Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bei einer Dienstreise
Gründe:
I. Streitig ist, ob der Unfall des Klägers am 3. Juni 1994 ein Arbeitsunfall ist.
Der im Jahre 1944 geborene Kläger war als Montagemeister bei den S - werken beschäftigt und nahm am 3. und 4. Juni 1994 an
einem von seinem Arbeitgeber veranlassten Fortbildungsseminar auf Schloss R in Sachsen teil. Am 3. Juni 1994 hatte der Unterricht
bis gegen 18.15 Uhr gedauert. Daran schloss sich ein gemeinsames Abendessen sowie auf freiwilliger Basis die Besichtigung
kulturhistorisch interessanter Bauwerke des Ortes R an. Nach der Rückkehr in das Tagungshotel stürzte der Kläger gegen 22.00
Uhr auf dem Weg in sein Zimmer eine Wendeltreppe rückwärts hinab und verletzte sich erheblich.
Mit Bescheid vom 21. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung
des Treppensturzes als Arbeitsunfall ab, weil sich der Unfall nach Beendigung der versicherten Tätigkeit und nachfolgender
zweieinhalbstündiger Freizeitgestaltung auf dem anschließenden Weg zur Nachtruhe ereignet habe. Der beabsichtigte Gang zum
Hotelzimmer sei dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen. Das Begehen der Wendeltreppe zum Hotelzimmer stelle auch keine
besondere durch den auswärtigen Aufenthalt bedingte Gefahr dar.
Das Sozialgericht (SG) Dresden hat die Klage mit im Wesentlichen gleicher Begründung abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 25. Januar 2006). Das Sächsische
Landessozialgericht (LSG) hat diese Entscheidung auf die Berufung des Klägers aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei
dem Sturz um einen Arbeitsunfall gehandelt hat (Urteil vom 26. Oktober 2006). Der Kläger habe sich im Unfallzeitpunkt auf
einer Dienstreise befunden. Auf solchen Reisen könne Unfallversicherungsschutz auch bei Verrichtungen bestehen, die an sich
der Privatsphäre zugehörig seien, wenn durch die Verhältnisse am auswärtigen Dienstort eine besondere Gefahrenlage geschaffen
werde, die der Reisende in seiner gewohnten Umgebung nicht angetroffen hätte.
Das sei hier der Fall gewesen, denn eine Wendeltreppe existiere weder im Wohnhaus noch in der Betriebsstätte des Klägers.
Hinzu komme, dass die Treppe im Hotel kein Geländer, sondern lediglich an der Wandseite eine Kordel als Handlauf besessen
habe. Dieser Umstand sei auch eine wesentliche Mitursache des Unfalls gewesen. Der Kläger sei gestrauchelt und habe versucht,
sich an der Innenseite der Treppe festzuhalten, sei aber gefallen, weil es dort keine Haltemöglichkeit gegeben habe und er
die Kordel an der Außenseite nicht habe fassen können.
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 548 der
Reichsversicherungsordnung (
RVO). Der Weg zur Nachtruhe, auf dem sich der Unfall ereignet habe, gehöre auch auf einer Dienstreise zum unversicherten privaten
Bereich. Versicherungsschutz lasse sich deshalb nur begründen, wenn der Kläger einer besonderen Gefahr erlegen sei, der er
gerade durch den erzwungenen Aufenthalt in einer fremden Umgebung ausgesetzt gewesen sei. Dabei sei aber entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts nicht ein konkreter, sondern ein abstrakt-genereller Maßstab anzulegen. Entscheidend sei, ob die potentiell
unfallträchtige bauliche Einrichtung ihrer Art nach so ungewöhnlich sei, dass ein Versicherter ihr in seinem häuslichen oder
dienstlichen Umfeld regelmäßig nicht begegne. Dagegen könne es nicht darauf ankommen, ob am Arbeitsplatz oder im Wohnbereich
des jeweiligen Klägers tatsächlich die gleiche Einrichtung vorhanden sei. Wendeltreppen seien übliche bauliche Einrichtungen,
die sich sowohl in Privathäusern als auch an Arbeitsplätzen fänden. Auch das Fehlen eines Handlaufs an der Innenseite der
Treppe begründe keine besondere Gefahr, da dies dem typischen Bauzustand bei derartigen Treppen entspreche.
Die Beklagte beantragt sinngemäß, das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. Oktober 2006 aufzuheben und die
Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 25. Januar 2006 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er schließt sich dem angefochtenen Urteil an.
II. Die Revision der Beklagten ist insofern begründet, als der Rechtsstreit zur Durchführung weiterer Ermittlungen an das
LSG zurückverwiesen werden muss. Aufgrund der bisherigen Feststellungen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Treppensturz
des Klägers am 3. Juni 1994 als Arbeitsunfall anzusehen ist.
Da es um ein Unfallereignis aus der Zeit vor dem In-Kraft-Treten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VII) am 1. Januar 1997 geht, beurteilt sich das Klagebegehren noch nach den seinerzeit geltenden Vorschriften der
RVO (§
212 SGB VII).
Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs 1
RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545
RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Zur Annahme eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten
zur Zeit des Unfalls einer solchen versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), dass diese
Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität)
und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).
Ob die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, muss wertend entschieden
werden, indem untersucht wird, ob sie innerhalb der Grenze liegt, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz
reicht. Maßgebend ist, ob die zum Unfall führende Handlung der versicherten Tätigkeit dienen sollte und ob diese Handlungstendenz
des Versicherten durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 5 RdNr 5, 6 mwN).
Die Tatsache, dass der Kläger den Unfall während einer seiner beruflichen Fortbildung dienenden Dienst- bzw Geschäftsreise
erlitten hat, reicht für sich alleine zur Begründung eines rechtlich bedeutsamen inneren Zusammenhanges mit der versicherten
Tätigkeit nicht aus. Ein derartiger Zusammenhang wird zwar am Ort der auswärtigen Beschäftigung oftmals eher anzunehmen sein
als am Wohn- oder Betriebsort. Einen lückenlosen Versicherungsschutz auf Geschäftsreisen mit der Erwägung, dass der Reisende
gezwungen sei, sich an einem fremden Ort in einer fremden Umgebung aufzuhalten, hat das Bundessozialgericht (BSG) aber stets
abgelehnt (grundlegend bereits BSGE 8, 48, 50 f = SozR Nr 13 zu § 542
RVO aF; vgl ferner BSGE 39, 180 = SozR 2200 § 548 Nr 7; SozR 2200 § 548 Nr 21 und Nr 33; SozR 3-2200 § 539 Nr 17; Urteil vom 4. Juni 2002 - B 2 U 21/01 R - USK 2002-79; Krasney in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: 2007, §
8 SGB VII RdNr 100 mwN).
Vielmehr kommt es auch hier darauf an, ob die Betätigung, bei der der Unfall eintritt, eine rechtlich bedeutsame Beziehung
zu der betrieblichen Tätigkeit am auswärtigen Dienstort aufweist, welche die Annahme eines inneren Zusammenhangs rechtfertigt.
Auch auf Geschäftsreisen entfällt der Versicherungsschutz, wenn der Reisende sich rein persönlichen, von seinen betrieblichen
Aufgaben nicht mehr wesentlich beeinflussten Belangen widmet (Beispiele: BSGE 39, 180 = SozR 2200 § 548 Nr 7: Bad im Hotelswimmingpool; BSG SozR 2200 § 548 Nr 21:
Besuch des Oktoberfestes im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung; BSG SozR 2200 § 539 Nr 110: privater Spaziergang während
der arbeitsfreien Zeit; ausführlich dazu: Krasney, aaO, §
8 SGB VII RdNr 102 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Der Weg zum Hotelzimmer, auf dem der Kläger verunglückt ist, weist keinen erkennbaren sachlichen Bezug zu der Teilnahme an
den Seminarveranstaltungen auf, die den dienstlichen Grund für den Aufenthalt in Reinsberg bildeten. Nach den Feststellungen
im angefochtenen Urteil hatte der eigentliche Unterrichtsbetrieb am frühen Abend geendet. Bereits das nachfolgende gemeinsame
Abendessen der Lehrgangsteilnehmer war nicht mehr Teil des Dienstgeschäftes, denn es gibt keine Hinweise, dass es sich um
ein sog Arbeitsessen (wie im Urteil des Senats vom 30. Januar 2007 - B 2 U 8/06 R - USK 2007-17) oder ein aus anderen Gründen für die Teilnehmer verpflichtendes Gemeinschaftsessen (wie zB im Urteil vom 24.
Februar 2000 - SozR 3-2700 § 8 Nr 2) gehandelt haben könnte. Ebenso diente die nachfolgende Stadtbesichtigung allein eigenwirtschaftlichen
Belangen. Dienstliche Veranstaltungen waren für den Abend und bis zum nächsten Morgen nicht vorgesehen. Der Kläger hatte sich
somit bereits mehrere Stunden vor dem Unfall endgültig der privaten Freizeitgestaltung zugewandt.
Zutreffend hat das LSG bei dieser Sachlage geprüft, ob das Begehen der Wendeltreppe trotz des privaten Charakters des Weges
deshalb unter Versicherungsschutz gestanden hat, weil der Kläger durch die Umstände der Dienstreise einer besonderen Gefährdung
ausgesetzt war.
Denn ein rechtlich wesentlicher innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit kann nach der ständigen Rechtsprechung
des BSG auch dadurch begründet werden, dass der Reisende gezwungen ist, sich bei seiner privaten Lebensgestaltung am Aufenthaltsort
Risiken auszusetzen, die ihm während seines normalen Verweilens am Wohn- oder Beschäftigungsort nicht begegnet wären (vgl
BSGE 39, 180, 181 = SozR 2200 § 548 Nr 7 S 15; BSG SozR 2200 § 539 Nr 110 S 306; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 17 S 65; BSG Urteil vom 29.
August 1974 - 2 RU 189/72 - USK 74128; siehe auch Krasney, aaO, §
8 SGB VII RdNr 107, 108).
Eine am Ort der auswärtigen Beschäftigung bestehende Gefahrenquelle ist allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen der
versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Erforderlich ist zum einen, dass sie sich bei solchen privaten Verrichtungen des täglichen
Lebens auswirkt, die auch während einer Dienst- oder Geschäftsreise zwangsläufig anfallen, mit der Folge, dass sich der Versicherte
der Gefährdung nicht entziehen kann. Ein betrieblicher Bezug ist deshalb gegeben, wenn besondere gefahrbringende Umstände
am Ort des Dienstgeschäfts Unfälle beispielsweise bei der Nachtruhe, der Körperreinigung oder der Nahrungsaufnahme einschließlich
der damit zusammenhängenden Wege verursachen (Beispiele: BSGE 8, 48 = SozR Nr 13 zu § 542
RVO aF: Riss des Fahrstuhlseils auf dem Weg zur Nachtruhe; BSG SozR Nr 3 zu § 548
RVO: Sturz aus einem ungesicherten Hotelfenster während einer Unterbrechung der Nachtruhe; BSG SozR Nr 5 zu § 548
RVO: Sturz aus dem Schlafwagen des für eine Dienstreise benutzten Nachtzuges wegen Verwechslung der Toilettentür mit der Außentür;
BSG Urteil vom 22. Oktober 1975 - 8 RU 148/74 - USK 75123: Ausrutschen auf glattem Boden beim Ankleiden im Hotel; ähnlich: BSG SozR 2200 § 539 Nr 72: Sturz eines Krankenhauspatienten
beim Versuch, die Füße in einem zu hoch angebrachten Waschbecken zu waschen; BSG Urteil vom 12. Mai 1981 - 2 RU 7/80 - USK 81106: Sturz eines Krankenhauspatienten beim Verstellen der Lautstärke eines an der Wand hoch angebrachten Fernsehgeräts).
Dagegen begründen Gefährdungen, denen sich der Reisende bei privaten Unternehmungen am Aufenthaltsort freiwillig aussetzt,
keinen Versicherungsschutz (Beispiele: BSGE 39, 180 = SozR 2200 § 548 Nr 7: Sprung vom Dreimeterbrett des Hotelswimmingpools; BSG SozR 2200 § 539 Nr 110:
Absturz bei einem privaten Spaziergang im Gebirge; BSG SozR 2200 § 548 Nr 21:
Verkehrsunfall beim Besuch des Oktoberfestes). Da der Kläger auf dem Weg zur Nachtruhe verunglückt ist, steht dieser Gesichtspunkt
einer Bewertung als Arbeitsunfall in seinem Fall nicht entgegen.
Weitere Voraussetzung für die Annahme eines betrieblichen Zusammenhangs ist, dass es sich um eine Gefahrenquelle handelt,
die in ihrer besonderen Eigenart dem Versicherten am Wohnoder Betriebsort nicht begegnet wäre (BSG SozR Nr 3 und Nr 5 zu §
548
RVO; SozR 2200 § 539 Nr 110 S 306; SozR 3-2200 § 539 Nr 17). Diese in verschiedenen Urteilen des BSG verwendete Formulierung wird vom Berufungsgericht missverstanden, wenn es
auf die konkreten Wohn- und Arbeitsverhältnisse des jeweiligen Versicherten abstellt und den Versicherungsschutz davon abhängig
macht, ob in dessen Wohnung oder an dessen Arbeitsplatz die gleiche Einrichtung existiert, die am Dienstort den Unfall verursacht
hat. Da sich die Verhältnisse am Wohn- und Arbeitsort und am auswärtigen Dienstort praktisch nie vollkommen gleichen, hätte
eine solche Betrachtungsweise zur Folge, dass Versicherte auf Geschäftsreisen über die Figur der dienstreisespezifischen Unfallgefahr
einen weitgehenden Versicherungsschutz auch bei privaten Verrichtungen genießen würden. Das ist indes mit der Rechtsprechung
zum erweiterten Versicherungsschutz auf Dienstreisen nicht bezweckt.
Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung ist die Überlegung, dass ein Unfall, der sich bei einer dem persönlichen Lebensbereich
zugehörigen und deshalb an sich unversicherten Tätigkeit ereignet, dennoch ausnahmsweise einen betrieblichen Bezug aufweisen
kann, wenn er durch eine gefährliche Einrichtung ausgelöst wird, die zu benutzen der Versicherte wegen des auswärtigen Dienstgeschäfts
gezwungen ist. Die damit verbundene Ausweitung des Versicherungsschutzes hat jedoch Ausnahmecharakter; sie ist nur gerechtfertigt,
soweit sich die aus der Dienstreise erwachsenden Unfallgefahren nach Art und Ausmaß von den vielfältigen alltäglichen Risiken
abheben, denen jeder Mensch auch in seinem gewohnten Lebensumfeld ausgesetzt ist. Demgemäß hat das BSG wiederholt zum Ausdruck
gebracht, es bedürfe in solchen Fällen einer besonderen, vom Üblichen abweichenden Gefahrensituation, mit der der Betreffende
nicht habe rechnen können. So ist etwa eine unbeleuchtete Stufe auf dem Gelände einer beruflichen Bildungsstätte nicht als
besonderer Gefahrenherd angesehen worden, weil dem Verunglückten das Gelände bekannt gewesen sei und es sich deshalb nicht
um ein einer fremden Umgebung eigentümliches Unfallrisiko gehandelt habe (BSG Urteil vom 26. Januar 1983 - 9b/8 RU 38/81 - Lauterbach UV § 548 Abs 1 Satz 1 Nr 11345 = HVGBG RdSchr VB 38/83). Ebenso hat der Senat Unfälle beim - wegen einer Erkrankung
notwendigen - Saunabesuch oder beim Duschen während eines auswärtigen Arbeitseinsatzes nicht als Arbeitsunfall anerkannt,
weil die latent vorhandene Gefahr, auf nassen Fliesen in Saunabädern oder Duschräumen auszurutschen, allgemein bekannt sei
und deshalb die Annahme einer besonderen Gefahrenquelle am Ort der Dienstreise nicht gerechtfertigt sei (Urteile vom 27. Juli
1989 - 2 RU 3/89 - SozR 2200 § 548 Nr 95 und vom 4. Juni 2002 - B 2 U 21/01 R - USK 2002-79). Maßgebend war, dass es sich um gängige bauliche Einrichtungen handelte, deren Unfallrisiken regelmäßig auch
solchen Versicherten vertraut sind, die in ihrer Wohnung nicht selbst über eine Dusche oder eine Sauna verfügen.
Nach den zuvor entwickelten rechtlichen Maßstäben kann ein innerer Zusammenhang des Treppensturzes mit der versicherten Tätigkeit
nicht allein mit der Erwägung bejaht werden, der Kläger habe sich am Dienstort einer Einrichtung bedienen müssen, die ihm
aus seiner gewohnten Wohn- und Arbeitsumgebung nicht vertraut gewesen sei. Wendeltreppen sind übliche bauliche Anlagen, die
sowohl in Privathäusern als auch in geschäftlich genutzten Gebäuden anzutreffen und bei Einhaltung der einschlägigen baupolizeilichen
Vorschriften nicht per se als besonders gefährlich einzustufen sind. Der Sturz des Klägers wäre deshalb nur dann als Arbeitsunfall
zu bewerten, wenn die konkrete Treppe, auf der sich der Unfall ereignet hat, wegen ihrer besonderen Bauart, wegen ihres baulichen
Zustandes einschließlich etwaiger Baumängel, wegen der im Unfallzeitpunkt herrschenden Beleuchtungsverhältnisse oder aus anderen
denkbaren Gründen als ungewöhnlich gefährlich einzustufen wäre und wenn diese speziellen Gefahrenmomente den Sturz wesentlich
mitverursacht hätten. Dies zu beurteilen, reichen die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen nicht aus.
Das LSG hat zwar darauf hingewiesen, dass die Wendeltreppe von verschiedener Seite, etwa von der Sparkassenversicherung S
oder dem Haftpflichtversicherer des Schlosshotels, als unfallgefährlich eingestuft worden ist und dass "zur Überzeugung des
Senats" auch das Hotel selbst die Treppe generell als gefahrbringenden Umstand angesehen und durch Schilder und Hinweise des
Personals darauf aufmerksam gemacht hat. Diese Ausführungen bedeuten aber zunächst nur, dass das Begehen einer Wendeltreppe
generell eine besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht erfordert. Darüber hinaus beinhalten sie keine revisionsgerichtlich verwertbaren
Feststellungen. Abgesehen davon, dass nicht klar ist, ob ihnen ein zutreffendes Verständnis des Begriffs der besonderen Gefahr
zugrunde liegt, fehlt es an jeder eigenen Bewertung der zitierten Äußerungen durch das Berufungsgericht. Der Senat hat wiederholt
hervorgehoben, dass das Gericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst feststellen muss, indem es die Aussagen von
Zeugen oder Sachverständigen würdigt und zu erkennen gibt, welche Angaben es für zutreffend hält und sich zu Eigen macht.
Die bloße Wiedergabe von Aussagen Dritter in wörtlicher Rede oder mit dem Zusatz "nach Angabe von ..." reicht als Tatsachenfeststellung
nicht aus (BSG SozR 4-1500 § 163 Nr 1; SozR 4-2700 § 8 Nr 12; siehe auch Urteil des 12. Senats des BSG vom 22. Juni 2005 -
B 12 RA 14/04 R).
Zu Bauart und Bauzustand der Wendeltreppe im Schlosshotel Reinsberg hat das LSG lediglich ausgeführt, diese habe an der Innenseite
keinen und an der Außenseite einen aus einer lose durchhängenden Kordel bestehenden Handlauf besessen. Ob eine solche Gestaltung
unüblich ist und eine gegenüber dem Normalzustand einer Wendeltreppe wesentlich erhöhte Sturzgefahr begründet, lässt sich
den tatrichterlichen Feststellungen nicht entnehmen. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass das Fehlen eines Handlaufs
an der Innenseite einer Wendeltreppe, die an einem Standrohr (sog Spindel) aufgehängt ist, dem normalen Bauzustand entspricht,
sodass hieraus kein spezielles Gefahrenpotential abzuleiten ist. Inwieweit die Verwendung einer Kordel statt eines festen
Handlaufs an der Wandseite als besonderer gefahrbringender Umstand angesehen werden muss, bedarf der Klärung, wobei auch von
Bedeutung ist, ob die in Rede stehende Bauweise nach dem maßgebenden Landesrecht bauordnungsrechtlich zulässig war oder nicht.
Sollten die Ermittlungen ergeben, dass von der in Rede stehenden Wendeltreppe besondere, über das normale Maß hinausgehende
Gefahrenmomente ausgingen, muss weiter geklärt werden, ob dem Kläger diese Gefahrenmomente bekannt waren. Die dazu im Urteil
enthaltenen Feststellungen widersprechen sich und sind deshalb im Revisionsverfahren nicht verwertbar.
Das LSG hat einerseits seine Überzeugung von der Gefährlichkeit der Anlage damit begründet, dass die Besucher vom Hotelpersonal
auf bestehende Risiken hingewiesen worden seien und auch entsprechende Hinweisschilder sichtbar angebracht gewesen seien.
Träfe das zu und wären die Hotelgäste, wie auf Seite 11 der Urteilsgründe ausgeführt, sogar gebeten worden, wegen der mit
der Bauart der Wendeltreppe verbundenen Gefahren nicht diese, sondern "den direkten Aufgang D" zu benutzen, könnte nicht von
einer dienstreisebedingten besonderen Gefahrenlage als Unfallursache ausgegangen werden, weil der Kläger die Gefahr gekannt
und sich ihr freiwillig ausgesetzt hätte. Auf Seite 12 der Urteilsgründe hat das Berufungsgericht freilich im Gegensatz dazu
ausgeführt, es sei aufgrund der glaubhaften Angaben des Klägers und des Zeugen D davon überzeugt, dass die Seminarteilnehmer
weder mündlich noch schriftlich auf die Gefährlichkeit der Wendeltreppe hingewiesen worden seien.
Präziserer Feststellungen bedarf es gegebenenfalls auch noch zu der Frage, ob etwaige mit der Benutzung der Wendeltreppe verbundene
besondere Gefahren den Unfallhergang wesentlich beeinflusst haben. Nach den Urteilsgründen kam es zu dem Sturz, weil "der
Kläger die Kordel an der Außenseite der Treppe nicht fassen konnte". Das kann so zu verstehen sein, dass die Kordel wegen
ihrer Beschaffenheit nicht zu fassen war bzw keinen ausreichenden Halt bot. Es kann aber auch bedeuten, dass der Kläger, als
er strauchelte, zu weit von der Wandseite entfernt war und die Kordel deshalb nicht erreichen konnte. Im zuletzt genannten
Fall hätte er auch einen festen Handlauf nicht zu fassen bekommen, sodass sich die besondere Bauart der Treppe nicht ausgewirkt
hätte. Ob gegebenenfalls eine der betrieblichen Tätigkeit zuzurechnende besondere Gefahrenlage den Unfall mitverursacht hat,
kann danach ohne weitere Sachaufklärung ebenfalls nicht beurteilt werden.
Das LSG wird bei seiner erneuten Entscheidung abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.