsepisode gehört, und überprüft, ob die Diagnose bereits Teil der Definition
der Basis-DRG ist. Ist dies der Fall, wird sie nicht als CC anerkannt und erhält den CCL-Wert Null.
2. Der Grouper überprüft, ob die Basis-DRG die Diagnosen Polytrauma (Basis-DRGs W01 - W61) oder HIV (Basis-DRGs S60 - S65)
beinhaltet. Da die Diagnose Trauma bereits bei der Zuordnung zu MDC 21 berücksichtigt wurde, wird eine Nebendiagnose Trauma
(S00.00 - T14.9, T79.0 - T79.9) nicht als CC anerkannt und erhält den CCL-Wert Null. Ähnlich wird auch bei HIV-Diagnosen (B20
- B24, F02.4) in MDC 18 verfahren.
3. Der Grouper überprüft, ob der Kode eine Doublette der Hauptdiagnose oder einer bereits vorher verarbeiteten Nebendiagnose
ist. Ist dies der Fall, erhält er den CCL-Wert Null.
4. Der Grouper überprüft, ob der Kode aufgrund seines engen Bezuges zur Hauptdiagnose als CC ausgeschlossen werden soll. Ist
dies der Fall, erhält er den CCL-Wert Null.
5. Der Grouper ermittelt anhand der Nummer der Basis-DRG eine Spaltennummer aus der ADRG-Spaltentabelle. Wenn die Spaltennummer Null ist, erhält der Kode den CCL-Wert Null.
6. Der Grouper ermittelt nach Berücksichtigung der Faktoren Geschlecht des Patienten und/oder Entlassungsgrund anhand der
CC-Zeilentabelle eine Zeilennummer.
7. Der Grouper ermittelt anhand der CCL-Matrix mit Hilfe der Zeilen- und Spaltennummer den CCL-Wert.
(G-DRG-Version 2006 Definitionshandbuch, Kompaktversion Bd III, S 595; für die manuelle Bearbeitung der Nr 4 - 7 bedarf es
der dem Definitionshandbuch beiliegenden CD-ROM).
Dies ergibt für die Diagnosen folgende CCL-Werte:
(1) Instabile Angina pectoris (ICD 10 I20.0) als Hauptdiagnose: CCL wird nur für Nebendiagnosen vergeben; als Nebendiagnose:
CCL 2, gebildet aus Zeile 95 und Spalte 15 der CCL-Matrix.
(2) Ein-Gefäßerkrankung (ICD 10 I25.11) immer CCL 0, auch als Nebendiagnose, weil die Diagnose bereits Teil der Definition
der Basis-DRG ist.
(3) Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden bei leichter Belastung (ICD 10 I50.13) als Nebendiagnose: CCL 4, gebildet aus Zeile
21 und Spalte 15 der CCL-Matrix.
(4) Benigne essentielle Hypertonie (ICD 10 I10.00): CCL 0.
Der PCCL ergibt bei einem CCL-Wert von 4 und einem CCL-Wert von 2 einen Wert von 4 (G-DRG-Version 2006 Definitionshandbuch,
Kompaktversion Bd III, S 598). Dies ist hier dann der Fall, wenn die instabile Angina pectoris neben der Linksherzinsuffizienz
mit Beschwerden bei leichter Belastung eine Nebendiagnose ist. Der PCCL ergibt bei nur einem CCL-Wert von 4 ohne weitere CCLs
einen Wert von 3 (G-DRG-Version 2006 Definitionshandbuch, Kompaktversion Bd III, S 598). Das ist hier der Fall, wenn die instabile
Angina pectoris Hauptdiagnose und nur die Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden bei leichter Belastung als mit einem CCL-Wert
versehene Nebendiagnose übrigbleibt. Letzteres wird im Ergebnis durch die Anwendung der DKR (2006) 0901e bewirkt.
Da die DRG F57A eine äußerst schwere CC erfordert, die mit dem PCCL-Wert 4 definiert ist, wäre eine Kodierung der instabilen
Angina pectoris als Nebendiagnose erforderlich, um den CCL-Wert der Nebendiagnose Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden bei
leichter Belastung zu "stützen" und hierdurch einen PCCL von 4 zu erreichen. Dies verhindert die Anwendung der DKR (2006)
0901e, die lautet:
"0901e Ischämische Herzkrankheit
Angina pectoris (I20.-)
Liegt bei einem Patienten eine Angina pectoris vor, ist der entsprechende Kode vor dem Kode der Koronaratherosklerose anzugeben.
Wenn ein Patient mit instabiler Angina pectoris aufgenommen wird und diese sich während des Krankenhausaufenthaltes zu einem
Myokardinfarkt entwickelt, ist nur der Kode für einen Myokardinfarkt anzugeben.
Wenn der Patient jedoch eine Postinfarkt-Angina entwickelt, kann I20.0 Instabile Angina pectoris als zusätzlicher Kode angegeben
werden."
Nach dem Wortlaut der Kodieranweisung wird lediglich eine eindeutige Reihenfolge vorgegeben: Die Angina pectoris ist vor der
Koronaratherosklerose zu kodieren. Eine Qualifizierung und Unterteilung in Haupt- und Nebendiagnose erfolgt nicht. Ist aufgrund
anderer Kodieranweisungen eine dritte Diagnose als Hauptdiagnose anzugeben, ergibt sich automatisch, dass die instabile Angina
pectoris als erste Nebendiagnose und die Koronaratherosklerose als zweite Nebendiagnose zu kodieren ist. Existiert keine weitere
Hauptdiagnose neben der instabilen Angina pectoris und der Koronaratherosklerose, ist zwingend die instabile Angina pectoris
Hauptdiagnose, weil die in der Eingabemaske des Groupers ersteinzutragende Diagnose immer die Hauptdiagnose ist. Daneben regeln
die weiteren Kodieranweisungen einerseits eine Ausnahme von der Kodierfähigkeit der instabilen Angina pectoris und anderseits
zu dieser zweiten Kodieranweisung eine Rückausnahme, nämlich dass die Angina pectoris gleichwohl als zweite und damit zwingend
als Nebendiagnose zu kodieren ist (unzutreffend daher Zaiß in ders, DRG: Verschlüsseln leicht gemacht, 3. Aufl 2005, S 33,
wonach nur die Reihenfolge der Nebendiagnosen festgelegt werde; zutreffend dagegen Metzger in Zaiß, aaO, S 209 - dort noch
mit einem Beispiel zur wortgleichen DKR [2005] 0901d). Auch das bei DKR (2006) 0901e wiedergegebene Beispiel zeigt, dass die
instabile Angina pectoris zuerst und damit dort als Hauptdiagnose zu kodieren ist. Die von der Beklagten vertretene Auffassung
bedeutet gerade die Nichtbeachtung der Kodieranweisung DKR (2006) 0901e, indem entgegen dem eindeutigen Wortlaut die Koronaratherosklerose
zuerst kodiert werden soll.
Aus DKR (2006) D002d als Teil der Allgemeinen Kodierrichtlinien für Krankheiten folgt nichts Gegenteiliges. DKR (2006) D002d
definiert zwar die Hauptdiagnose als die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für
die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist. Dies trifft hier auf die Koronaratherosklerose
zu, die Ursache für die OPS 8-837.k0 war (perkutan-transluminale Gefäßintervention an Herz und Koronargefäßen, Einlegen eines
nicht medikamentenfreisetzenden Stents inkl: Bypassgefäß, ein Stent in eine Koronararterie). Die dort gegebene, den Speziellen
Kodierrichtlinien vorangestellte (vor die Klammer gezogene) Definition der Hauptdiagnose ist gleichwohl hier unbeachtlich,
weil aus normsystematischen Gründen die Speziellen Kodierrichtlinien, die von den Allgemeinen Kodierrichtlinien abweichen,
vorrangig sind (lex specialis derogat legi generali). Dies gilt jedenfalls, soweit nicht ausdrücklich etwas Gegenteiliges
bestimmt ist. Bestätigt wird dieser allgemeine Grundsatz durch die Ausführungen in der Einleitung zur DKR (2002), wo ausgeführt
wird (abgedruckt in der DKR [2006] S V):
"Der erste Teil enthält allgemeine Richtlinien zur Kodierung von Diagnosen und Prozeduren. Es werden Begriffe wie Haupt- und
Nebendiagnose definiert und Hinweise zur Verschlüsselung von Prozeduren gegeben. In den Speziellen Kodierrichtlinien werden
besondere Fallkonstellationen beschrieben, die entweder der konkreten Festlegung dienen oder bei denen aus Gründen der DRG-Logik
von den Allgemeinen Kodierrichtlinien abgewichen werden muss."
Dies bedeutet, dass zwar nicht die Koronaratherosklerose als Hauptdiagnose vor der Diagnose instabile Angina pectoris kodiert
werden darf, weil dies DKR (2006) 0901e ohne Einschränkung anders bestimmt. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass eine dritte
Diagnose vor der instabilen Angina pectoris als Hauptdiagnose kodiert werden darf. Nach den unangegriffenen und deshalb den
Senat bindenden Feststellungen des LSG steht fest (§
163 SGG), dass aus medizinischer Sicht die benigne essentielle Hypertonie und die Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden bei leichter
Belastung bei der Versicherten nur Nebendiagnosen sind. Es gibt somit keine vorrangig als Hauptdiagnose zu kodierende Dritt-Diagnose.
Der erkennende Senat sieht sich hierbei im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 3. BSG-Senats (BSGE 107, 140, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; kritisch dazu Fiori/Siam/Helling/Bunzemeier/Roeder, KH 20011, 573 ff). Danach
sind für die Zuordnung eines Behandlungsfalles zu einer DRG Nebendiagnosen bedeutsam, soweit ihnen die Vertragsbeteiligten
zur angemessenen Bewertung von Versorgungsbesonderheiten Abrechnungsrelevanz beigemessen haben. Für Begleiterkrankungen -
so der 3. Senat - ist das nach den Kodierrichtlinien nur der Fall, wenn sie einen über die Hauptdiagnose hinausgehenden Versorgungsaufwand
bedingen. Insoweit bedarf es hier keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob die Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden
bei leichter Belastung (ICD 10 I50.13) und die benigne essentielle Hypertonie (ICD 10 I10.00) als Nebendiagnosen überhaupt
kodiert werden durften. Auch wenn die beiden Diagnosen gar nicht als Nebendiagnosen kodierfähig waren, ist dies ohne Belang,
da sie vorliegend - wie oben ausgeführt - nicht erlöswirksam sind.
d) Rechnerisch ergibt sich die Höhe des Erstattungsanspruchs der Klägerin von 1021,13 Euro aus dem unterschiedlichen effektiven
Kostengewicht, das der DRG F57A (1,363) und der DRG F57B (1,032) durch die FPV 2006 zugewiesen ist. Multipliziert mit dem
für die Beklagte geltenden Basisentgelt von 2981,81 Euro errechnet sich für die vergütete, aber nicht geschuldete DRG F57A
ein gerundeter Betrag von 4064,21 Euro und für die zu vergütende DRG F57B ein gerundeter Betrag von 3077,23 Euro, mithin eine
Überzahlung von 986,98 Euro. Der insoweit nicht streitige AIP-Zuschlag von 3,46 % verringert sich von gerundet 140,62 Euro
(aus 4064,21 Euro) auf gerundet 106,47 Euro (aus 3077,23 Euro), mithin um 34,15 Euro.
4. Die Klägerin ist rechtlich nicht gehindert, den Erstattungsbetrag geltend zu machen. Zahlt eine KK vorbehaltlos auf eine
Krankenhaus-Rechnung, kann sie mit der Rückforderung - und damit auch mit dem späteren Bestreiten ihrer Zahlungspflicht -
ganz ausgeschlossen sein, wenn sie nämlich (positiv) gewusst hat, dass sie zur Leistung nicht verpflichtet war (Rechtsgedanke
des §
814 BGB; vgl BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 §
109 Nr 17, RdNr 30). So liegt es hier indes nicht. Denn die Klägerin hat die Rechnung der Beklagten lediglich unter dem Vorbehalt
medizinischer Überprüfung bezahlt.
Ein Vorbehalt dieser Art lässt die Schuldtilgung in der Schwebe und steht einer Erfüllung iS von §
362 BGB entgegen. Die inhaltlichen Anforderungen an einen solchen Vorbehalt unterscheiden sich danach, ob die KK vertraglich zur
Zahlung innerhalb einer kurzen Frist nach Rechnungseingang verpflichtet ist oder nicht. Besteht keine Pflicht der KK, kurzfristig
nach Rechnungslegung zu zahlen, sind die Anforderungen an einen Vorbehalt höher: Die KK muss verdeutlichen, dass sie trotz
Zahlung noch nicht erfüllen und einen Beweislastwechsel vermeiden will. Ist die KK dagegen vertraglich zur Zahlung kurze Zeit
nach Rechnungseingang verpflichtet, genügt es zur Vermeidung eines Beweislastwechsels im Erstattungsstreit, dass die Zahlung
der KK lediglich "unter dem Vorbehalt medizinischer Überprüfung" erfolgt (BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 36 f).
Das LSG hat zur Zahlungspflicht binnen einer bestimmten Frist keine Feststellungen getroffen. Hierauf kommt es jedoch nicht
an, weil die Klägerin in der Anlage zu dem für sie durch die ARGE Krankenhaus der BKK eV erstellten Schreiben vom 18.12.2006
detailliert die unterschiedlichen Vergütungsberechnungen dargelegt hat. Dies genügt selbst den höheren Anforderungen an einen
Vorbehalt hinsichtlich einer Zahlungspflicht, die keiner kurzen Frist unterworfen ist.
5. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch Anspruch auf die Zahlung von Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz aus dem geltend gemachten Erstattungsbetrag (vgl BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 16 ff). Das zitierte Urteil des erkennenden Senats betrifft einen Sachverhalt im Geltungsbereich desselben Vertrags
nach §
112 SGB V, der nach den vom LSG in Bezug genommenen Feststellungen des SG jedenfalls hinsichtlich der Zinsregelung fortgilt. Die Beteiligten haben für die hier betroffene Zeit nichts Abweichendes
vorgetragen.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1 Halbs 3
SGG iVm §
154 Abs
1 VwGO, diejenige über den Streitwert aus §
197a Abs
1 Satz 1 Halbs 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.