Rechtmäßigkeit einer Entziehung der Zulassung für einen Arzt für radiologische Diagnostik zur vertragsärztlichen Versorgung
wegen Betrugs
Gründe:
I
Im Streit steht die Rechtmäßigkeit einer Zulassungsentziehung.
Der Kläger erhielt 1993 eine Sonderzulassung als (Beleg-)Arzt für radiologische Diagnostik. Nach einer Anzeige des Inhalts,
dass der Kläger lediglich zeitweise in der Praxis tätig sei und in der übrigen Zeit ein ohne Genehmigung beschäftigter Arzt
die Untersuchungen durchführe, hob die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) mit Bescheid vom 15.3.1999 die
Honorarbescheide für die Quartale I/1994 bis III/1998 auf und forderte 4 722 010,62 DM zurück. In einer im Jahr 2002 mit der
Beigeladenen zu 1. geschlossenen "Plausibilitätsvereinbarung" verpflichtete sich der Kläger, Honorar in Höhe von 3 400 000
DM zurückzuzahlen. Mit Urteil des Landgerichts Regensburg vom 14.10.2003 wurde der Kläger wegen Betrugs zu einer Gesamtgeldstrafe
von 180 Tagessätzen verurteilt, weil er regelmäßig Untersuchungen ohne Genehmigung angestellten Ärzten, teilweise sogar dem
nichtärztlichen Praxispersonal, überlassen habe. Durch Disziplinarbescheid der Beigeladenen zu 1. vom 15./17.1.2003 wurde
dem Kläger wegen der Beschäftigung von drei Vertretern ohne Genehmigung im Quartal II/2002 eine Geldbuße in Höhe von 8000
Euro auferlegt; die hiergegen erhobene Klage nahm der Kläger im Termin vor dem LSG (L 12 KA 447/04) am 28.3.2007 zurück. Das LSG hatte ihn darauf hingewiesen, mit der Rücknahme könne er seine Chancen auf Erfolg im Verfahren
gegen die Entziehung der Zulassung verbessern.
Bereits mit Bescheid vom 26.5./15.6.1999 hatte der Zulassungsausschuss auf Antrag der Beigeladenen zu 1. dem Kläger die Zulassung
als Vertragsarzt wegen wiederholt unkorrekter Abrechnungen entzogen. Dessen Widerspruch wies der beklagte Berufungsausschuss
mit Widerspruchsbescheid vom 21./28.10.2003 zurück und ordnete die sofortige Vollziehung an. Der Kläger habe zum einen Leistungen
abgerechnet, die von genehmigten Weiterbildungsassistenten in seiner Abwesenheit erbracht worden seien; er sei damit seiner
Verpflichtung, die Weiterbildung persönlich zu leiten, nicht nachgekommen. Zum anderen habe er von April 1997 bis Dezember
1998 Leistungen abgerechnet, die von einem nicht genehmigten Assistenten erbracht worden seien; er habe darüber hinaus die
Praxis über erhebliche Zeiträume allein geführt. Da weder eine Assistentengenehmigung noch eine Genehmigung zur Beschäftigung
eines angestellten Arztes erteilt worden sei, sei eine Abrechnung nicht zulässig gewesen. Darüber hinaus habe der Kläger nicht
delegationsfähige Leistungen abgerechnet, die während seiner Abwesenheit durch nichtärztliches Personal erbracht worden seien.
Das nichtärztliche Personal habe Patienten aufgeklärt, kernspintomographische Untersuchungen durchgeführt und intravenöse
Injektionen vorgenommen. Dieses Abrechnungsverhalten stelle eine gröbliche Pflichtverletzung dar und begründe die Ungeeignetheit
zur weiteren Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung.
Das vom Kläger angerufene SG hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bis zur Hauptsacheentscheidung erster Instanz wiederhergestellt (Beschluss
vom 11.12.2003), die Klage jedoch - nach zwischenzeitlicher Aussetzung des Verfahrens von Oktober 2004 bis Februar 2007 -
abgewiesen (Urteil vom 24.8.2007). Auf die Berufung des Klägers hat das LSG das Urteil des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 28.10.2003 aufgehoben und diesen verpflichtet, über den Widerspruch des Klägers gegen
den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 26.5.1999 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden
(Urteil vom 26.1.2011). Zuvor hatte es dessen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs stattgegeben
(Beschluss vom 6.9.2007 - L 12 KA 495/07 ER -). In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat die Beigeladene zu 2. Prüfanträge bezüglich der Quartale I/2008 und
I bis IV/2009 vorgelegt, welche unzulässige Verordnungen von Sprechstundenbedarf (SSB) in Höhe von 82,50 Euro bis 129,99 Euro
betreffen.
Das LSG hat ausgeführt, zwar sei die Zulassungsentziehung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten rechtmäßig gewesen,
da der Kläger seine vertragsärztlichen Pflichten grob verletzt habe; sie sei jedoch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats
unter dem Gesichtspunkt des Wohlverhaltens unverhältnismäßig und verstoße gegen Art
12 Abs
1 GG. Bei noch nicht vollzogenen Zulassungsentziehungen sei zugunsten des Vertragsarztes ein sogenanntes Wohlverhalten nach Ergehen
der Entscheidung des Berufungsausschusses zu berücksichtigen. Die aufgrund gröblicher Pflichtverletzungen in der Vergangenheit
indizierte Ungeeignetheit könne infolge veränderter Umstände während des sozialgerichtlichen Verfahrens relativiert werden,
wenn zur Überzeugung des Gerichts zweifelsfrei ein künftig ordnungsgemäßes Verhalten des betreffenden Arztes prognostiziert
werden könne. Die Ermittlungen bezüglich des über siebenjährigen Zeitraums vom 28.10.2003 bis zum 26.1.2011 hätten keine Tatsachen
ergeben, die ernstliche Zweifel an einer nachhaltigen Verhaltensänderung des Klägers rechtfertigen könnten. Weder der Beklagte
noch die Beigeladene zu 1. noch die zu 2. bis 6. beigeladenen Krankenkassen(-Verbände) hätten dazu etwas vortragen können.
Die Prüfanträge bezüglich der Quartale I/2008 und I/2009 bis IV/2009 könnten in Anbetracht des relativ langen Zeitraums von
Oktober 2003 bis Januar 2011 bei einer Gesamtwürdigung keine ernstlichen Zweifel an einer nachhaltigen Verhaltensänderung
belegen. Da hiervon abgesehen keine Tatsachen hätten ermittelt werden können, die Zweifel an einer Verhaltensänderung des
Klägers begründen könnten, gehe der Senat von einer positiven Prognose aus, dass sich der Kläger künftig ordnungsgemäß verhalten
werde.
Mit ihrer Revision rügt die zu 1. beigeladene KÄV die Verletzung von Bundesrecht. Das LSG habe seiner Entscheidung eine unzutreffende
Auslegung des §
95 Abs
6 SGB V zugrundegelegt, die nicht mit der Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung von "Wohlverhalten" zu vereinbaren sei. Das LSG sei zu Unrecht von einem "Wohlverhalten" des Klägers
ausgegangen, denn es habe dafür dessen bloße Unauffälligkeit im laufenden Zulassungsentziehungsverfahren genügen lassen und
keine - über die bloße Unauffälligkeit hinausgehenden - positiv festzustellenden Umstände verlangt, die eine Entkräftung der
von der Pflichtverletzung ausgehenden Indizwirkung zur Folge hätten. Dies sei schon deshalb nötig, um das geringere Gewicht
des unauffälligen Verhaltens im Vergleich zur Pflichtverletzung, die zur Zulassungsentziehung geführt hat, aufzuwiegen.
Die erklärte Rücknahme seiner Klage gegen den Disziplinarbescheid lasse keine zuverlässigen Schlüsse auf eine wiedererlangte
Eignung zu, da dies erst auf einen Hinweis des Gerichts - und damit nicht aus autonomen, sondern aus heteronomen Gründen -
erfolgt sei. Auch habe der Kläger im laufenden Zulassungsentziehungsverfahren die Annahme, er könnte wieder geeignet sein,
selbst widerlegt, indem er keinerlei Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt habe. Dies zeige die von ihm noch im Berufungsverfahren
verwendete Formulierung "Selbst wenn man die Vorwürfe ... als zutreffend unterstellt, ..."
Die Beigeladene zu 1., der Beklagte und die Beigeladenen zu 2., 3. und 5. beantragen,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 26.1.2011 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG München vom 24.8.2007
zurückzuweisen.
Der Beklagte schließt sich den Ausführungen der Beigeladenen zu 1. an. Nach der Rechtsprechung des BSG bedürfe es einer durch Unrechtseinsicht belegten Verhaltensänderung, die feststellbar wäre und überdies konkret festgestellt
worden sei. Davon könne jedoch vorliegend keine Rede sein. Es sei vielmehr konkret zu Lasten des Klägers feststellbar gewesen,
dass dieser sich früher entstandene Entziehungsgründe weiterhin vorhalten lassen müsse; das sei aber vom LSG trotz gegebener
und dem Berufungsgericht bekannt gewordener Tatsachenlage nicht festgestellt worden.
Die Beigeladene zu 2. schließt sich ebenfalls den Ausführungen der Beigeladenen zu 1. an. Der Kläger habe in der mündlichen
Verhandlung vor dem LSG erkennen lassen, dass er die SSB-Vereinbarung und deren Inhalt nicht kenne, und deutlich gemacht,
dass er Verantwortung noch immer an sein Personal abgebe.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Gemessen an den vom BSG aufgestellten Maßstäben lägen die Voraussetzungen für eine Zulassungsentziehung nicht vor. Bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung
des Beklagten sei die Erschütterung des Vertrauens nicht so groß gewesen, dass die Voraussetzungen für eine weitere Zusammenarbeit
völlig zerstört gewesen seien, denn die Beigeladene zu 1. habe mit ihm - dem Kläger - im Jahre 2002 eine in die Zukunft zielende
(Plausibilitäts-)Vereinbarung getroffen; auch sei von keinem der Beigeladenen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der
Zulassungsentziehung beantragt worden. Nach den Feststellungen des LSG sei die Wiederholung von Pflichtverletzungen mit der
erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Sein - des Klägers - ernster Wille, die die Pflichtverletzungen ermöglichenden
Missstände zu beheben, folge schon aus der im Jahre 2002 geschlossenen Vereinbarung. Zudem habe er vor der Entscheidung des
Beklagten - über die Rücknahme der gegen den Disziplinarbescheid erhobenen Klage hinaus - auch sämtliche Widersprüche gegen
die eine Vertreterbestellung versagenden Bescheide zurückgenommen.
Das Berufungsgericht habe Umstände der Entkräftung des Eignungsmangels nicht bloß vermutet, sondern sie im Rahmen des Verfahrens
durch umfangreiche Sachverhaltsaufklärung ermittelt und sodann positiv festgestellt. Es gereiche ihm - dem Kläger - in Anbetracht
der Ausführungen des SG München zum Fairnessverstoß der dort beklagten KÄV nicht zum Nachteil, dass er Klage gegen den Disziplinarbescheid
erhoben habe. Fehl gehe auch der Vortrag zum vermeintlichen Fehlen der Unrechtseinsicht. Da das Verfahren seit nunmehr 13
Jahren anhängig sei, komme eine Verletzung seines - des Klägers - Grundrechts auf effektiven Rechtsschutzes in Betracht.
Die Beigeladenen zu 4. und 6. haben weder Anträge gestellt noch sich geäußert.
II
Die Revision der Beigeladenen zu 1. ist im Ergebnis nicht begründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass die Entscheidung
des Beklagten, dem Kläger die Zulassung zu entziehen, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zum sogenannten "Wohlverhalten" zum Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht mehr rechtmäßig war.
1. Allerdings geht die vom Berufungsgericht ausgesprochene Verpflichtung des Beklagten, über den Widerspruch des Klägers gegen
den Bescheid des Zulassungsausschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, ins Leere. Es
gibt keine Entscheidung mehr, die der Beklagte zu treffen hätte.
Zum einen ist kein Entscheidungsspielraum für den Beklagten verblieben. Abgesehen davon, dass es sich bei der Entscheidung
über die Entziehung der Zulassung um eine gebundene Entscheidung handelt (vgl BSG Beschluss vom 27.6.2001 - B 6 KA 5/01 B - Juris RdNr 7), liegt es ausschließlich in der Kompetenz der Gerichte, über das Vorliegen von "Wohlverhalten" zu entscheiden
(vgl BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 24; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 18-19). Da das Berufungsgericht dieses in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht hat und somit
nach der (bisherigen) Rechtsprechung des Senats ein Aufrechterhalten der Zulassungsentziehungsentscheidung unverhältnismäßig
wäre, scheidet jede andere Entscheidung als die, dass die Zulassung des Klägers fortbesteht, somit aus.
Zum anderen gibt es keinen Widerspruch mehr, über den der Berufungsausschuss zu entscheiden hätte. Nach ständiger Rechtsprechung
des Senats ist allein der Bescheid des Berufungsausschusses Streitgegenstand (vgl BSG SozR 3-2500 § 96 Nr 1 S 6; BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 6 S 39; vgl schon BSG SozR 1500 § 96 Nr 32 S 42). Da der Berufungsausschuss nicht über einen Widerspruch entscheidet, sondern eine eigenständige Sachentscheidung
trifft (so auch Schallen, Zulassungsverordnung, 8. Aufl 2012, § 44 Ärzte-ZV RdNr 6), bedarf es nach einer gerichtlichen Aufhebung des Bescheides des Berufungsausschusses keiner erneuten Entscheidung
unter dem Gesichtspunkt, dass andernfalls der Bescheid des Zulassungsausschusses "in der Luft hinge". Die Aufhebung des Bescheides
des Berufungsausschusses führt nicht zu einer Wiederherstellung des Ausgangsbescheides; vielmehr ist die Entscheidung des
Zulassungsausschusses in der Entscheidung des Berufungsausschusses aufgegangen (so ausdrücklich LSG Rheinland-Pfalz Urteil
vom 2.2.2006 - L 5 KA 37/05 - NZS 2006, 609, 610; Schallen, aaO, § 44 Ärzte-ZV RdNr 8 sowie Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, § 45 Ärzte-ZV RdNr 5, jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 1500 § 96 Nr 32; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 96 Nr 1 S 6), ist also rechtlich nicht mehr existent.
2. Die Voraussetzungen für eine Entziehung der Zulassung lagen zum Zeitpunkt der - den alleinigen Streitgegenstand des Verfahrens
bildenden (vgl BSG SozR 3-2500 § 96 Nr 1) - Entscheidung des Beklagten vor.
a) Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung des Beklagten ist §
95 Abs
6 Satz 1
SGB V. Danach ist einem Vertragsarzt die Zulassung unter anderem dann zu entziehen, wenn er seine vertragsärztlichen Pflichten
gröblich verletzt. Eine Pflichtverletzung ist gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung
der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist (stRspr des BSG, vgl BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10 mwN; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 37; zuletzt BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 13). Davon ist nach der Rechtsprechung des BVerfG wie auch des BSG auszugehen, wenn die gesetzliche Ordnung der vertragsärztlichen Versorgung durch das Verhalten des Arztes in erheblichem
Maße verletzt wird und das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig gestört
ist, sodass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertrags(zahn)arzt nicht mehr zugemutet werden kann (stRspr des BSG, vgl BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10 mwN; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 13; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 37; BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 13; zuletzt BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 22/11 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 24 RdNr 23, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; vgl auch BVerfGE 69, 233, 244 = SozR 2200 § 368a Nr 12 S 30).
Wiederholt unkorrekte Abrechnungen können die Zulassungsentziehung rechtfertigen (vgl BSGE 73, 234, 242 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 18; BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10), insbesondere deswegen, weil das Abrechnungs- und Honorierungssystem der vertragsärztlichen
Versorgung auf Vertrauen aufbaut und das Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Leistungserbringers ein Fundament des
Systems der vertragsärztlichen Versorgung darstellt (BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 22/11 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 24 RdNr 35 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Für den Tatbestand einer gröblichen
Pflichtverletzung iS von §
95 Abs
6 SGB V ist nicht erforderlich, dass den Vertragsarzt ein Verschulden trifft; auch unverschuldete Pflichtverletzungen können zur
Zulassungsentziehung führen (BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 22/11 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 24 RdNr 23, 50 ff, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
b) Das LSG hat zutreffend dargelegt, dass der Kläger seine vertragsärztlichen Pflichten durch die - auch strafgerichtlich
- festgestellten Abrechnungsverstöße in diesem Sinne gröblich verletzt hat. Die Pflichtverletzungen als solche - den Einsatz
von Ärzten und Hilfspersonal in der Praxis in eindeutigem Widerspruch zu den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden
Vorschriften - hat der Kläger nicht in Abrede gestellt. Sie sind gravierend und tragen die Entziehung der Zulassung (vgl zur
Gröblichkeit BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 24 RdNr 32 ff, 39 ff, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
Zu Recht hat das LSG angenommen, dass die beigeladene KÄV durch die mit dem Kläger geschlossene Vereinbarung vom 17.6.2002
über die Rückzahlung der für die fehlerhaft abgerechneten Leistungen erzielten Honorare nicht zum Ausdruck gebracht hat, dass
sie keine endgültige Störung des Vertrauensverhältnisses zum Kläger sieht. Die Vereinbarung ist von dem Bestreben der beigeladenen
KÄV geprägt, zu Gunsten der bayerischen Vertragsärzte möglichst schnell möglichst viel von den zu Unrecht gezahlten Honoraren
zurückzuerhalten. Trotz einiger vielleicht missverständlicher Formulierungen in der Vereinbarung konnte der Kläger daraus
nicht schließen, die KÄV betrachte die Angelegenheit schon vor Abschluss des Strafverfahrens mit dem vollen Schadensausgleich
als erledigt, zumal die KÄV selbst die Zulassungsentziehung beantragt hatte.
3. Im Einklang mit der jahrzehntelangen Rechtsprechung des Senats (siehe hierzu a) hat es das LSG nicht bei der Feststellung
der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung belassen, sondern geprüft, ob der Kläger im Laufe des - der Entscheidung
des Berufungsausschusses nachfolgenden - gerichtlichen Verfahrens seine Eignung für die vertragsärztliche Tätigkeit durch
sogenanntes "Wohlverhalten" zurückgewonnen hat. Diese Rechtsprechung, der die anderen Bundesgerichte nicht gefolgt sind (siehe
b), gibt der Senat ausdrücklich auf (siehe c), wendet sie jedoch aus Vertrauensschutzgründen auf das zur Entscheidung anstehende
Verfahren weiterhin an (siehe d).
a) Nach bisheriger Rechtsprechung des Senats ist - jedenfalls bei einer noch nicht vollzogenen Zulassungsentziehung - zu prüfen,
ob sich die Sachlage während des Prozesses durch ein Wohlverhalten des Arztes in einer Weise zu seinen Gunsten geändert hat,
dass eine Grundlage für eine erneute Vertrauensbasis zwischen dem Betroffenen und den vertragsarztrechtlichen Institutionen
wieder aufgebaut worden ist und damit eine Entziehung nicht mehr als angemessen erscheint (vgl BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 16 ff; BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 19; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 24 RdNr 54, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
In seiner älteren Rechtsprechung hatte der Senat bei der Frage, bis zu welchem Zeitpunkt im Rahmen von Zulassungsentziehungsverfahren
der Sachverhalt von den Tatsacheninstanzen aufzuklären ist, zwischen vollzogenen und nicht vollzogenen Entziehungsentscheidungen
differenziert und angenommen, bei den Letzteren sei im Rahmen der reinen Anfechtungsklage für die Beurteilung des Klagebegehrens
- über den ansonsten maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung hinausgehend - die Sachlage im Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht und die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz
maßgebend (vgl zB BSGE 73, 234, 236 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 11 f, mwN). Diese Rechtsprechung hat der Senat mit Urteil vom 20.10.2004 (BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9) dahingehend vereinheitlicht, dass für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zulassungsentziehung sowohl
bei vollzogenen als auch bei nicht vollzogenen Entziehungsentscheidungen grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt
der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist. Bei nicht vollzogenen Zulassungsentziehungen im Vertragsarztrecht seien
die genannten Grundsätze jedoch im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts aus Art
12 Abs
1 GG dahingehend zu modifizieren, dass zu Gunsten des betroffenen Vertragsarztes Änderungen des Sachverhalts bis zur letzten mündlichen
Verhandlung vor dem Tatsachengericht zu beachten sind (BSG aaO RdNr 15 mwN; vgl zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 24 RdNr 54, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
Zur Begründung hat der Senat (BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 15) darauf hingewiesen, dass ein Vertragsarzt, dem die Zulassung entzogen worden sei, in der
Regel seine Praxis verliere und vielfach keine Chance habe, eine solche neu aufzubauen, oft auch dann nicht, wenn nach einer
Zeit der Bewährung die erneute Zulassung für den bisherigen Ort der Niederlassung erfolge. Der erneuten Zulassung am bisherigen
Ort der Praxis stünden zudem oftmals rechtliche Hindernisse wie die Sperrung des Planungsbereichs wegen Überversorgung und/oder
die Überschreitung der Altersgrenze des § 25 Satz 1 Zulassungsverordnung für Kassenärzte (Ärzte-ZV) entgegen.
b) Die Rechtsprechung der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes - mit Ausnahme des BFH (vgl BFHE 178, 504 = NJW 1996, 2598; BFH Beschluss vom 24.1.2006 - VII B 141/05 - Juris RdNr 10 = BFH/NV 2006, 983) - hält demgegenüber auch in vergleichbaren Konstellationen ausnahmslos an dem Grundsatz fest, dass allein der Zeitpunkt
der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist.
So geht das BVerwG auch bei Maßnahmen, die - wie insbesondere der Widerruf einer ärztlichen Approbation wegen Berufsunwürdigkeit
- in ihren Auswirkungen der Zulassungsentziehung vergleichbar sind, in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es für die
Beurteilung der Widerrufsvoraussetzungen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens
ankommt (BVerwG Buchholz 418.00 Ärzte Nr 100 = NJW 1999, 3425; BVerwGE 105, 214, 220 mwN; BVerwG Beschluss vom 25.2.2008 - 3 B 85/07 - Juris RdNr 16; zuletzt BVerwG Beschluss vom 18.8.2011 - 3 B 6/11 - Juris RdNr 9 = Buchholz 418.00 Ärzte Nr 111; vgl auch BVerwGE 137, 1 RdNr 11 = Buchholz 418.1 Heilhilfsberufe Nr 10 - Widerruf der Berufserlaubnis von Logopäden). Der für die Beurteilung maßgebliche
Zeitpunkt sei durch das materielle Recht vorgegeben (BVerwGE 137, 1 RdNr 11 = Buchholz 418.1 Heilhilfsberufe Nr 10). Der Widerruf der Approbation (bzw der Berufserlaubnis) sei ein auf den Abschluss
des Verwaltungsverfahrens bezogener rechtsgestaltender Verwaltungsakt; vor allem aber sehe das materielle Recht die Möglichkeit
der Wiedererteilung der Approbation vor, sodass der Widerruf deshalb eine Zäsur bilde, durch die eine Berücksichtigung nachträglicher
Umstände dem Wiedererteilungsverfahren zugewiesen werde (BVerwGE 137, 1 RdNr 11 = Buchholz 418.1 Heilhilfsberufe Nr 10; BVerwG Beschluss vom 27.10.2010 - 3 B 61/10 - Juris RdNr 8). Darauf, ob das materielle Recht ausdrücklich ein eigenständiges Wiedererteilungsverfahren vorsehe, komme
es nicht an; es genüge der Umstand, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch auf erneute Zuerkennung der Erlaubnis
oÄ bestehe (BVerwGE 137, 1 RdNr 11 = Buchholz 418.1 Heilhilfsberufe Nr 10). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebiete es daher nicht, auf den Zeitpunkt
der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht abzustellen; die Lebensführung und berufliche Entwicklung des
Betroffenen nach Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens seien in einem Verfahren auf Wiedererteilung der Approbation
zu berücksichtigen (BVerwGE 137, 1 RdNr 11 = Buchholz 418.1 Heilhilfsberufe Nr 10; BVerwG Beschluss vom 18.8.2011 - 3 B 6/11 - Juris RdNr 9 = Buchholz 418.00 Ärzte Nr 111). Hieran hat das BVerwG in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Senats
(BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9) ausdrücklich festgehalten und darauf verwiesen, dass es die Hindernisse, die einer Wiederzulassung
als Kassenarzt entgegenstehen mögen, bei der Approbation als solcher nicht gebe (BVerwG Beschluss vom 25.2.2008 - 3 B 85/07 - Juris RdNr 16 f).
Auch der BGH hat sich für den Widerruf der Zulassung zur Anwaltschaft in Ergebnis und Begründung der Rechtsprechung des BVerwG
angeschlossen, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Zulassungswiderrufs allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses
des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen und die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen einem Wiederzulassungsverfahren
vorbehalten ist (grundlegend BGHZ 190, 187 RdNr 9 ff = NJW 2011, 3234 ff). Das anwaltliche Berufsrecht sehe in materieller Hinsicht keine Besonderheiten vor, die eine Abweichung von der Rechtsprechung
des BVerwG gebieten würden. Seine frühere Rechtsprechung, die zwar grundsätzlich der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung
folgte, aus prozessökonomischen Gründen jedoch eine Berücksichtigung nachträglich eingetretener Umstände zuließ, hat der BGH
unter Hinweis auf die zum 1.9.2009 erfolgte Änderung des Verfahrensrechts (Wechsel vom Recht der freien Gerichtsbarkeit zur
Verwaltungsgerichtsordnung) ausdrücklich aufgegeben (BGHZ 190, 187 RdNr 12 ff = NJW 2011, 3234 ff).
Schließlich geht auch die - ungeachtet der Unterschiede zwischen freiberuflicher Tätigkeit und abhängigen Beschäftigungsverhältnissen
beachtliche - Rechtsprechung des BAG zu personenbedingten Kündigungen (vgl BAGE 91, 271, 277, 278 ff = NZA 1999, 978; BAGE 101, 39, 46 = NZA 2002, 1081; BAGE 123, 234, 239 = NZA 2008, 173), des BVerwG zur Versetzung von Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit (BVerwGE 105, 267, 269 f = DVBl 1998, 201, 202) sowie des BGH (Dienstgericht des Bundes) zur Entlassung von Richtern auf Probe (vgl BGH Urteil vom 10.7.1996 - RiZ (R) 3/95 - DRiZ 1996, 454) davon aus, dass nach der Kündigung bzw Entlassung liegende Veränderungen der Sachlage unbeachtlich sind.
c) An der dargestellten Modifizierung des Grundsatzes der Maßgeblichkeit der Sachlage bei Erlass der Entscheidung des Berufungsausschusses
in Fällen nicht vollzogener Zulassungsentziehungen, die auch im Schrifttum auf Kritik gestoßen ist (Hess in Kasseler Komm,
§
95 SGB V RdNr 104, Stand August 2012; vgl auch Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 31 RdNr 16), hält der
Senat nach erneuter Prüfung nicht mehr fest. Hierfür sind folgende Gründe maßgeblich:
aa) Besonderes Gewicht hat in diesem Zusammenhang, dass das BVerwG bei der Kontrolle von Entscheidungen über den Widerruf
der ärztlichen Approbation ausnahmslos an dem Grundsatz festhält und keine der bisherigen Rechtsprechung des Senats entsprechenden
Ausnahmen für den Fall der Wiedergewinnung der Berufswürdigkeit zulässt. Bei dem Widerruf der ärztlichen Approbation wegen
Berufsunwürdigkeit handelt es sich um die weitergehende Rechtsfolge, die (auch) eine Zulassungsentziehung nach sich zieht.
Zum einen geht der Approbationswiderruf in seiner Wirkung über die Entziehung der Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen
Versorgung noch hinaus, weil in seiner Folge dem Arzt nicht allein vertragsärztliche Behandlungen verschlossen sind, sondern
ihm jegliche - auch privatärztliche - ärztliche Tätigkeiten verwehrt sind. Zum anderen ist in den Blick zu nehmen, dass mit
dem Widerruf der Approbation zwangsläufig auch die vertragsärztliche Zulassung zu entziehen ist, weil dann den Zulassungsvoraussetzungen
- konkret der Eintragung in das Arztregister (vgl §
95 Abs
2 Satz 1
SGB V), die wiederum die Approbation voraussetzt (vgl §
95a Abs
1 Nr
1 SGB V) - der Boden entzogen ist. Es ist in der Konsequenz kaum nachvollziehbar, dass bei dem letztlich schwerwiegenderen Eingriff
des Approbationswiderrufs der Umstand keine Rolle spielt, dass der betroffene Arzt nach wiedererlangter Approbation wegen
der Zulassungsbeschränkungen ggf nicht mehr an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen kann, dies jedoch bei einer (nicht
vollzogenen) Zulassungsentziehung Berücksichtigung zu finden hat. Eine Ungleichhandlung von Approbationswiderruf und Zulassungsentziehung
wäre nur gerechtfertigt, wenn sich dafür zwingende Gründe anführen ließen; solche sieht der Senat nicht mehr.
bb) Für die Berücksichtigung nachträglichen Wohlverhaltens bei der Zulassungsentziehung hat der Senat bislang angeführt, dass
ein Vertragsarzt, dem die Zulassung entzogen worden sei, in der Regel seine Praxis verliere, und die Chancen von Ärzten, nach
Ablauf einer mindestens fünfjährigen Bewährungsfrist nach Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung am bisherigen
Praxisstandort neu zugelassen zu werden, gering sein können. Der erneuten Zulassung am bisherigen Ort der Praxis stünden oftmals
rechtliche Hindernisse wie die Sperrung des Planungsbereichs wegen Überversorgung und/oder die Überschreitung der Altersgrenze
des § 25 Satz 1 Ärzte-ZV entgegen (BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 15). Eine lediglich theoretische Chance zur Wiederaufnahme einer ärztlichen Tätigkeit nach Entziehung der Zulassung
könnte mit dem Grundrecht aus Art
12 Abs
1 GG kollidieren.
Im vertragszahnärztlichen Bereich sind die für die Wohlverhaltens-Rechtsprechung angeführten Gesichtspunkte jedoch schon seit
längerer Zeit ohne Bedeutung, weil der Gesetzgeber dort mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung
auf eine Steuerung durch zwingende Zulassungsbeschränkungen verzichtet hat (vgl hierzu Flint in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand September 2012, §
103 RdNr 107 f, §
100 RdNr 50 ff, § 101 RdNr 99 f), sodass ein Zahnarzt nach Wiedergewinnung seiner Eignung im Anschluss an eine Zulassungsentziehung
sogar im bisherigen Planungsbereich neu zugelassen werden kann. Hier ist somit eine Rechtfertigung für die Beibehaltung der
bisherigen Rechtsprechung entfallen.
Aber auch im vertragsärztlichen Bereich haben sich in den letzten Jahren die beruflichen Chancen von Ärzten innerhalb und
außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung so deutlich verbessert, dass die Erwägung, eine Zulassungsentziehung stehe zumindest
faktisch einer Beendigung der ärztlichen Tätigkeit im Sinne einer wirtschaftlich tragfähigen beruflichen Betätigung gleich,
nicht mehr gerechtfertigt ist. Zu nennen ist zum einen der Wegfall aller - einer (Wieder-) Zulassung ggf entgegenstehenden
- Altersgrenzen für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Die Altersgrenze nach § 25 Satz 1 Ärzte-ZV aF - danach war eine (Erst- und Wieder-)Zulassung ausgeschlossen, wenn ein Arzt das 55. Lebensjahr vollendet hatte - ist
durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz vom 22.12.2006 (BGBl I 3439) mit Wirkung zum 1.1.2007 aufgehoben worden; §
95 Abs
7 Satz 3
SGB V aF, der die Beendigung der Zulassung eines Vertragsarztes mit Vollendung des 68. Lebensjahres vorgab, ist durch das Gesetz
zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG vom 15.12.2008, BGBl
I 2426) zum 1.10.2008 aufgehoben worden.
Zum anderen haben sich die Neu- oder Wiederzulassungsmöglichkeiten in Deutschland erheblich gebessert. Für Hausärzte bestehen
zahlreiche Zulassungsmöglichkeiten und auch fachärztliche Zulassungsbereiche außerhalb der Ballungsräume und besonders attraktiver
Landkreise stehen offen. Der Gesetzgeber hat durch die Möglichkeit von Arztanstellungen in Praxen und Medizinischen Versorgungszentren
(MVZ) und die Möglichkeit der Übernahme hälftiger Versorgungsaufträge die Aussichten von Ärzten, auch in fortgeschrittenem
Lebensalter (neu oder wieder) vertragsärztlich tätig zu werden, auch ohne eine eigene Praxis eröffnen zu müssen, deutlich
erweitert.
Das ändert zwar nichts daran, dass eine (vollzogene) Zulassungsentziehung weiterhin im Regelfall zu einem Verlust der bisherigen
Praxis führt. Jedoch stellt der Gesichtspunkt des Praxisverlusts und der Notwendigkeit des Aufbaus einer neuen Praxis keine
Besonderheit des Vertragsarztrechts dar, sondern gilt gleichermaßen für alle freien Berufe, deren Tätigkeit von einer Approbation,
Zulassung oder einer anderen Form der Genehmigung abhängig ist. Auch rein privatärztlich tätige Ärzte und in anderen Gesundheitsberufen
Tätige (etwa Apotheker, Logopäden), aber auch Rechtsanwälte und Notare müssen sich nach einem Verlust der bisherigen Praxis
unter mehr oder weniger großem finanziellen Aufwand und unter Schaffung eines neuen Kundenstamms eine neue Praxis aufbauen.
Entsprechendes gilt auch für den Gesichtspunkt, dass eine erneute vertragsärztliche Tätigkeit nicht am Ort der bisherigen
Tätigkeit, sondern ggf nur an einem anderen Ort möglich ist. Denn es ist dem betroffenen Arzt auch unter Berücksichtigung
des Art
12 Abs
1 GG zuzumuten, ein Wiederzulassungsverfahren an einem anderen Ort zu betreiben. Er hat keinen verfassungsrechtlich begründeten
Anspruch darauf, am bisherigen Ort der Tätigkeit wieder zugelassen zu werden (in diesem Sinne zB BVerwG Beschluss vom 25.2.2008
- 3 B 85/07 -, Juris RdNr
17). Durch Art
12 Abs
1 GG ist nicht die Tätigkeit als Vertragsarzt an einem bestimmten Ort geschützt, sondern allein die vertragsärztliche Tätigkeit
als solche. Im Übrigen müssen sich auch Ärzte - anderen Staatsbürgern vergleichbar, die infolge einer rechtskräftigen Verurteilung
ihren Arbeitsplatz verlieren - nach Wiedererteilung der Approbation bzw Wiedererlangung der Zulassung neu in ihrem Beruf einrichten,
und zwar unter den dann herrschenden Bedingungen (BVerwG aaO).
cc) Der bisherigen Rechtsprechung lag - zumindest in ihren Anfängen - unausgesprochen die Erwägung zugrunde, dass der Arzt
von vornherein nur in Ausnahmefällen die Chance erhalte, trotz Entziehung der Zulassung weiter vertragsärztlich tätig zu sein
und die Voraussetzung für "Wohlverhalten" zu schaffen. Im Regelfall - insbesondere bei Falschabrechnungen und anderen Betrugshandlungen
- wurde in der Vergangenheit ohne Beanstandung durch die Rechtsprechung die sofortige Vollziehung der Zulassungsentziehung
angeordnet, sodass für Wohlverhalten von vornherein kein Raum war. Für diese Differenzierung ist im Hinblick auf die aktuelle
Rechtsprechung des BVerfG zur Vollziehung von Zulassungsentziehungen kein Raum mehr. Das BVerfG geht unter Hinweis auf Art
19 Abs
4 GG davon aus, dass die Vollziehung regelmäßig nur in Betracht kommt, wenn die Weiterführung der Praxis während des gerichtlichen
Verfahrens das Wohl der Patienten gefährdet (vgl BVerfG Beschluss vom 8.11.2010 - 1 BvR 722/10 - NZS 2011, 619 f; vgl auch BVerfG Beschluss vom 18.4.2012 - 1 BvR 791/12 - Juris RdNr 8 = NZS 2012, 700 = GesR 2012, 486). Das ist eine seltene Ausnahme, weil in solchen Fällen regelmäßig schon die Approbation widerrufen wird,
sodass ein gesondertes Zulassungsentziehungsverfahren obsolet ist. Deshalb ist rein tatsächlich die nicht vollzogene Entziehung
auch in gravierenden Fällen von Abrechnungsbetrug die Regel und nicht mehr - wie ursprünglich vom Senat angenommen - die Ausnahme
(s hierzu Pawlita in jurisPK-
SGB V, 2. Aufl 2012, §
95 RdNr 641 und §
97 RdNr 84). Infolgedessen und in Verbindung mit einer häufig langen Dauer der gerichtlichen Verfahren wird das "Wohlverhalten",
das nach der Rechtsprechung ganz seltenen, besonders gelagerten Fällen vorbehalten bleiben sollte, faktisch zum regelmäßigen
Prüfungsgesichtspunkt bei Zulassungsentziehungen. Das widerspricht der in §
95 Abs
6 SGB V zum Ausdruck kommenden Vorstellung des Gesetzgebers und macht das gerichtliche Verfahren über eine Entziehung rein tatsächlich
in einer Vielzahl von Fällen zu einem Verfahren, in denen es nur um das "Wohlverhalten" geht. Das ist eine Fehlentwicklung,
die der Senat nicht beabsichtigt hat und nunmehr korrigiert.
dd) Unausgesprochen ist die bisherige Rechtsprechung auch von der Erwägung geprägt, die für den betroffenen Arzt oft schwer
zumutbaren Folgen einer unangemessen langen Dauer des gerichtlichen Verfahrens in gewissem Umfang zu kompensieren. Das wird
schon an der Verzahnung über die Frist von fünf Jahren deutlich, die Voraussetzung für "Wohlverhalten" und zugleich - auf
zwei Instanzen bezogen - Indikator für eine Verletzung des Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention ist. Je länger wegen der vom Arzt (mutmaßlich) nicht zu beeinflussenden Verfahrensdauer die Ungewissheit über die berufliche
Zukunft des Arztes dauerte, desto eher lag es nahe, den Arzt im Verfahren so zu behandeln, als hätte er sich zwischenzeitlich
"bewährt", und deshalb im System zu belassen. Ein Ausgleich für die Folgen unangemessen langer gerichtlicher Verfahren im
Verfahren selbst ist jedoch spätestens nach Inkrafttreten des "Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren
und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren" vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat klargestellt,
dass den berechtigten Belangen der Beteiligten über eine Entschädigung in Geld Rechnung zu tragen ist. Kompensationen mit
Auswirkungen auf das Ergebnis der Entscheidung in der Sache sind deshalb - abgesehen vom Strafverfahren - ausgeschlossen (in
diesem Sinne schon BSG Beschluss vom 15.8.2012 - B 6 KA 15/12 B - RdNr 18).
ee. Es ist - auch dem Senat - in den letzten drei Jahrzehnten nicht gelungen, handhabbare Kriterien für die richtige Anwendung
des Gedankens des "Wohlverhaltens" zu entwickeln. Betroffen davon sind Fälle wie der hier zu beurteilende, in denen feststeht,
dass der Arzt das Verhalten, das zur Entziehung der Zulassung geführt hat, nicht fortsetzt und den Schaden ausgeglichen hat.
Der Senat hat zwar einerseits - zumindest in einigen Entscheidungen (vgl BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 20 unter Hinweis auf BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 22 sowie BSG Beschluss vom 28.4.1999 - B 6 KA 69/98 B - Juris RdNr 5) - betont, dass es für "Wohlverhalten" nicht ausreicht, wenn sich der Arzt in der "Bewährungszeit" rein passiv
verhalte. Andererseits hat er aber keine von der Praxis der Gerichte umsetzbaren Maßstäbe dafür entwickeln können, was für
Umstände gegeben sein müssen, die insoweit ausreichen. Klar ist immer nur, was - abgesehen von Abrechnungsverstößen - der
Annahme eines "Wohlverhaltens" entgegensteht: dies sind etwa berechtigte Beschwerden von Versicherten über Weigerung von Hausbesuchen,
schleppende oder verzögerte Beantwortung von Anfragen der Kostenträger, unzureichende Erfüllung der Fortbildungsverpflichtungen
oder Verweigerung der Kooperation bei Maßnahmen der Qualitätssicherung (vgl BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 17). Entsprechendes gilt, wenn einem Arzt erkennbar die Einsicht in den Unrechtsgehalt seines
zur Zulassungsentziehung führenden Verhaltens fehlt und er weiterhin in Abrede stellt, sich fehlerhaft verhalten zu haben
(vgl BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 15; BVerfG SozR 4-2500 § 95 Nr 18 RdNr 4). Was aber gilt, wenn der Arzt insoweit tut, wozu er verpflichtet ist,
und dazu auch nicht ständig gemahnt werden muss, ist offengeblieben.
Keine klaren Vorgaben hat die Rechtsprechung auch zur Ausfüllung des Grundsatzes machen können, dass dem "Wohlverhalten" eines
Arztes während des Streits über die Zulassungsentziehung grundsätzlich geringeres Gewicht zukommt als schwerwiegenden Pflichtverletzungen
in der Vergangenheit, die zur Zulassungsentziehung geführt haben (vgl BSGE 73, 234, 243 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 19; BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 24). Wenn das immer gelten würde, ginge die Prüfung von "Wohlverhalten" von vornherein ins
Leere; wann die Ausnahme erfüllt ist, lässt sich nicht bestimmen. Klare Grenzziehungen etwa hinsichtlich der Schadenssumme
- wie etwa im Steuerstrafrecht im Hinblick auf die hinterzogene Summe - lassen sich nicht treffen.
Soweit der Senat überhaupt Kriterien für ein "Wohlverhalten" benannt hat, haben auch diese die Rechtsanwendung nicht verlässlich
steuern können. So geht der Gesichtspunkt einer Mitwirkung des Arztes an der Aufklärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe (vgl
BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 22; BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 20) dann (weitgehend) ins Leere, wenn es seines Zutuns überhaupt nicht mehr bedarf, sondern er mit einem bereits
vollständig aufgeklärten Sachverhalt konfrontiert wird. Hinzu kommt, dass eine etwaige Mitwirkung an der Aufklärung in aller
Regel - ja geradezu zwingend - vor einer Entscheidung des Beklagten liegen wird und daher im Rahmen einer Prüfung nachträglichen
Wohlverhaltens nicht berücksichtigt werden könnte (zum Beginn der Wohlverhaltensfrist vgl BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 15 am Ende; BSG Beschluss vom 15.8.2012 - B 6 KA 3/12 B - Juris RdNr 15).
Gegen eine Berücksichtigung des Umstandes, dass der betroffene Arzt den von ihm verursachten Schaden ausgeglichen hat, ließe
sich schon einwenden, dass dies eine Selbstverständlichkeit darstellt. Abgesehen davon ist eine Berücksichtigung dieses Aspektes
deswegen heikel, weil hiervon gerade die besonders einsichtigen Ärzte nicht profitieren würden. Da nur "nachträgliche" - also
nach der Entscheidung des Berufungsausschusses eingetretene - Umstände Berücksichtigung finden können, wirkt sich dies zu
Lasten des Arztes aus, der den Schaden möglichst schnell reguliert, dies also alsbald nach Bekanntwerden der Vorwürfe oder
jedenfalls kurz nach der Entscheidung des Zulassungsausschusses tut.
Das Kriterium der Einsicht des Betroffenen in den Unrechtsgehalt seines Verhaltens (BVerfG [Kammer] Nichtannahmebeschluss
vom 22.12.2008 - 1 BvR 3457/08 - SozR 4-2500 § 95 Nr 18 RdNr 4; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 59/08 B - Juris RdNr 11; BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 15; vgl auch BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 24 sowie BSG Beschluss vom 27.6.2001 - B 6 KA 7/01 B - Juris RdNr 11) führt ebenfalls zu zweifelhaften Ergebnissen. Zwar kann von einem Arzt, dem jegliche Unrechtseinsicht fehlt,
in der Regel nicht sicher angenommen werden, dass er in Zukunft die Regeln einhalten wird. Es gibt jedoch umgekehrt keine
"harten" Tatsachen, die eine Unrechtseinsicht belegen können. So wäre etwa bei einem Schreiben des betroffenen Arztes, in
dem er sein Bedauern ausdrückt, regelmäßig zu hinterfragen, ob dieses Schreiben nicht auf nur taktischen Erwägungen beruht.
Der Umstand, dass die Berücksichtigung von "Wohlverhalten" nur in der Zeit zwischen der Entscheidung des Berufungsausschusses
und derjenigen des LSG in Betracht kommt, führt zudem zu nicht gerechtfertigten Zufallsresultaten. Je länger der Berufungsausschuss
mit seiner Entscheidung gewartet hat oder hat warten müssen, desto eher fallen wichtige Entscheidungen des betroffenen Arztes
in die Zeit vor der Beschlussfassung im Berufungsausschuss. Insbesondere gilt dies für ein Zugestehen der Vorwürfe und eine
Schadenswiedergutmachung, aber auch für Maßnahmen wie eine Neuorganisation der Praxis. Das muss dann zwar der Berufungsausschuss
berücksichtigen, kann aber bei der Prüfung nachträglichen "Wohlverhaltens" keine Rolle spielen. Daher hat ein Arzt, der zunächst
nicht kooperiert und erst nach der Entscheidung des Berufungsausschusses einlenkt, mehr Chancen, sein neu gewonnenes "Wohlverhalten"
zu belegen.
Auch die umgekehrte Situation lässt Wertungsprobleme erkennen, wie der vorliegende Fall zeigt: die Beigeladene zu 1. hat dem
Kläger im Januar 2003 im Disziplinarverfahren eine Geldbuße in Höhe von 8000 Euro wegen der Beschäftigung von drei Vertretern
im Quartal II/2002 ohne Genehmigung der KÄV auferlegt. Hätte der Kläger diesen weiteren Pflichtenverstoß im Anschluss an die
Entscheidung des Berufungsausschusses im Laufe des gerichtlichen Verfahrens begangen, wäre jede Berufung auf "Wohlverhalten"
illusorisch gewesen, selbst wenn nach der neuen Tat noch einmal fünf Jahre vor der Erledigung des Verfahrens vergangen wären.
Denn jede Pflichtverletzung ähnlicher Ausrichtung wie diejenigen, die Gegenstand der Zulassungsentziehung sind, schließt -
jedenfalls grundsätzlich - ein "Wohlverhalten" auf Dauer aus.
ff) Schließlich können von einer in ihrer Anwendung durch die Instanzgerichte kaum vorhersehbaren Rechtsprechung Anreize ausgehen,
allein im Hinblick auf die Chance, in den Genuss der "Wohlverhaltensrechtsprechung" zu gelangen, Zulassungsentziehungen auch
dann anzugreifen, wenn sie zum Zeitpunkt ihres Ergehens ersichtlich gerechtfertigt sind. Auch das belegt der hier zu beurteilende
Fall. Dass bei Pflichtverletzungen der vom Kläger begangenen Art und Dauer - bei einem Schaden von knapp 2 Mio Euro und einer
strafgerichtlichen Verurteilung wegen Betruges - die Zulassung zu entziehen ist, kann nicht zweifelhaft sein und war es in
der gerichtlichen Praxis auch zu keinem Zeitpunkt. Die Aufgabe der Rechtsprechung zum "Wohlverhalten" rückt die Dinge wieder
zurecht: der Arzt, der meint, ihm sei die Zulassung zu Unrecht entzogen, kann und muss diese - aber auch nur diese - Frage
gerichtlich klären lassen. Will er zeigen, dass er sich neu bewähren kann, nimmt er die Entziehung hin und beantragt nach
zumindest fünfjähriger Wartezeit eine neue Zulassung.
gg) Damit wird nicht verkannt, dass eine Zulassungsentziehung die Berufsfreiheit in einem Maße einschränkt, das in seiner
Wirkung der Beschränkung der Berufswahl iS des Art
12 Abs
1 GG nahe kommt (vgl zB BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 70 mwN). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es Art
12 Abs
1 GG überhaupt gebietet, dass ein Vertragsarzt nach einer gröblichen, eine Zulassungsentziehung auf Dauer rechtfertigenden Pflichtverletzung
in jedem Fall die Möglichkeit haben muss, eine Zulassung als freiberuflich tätiger Arzt wiederzuerlangen, oder ob es ausreicht,
dass er die Möglichkeit hat, in anderer Form (etwa als angestellter Arzt in einem MVZ) an der vertragsärztlichen Versorgung
teilzunehmen.
Denn abgesehen davon, dass bereits das Gesetz - gerade im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - sehr hohe Anforderungen
an eine Entziehung der Zulassung stellt (vgl BVerwG Buchholz 418.00 Ärzte Nr 100 = NJW 1999, 3425 [Juris RdNr 11] zur Feststellung der Berufsunwürdigkeit), macht diese jedenfalls einen Wiedereinstieg nach Absolvieren einer
Bewährungszeit nicht (mehr) faktisch unmöglich, sodass die Privilegierung durch die "Wohlverhaltensrechtsprechung" nicht mehr
durch Art
12 Abs
1 GG geboten ist. Den schwerwiegenden Folgen einer Zulassungsentziehung ist bereits bei der Entscheidung darüber Rechnung zu tragen,
ob die Pflichtverletzungen eine Zulassungsentziehung unabdingbar erforderlich machen.
Auch der Umstand, dass das BVerfG es in einer - die Amtsenthebung eines Notars betreffenden - Kammerentscheidung als problematisch
erachtet hat, die gerichtliche Entscheidung allein auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung
im Amtsenthebungsverfahren zu stützen und nachträgliche Veränderungen unberücksichtigt zu lassen (BVerfG [Kammer] Beschluss
vom 31.8.2005 - 1 BvR 912/04 - BVerfGK 6, 156, 161 = NJW 2005, 3057, 3058; s hierzu auch BGHZ 190, 187 RdNr 18 = NJW 2011, 3234 ff), erfordert kein Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung. Soweit das BVerfG dort die Auffassung vertreten hat, die
Nichtberücksichtigung nachträglicher Veränderungen könne im Hinblick auf die Berufswahlfreiheit des Notars, der nach dem Verlust
seines Amtes nur die Möglichkeit habe, bei Vorliegen eines Bedürfnisses, nach Ausschreibung der Notarstelle und bei Bestehen
der Konkurrenz mit anderen Bewerbern erneut bestellt zu werden, verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen (BVerfG, aaO = Juris
RdNr 18), kommt diesen - ursprünglich auch vom Senat geteilten - Bedenken aus den dargestellten Gründen jedenfalls im Bereich
des Vertragsarztrechts keine derart gravierende Bedeutung mehr zu, dass sie ein Abweichen vom Grundsatz erforderten. Im Übrigen
ist darauf zu verweisen, dass das BVerfG derartige Bedenken in Bezug auf den Widerruf der Approbation bislang nicht gesehen
hat (vgl zB BVerfGK 12, 72 ff - zur Versagung der Wiedererteilung einer Apotheker-Approbation).
hh) Einer Aufgabe der "Wohlverhaltens"-Rechtsprechung stehen auch keine Umsetzungsprobleme entgegen. Die Rechtsprechungsänderung
bewirkt lediglich, dass die Prüfung, ob das Vertrauensverhältnis wiederhergestellt ist, nun nicht mehr im Verfahren über die
Zulassungsentziehung, sondern im Verfahren über die Wiederzulassung des Arztes zu erfolgen hat. Die Rechtsprechung des Senats
zu den an eine Wiederzulassung zu stellenden Anforderungen bleibt von der Aufgabe der "Wohlverhaltens"-Rechtsprechung unberührt.
Einem Antrag auf Wiederzulassung (wie auch einer diesbezüglichen Entscheidung) steht nicht entgegen, dass die Entziehung der
bisherigen Zulassung noch nicht bestandskräftig geworden ist, da ein Anspruch auf eine bestandssichere Zulassung besteht.
Die Notwendigkeit, nunmehr ein Verfahren auf Wiederzulassung zu betreiben, hat allerdings auch zur Konsequenz, dass bei besonders
langer Dauer des gerichtlichen Verfahrens über die Rechtmäßigkeit einer Zulassungsentziehung die übliche "Bewährungszeit"
abgelaufen sein kann, bevor die Zulassungsentziehung bestandskräftig ist. Allein der Umstand, dass noch ein gerichtliches
Verfahren über die Zulassungsentziehung anhängig ist, hindert den betroffenen Arzt nicht, sich um eine erneute Zulassung zu
bewerben. Kann er die zuständigen Zulassungsgremien - etwa in einem anderen KÄV-Bezirk - davon überzeugen, dass er ungeachtet
des noch nicht abgeschlossenen gerichtlichen Verfahrens jedenfalls wieder für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit
geeignet ist, kann er grundsätzlich erneut zugelassen werden.
Von der neuen ärztlichen Zulassung darf der Vertragsarzt aber erst Gebrauch machen, wenn und soweit er zumindest auf die Rechte
aus der entzogenen Zulassung verzichtet oder der Rechtsstreit über die Entziehung erledigt wird. Kein Arzt kann über zwei
Zulassungen mit vollem Versorgungsauftrag verfügen. Ausgehend von diesem Grundsatz und unter Ausnutzung des Instruments der
Bedingung als Nebenbestimmung im Sinne des § 32 Abs 2 Nr 2 SGB X müssen die Verwerfungen gelöst werden, die sich zumindest theoretisch aus dem Nebeneinander von gerichtlichem Verfahren über
eine Zulassungsentziehung und Neuzulassungsverfahren ergeben können. Dazu dürfte es aber nur in den seltenen Fällen kommen,
in denen auch nach Inkrafttreten des "Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen
Ermittlungsverfahren" vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) ein die Rechtmäßigkeit einer Zulassungsentziehung betreffendes gerichtliches
Verfahren nicht abgeschlossen ist, bevor ein betroffener Arzt Chancen auf eine Wiederzulassung hat, und zugleich auf die neue
Zulassung wieder verzichten will, wenn der Entziehungsbescheid rechtskräftig aufgehoben wird. Wie diese mutmaßlich sehr seltenen
Konstellationen zu lösen sind, dürfte sich einer generellen Festlegung entziehen. Der Regelung des § 12 Kündigungsschutzgesetz, die dem Arbeitnehmer, der vor rechtskräftigem Abschluss des Kündigungsschutzprozesses ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen
ist, ein befristetes Wahlrecht einräumt, bei welchem Arbeitgeber er nach rechtskräftigem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess
weiter arbeiten will, können zumindest wichtige Wertungsgesichtspunkte für die Lösung entnommen werden.
d) Der Senat wendet die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Wohlverhalten deshalb auf Entscheidungen der Berufungsausschüsse,
die nach Veröffentlichung dieses Urteils ergehen, nicht mehr an. Aus Gründen prozessualen Vertrauensschutzes muss es in den
anderen Fällen bei der bisherigen Rechtsprechung verbleiben, soweit Ärzte bei lange laufenden Gerichtsverfahren davon abgesehen
haben, sich nach (mutmaßlich) eingetretener Bewährung um eine neue Zulassung zu bewerben. Dies kommt allerdings nur dann in
Betracht, wenn - wie dem hier zu beurteilenden Verfahren - die vom Senat für ein "Wohlverhalten" vorausgesetzte "Bewährungszeit"
von fünf Jahren (vgl BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 24 RdNr 55 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; zuletzt BSG Beschluss vom 15.8.2012 - B 6 KA 3/12 B - Juris RdNr 15) seit der Entscheidung des Berufungsausschusses bereits verstrichen ist.
4. Auf der Basis der bisherigen und hier noch fortgeführten Rechtsprechung hält sich die Entscheidung des LSG, dem Kläger
"Wohlverhalten" zuzubilligen, in dem Rahmen, der der tatrichterlichen Würdigung des LSG vorbehalten ist. Der Senat vermag
zwar nicht zu erkennen, weshalb in einem Verfahren, in dem schon das Verfahren in erster Instanz mehrere Jahre gedauert und
das LSG erst nach Jahren über eine Beschwerde gegen die Aussetzung des Verfahrens entschieden hat, das LSG ohne jede erkennbaren
tatsächlichen Ermittlungen für die Entscheidung drei Jahre benötigt und dem Kläger damit die Tür zur Berücksichtigung von
Wohlverhalten trotz erheblicher Pflichtverletzungen geöffnet hat; das ist aber nicht rückwirkend zu korrigieren.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats zum sog "Wohlverhalten" ist zu prüfen, ob sich die Sachlage während des Prozesses durch
ein Wohlverhalten des Leistungserbringers in einer Weise zu seinen Gunsten geändert hat, dass eine Grundlage für eine erneute
Vertrauensbasis zwischen dem Betroffenen und den vertragsarztrechtlichen Institutionen wieder aufgebaut worden ist und damit
eine Entziehung nicht mehr als angemessen erscheint (stRspr des BSG, vgl SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 16 f; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 24 RdNr 54, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Wohlverhalten setzt eine zweifelsfreie nachhaltige Verhaltensänderung
während eines Zeitraums von mehreren Jahren sowie eine zweifelsfreie Prognose künftig rechtmäßigen Verhaltens voraus (in diesem
Sinne zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 24 RdNr 55 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; vgl auch BSG Beschluss vom 27.6.2007 - B 6 KA 20/07 B - Juris RdNr 13; BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 19; zuletzt BSG Beschluss vom 15.8.2012 - B 6 KA 3/12 B - Juris RdNr 16).
"Wohlverhalten" erfordert somit (retrospektiv) eine Verhaltensänderung und (prospektiv) eine "positive" Prognose. Das LSG
hat alle Umstände des Einzelfalls aufzuklären, die dafür und dagegen angeführt werden können, dass der Arzt sich künftig -
anders als in der Vergangenheit - korrekt verhalten wird, und diese umfassend zu würdigen (vgl BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 17 f; BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 14).
Nach §
163 SGG ist das BSG an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in Bezug auf diese Feststellungen
zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Bei Prognoseentscheidungen sind tatsächliche Feststellungen bezogen
auf hypothetische Tatsachen zu treffen; zur Rechtsanwendung gehört jedoch die Prüfung, ob die Grundlagen für die Prognose
richtig festgestellt bzw ob alle in Betracht kommenden Umstände hinreichend gewürdigt sind (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, §
162 SGG RdNr 3a).
b) Der vom LSG vertretenen Auffassung, dass es für die Annahme von "Wohlverhalten" ausreicht, wenn keine ernstlichen Zweifel
an einer stattgehabten Verhaltensänderung sowie an einem zukünftig pflichtgemäßen Verhalten bestehen, stehen jedenfalls keine
zwingenden Rechtssätze des erkennenden Senats entgegen. Dieser hat sich nicht in dem Sinne festgelegt, dass die Feststellung
"positiver" Umstände für die Annahme eines "Wohlverhaltens" unabdingbar ist.
Zwar hat der Senat wiederholt darauf hingewiesen, dass ein "Wohlverhalten" - anders als etwa bei strafprozessualen Bewährungsfristen
- nicht an einen bloßen Zeitablauf geknüpft ist (vgl BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 10; zuletzt BSG Beschluss vom 15.8.2012 - B 6 KA 3/12 B - Juris RdNr 16). Damit soll jedoch allein verdeutlicht werden, dass ein Verstreichen der Wohlverhaltensfrist nicht genügt,
sondern es darüber hinaus - wie vorstehend dargelegt - einer Würdigung des bisherigen und einer prognostischen Wertung des
zukünftigen Verhaltens bedarf: eine an sich indizierte Ungeeignetheit kann nur dann durch eine bloße lange Zeitdauer relativiert
werden, wenn ein künftiges rechtmäßiges Verhalten prognostiziert werden kann (BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 19 unter Bezugnahme auf BSG Beschluss vom 27.6.2007 - B 6 KA 20/07 B - Juris RdNr 13).
Wie die Tatsachengerichte diese Würdigung vornehmen und welche Umstände sie dieser zugrundelegen, ist grundsätzlich von ihnen
zu beurteilen und entzieht sich - aus rechtlichen wie auch tatsächlichen Gründen - einer abschließenden revisionsgerichtlichen
Festlegung. Der Senat hat wiederholt dargelegt, dass es je nach der Art der dem Vertrags(zahn)arzt vorgeworfenen Pflichtverletzung
unterschiedlich sein kann, welche Gesichtspunkte bei der Prüfung des sog Wohlverhaltens von Bedeutung sind, und dies generalisierender
Prüfung nicht zugänglich ist (BSG Beschluss vom 27.6.2007 - B 6 KA 20/07 B - Juris RdNr 13; BSG Beschluss vom 28.4.1999 - B 6 KA 69/98 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 19.6.1996 - 6 BKa 25/95 - MedR 1997, 86, 87; zuletzt BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 19).
Bei der Festlegung der an ein "Wohlverhalten" zu stellenden Anforderungen ist auch in den Blick zu nehmen, welche dies überhaupt
sein könnten und ob sie bei realistischer Betrachtung erfüllt werden können. Dass es dabei nicht darum gehen kann, dass sich
der betroffene Arzt als besonders "guter" Mensch geriert, sondern allein um solche Maßnahmen bzw Handlungen, die Bezug zu
den von ihm begangenen Pflichtverletzungen haben, steht außer Frage. Derartige Umstände, wie eine Mitwirkung an der Aufklärung
und eine Wiedergutmachung des Schadens, liegen aber - wie bereits (unter 3.c. ee.) dargelegt - regelmäßig vor einer Entscheidung
des Berufungsausschusses und können daher bei der Prüfung eines während des nachfolgenden Gerichtsverfahrens gezeigten "Wohlverhaltens"
keine Berücksichtigung finden.
Wenn es die Gerichte für die ihnen obliegenden Feststellungen und Prognosen als ausreichend erachten, dass der betroffene
Arzt sich in der Folgezeit korrekt verhalten hat (zur Wertung des "Wohlverhaltens" als bloßes korrektes "Normalverhalten"
vgl schon Siewert, BKK 1974, 131 ff), ist dies revisionsgerichtlich hinzunehmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie vorliegend
- der Arzt auch die aus seinem Verhalten in der Vergangenheit entstandenen Folgen bereinigt, insbesondere einen entstandenen
Schaden ausgeglichen hat. Ob ein beanstandungsfreies Verhalten auch im Rahmen eines auf eine Wiederzulassung gerichteten Verfahrens
für die Beurteilung ausreicht, dass das Vertrauen wiederhergestellt ist, lässt der Senat ausdrücklich offen. Bedenken könnten
sich insoweit ergeben, weil bei der Prüfung der Wiederzulassung - anders als beim "Wohlverhalten" im Falle einer nicht vollzogenen
Zulassungsentziehung - mangels Ausübung einer vertragsärztlichen Tätigkeit die Annahme eines "korrekten" Verhaltens nicht
ohne Weiteres auf entsprechende Feststellungen der KÄV bzw der Krankenkassen gestützt werden kann.
c) Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des LSG nicht zu beanstanden. Tatsächliche Umstände, die zumindest Hinweise
in Richtung auf Zweifel an der künftigen Beachtung der vertragsärztlichen Pflichten liefern könnten, hat das LSG nicht festgestellt.
Unabhängig davon, ob der Senat an diese "Nichtfeststellung" iS des §
163 SGG gebunden wäre, weil keine Verfahrensrügen erhoben worden sind, zeigen weder die beigeladene KÄV noch die Verbände der Krankenkassen
entsprechende Gesichtspunkte auf oder geben auch nur Hinweise, durch welche Form der weiteren Sachaufklärung sich entsprechende
Anhaltspunkte ergeben könnten. Deshalb muss als tatrichterliche Würdigung hingenommen werden, dass keine greifbaren Anhaltspunkte
dafür bestehen, dass der Kläger sich in Zukunft - nicht anders als seit Oktober 2003 - vertragsärztlich korrekt verhalten
wird.
Im Hinblick auf diese dem Tatrichter vorbehaltene und hier nicht evident unvertretbare Würdigung könnte der Aspekt des "Wohlverhaltens"
nur dann außer Betracht bleiben, wenn die Pflichtverletzungen von solchem Ausmaß waren, dass sie durch keinerlei Wohlverhalten
"kompensiert" werden können. Auch das ist in erster Linie Sache der tatrichterlichen Würdigung. Selbst wenn insbesondere im
Hinblick auf die Schadenshöhe und die Vielzahl und Vielgestaltigkeit des unerlaubten Einsatzes von Personal in der Praxis
des Klägers manches dafür sprechen mag, anders als das LSG zu werten, ist die Grenze für einen Eingriff des Revisionsgerichts
in die tatrichterliche Bewertung nicht erreicht.
Der Kläger hat die "Bewährungszeit" im Verlaufe der 7 ¼ Jahre des gerichtlichen Verfahrens in den Instanzen beanstandungsfrei
hinter sich gebracht. Er ist seiner vertragsärztlichen Tätigkeit nachgegangen, ohne dass seitens der KÄV oder den Krankenkassen
Verstöße gegen die vertragsärztlichen Pflichten festzustellen waren. Eine Ausnahme bilden lediglich die - vom LSG zu Recht
als marginal beurteilten - unzulässigen SSB-Verordnungen in den Quartalen I/2008 und I bis IV/2009, wobei dies relativ wenige
Verordnungen mit einer Rückforderungssumme von insgesamt 508,62 Euro betrifft.
Der (ansonsten) beanstandungsfreien Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit kommt umso mehr Bedeutung zu, als die genannten
Institutionen angesichts des noch laufenden Entziehungsverfahrens Gelegenheit und Veranlassung zur sorgfältigen Beobachtung
der vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers gehabt haben. Dem steht auch nicht entgegen, dass das vertragsärztliche Abrechnungs-
und Honorierungssystem grundsätzlich auf Vertrauen aufbaut, weil es der KÄV (bzw den Krankenkassen) ausnahmsweise durchaus
zumutbar ist, die Abrechnungen und das sonstige Verhalten eines Vertragsarztes genauer zu beobachten bzw zu hinterfragen.
Etwaige Zweifel - insbesondere an einer Unrechtseinsicht des Klägers - ergeben sich auch nicht aus dessen Reaktion auf einen
Artikel im "S. Tageblatt" vom .2003, in dem über seine Verurteilung berichtet wurde. Abgesehen davon, dass sich der Kläger
seinerzeit in einer hoch emotionalen Situation befunden haben dürfte, liegen diese Umstände noch vor der Entscheidung des
Beklagten und haben somit bei der Prüfung eines nachfolgenden Wohlverhaltens außer Betracht zu bleiben. Daher kann ihm die
(frühere) Rechtsprechung des Senats zum Wohlverhalten zugutekommen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff
VwGO. Danach haben die Beigeladenen zu 1., 2., 3. und 5. sowie der Beklagte die Kosten zu gleichen Teilen zu tragen, weil ihr
Rechtsmittel erfolglos geblieben ist bzw weil sie unterlegen sind (§ 154 Abs 1 und
3 bzw §
154 Abs
2 und
3, jeweils iVm §
159 Satz 1
VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen zu 4. und 6. ist nicht veranlasst, da diese keinen Antrag gestellt haben (§
162 Abs
3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 §
63 Nr
3, RdNr 16).