Berücksichtigung von Zeiten einer schulischen Ausbildung bei der Rentenberechnung bei Überschreitung der Höchstdauer
Gründe:
I
Der Kläger begehrt eine höhere Altersrente (AlR) als sie von der Beklagten bewilligt worden ist; der Rentenberechnung sei
ein kürzerer belegungsfähiger Gesamtzeitraum zugrunde zu legen, sodass die beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten höher
zu bewerten seien.
Der 1939 im heutigen Polen geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und im Besitz des Ausweises für Flüchtlinge und
Vertriebene "A".
Nach der Übersiedlung des Klägers in die Bundesrepublik Deutschland im November 1983 bewilligte die Beklagte Bergmannsrente
wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit. Die vom Kläger in Polen zurückgelegten Beschäftigungszeiten wurden dabei
nach Maßgabe des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung
vom 9.10.1975 (Abk Polen RV/UV, BGBl II 1976 S 396) in die deutsche gesetzliche Rentenversicherung übernommen. 1988 wurde
die Rente des Klägers in eine Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit (BU) auf Dauer umgewandelt. Im dazu erstellten Versicherungsverlauf
wurden ua 14 Monate Fachschulausbildung vom 27.11.1955 bis 31.12.1956 und 59 Monate Hochschulausbildung vom 27.11.1960 bis
30.9.1965 festgestellt, wobei eine Bewertung der Ausfallzeiten nur bis zum 31.12.1964 erfolgte.
Auf entsprechenden Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit ab 1.1.2000 eine AlR für Schwerbehinderte, Berufsunfähige
oder Erwerbsunfähige (Bescheid vom 14.12.1999). Die in Polen zurückgelegten Beitragszeiten des Klägers wurden dabei wiederum
nach dem Abk Polen RV/UV berücksichtigt. Die Zeit der Fachschulausbildung wurde erst ab Vollendung des 17. Lebensjahres, dh
ab .11.1956 angerechnet, und von den Zeiten der schulischen Ausbildung des Klägers wurden insgesamt 46 Monate bei der Rentenberechnung
bewertet bzw vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abgezogen. Die von den Vorinstanzen unterstellten drei bzw acht Jahre finden
im angefochtenen Bescheid keine Grundlage.
Der Kläger erhob am 10.1.2000 Widerspruch und machte geltend, die ihm nunmehr bewilligte AlR sei lediglich um 12,5 Prozent
höher als die vorherige BU-Rente. Nach dem Gesetz müsse die AlR hingegen um 50 Prozent höher sein. Die Beklagte wies den Widerspruch
zurück (Widerspruchsbescheid vom 20.2.2001); das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.11.2003).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 24.6.2005). Im hier noch interessierenden
Punkt habe das SG zutreffend dargelegt, dass Zeiten der Fachschulausbildung und Hochschulausbildung seit der Rentenreform 1992 gemäß §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB VI) nur noch nach vollendetem 17. Lebensjahr und nur noch im Gesamtumfang von bis zu acht Jahren berücksichtigt werden könnten.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von §§
58,
64 und
72 SGB VI. Die ihm gewährte Rente sei deshalb zu niedrig bemessen worden, weil im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung nach §
72 SGB VI die Zeit der Hochschulausbildung vom 1.1.1963 bis zum 30.9.1965 (33 Monate) entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG vom 18.10.2005 - B 4 RA 43/03 R - SozR 4-2600 § 71 Nr 1) nicht als beitragsfreie Zeit vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abgezogen worden sei. Das Gesetz
setze nämlich nicht voraus, dass die beitragsfreien Zeiten auch anrechenbar und bewertbar seien. Die Vorgehensweise der Beklagten
habe zu einer um 2,2882 Entgeltpunkte (EP) zu niedrigen Berechnungsgrundlage für seine Rente im Sinne des §
64 SGB VI geführt.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 2005 und des Sozialgerichts Gießen vom 25. November 2003 abzuändern
und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 14. Dezember 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar
2001 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. Januar 2000 höhere Altersrente unter Berücksichtigung eines um zusätzliche Ausbildungszeiten
verminderten belegungsfähigen Gesamtzeitraums zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das vom Kläger angeführte Urteil des BSG widerspreche der bestehenden Rechtslage.
Vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum seien nach §
72 Abs
3 Nr
1 SGB VI beitragsfreie Zeiten abzuziehen, die nicht auch Berücksichtigungszeiten seien. Für beitragsfreie Zeiten enthalte §
54 Abs
4 SGB VI eine Legaldefinition; unter anderem seien dies Anrechnungszeiten. Hierunter fielen gemäß §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI nur Schulzeiten nach Vollendung des 17. Lebensjahres und nur bis zu einer Höchstdauer von drei Jahren. Die diese Höchstdauer
überschreitenden Zeiten seien bei der Gesamtleistungsbewertung wie Lücken zu behandeln. Dies werde durch die Vorschrift des
§
207 SGB VI bestätigt, wonach die entstehenden Lücken durch freiwillige Beiträge geschlossen werden könnten, was bei fehlender Anwendung
der Höchstdauerregelung ohne Anwendungsbereich wäre. Eine Aufhebung der Höchstdauerregelung würde auch in anderen Bereichen
unerwünschte Auswirkungen haben, etwa bei der Erfüllung von Wartezeiten oder der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.
Weitere zwischen den Beteiligten strittige Punkte der Rentenberechnung sind während des Revisionsverfahrens dadurch ausgeräumt
worden, dass der Kläger sie nicht weiterverfolgt bzw sich die Beklagte zu einer dem Begehren des Klägers entsprechenden Neuberechnung
verpflichtet hat.
II
Der 5. Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen LSG vom 24.6.2005 im Wesentlichen zurückzuweisen.
Die Beklagte ist allenfalls verpflichtet, bei der Gesamtleistungsbewertung nach den §§
71 ff
SGB VI einen weiteren Monat (Januar 1963) der schulischen Ausbildung vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abzuziehen. Er sieht sich
an einer entsprechenden Entscheidung jedoch durch das Urteil des 4. Senats des BSG vom 18.10.2005 (B 4 RA 43/03 R - SozR 4-2600 § 71 Nr 1) gehindert; würde er die Rechtsauffassung, auf der dieses Urteil beruht, auch im vorliegenden Fall
zugrunde legen, wären die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei der Gesamtleistungsbewertung
statt eines Monats weitere 33 Monate der schulischen Ausbildung des Klägers im Zeitraum vom 1.1.1963 bis zum 30.9.1965 vom
belegungsfähigen Gesamtzeitraum abzuziehen.
Die zulässige Revision des Klägers ist nach Ansicht des 5. Senats ganz überwiegend unbegründet; die Rentenberechnung durch
die Beklagte entspricht im Wesentlichen den gesetzlichen Vorschriften.
Der Monatsbetrag der Rente errechnet sich nach §
64 SGB VI durch die Multiplikation der unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP, des Rentenartfaktors
und des aktuellen Rentenwerts, wobei der Wert dieser Faktoren bei Beginn der Rente zugrunde zu legen ist. Der Kläger beanstandet
ausschließlich die Ermittlung der EP für beitragslose bzw beitragsgeminderte Zeiten. §
72 und §
73 SGB VI regeln deren Grund- bzw Vergleichsbewertung, die sich im hier wesentlichen Punkt nicht unterscheiden; §
72 Abs
1 SGB VI legt die Berechnungsformel (Summe der EP für Beitragszeiten und Berücksichtigungszeiten dividiert durch die Anzahl der belegungsfähigen
Monate) fest, Abs 2 bestimmt den belegungsfähigen Gesamtzeitraum, der um die in Abs 3 genannten Zeiten zu kürzen ist, § 73
enthält die Modifikationen für die Vergleichsbewertung. Durch diese Rechenoperationen wird ermittelt, in welcher Gesamtzeit
der Versicherte seine auf Beschäftigung und gleichgestellten Zeiten beruhenden EP erwirtschaftet hat; der sich daraus ergebende
(höhere) Durchschnittswert (EP pro Monat) ist nach §
71 Abs
1 Satz 2
SGB VI vorbehaltlich der Einschränkung des §
74 SGB VI als Mindestwert für die beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten einzusetzen. Dieser Durchschnittswert ist umso niedriger,
je länger der Versicherte benötigt hat, um die zu berücksichtigenden EP zu erzielen, dh ein längerer Gesamtzeitraum mit infolgedessen
geringerer Beitragsdichte führt zu einer niedrigeren Bewertung der beitragsfreien Zeiten als ein kürzerer Gesamtzeitraum mit
derselben Anzahl von EP und deshalb höherer Beitragsdichte. Wären entgegen der Berechnungsweise der Beklagten im angefochtenen
Bescheid weitere Zeiten vom Gesamtbelegungszeitraum abzuziehen, würden sich wegen des dadurch höheren Durchschnittswerts die
für die beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten errechneten EP und somit auch der monatliche Rentenbetrag erhöhen. Die
Berechnungsweise der Beklagten entspricht jedoch dem Gesetz.
Nach §
72 Abs
3 Nr
1 SGB VI ist der belegungsfähige Gesamtzeitraum zugunsten des Versicherten unter anderem um beitragsfreie Zeiten zu kürzen, die nicht
auch Berücksichtigungszeiten sind. Ob die Zeiten der schulischen Ausbildung des Klägers vom 1.1.1963 bis zum 30.9.1965, wie
von diesem gefordert, beitragsfreie Zeiten im Sinne der genannten Vorschrift und deshalb vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum
abzuziehen sind, ergibt sich aus §
72 SGB VI nicht direkt, da dieser keine Definition der beitragsfreien Zeiten enthält. Beitragsfreie Zeiten sind jedoch in §
54 Abs
4 SGB VI definiert als Kalendermonate, die mit Anrechnungszeiten, mit einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten belegt sind, wenn
für sie nicht auch Beiträge gezahlt wurden. Vorliegend kommen nur Anrechnungszeiten in Betracht.
Zeiten der schulischen Ausbildung sind Anrechnungszeiten unter den Voraussetzungen des §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI - hier in der durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25.9.1996 (WFG - BGBl I 1461) geänderten und bis
zum 30.6.2001 geltenden Fassung, weil der Anspruch auf Altersrente am 1.1.2000 entstanden ist (§
306 Abs
1 SGB VI). Danach sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule
oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben, insgesamt jedoch höchstens
bis zu drei Jahren oder 36 Monaten. Für einen Rentenbeginn im Januar 2000 wie beim Kläger erhöht §
252 Abs
4 SGB VI iVm Anlage 18 diese Höchstgrenze übergangsrechtlich - je nach Berechnungsweise - um 10 oder 11 Monate, was für das jetzige
Anfrageverfahren nach §
41 Abs
3 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) unerheblich ist, sodass sich der Senat - auch um der Beklagten eine Stellungnahme zu ermöglichen - die weitere Überprüfung
vorbehält und vorerst von deren Berechnung mit einer Höchstgrenze von 46 Monaten ausgeht.
Die über die Höchstgrenze hinausgehenden Zeiten der schulischen Ausbildung sind keine Anrechnungszeit, denn sie erfüllen nicht
die tatbestandlichen Voraussetzungen des §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI, und sind daher nicht gemäß §
72 Abs
3 Nr
1 SGB VI vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abzuziehen (vgl auch Stahl in Hauck/Noftz,
SGB VI, K §
72 RdNr 20, Stand 4/2002; Dankelmann in jurisPK
SGB VI, §
72 RdNr 53, Stand 1/2008).
Bereits der Wortlaut der Vorschrift lässt erkennen, dass die Höchstdauerbegrenzung Teil der Begriffsdefinition der Anrechnungszeit
ist und nicht lediglich die Berücksichtigung von tatbestandlich vorliegenden Anrechnungszeiten regeln sollte. Die Vorschrift
unterscheidet sprachlich nicht zwischen dem Vorliegen des Tatbestandes und der Frage der Berücksichtigung, vielmehr schließt
sich die zeitliche Begrenzung ohne Bruch an die ersten beiden Satzteile ("Anrechnungszeiten sind Zeiten, in denen Versicherte...")
an und bezieht sich auf diese. In der Aussagequalität besteht kein Unterschied zwischen der in §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI vorgeschriebenen Höchstdauer und der Begrenzung auf den Zeitraum nach Vollendung des 17. Lebensjahres, welche allgemein als
tatbestandliche Voraussetzung für das Vorliegen einer Anrechnungszeit angesehen wird (vgl zur aktuellen Fassung nur Löns in
Kreikebohm,
SGB VI, 3. Aufl 2008, §
58 RdNr 37; Klattenhoff in Hauck/Noftz,
SGB VI, K §
58 RdNr 89, Stand 2/2005; Niesel in KasselerKomm, §
58 SGB VI RdNr 40, Stand 1/2002).
Systematische Erwägungen sprechen ebenfalls dafür, dass die Höchstdauerbegrenzung als tatbestandliche Voraussetzung einer
Anrechnungszeit ausgestaltet ist.
§
71 Abs
1 SGB VI lässt erkennen, dass die Aufspaltung einer rentenrechtlichen Zeit in den Tatbestand einer Anrechnungszeit einerseits und
in deren Berücksichtigung andererseits jedenfalls in der zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung geltenden Gesetzesfassung nicht
angelegt war. Nach §
71 Abs
1 SGB VI ist der darin näher umschriebene Durchschnittswert für alle beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten maßgeblich, ohne
dass zwischen "zu berücksichtigenden" und anderen Zeiten differenziert würde. Infolgedessen gibt es keine Erklärung dafür,
warum der Begriff der beitragsfreien Zeit in dem auf §
71 SGB VI aufbauenden §
72 SGB VI abweichend ausgelegt werden sollte, zumal beide keine eigene Definition des Begriffs "beitragsfreie Zeiten" enthalten und
damit auf §
54 Abs
4 SGB VI zurückgegriffen werden muss. Denn anders als in §
74 Satz 3
SGB VI (eingefügt durch das sog Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21.3.2001, BGBl I 403 - AVmEG) gab es ursprünglich keine gesonderte
Regelung über die eingeschränkte Bewertung von Zeiten schulischer Ausbildung. Somit enthält §
58 SGB VI schon aufgrund seiner systematischen Stellung im Fünften Titel des Zweiten Abschnitts des
SGB VI, der verschiedene rentenrechtliche Zeiten definiert, eine allgemeine Definition der Anrechnungszeiten, die nicht je nach
der hierauf Bezug nehmenden Norm unterschiedlich ausgelegt werden kann. Falls die gesetzliche Definition einer Versicherungszeit
nicht dafür maßgeblich sein soll, in welchem Umfang die definierte Zeit im Rahmen der Rentenberechnung bewertet oder berücksichtigt
werden soll, wären im Gesetz diesbezüglich klare Anordnungen zu erwarten, wie das bei der eingeschränkten Bewertung der Ausbildungszeiten
seit 2002 der Fall ist (vgl zur aktuellen Rechtslage auch LSG Berlin-Brandenburg vom 31.7.2008 - L 8 R 599/08). §
72 SGB VI enthält eine solche Anwendungsbeschränkung der allgemeinen Definition aber gerade nicht.
Die Ausgestaltung der Übergangsregelung des §
252 Abs
4 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des WFG ist ebenfalls Indiz dafür, dass die Höchstdauerregelung in § 58 Abs 1 Satz 1 Nr
4 tatbestandliche Voraussetzung für das Vorliegen einer Anrechnungszeit ist. §
252 Abs
4 SGB VI enthält eine Erweiterung der in §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI enthaltenen Definition und bestimmt für eine Übergangszeit, dass auch weitere, über die Höchstdauerbegrenzung hinausgehende
Zeiten unter bestimmten Voraussetzungen Anrechnungszeiten "sind". Wäre tatsächlich in §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI in der Fassung durch das WFG die festgelegte Höchstdauer nicht Tatbestandsvoraussetzung einer Anrechnungszeit, hätte die
Übergangsvorschrift lediglich bestimmen müssen, dass die tatbestandlich bereits definierte Anrechnungszeit vorübergehend bis
zu einer höheren Obergrenze zu berücksichtigen und zu bewerten sei. Dies ergibt sich aber aus dem insofern eindeutigen Wortlaut
nicht. Wenn die Höchstdauerbegrenzung eine bloße Anrechnungsregel über die Berücksichtigung von Anrechnungszeiten und kein
Tatbestandsmerkmal wäre, hätte §
252 Abs
4 SGB VI dies zum Ausdruck bringen müssen.
Vor allem aber verdeutlicht §
207 SGB VI, dass die Höchstdauerbegrenzung nicht nur eine bloße Bestimmung über die Berücksichtigung von Anrechnungszeiten war. §
207 SGB VI ist bereits zusammen mit der Vorschrift des §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vom 18.12.1989 (RRG 1992, BGBl I 1989, 2261 - berichtigt BGBl I 1990, 1337) eingeführt worden und eröffnet für die Zeiten schulischer Ausbildung, die die Höchstdauer überschreiten, die Möglichkeit
der freiwilligen Versicherung. Zwar spricht die Regelung von Zeiten, die nicht "als Anrechnungszeiten berücksichtigt werden
können", doch Sinn und Zweck des §
207 SGB VI ist zu entnehmen, dass die Anrechnungszeiten durch die Höchstdauerbestimmung tatbestandsmäßig begrenzt sind.
Durch die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung nach §
207 SGB VI wird der Versicherte in die Lage versetzt, die zum 1.1.1992 in Kraft getretene Kürzung der Anrechnungszeiten wegen schulischer
Ausbildung von vorher bis zu 13 Jahren auf nur noch bis zu sieben Jahre zu kompensieren. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich
darauf Bezug genommen, dass mit der Entrichtung freiwilliger Beiträge erheblichen Versorgungslücken begegnet werden könne,
die sich insbesondere bei der Gesamtleistungsbewertung für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten negativ auswirken könnten,
soweit sie nicht durch anderweitige rentenrechtliche Zeiten geschlossen würden (BT-Drucks 11/4124 S 192 zu § 202). Die Kompensationsmöglichkeit
sollte demnach ausdrücklich für die Gesamtleistungsbewertung Bedeutung erlangen. Nach nunmehr wieder eingeführter Erhöhung
der Höchstdauer auf acht Jahre können aber für die Zeiten innerhalb des Acht-Jahres-Zeitraumes, die wegen der Begrenzung der
Bewertung der Anrechnungszeiten schulischer Ausbildung auf drei Jahre nicht bewertet werden (§
74 Satz 3
SGB VI idF des AVmEG), keine freiwilligen Beiträge mehr nachgezahlt werden (vgl Schrenker, Mitteilungen der LVA Oberfranken und
Mittelfranken 2002, 358, 371; VerbKomm, §
207 SGB VI Anm 2, Stand 4/2003; Dankelmann in jurisPK
SGB VI §
207 RdNr 30, Stand 1.1.2008; vgl auch die Begründung zur Änderung des §
58 SGB VI, BT-Drucks 14/4595 S 46). Damit wird deutlich, dass die Betroffenen lediglich vor größeren Rentenausfällen durch Lücken in
der Erwerbsbiografie geschützt werden sollen und eine vollständige Kompensation von Zeiten schulischer Ausbildung selbst durch
freiwillige Beiträge nicht ermöglicht werden soll. Diese Intention spricht gegen die Annahme, Zeiten schulischer Ausbildung,
für die von der Möglichkeit der freiwilligen Versicherung kein Gebrauch gemacht wurde, dürften sich bei der Gesamtleistungsbewertung
nicht negativ auswirken.
Demgegenüber kann der Einwand nicht überzeugen, §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI selbst lasse nicht erkennen, welche Zeiten bei einem Verständnis der Höchstdauerregel iS eines Tatbestandsmerkmals Anrechnungszeiten
seien, weil er keine Regelung darüber treffe, in welcher Form die Höchstdauer zu berücksichtigen sei (vgl BSG vom 18.10.2005
- B 4 RA 43/03 R - SozR 4-2600 § 71 Nr 1 RdNr
34 ff). Hierzu kann ohne Schwierigkeit auf die Regelung des §
122 Abs
3 SGB VI zurückgegriffen werden (vgl zur aktuellen Fassung auch Bock/Huber, Mitteilungen der bayerischen LVA 2005, 90), der für Zeiten,
die nur bis zu einer Höchstdauer zu berücksichtigen sind, festlegt, dass die am weitesten zurückliegenden Kalendermonate zunächst
zu berücksichtigen sind. Aus der Sicht des erkennenden Senats spricht nichts dagegen, diese Vorschrift auch auf die in der
Höchstdauer begrenzten Anrechnungszeiten zumindest entsprechend anzuwenden, ohne dass es hierzu einer abschließenden Entscheidung
bedarf.
Auch aus dem Sinn und Zweck des §
72 SGB VI und des §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI ergibt sich nicht, dass die über die Höchstdauer hinausgehenden Zeiten schulischer Ausbildung bei der Gesamtleistungsbewertung
vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abgezogen werden müssten.
Es ist allerdings richtig, dass ein Versicherter mit besonders langen, die Höchstdauer deutlich überschreitenden Ausbildungszeiten
nur wenige EP für seine bewertbaren Anrechnungszeiten erhält. Andererseits dient die Kürzung der Ausbildungszeiten gerade
der Stärkung des Versicherungsprinzips in der gesetzlichen Rentenversicherung. In dessen Lichte erscheint es folgerichtig,
dass derjenige Versicherte, der nach kurzer Ausbildung über einen längeren Zeitraum Beiträge eingezahlt hat, einen höheren
Durchschnittswert für die Bewertung der beitragsfreien Zeiten erhält, als derjenige mit einer langen Ausbildung. Dies gilt
umso mehr, als der Gesetzgeber davon ausgeht, dass ein Versicherter mit höherer Ausbildung in späteren Jahren durchschnittlich
einen höheren Verdienst erzielt und damit bei der Bewertung der beitragsfreien Zeiten ohnehin schon besser gestellt ist (vgl
hierzu BT-Drucks 15/2149 S 19). In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, dass dem einzelnen Versicherten über
§
207 SGB VI die Möglichkeit eröffnet wurde, mit freiwilligen Beiträgen die entstandenen Lücken zu füllen, um gemäß dem Versicherungsprinzip
eine günstigere Durchschnittsberechnung zu erreichen.
Es spricht daher nichts dafür, dass nach Abschaffung der Halbbelegung und des Erfordernisses eines (Bildungs-)Abschlusses
jegliche schulische Ausbildungszeit gemäß §
72 Abs
3 SGB VI vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abgezogen werden sollte. Mangels einer festgelegten Obergrenze hätten ansonsten selbst
übermäßig lange und ggf erfolglose Ausbildungen bei der Gesamtleistungsbewertung keinen nachteiligen Einfluss auf die Bildung
des Durchschnittswerts für beitragslose und beitragsgeminderte Zeiten, was der gesetzgeberischen Intention zuwiderlaufen würde.
Eine Unterscheidung zwischen dem Vorliegen einer Anrechnungszeit und deren Berücksichtigung bzw Bewertung kann schließlich
auch den älteren Gesetzesmaterialien nicht entnommen werden.
Bereits bei der zum 1.1.1992 erfolgten Einführung der Anrechnungszeitenregelung des §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI, der trotz unterschiedlich festgesetzter Höchstdauer in seiner Struktur den davor geltenden Regelungen des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4
Reichsversicherungsordnung bzw des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) über die früheren "Ausfallzeiten" entspricht, wird undifferenziert sowohl von der Berücksichtigung von Anrechnungszeiten
gesprochen als auch davon, dass bestimmte Zeiten über deren Höchstdauer keine Anrechnungszeiten sind.
So wird in der allgemeinen Begründung zur Kürzung der Höchstdauer schulischer Ausbildung bei den Anrechnungszeiten von deren
nun eingeschränkten "Berücksichtigung" gesprochen (vgl BT-Drucks 11/4124 S 142), ebenso bei der Begründung zu §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI (aaO S 167). In der Begründung zu §
207 SGB VI (im Entwurf noch §
202), der - wie oben ausgeführt - bei Überschreiten der Höchstdauer eine freiwillige Versicherung ermöglichte und teilweise in
der aktuellen Fassung noch ermöglicht, ist hingegen davon die Rede, dass diese Vorschrift dem Versicherten das Recht eröffne,
für Zeiten der Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung, die nicht Anrechnungszeiten "sind", freiwillige Beiträge nachzuzahlen,
um Versorgungslücken in ihrer Versicherungsbiographie zu schließen. Weiter wird erwähnt, dass die "Begrenzung der Ausbildungs-Anrechnungszeiten
auf höchstens 7 Jahre" bei Versicherten zu Versorgungslücken führen könne (aaO S 192). Schließlich führt auch die Begründung
zu § 252 (im Entwurf noch § 247) aus, in der Vorschrift sei eine Übergangsregelung enthalten, die die Auswirkungen der "Begrenzung
von Anrechnungszeiten" wegen des Besuchs einer Schule, Fachschule und Hochschule über einen Zeitraum von zwölf Jahren abmildere
(aaO S 200).
Die unterschiedliche Begriffswahl lässt nur den Schluss zu, dass zwischen dem Vorliegen einer Anrechnungszeit und der Berücksichtigung
einer solchen nicht unterschieden wurde und diese Begriffe im Gesetzgebungsverfahren praktisch synonym und austauschbar verwendet
wurden. Dies wird dadurch unterstrichen, dass in der Begründung zu §
207 SGB VI im letzten Absatz in einem Satz und im gleichen Kontext einmal von der Anerkennung von Anrechnungszeiten und einmal von deren
Berücksichtigung gesprochen wird (aaO S 192).
Die wechselnde Verwendung der Begriffe setzt sich in der Begründung zu der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen
Fassung des §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI fort. In der allgemeinen Begründung zur erneuten Verringerung der Höchstdauer ist ausgeführt, dass Anrechnungszeiten wegen
schulischer Ausbildung, die nach dem davor geltenden Recht ab Vollendung des 16. Lebensjahres und bis zu einer Höchstdauer
von sieben Jahren berücksichtigt wurden, künftig nur noch vom vollendeten 17. Lebensjahr an und bis zu einer Höchstdauer von
drei Jahren "berücksichtigt" werden sollen. Für Zeiten der schulischen Ausbildung, die künftig "keine Anrechnungszeiten mehr
sind", bestehe die Möglichkeit der Beitragsnachzahlung (BT-Drucks 13/4610 S 19 f). Die Begründung zur Änderung des §
58 SGB VI selbst spricht davon, dass Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung auf künftig höchstens drei Jahre "beschränkt" würden.
Für Ausbildungszeiten, die nicht als Anrechnungszeit "berücksichtigt" würden, könnten freiwillige Beiträge nachgezahlt werden
(aaO S 23). Dies verdeutlicht, dass auch dieser Gesetzesänderung keine Unterscheidung zwischen dem tatbestandlichen Vorliegen
einer Anrechnungszeit und deren Berücksichtigung zugrunde liegt.
Erst in der Begründung zur erneuten Änderung des §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI durch das AVmG, mit der die Höchstdauer einer Ausbildungsanrechnungszeit auf acht Jahre heraufgesetzt wurde, wird ausgeführt,
dass bis zu fünf Jahre schulischer Ausbildung als unbewertete Anrechnungszeit wiederhergestellt würden. Damit würden Lücken
von bis zu acht Jahren in der Versicherungsbiographie vermieden. Bei der Bewertung der Zeiten werde jedoch an der Grenze von
drei Jahren festgehalten (BT-Drucks 14/4595 S 46). Diese Begründung spricht dafür, dass der Gesetzgeber bis zu dieser Neuregelung
von einem grundsätzlichen Gleichlauf von tatbestandlichem Vorliegen einer Anrechnungszeit und deren Berücksichtigung ausging
und nun erstmals eine "Aufspaltung" in bewertete und nicht bewertete Anrechnungszeiten vornahm. Schließlich ist in der Begründung
zur aktuellen Fassung des §
74 SGB VI dargelegt, dass allgemeine Schulzeiten sowie Fachhochschul- und Hochschulzeiten weiter als - unbewertete - Anrechnungszeit
berücksichtigt würden. Dadurch werde sichergestellt, dass schulische Ausbildung bis zu acht Jahren nach dem 17. Lebensjahr
nicht zu rentenrechtlichen Lücken führe, sich also im Fall der Frühinvalidität und bei frühem Tod keine einschneidenden Rentenminderungen
ergäben (BT-Drucks 15/2149 S 24).
Frühere Entscheidungen des Bundessozialgerichts, mit Ausnahme des erwähnten Urteils des 4. Senats des BSG, stehen der hier
vertretenen Auslegung nicht entgegen. Soweit der 4. Senat sich auf die eigene Rechtsprechung bezieht, betreffen diese Entscheidungen
den Abzug von israelischen Pflichtbeitragszeiten vom Gesamtbelegungszeitraum (BSG SozR 3-2600 § 71 Nr 2 S 20 ff) oder das
Verbot der Festlegung einer Höchstdauer für Anrechnungszeiten im Rahmen so genannter Vormerkungsverfahren nach §
149 Abs
5 SGB VI (BSG SozR 3-2600 §
149 Nr
6; BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 9) und nicht die durch den vorliegenden Fall aufgeworfene Frage. Auch andere Senate haben bisher
nicht tragend entschieden, dass Ausbildungszeiten, welche die jeweilige Höchstgrenze für eine Anerkennung überschreiten, dennoch
bei der Rentenberechnung als Anrechnungszeiten (früher: Ausfallzeiten) zu berücksichtigen seien.
Der 11. Senat des BSG hatte bereits in zwei Entscheidungen zu § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchstabe b AVG - der Vorgängerregelung des §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI - entschieden, dass eine abgeschlossene Hochschulausbildung nur in ihren ersten fünf Jahren den Ausfallzeittatbestand erfüllt
(Urteil vom 25.11.1986 - BSGE 61, 35, 38 = SozR 2200 § 1259 Nr 96 S 257; Urteil vom 21.2.1985 - SozR 2200 § 1259 Nr 90 S 240). Ebenso wenig steht der beabsichtigten
Entscheidung des erkennenden Senats entgegen, dass der 1. Senat eine analoge Anwendung der damaligen Vorschrift über die Ausfallzeit
auf eine Lehrlingsausbildung verneint hat. Zwar hat er in diesem Zusammenhang ausgesprochen, die gesetzlich festgelegte Höchstdauer
bestimme lediglich den Umfang der Anrechenbarkeit einer beitragslosen Zeit als Ausfallzeit (heute: Anrechnungszeit). Er hat
er aber keine Aussage dazu getroffen, weil es hierauf nicht ankam, ob die über der Höchstdauer liegende Ausbildungszeit als
Ausfallzeit zu berücksichtigen sein könne (Urteil vom 29.8.1984 - BSG SozR 2200 § 1259 Nr 87 S 237). Schließlich betrifft
auch die Entscheidung des 8. Senats des BSG vom 18.9.1991 (8 RKn 17/90 - SozR 3-2200 § 1259 Nr 8 S 31) einen anderen Kontext. Um zu begründen, warum bereits mit Beiträgen belegte Ausbildungszeiten
auf die Höchstdauer für die entsprechende Ausfallzeit nicht anzurechnen seien, wurde dort betont, dass die fraglichen Zeiten
schon nicht den Tatbestand einer Ausfallzeit erfüllten; für eine Schlussfolgerung iS des Urteils des 4. Senats vom 18.10.2005
(B 4 RA 43/03 R - SozR 4-2600 § 71 Nr 1) fehlt jeder Anhaltspunkt.
Gegen die Auslegung, dass schulische Ausbildungszeiten nur bis zur Höchstdauer des §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI in der Fassung des WFG als beitragsfreie Zeiten iS des §
72 Abs
3 Nr
1 SGB VI anzusehen und vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abzuziehen sind, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Bei der Ausgestaltung der rentenrechtlichen Bewertung von Ausbildungszeiten hat der Gesetzgeber unabhängig von der Frage,
ab welchem Zeitpunkt eine rentenversicherungsrechtliche Rechtsposition so verfestigt ist, dass sie durch Art
14 Abs
1 Grundgesetz (
GG) geschützt ist, eine größere Gestaltungsfreiheit als bei auf Beiträgen beruhenden Berechnungsgrößen, weil diese Zeiten auf
einem allgemeinen fürsorgerischen Gedanken beruhen (vgl BVerfG vom 1.7.1981 - BVerfGE 58, 81, 112 = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 12). Das mit der Verkürzung der Anrechnung schulischer Ausbildungszeiten auch verfolgte Ziel
der Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung (BT-Drucks 13/4610 S 1)
ist von hoher Bedeutung und damit geeignet, die gemachten Einschränkungen zu rechtfertigen (BVerfGE 116, 96, 126 f = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 90). Ein besonderer Schutz für den Fall eines Rentenbeginns zwischen 1997 und 2000 wurde
zudem durch die in §
252 Abs
4 SGB VI in der Fassung des WFG getroffene Übergangsregelung geschaffen. Allein aufgrund eines bestimmten Lebensalters ist ein gesteigerter
Bestandsschutz verfassungsrechtlich nicht geboten (BVerfGE 117, 272, 294 ff = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 56 ff).
Der Senat schließt sich nicht der Auffassung an, die schulischen Ausbildungszeiten unterlägen als notwendige Vorleistungen
der gesetzlichen Renten als so genannten Produktivitätsrenten einem höheren verfassungsrechtlichen Schutz (vgl BSG vom 18.10.2005
- B 4 RA 43/03 R - SozR 4-2600 § 71 Nr 1 RdNr 40 ff; vgl auch Meyer/Blüggel, NZS 2005, 4 ff). Der erkennende Senat teilt diese Auffassung bereits in ihrem Ansatz nicht.
Die Höhe der an den Einzelnen zu leistenden Rente ist nicht primär von seiner individuellen Produktivität, sondern vom erzielten
versicherungspflichtigen Entgelt abhängig, aus dem sich die für ihn entrichteten Beiträge errechnen. Auch wenn es sich bei
der gesetzlichen Rentenversicherung nicht um ein kapitalgedecktes Verfahren mit den einzelnen Versicherten zuzuordnenden Beitragskonten
handelt, sondern um ein Umlageverfahren, bestimmen doch das erzielte Entgelt bzw die daraus entrichteten Beiträge im Wesentlichen
die Rentenhöhe zu einem bestimmten Renteneintrittszeitpunkt im Verhältnis zu den anderen Versicherten mit demselben Renteneintrittszeitpunkt.
Dies geschieht maßgeblich über das System der aufgrund der Arbeitsentgelte errechneten persönlichen EP.
Wollte man zudem alle Umstände wie auch die Ausbildungszeiten, die zu einer Verbesserung der Produktivität des Einzelnen führen
bzw führen können, als notwendige Vorleistungen zur gesetzlichen Rentenversicherung ansehen, bliebe offen, warum nicht auch
schulische Ausbildungszeiten vor dem 17. Lebensjahr Berücksichtigung finden sollten. Außerdem müsste die weitere Frage beantwortet
werden, ob der Gesetzgeber dann nicht auch wieder eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung fordern müsste, denn nur diese
würde ja mit hinreichender Sicherheit die Produktivität steigern können, wenn es dem Versicherten überhaupt gelingt, sie im
Laufe seines Berufslebens entsprechend einzusetzen. Hierzu finden sich bisher keine überzeugenden Antworten.
Insofern erscheint es konsequent, die Ausbildung vorwiegend dem Bereich der Eigenverantwortung des Einzelnen zuzuordnen, deren
Honorierung dem System der Rentenversicherung eher fremd ist, weil es grundsätzlich an den Eintritt in das Arbeitsleben anknüpft
(BVerfGE 58, 81, 113 = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 13). Dies gilt umso mehr, als bei Durchlaufen einer Ausbildung oft noch nicht sicher festgestellt
werden kann, ob die spätere berufliche Entwicklung den Versicherten überhaupt in die gesetzliche Rentenversicherung führen
wird.
Unter Zugrundelegung der hier vertretenen Auffassung wäre die Revision zurückzuweisen; die noch vorbehaltene Prüfung des §
252 Abs
4 SGB VI könnte allenfalls ergeben, dass ein zusätzlicher Monat als Anrechnungszeit anzusehen und damit als beitragsfreie Zeit vom
belegungsfähigen Gesamtzeitraum gemäß §
72 Abs
3 Nr
1 SGB VI abzuziehen ist.
Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat jedoch nicht ohne Abweichung vom Urteil des 4. Senats des BSG vom 18.10.2005
(B 4 RA 43/03 R - SozR 4-2600 § 71 Nr 1) möglich. Zwar handelt es sich hier anders als bei der Entscheidung des 4. Senats um einen Fall
der knappschaftlichen Rentenversicherung. Da diese aber für die zu klärende Streitfrage den gleichen Grundsätzen und Vorschriften
folgt wie die allgemeine Rentenversicherung, könnte eine abweichende Auffassung nicht mit den Besonderheiten dieses Bereichs
der Rentenversicherung begründet werden. Die Frage kann nur einheitlich beantwortet werden.
In dem vom 4. Senat entschiedenen Fall hat die dortige Beklagte dem am .4.1934 geborenen Kläger zum 1.5.1999 Regelaltersrente
zuerkannt. Dieser hatte bis zum 7.3.1955 eine Schule besucht und dann vom 18.4.1955 bis zum 10.5.1966 ein Hochschulstudium
absolviert. Bei der Rentenberechnung berücksichtigte die Beklagte aufgrund der Übergangsvorschrift des § 252 Abs 4 in der
Fassung des WFG als Anrechnungszeiten wegen Schulausbildung 48 Monate (vom 24.4.1951 bis zum 7.3.1955) sowie als Anrechnungszeit
wegen Hochschulausbildung weitere 13 Monate (vom 18.4.1955 bis zum 30.4.1956). Bei der Gesamtleistungsbewertung nach §
71 ff
SGB VI hat sie die weiteren Zeiten der Hochschulausbildung nicht als beitragsfreie Zeiten vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abgezogen.
Der 4. Senat hat der Anfechtungsklage gegen die "Rentenhöchstwertfestsetzung" und der damit verbundenen (unechten) Leistungsklage
auf Zahlung einer höheren Rente stattgegeben. Dabei hat er unter anderem ausgeführt (SozR 4-2600 § 71 Nr 1 RdNr 27, 33):
"... Die Beklagte und die Vorinstanzen haben zu Unrecht die Kalendermonate, die mit Zeiten der Hochschulausbildung vom 1.5.1956
bis 10.5.1966 belegt sind, als 'belegungsfähig' (dh als belegbare Versicherungslücke) angesehen. Hierbei haben sie die gebotene
Unterscheidung zwischen der Qualifizierung der Ausbildungszeit als beitragsfreie Zeit, also der 'Belegung' eines Kalendermonats,
und ihrer Anrechnung und Bewertung nicht beachtet.
... §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI regelt im letzten Halbsatz ('insgesamt jedoch höchstens bis zu 3 Jahren') nicht den Tatbestand, sondern die Anrechnungsvoraussetzungen
von Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung (vgl §
58 Abs
2,
3,
4,
4a,
5 SGB VI). Dieser Halbsatz hat keine Bedeutung für die Qualifizierung eines Kalendermonats als beitragsfreie Zeit, regelt also nicht
die 'Belegung' eines Monats mit einer solchen, sondern deren 'Anrechnung' auf die Wartezeit und/oder auf den Vorleistungswert
(dazu stellv BSG, Urteil vom 24.7.2001, SozR 3-2600 § 71 Nr 2). Demgemäß hat das BSG in ständiger Rechtsprechung (zusammengefasst
in: BSG, Urteil vom 24.10.1996, 4 RA 108/95, SozR 3-2600 § 58 Nr 9 mwN, Urteil vom 30.8.2001, B 4 RA 114/00 R, SozR 3-2600 § 149 Nr 6, dazu BVerfG, Beschluss vom 3.11.2003, 1 BvR 406/03) geklärt, dass die sog Höchstdauer nur eine Anrechnungs- und Bewertungsvoraussetzung ist. Ferner folgt erst aus §
74 SGB VI, in welchem Umfang Kalendermonate, die mit anzurechnenden Zeiten schulischer Ausbildung belegt sind, darüber hinaus Vorleistungswerte
(in EP berechnet) vermittelt haben. Hieran ist festzuhalten."
Damit legt der 4. Senat seiner Entscheidung ein anderes Verständnis der Höchstdauerregelung in §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI in der Fassung des WFG zugrunde als der 5. Senat. Die Rechtsauffassung des 4. Senats war für seine Entscheidung auch tragend.
Er hat wegen des fehlenden Abzugs der Zeiten schulischer Ausbildung vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum, welche die Höchstdauer
des §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI und des §
252 Abs
4 SGB VI überschreiten, die Anfechtungsklage für zulässig und begründet erachtet. Zugleich hat er die Beklagte verpflichtet, im Rahmen
der Gesamtleistungsbewertung EP für zu bewertende beitragsfreie Zeit in der Weise zu ermitteln und den Rentenhöchstwert ab
1.5.1999 dadurch höher festzustellen, dass die Zeiten der Hochschulausbildung vom 1.5.1956 bis zum 10.5.1966 als nicht belegungsfähige
Zeiten ohne eigene Rangstellenbewertung zusätzlich berücksichtigt werden.
Nach der Rechtsauffassung des 4. Senats wären im vorliegenden Fall die Urteile von LSG und SG ebenso wie der Rentenbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei der
Gesamtleistungsbewertung gemäß §
72 Abs
3 Nr
1 SGB VI weitere 33 Monate der schulischen Ausbildung des Klägers im Zeitraum vom 1.2.1963 bis zum 30.9.1965 vom belegungsfähigen
Gesamtzeitraum abzuziehen und die Rente dementsprechend neu festzustellen.
Da der 4. Senat wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplans mit Wirkung zum 1.1.2008 mit der im Anfragebeschluss formulierten
Rechtsfrage nicht mehr befasst werden kann, ist die diesbezügliche Anfrage nach §
41 Abs
3 Satz 1 und
2 SGG an den 13. Senat des BSG zu richten, der neben dem erkennenden Senat nach dem Geschäftsverteilungsplan in der ab 1.1.2008
gültigen und zum 1.8.2008 zuletzt geänderten Fassung die Zuständigkeit des 4. Senats des BSG für die allgemeine Rentenversicherung
übernommen hat.