Anspruch auf Sozialhilfe; Eingliederungshilfe und Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII; Erstattung von Sozialhilfekosten im Rahmen der Hilfe für betreutes Wohnen; Zusammentreffen mit Leistungen der Kinder- und
Jugendhilfe; Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit
Gründe:
I
Im Streit ist (noch) die Erstattung von Sozialhilfekosten für die Zeit vom 19.10.2009 bis zum 30.6.2010 in Höhe von 24 940,17
Euro, die der Kläger für den Leistungsempfänger B P (P) als Eingliederungshilfe erbracht hat, und die zusätzliche Feststellung,
dass der Beklagte verpflichtet ist, die für P nach diesem Zeitpunkt angefallenen und anfallenden Kosten der fortdauernden
Maßnahme im Kloster E/C zu erstatten.
Bei dem im Juni 1990 geborenen P bestehen eine Intelligenzminderung leichter Ausprägung und eine psychische Behinderung mit
emotionaler Störung sowie eine Verhaltensstörung mit Störung der Impulskontrolle und des Sozialverhaltens. Bis zum 7.8.2001
lebte er im Haushalt seiner Eltern (im Landkreis B). Anschließend war er auf Kosten dieses Landkreises bis zum 30.9.2008 in
verschiedenen Heimen untergebracht (Heimerziehung nach dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe - [SGB VIII]),
zuletzt vom 17.9.2007 bis zum 30.9.2008 in der vollstationären intensiv-pädagogischen Jugendwohngruppe D, einer Einrichtung
des Jugendhilfezentrums Ve, die im Landkreis V liegt.
Das Jugendhilfezentrum Ve traf während dieser Zeit mit dem Vermieter eines Hauses im ca 15 km entfernten G, gelegen im Landkreis
V, eine (formlose) Vereinbarung, wonach dieser ein Haus für Jugendliche aus der Jugendwohngruppe zur Verfügung stellen sollte.
Auf der Basis eines Hilfeplangesprächs vom 21.8.2008 schloss der mittlerweile unter Betreuung stehende P zum 1.10.2008 einen
Mietvertrag mit dem Vermieter über ein Zimmer mit Küche ab und zog zu diesem Zeitpunkt in das Haus ein; der Beklagte bewilligte
ab diesem Zeitpunkt Hilfe zur Persönlichkeitsentwicklung und eigenverantwortlichen Lebensführung nach § 41 SGB VIII iVm § 34 SGB VIII in Form eines betreuten Wohnens (Bescheid vom 16.10.2008).
Nach dem Einzug in G wurde P weiterhin durch eine Mitarbeiterin der Jugendwohngruppe D betreut, und zwar morgens, wenn P nicht
in der (18 km entfernten) Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) erschien, die er an fünf Tagen in der Woche besuchte, und
nach Rückkehr aus der WfbM ab 17 Uhr bzw 17.30 Uhr bis gegen 21 Uhr bzw 22 Uhr. An den Wochenenden nahm P regelmäßig am Programm
der Jugendwohngruppe teil. Die Nächte verbrachte P zunächst allein im Haus; zum 28.2.2009 wurde ein weiterer Jugendlicher
der Jugendwohngruppe in das Haus vermittelt. Im Dezember 2008 kehrte P jedoch kurzfristig in die Jugendwohngruppe zurück und
befand sich im Januar und Februar 2009 jeweils für zwei Wochen sowie in der Folge ein weiteres Mal in stationärer psychiatrischer
Behandlung. Da er nicht in der Lage war, allein in dem Haus zu leben, wurde er ab Mitte Juni 2009 übergangsweise wieder in
der Jugendwohngruppe D aufgenommen. Zum 19.10.2009 wurde P schließlich im Kloster E (gelegen im Landkreis C) untergebracht,
wo er seither lebt. Zu diesem Zeitpunkt stellte der Beklagte seine Hilfegewährung ein (Bescheid vom 24.9.2009).
Bereits am 24.8.2009 hatte Ps Betreuer bei dem Beklagten die Gewährung von Eingliederungshilfe im Rahmen der vollstationären
Unterbringung im Kloster E beantragt. Diesen Antrag leitete der Beklagte am selben Tag per E-Mail und am 16.9.2009 schriftlich
an den Kläger weiter, weil dieser wegen des letzten gewöhnlichen Aufenthalts in G für die Leistungserbringung zuständig sei.
Der Kläger gewährte Eingliederungshilfe unter Bezugnahme auf §
14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (
SGB IX) als "zweitangegangener" Rehabilitationsträger und Leistungen zum Lebensunterhalt (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
[Grundsicherung], weiterer notwendiger Lebensunterhalt in Form eines Barbetrags ua) unter dem Vorbehalt des Aufwendungsersatzes
(sog unechte Sozialhilfe nach § 19 Abs 5 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - [SGB XII]). Eine beim Beklagten geltend gemachte Erstattungsforderung lehnte dieser ab (Schreiben vom 9.10.2009).
Der anschließend erhobenen Klage hat das Sozialgericht (SG) Trier nach Erweiterung der Klage um die Kosten der bis zum 30.6.2010 erbrachten Leistungen stattgegeben und den Beklagten
verurteilt, an den Kläger "die im Zeitraum vom 19.10.2009 bis 30.6.2010 für P aufgewandten Kosten in Höhe von 24 940,17 Euro
zu zahlen"; darüber hinaus hat es festgestellt, dass der Beklagte auch zur Erstattung der nach diesem Zeitpunkt "angefallenen
Kosten für die Hilfe an P" verpflichtet sei (Urteil vom 24.8.2010).
Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.2.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, ein Erstattungsanspruch
nach § 106 Abs 1 Satz 1 SGB XII und nach §
14 Abs
4 Satz 1
SGB IX scheide aus. Nach § 98 Abs 2 Satz 1 SGB XII sei nämlich der Kläger für die Leistungserbringung zuständig gewesen, weil P zuletzt vor der erneuten stationären Unterbringung
seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - [SGB I]) in G gehabt habe. Bei dem
Betreuten-Wohnen habe es sich nicht um einen Aufenthalt in einer Einrichtung gehandelt. Die von P genutzte Unterkunft sei
nach den Aussagen der vor dem SG vernommenen Zeugen nicht in die Rechts- und Organisationssphäre des Einrichtungsträgers, des Jugendhilfezentrums Ve, eingegliedert
gewesen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus einem zwischen dem Landkreistag Rheinland-Pfalz und dem Städtetag Rheinland-Pfalz
im Jahre 1997 geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Kostenerstattung bei der Finanzierung des Betreuten-Wohnens
und einem weiteren Vertrag aus dem Jahre 2005. Eine von den gesetzlichen Regelungen abweichende rechtliche Beurteilung des
gewöhnlichen Aufenthalts sei unzulässig. Für den hier vorliegenden Fall, dass der nach dem Gesetz zuständige Leistungsträger
eine Leistung erbracht habe, deren Kosten ein anderer Leistungsträger übernehmen solle, treffe die Vereinbarung keine Regelung.
Mit seiner Revision rügt der Kläger, nachdem er die Klage auf Zahlung weiterer im Revisionsverfahren geltend gemachter 75
167,06 Euro zurückgenommen hat, die Verletzung des § 106 Abs 2 SGB XII und des § 98 Abs 2 SGB XII. Zu Unrecht sei das LSG davon ausgegangen, dass P in G einen gewöhnlichen Aufenthalt iS des §
30 SGB I begründet habe. Bei der Wohnung in G habe es sich vielmehr um eine dezentrale Außenstelle einer stationären Einrichtung gehandelt,
weil die Unterkunft der Rechts- und Organisationssphäre des Einrichtungsträgers (Jugendhilfezentrum Ve) zugeordnet gewesen
sei. Zuständig sei deshalb der Beklagte, weil P vor seiner Aufnahme in die erste stationäre Einrichtung am 8.8.2001 im dortigen
Kreis seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Selbst wenn man von einer Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in G
ausgehe, sei der Beklagte zur Kostenerstattung aufgrund landesrechtlicher Vereinbarungen der Sozialhilfeträger verpflichtet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die zulässige Revision ist unbegründet (§
170 Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der Kosten anlässlich der Maßnahme im Kloster E,
weil er selbst aufgrund einer Heranziehung zur Leistungserbringung durch den zuständigen überörtlichen Sozialhilfeträger,
das Land Rheinland-Pfalz, die Leistungen in eigenem Namen zu erbringen hatte (Wahrnehmungszuständigkeit); über Erstattungsansprüche
gegen das Land (vgl §§ 5 Abs 2, 6 Landesgesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch [AGSGB XII] vom 22.12.2004, Gesetz- und Verordnungsblatt [GVBl] 571) ist im vorliegenden Verfahren mangels Beiladung des
Landes (vgl §
75 Abs
5 SGG), die im Revisionsverfahren nicht gerügt war (zu dieser Voraussetzung nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, §
75 RdNr 13b mwN), nicht zu befinden.
Gegenstand des Verfahrens ist im Rahmen einer objektiven Klagehäufung (§
56 SGG) zum einen die Erstattung der für P erbrachten Aufwendungen in der Zeit vom 19.10.2009 bis 30.6.2010, die der Kläger mit
der allgemeinen Leistungsklage (§
54 Abs
5 SGG) geltend macht an der in der Revisionsbegründungsschrift zunächst erklärten Erweiterung des Zahlungsantrages um die danach
angefallenen Kosten in Höhe von weiteren 75 167,06 Euro hat er nicht festgehalten. Zum anderen ist zulässigerweise Gegenstand
die prozessuale Feststellung der ab dem 1.7.2010 fortbestehenden Erstattungspflicht der wegen der Maßnahme im Kloster E entstandenen
Aufwendungen (§
55 Abs
1 Nr
1 SGG: Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses). Jedenfalls nach der Konkretisierung des Feststellungsantrags, dass
(lediglich) die Feststellung der Erstattungspflicht für die fortdauernde Maßnahme im Kloster E begehrt werde, und der Teilrücknahme
der Klage insoweit (§
102 Abs
1 SGG) ist die Feststellungsklage zulässig. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war dem Kläger für die nachfolgende Zeit nur die Erhebung
einer Klage mit dem Ziel der Feststellung künftiger Rechtsfolgen aus einem bestehenden Rechtsverhältnis möglich. Er kann -
davon ausgehend - nicht gezwungen werden, die Feststellungsklage jederzeit und ggf immer aufs Neue dem Umstand anzupassen,
dass nach Klageerhebung auch eine Leistungsklage für weitere zwischenzeitlich verflossene Zeiträume möglich wäre (vgl BSG SozR 4-5910 § 97 Nr 1 RdNr 12). Zulässig wäre auch die gerichtliche Feststellung der Erstattungspflicht erst nach dem Senatsurteil entstehender
(künftiger) Kosten bei Fortführung der Maßnahme (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG 10. Aufl 2012, §
55 RdNr 8a mwN).
Auch sonstige von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensfehler liegen nicht vor; eine Beiladung des P gemäß §
75 Abs
2 1. Alt
SGG (echte notwendige Beiladung) war nicht erforderlich (vgl zuletzt Urteil des Senats vom 25.4.2013 - B 8 SO 6/12 R -, juris
RdNr 10 mwN). Eine echte notwendige Beiladung des Landes Rheinland-Pfalz als überörtlichen Träger war ebenfalls nicht erforderlich,
weil es an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich
ergehen könnte.
Alle denkbaren Anspruchsgrundlagen für die Erstattung von Leistungen der Eingliederungshilfe in stationären Einrichtungen
- § 106 Abs 1 SGB XII iVm § 98 Abs 2 Satz 3 SGB XII (Erstattung für den Fall der vorläufigen Leistungserbringung bei ungeklärtem gewöhnlichen Aufenthalt), §
14 Abs
4 Satz 1
SGB IX (Erstattungsanspruch für den zweitangegangenen Träger der Rehabilitation), bzw die allgemeinen Vorschriften der §§ 102 ff
Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - [SGB X] - durch den Beklagten scheiden
vorliegend aus, weil der Kläger über eine Heranziehung durch den überörtlichen Sozialhilfeträger, das Land, bzw ab 1.1.2013
selbst die Grundsicherungsleistungen zu erbringen hatte.
In Rheinland-Pfalz haben für die Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe in stationären Einrichtungen die Landkreise
und kreisfreien Städte aufgrund einer Heranziehung des Landes als dem überörtlichen Sozialhilfeträger (vgl § 1 Abs 2 AGSGB XII iVm § 3 Abs 3 SGB XII), der für stationäre Leistungen der Eingliederungshilfe sachlich zuständig ist (§ 97 Abs 3 SGB XII iVm § 2 Abs 2 Nr 2 AGSGB XII), die Wahrnehmungszuständigkeit; sie erbringen diese Leistungen insoweit in eigenem Namen (§ 4 AGSGB XII). Das Land Rheinland-Pfalz hat nämlich die Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs 2 SGB XII iVm § 1 Abs 1 AGSGB XII) nach § 99 Abs 2 SGB XII iVm § 4 AGSGB XII zur Aufgabenwahrnehmung ua für Leistungen der Eingliederungshilfe in stationären Einrichtungen herangezogen (vgl § 1 Erste Landesverordnung zur Durchführung des AGSGB XII vom 26.4.1967; zuletzt geändert durch Art 3 des Gesetzes vom 28.9.2010 - GVBl 298); dies muss bis 31.12.2012 uneingeschränkt auch die Leistungen zum Lebensunterhalt
(Grundsicherung, Hilfe zum Lebensunterhalt) erfassen (vgl § 97 Abs 4 SGB XII iVm § 2 der Landesverordnung vom 26.4.1967). Für die Zuständigkeit bei Grundsicherungsleistungen gilt jedoch seit 1.1.2013 § 46b SGB XII, der die Anwendung des § 97 Abs 4 SGB XII ausschließt; insoweit ergibt sich gemäß § 2 Abs 1 und 3 AGSGB XII iVm § 46b Abs 1 SGB XII eine unmittelbare sachliche Leistungszuständigkeit der örtlichen Sozialhilfeträger, also der Landkreise und kreisfreien Städte.
Das LSG hat die landesrechtlichen Vorschriften unberücksichtigt gelassen, sodass der Senat nicht daran gehindert ist, die
dem Grunde nach nicht revisiblen (§
162 SGG) Vorschriften seiner Entscheidung zugrundezulegen.
Die streitigen stationären Leistungen im Kloster E, die Hilfe zum Lebensunterhalt sowie die Grundsicherungsleistungen hatte
bzw hat auf der Grundlage dieser Regelungen in jedem Fall der Kläger selbst zu erbringen. Dabei richtet sich gemäß § 98 Abs 2 Satz 1 SGB XII (in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - BGBl I 2670 - und ab 1.1.2013 des Gesetzes zur Änderung des SGB XII vom 20.12.2012 - BGBl I 2783) die örtliche Zuständigkeit für die stationäre Leistung nach dem gewöhnlichen Aufenthalt im
Zeitpunkt der Aufnahme in eine Einrichtung bzw dem gewöhnlichen Aufenthalt, der in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt
bestand. § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII bestimmt abweichend davon, dass bei Einrichtungswechseln der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend
war, für unmittelbar daran anschließende Aufenthalte in stationären Einrichtungen im Rahmen einer sog Einrichtungskette entscheidend
bleibt. Zuletzt vor der (erneuten) Aufnahme in eine stationäre Einrichtung im Juni 2009 (in die Jugendwohngruppe D) hatte
P in G seinen gewöhnlichen Aufenthalt; dieser ist auch für die Zuständigkeit wegen der am 19.10.2009 unmittelbar anschließenden
stationären Unterbringung im Kloster E der maßgebliche Anknüpfungspunkt. Ein bereits davor seit dem 8.8.2001 durchgehender
Aufenthalt in stationären Einrichtungen (zum fehlenden gewöhnlichen Aufenthalt bei Unterbringung in einer stationären Einrichtung
vgl § 109 SGB XII), der - wie der Kläger meint - die Zuständigkeit des Beklagten - ausgehend von einem letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Haushalt
der Eltern - nach sich ziehen würde, liegt nach den vom LSG festgestellten Umständen nicht vor. Trotz einer Betreuung durch
die Jugendwohngruppe D auch in G handelte es sich dort nicht um eine stationäre Einrichtung.
Nach §
30 Abs
3 Satz 2
SGB I hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort
oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Dies traf für P in G zu; er hat sich dort unter Umständen aufgehalten,
die erkennen ließen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilen wollte. Für die Begründung
des gewöhnlichen Aufenthalts dort ist unschädlich, dass er nur weniger als ein Jahr in dem Haus gelebt hat und bereits kurze
Zeit nach dem Einzug (im Oktober 2008) im Dezember 2008 sowie im ersten Halbjahr des Jahres 2009 drei weitere Male kurzfristig
in eine stationäre Einrichtung aufgenommen werden musste; denn er hielt sich nach den Feststellungen des LSG im Sinne eines
zukunftsoffenen Verbleibs in dem Haus in G auf, was für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ausreichend ist (vgl
nur BVerwGE 145, 257 ff RdNr 23 mwN; BSG, Urteil vom 20.12.2012 - B 7 AY 5/11 R -, RdNr 16 Urteil vom 25.4.2013 - B 8 SO 6/12 R -, RdNr 13). Auch § 109 SGB XII steht dem nicht entgegen. Danach gilt (Fiktion) als gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des Zwölften Kapitels und des Dreizehnten
Kapitels, Zweiter Abschnitt, SGB XII (Zuständigkeitsregelungen und Kostenerstattungsregelungen zwischen den Sozialhilfeträgern) ua nicht der Aufenthalt in einer
Einrichtung iS von § 98 Abs 2 SGB XII.
Nach den Feststellungen des LSG hat es sich bei der Wohnung in G jedoch nicht um eine stationäre Einrichtung gehandelt. Eine
Einrichtung in diesem Sinne ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen
Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten
ist (BVerwGE 95, 149, 152; BVerwG, Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 42/91 -, FEVS 45, 52 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 13/91 -, FEVS 45, 183 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 17/91 -, ZfSH/SGB 1995, 535 ff; BSGE 106, 264 ff RdNr 13 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2) und der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dient (vgl § 13 Abs 2 SGB XII; näher dazu BSG SozR 4-5910 § 97 Nr 1 RdNr 15). Zwar können betreute Personen auch in einer dezentralen Unterkunft stationär untergebracht sein; eine dezentrale Unterkunft
gehört in diesem Sinne allerdings nur dann zu den Räumlichkeiten "der" Einrichtung, wenn die Unterkunft der Rechts- und Organisationssphäre
des Einrichtungsträgers so zugeordnet ist, dass sie als Teil des Einrichtungsganzen anzusehen ist (BVerwG, Urteil vom 24.2.1994
- 5 C 42/91 -, FEVS 45, 52 ff). Die Vorhaltung von Wohnraum durch den Träger der Einrichtung selbst ist also wesentliches Merkmal einer
Zuordnung zur "Rechts- und Organisationssphäre des Einrichtungsträgers". Hierin kommt die räumliche Bindung an die Einrichtung
zum Ausdruck, die auch dann bestehen muss, wenn sich die Einrichtung nicht "unter einem Dach" befindet. Das war hier nicht
der Fall.
Insoweit handelt es sich nicht nur um eine Formalie, wie der Kläger meint. Auch wenn der Abschluss des Mietvertrages zwischen
P und dem Vermieter auf Vermittlung des Jugendhilfezentrums Ve zustande gekommen ist, genügt dies für die vollständige organisatorische
Einordnung im Sinne einer "Außenwohnstelle" nicht. Soweit der Träger der Einrichtung - und sei es nur, wie der Kläger vorträgt,
um "die Finanzierung abzusichern" - nicht die uneingeschränkte rechtliche Verantwortung für die Unterkunft übernimmt, sondern
der Fortbestand der Wohnmöglichkeit vom Bestand des Mietverhältnisses zwischen Vermieter und Hilfebedürftigen abhängt, fehlt
es an diesem Merkmal. Es ist dem Träger, der die Betreuungsleistungen erbringt, dann rechtlich nicht möglich, die Unterkunft
uneingeschränkt einem wechselnden Personenkreis zur Verfügung zu stellen. Die Vergabe der Unterkunft an andere Personen hängt
nämlich sowohl vom Einverständnis des Vermieters im Einzelfall als auch vom Einverständnis des Hilfebedürftigen mit der Auflösung
seines Mietvertrages ab. Schließlich bestand nach den Feststellungen des LSG nicht schon im Zeitpunkt des Abschlusses der
Vereinbarung mit dem Vermieter die Absicht, andere Jugendliche in dem Haus unterzubringen und also eine "Außenwohnstelle"
für einen wechselnden Personenkreis einzurichten.
Daraus, dass die Fähigkeit des P, außerhalb einer stationären Einrichtung zu leben, von vornherein angezweifelt worden war,
ist nicht zu schließen, es habe sich um eine stationäre Wohnform gehandelt. Auch dass im Einzelfall die Kosten für die geleistete
Betreuung (zusammen mit den gesondert bewilligten Leistungen für den Lebensunterhalt und die Unterkunft) den Umfang der Kosten
einer (teil-)stationären Maßnahme erreichen oder auch übersteigen, steht der Annahme einer ambulanten Betreuung nicht entgegen
(BSGE 106, 264 ff RdNr 17 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2).
§ 106 Abs 2 1. Alt SGB XII, wonach als Aufenthalt in einer stationären Einrichtung gilt, wenn jemand (zwar) außerhalb der Einrichtung untergebracht
wird, aber in ihrer Betreuung bleibt, greift nicht ein; deshalb ergibt sich über diese Norm iVm § 109 SGB XII kein Ausschluss des gewöhnlichen Aufenthalts. § 106 Abs 2 1. Alt SGB XII erweitert den Aufenthalt in einer stationären Einrichtung - neben den Fällen der Beurlaubung aus dieser Einrichtung - um
die Fälle, in denen der Aufenthalt in der stationären Einrichtung zwar beendet ist, wegen der Fortdauer der Betreuung durch
diese Einrichtung die anschließende Unterbringung diesem Aufenthalt aber gleichsteht.
Von § 106 Abs 2 1. Alt SGB XII werden zwar gerade auch Wohnmöglichkeiten erfasst, die nicht unmittelbar zur Rechts- und Organisationssphäre des Einrichtungsträgers
gehören, etwa eine Unterbringung in einer Pflegefamilie oder einer Ausbildungsstätte. Für die Anwendung des § 106 Abs 2 1. Alt SGB XII ist aber nicht jede Art der Betreuung durch die bisherige Einrichtung ausreichend; vielmehr ist nach Sinn und Zweck der Regelung
(Schutz des Ortes, der stationäre Leistungen bzw gleichstehende Leistungen anbietet) eine ständige Überwachung durch die Einrichtung
(ggf unter Einschaltung dritter Stellen) erforderlich, wobei der Einrichtung ein bestimmender Einfluss bleiben muss. Gelegentliche
Maßnahmen rechtfertigen die Gleichstellung mit der stationären Einrichtung nicht; die Unterbringung außerhalb der Einrichtung
muss im Ergebnis qualitativ einer stationären Leistungserbringung in der Einrichtung entsprechen (vgl: W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm,
SGB XII, 18. Aufl 2010, § 106 SGB XII RdNr 21 Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 106 SGB XII RdNr 18; Böttiger in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 106 SGB XII RdNr 125 f). Nach den Feststellungen des LSG sind auch diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Tagesablauf von P war in
wesentlichen Teilen nicht von der Einrichtung vorgegeben; ein "bestimmender Einfluss" bei seiner Betreuung fehlte. Die morgendliche
Betreuung beschränkte sich darauf, dass eine Mitarbeiterin des Jugendhilfezentrums Ve, die vor Ort wohnte, sich dann um P
kümmerte, wenn dieser nicht selbständig in der WfbM erschienen war. Allein die abendliche Betreuung, die das LSG im Wesentlichen
mit unterstützenden Hilfeleistungen bei der Führung des Haushalts (Aufstellen eines Essensplanes, gemeinsames Einkaufen etc)
beschrieben hat, genügt nicht den rechtlichen Anforderungen an eine Betreuung im Sinne einer ständigen Überwachung.
Die tatsächlichen Feststellungen des LSG hat der Kläger nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen. Soweit er vorträgt,
aus den Aussagen des Leiters der Jugendwohngruppe und des Betreuers von P seien andere tatsächliche Schlüsse zu ziehen, als
sie das LSG vorgenommen hat, rügt er die Beweiswürdigung durch das LSG, die der revisionsgerichtlichen Kontrolle entzogen
ist.
Eine andere örtliche Zuständigkeit für stationäre Leistungen ergibt sich nicht unter Berücksichtigung des Normzwecks von §
98 Abs 5 SGB XII durch eine analoge Anwendung des § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII. Nach § 98 Abs 5 SGB XII ist für die Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel in Formen ambulanter
betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt
zuständig war oder gewesen wäre. Mit dieser Norm wurde - anders als noch unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) - für Ambulant-betreutes-Wohnen eine der Regelung für stationäre Leistungen in § 98 Abs 2 Satz 1 SGB XII vergleichbare Regelung mit Wirkung ab 1.1.2005 geschaffen. Wäre über § 98 Abs 2 Satz 1 SGB XII hinaus § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII analog anwendbar, wäre im Rahmen einer sog gemischten Kette zwischen Einrichtungen und Ambulant-betreutem-Wohnen (vgl dazu
BSG, Urteil vom 25.4.2013 - B 8 SO 6/12 R - RdNr 15) vorliegend auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor Eintritt in die erste
Einrichtung (bis 7.8.2001) im Landkreis B abzustellen. Ob eine solche Analogie gerechtfertigt ist, hat der Senat bislang offen
gelassen (BSG, aaO, RdNr 16). Einer Entscheidung hierüber bedarf es auch jetzt nicht; denn mit Rücksicht auf § 98 Abs 5 Satz 2 SGB XII, wonach vor Inkrafttreten des Gesetzes bestimmte Zuständigkeiten unberührt bleiben, wäre der Kläger ebenfalls zuständig,
weil bei einem einheitlichen, ununterbrochenen Bedarfsfall des Betreuten-W ohnens, der vor dem 1.1.2005 begonnen hat, die
Regelungen des BSHG über die örtliche Zuständigkeit weitergelten würden (vgl BSGE 109, 56 ff RdNr 18 = SozR 4-3500 § 98 Nr 1). Da das BSHG andererseits eine § 98 Abs 5 SGB XII vergleichbare Norm für das Ambulant-betreute-W ohnen nicht kannte, verbliebe es auch unter Anwendung des § 97 BSHG dabei, dass auf den gewöhnlichen Aufenthalt (nur) bei Beginn der (eigentlichen) Einrichtungskette - ohne das Ambulant-betreute-Wohnen
- abzustellen wäre (vgl BSG, aaO, RdNr 16), vorliegend mithin auf die Zeit in G .
Die Zuständigkeit für die stationären Leistungen hat andererseits die sachliche Zuständigkeit für andere Leistungen gemäß
§ 97 Abs 4 SGB XII zur Folge. Ob mit Rücksicht auf den Sinn des § 97 Abs 4 SGB XII, wegen des Wegfalls von § 27 Abs 3 BSHG (Hilfe zum Lebensunterhalt als Bestandteil der Hilfe in "besonderen Lebenslagen") die Zuständigkeit zweier Leistungsträger
zu vermeiden (BT-Drucks 15/1514, S 67 zu § 92), eine analoge Anwendung dieser Vorschrift (oder des § 98 Abs 2 SGB XII) für Leistungen des Lebensunterhalts während stationärer Maßnahmen bei Auseinanderfallen der örtlichen Zuständigkeit gerechtfertigt
ist, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls müssen die landesrechtlichen Vorschriften über die Heranziehung der Landkreise
und kreisfreien Städte (dazu siehe oben) im Lichte des § 97 Abs 4 SGB XII so ausgelegt werden, dass nicht gerade aus der Heranziehung des örtlichen Sozialhilfeträgers eine unterschiedliche Leistungs-/Wahrnehmungszuständigkeit
resultiert. Welche Leistungen im Einzelnen neben der stationären Leistung erbracht worden sind bzw erbracht werden, ist vom
LSG nicht festgestellt. Allerdings bedürfen die in der Einrichtung selbst erbrachten Leistungen für den Lebensunterhalt, die
lediglich einen Rechenposten im Rahmen der Erbringung der besonderen Sozialhilfeleistung darstellen (BSG, Urteil vom 23.8.2013 - B 8 SO 17/12 R - RdNr 18), weder einer gesonderten Bewilligung noch handelt es sich insoweit um Geldleistungen,
die neben der stationären Leistung erbracht werden (vgl dazu: BSG SozR 4-3500 § 35 Nr 3 RdNr 13; Blüggel in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 42 SGB XII RdNr 23, und § 46a SGB XII RdNr 35; Behrend in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 27b SGB XII RdNr 75 ff; Eicher in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, Anhang zu § 13 SGB XII RdNr 3). Der weitere notwendige Lebensunterhalt des § 35 Abs 2 SGB XII aF bzw § 27b Abs 2 SGB XII nF ist demgegenüber keine Grundsicherungsleistung, sondern Hilfe zum Lebensunterhalt (Blüggel, Behrend und Eicher, aaO; BSG SozR 4-3500 § 35 Nr 3 RdNr 13).
Wenn der Kläger P ab 1.1.2013 Grundsicherungsleistungen nach § 42 SGB XII über die Leistungen in der Einrichtung hinaus erbracht haben sollte, würde sich für die Beurteilung der Zuständigkeit insoweit
eine Änderung ergeben, als der Kläger dann nicht mehr als vom sachlich zuständigen Land herangezogener örtlicher Sozialhilfeträger,
sondern in eigener Leistungszuständigkeit die Leistungen erbracht hätte. Nach § 46b Abs 1 SGB XII werden die zuständigen Träger zur Ausführung der Grundsicherung nach Landesrecht bestimmt. Die Norm ist unvollständig, weil
sie keine Aussage darüber enthält, welches Land anknüpfend an welchen Tatbestand (tatsächlicher Aufenthalt, gewöhnlicher Aufenthalt
oder anderes) die Zuständigkeit regelt. Jedoch dürfte mit der Ergänzung des § 46b SGB XII durch einen Abs 3 mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des SGB XII vom 1.10.2013 (BGBl I 3733) klargestellt sein, dass - anknüpfend an die früheren Regelungen - das Land gemeint ist, in dem
der Leistungsempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. § 2 Abs 3 AGSGB XII ordnet die sachliche Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers an, und § 46b Abs 3 Satz 2 SGB XII sieht abweichend von Satz 1, in dem die Anwendung des Zwölften Kapitels des SGB XII ausgeschlossen ist, für Grundsicherungsleistungen bei Aufenthalt in einer stationären Einrichtung eine entsprechende Anwendung
des § 98 Abs 2 Satz 1 bis 3 SGB XII vor. Auf diese Weise wird wiederum eine einheitliche örtliche und sachliche Zuständigkeit hergestellt (vgl BT-Drucks 17/13662,
S 1 und S 6 zu Nr 2).
Ob diese Regelung mit Rücksicht auf § 46b Abs 3 Satz 3 SGB XII auch für gemischte Einrichtungsketten (Wechsel zwischen stationären Einrichtungen und Ambulant-betreutem-Wohnen) gilt, kann
ebenso wie im Rahmen der unmittelbaren Anwendung des § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII offen bleiben (dazu oben). Finden für die stationären Leistungen selbst, damit auch für die in der Einrichtung erbrachten
Grundsicherungsleistungen, wegen des einheitlichen, ununterbrochenen Bedarfsfalls eines Betreuten-Wohnens, der bereits vor
dem 1.1.2005 begonnen hat, die Zuständigkeitsregelungen des BSHG weiterhin Anwendung, so kann im Rahmen des § 46b Abs 3 Satz 2 SGB XII nichts anderes gelten. § 46b Abs 3 Satz 2 SGB XII müsste für diese Fälle normerweiternd dahin ausgelegt werden, dass § 97 Abs 2 Satz 1 bis 3 BSHG entsprechend anzuwenden ist. Nur dies würde der Intention des Gesetzgebers gerecht, der bei Leistungen des Ambulant-betreuten-Wohnens
eine entsprechende Anwendung des § 98 Abs 5 SGB XII anordnet (§ 46b Abs 3 Satz 3 SGB XII).
Ein Erstattungsanspruch ergibt sich schließlich nicht aus den Vereinbarungen zwischen Landkreistag Rheinland-Pfalz und Städtetag
Rheinland-Pfalz über die Kostenerstattung bei der Finanzierung des Betreuten-Wohnens aus den Jahren 1997 und 2005. Um eine
Normsetzung durch vertragliche Vereinbarung auch mit Wirkung für am Vertragsschluss Nichtbeteiligte (sog Normvertrag; vgl
BSGE 94, 50 ff RdNr 65 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2 mwN) handelt es sich jedenfalls nicht; denn es fehlt an jeglicher gesetzlichen Ermächtigung
dafür.
Ob sich die Beteiligten selbst mit der Vereinbarung aus dem Jahr 1997 vertraglich gebunden haben und ob diese Vereinbarung
fortgalt, nachdem die Beteiligten dem diese Vereinbarung ersetzenden Vertrag aus dem Jahr 2005 nicht beigetreten sind, ist
vom LSG nicht festgestellt dies konnte aber letztlich offenbleiben. Die in der Vereinbarung aus dem Jahr 1997 getroffene Regelung,
wonach sich die Vereinbarungspartner darin einig sind, "dass durch den Aufenthalt in einer solchen Einrichtung (des Betreuten-Wohnens)
kein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des BSHG/Kinder-und Jugendhilfegesetz begründet wird" und deshalb wegen der insoweit
von §
30 Abs
3 Satz 2
SGB I abweichenden Kriterien für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts eine (bundesrechtliche) Zuständigkeitsregelung nicht
zur Anwendung komme, wäre ohnedies nichtig (§ 53 Abs 1, § 58 Abs 1 SGB X).
Koordinationsrechtliche öffentlich-rechtliche Verträge - wie hier - iS von § 53 Abs 1 Satz 1 SGB X (vgl näher Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 53 RdNr 4) sind nach § 58 Abs 1 SGB X nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) ergibt. Dabei können qualifizierte Rechtsverstöße gegen eine Norm nach §
134 BGB die Nichtigkeit des entsprechenden Vertrages zur Folge haben, wenn sich die Norm von ihrer Ausrichtung her gegen eine bestimmte
inhaltliche Ausgestaltung richtet (vgl: Engelmann, aaO, § 58 RdNr 6a; Hissnauer in jurisPK SGB X, § 58 SGB X RdNr 9; jeweils mwN). Durch den Vertrag aus dem Jahr 1997 konnte - wegen der Sperre des § 53 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X ("soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen"; zu diesem Gedanken bereits BSGE 86, 78 ff = SozR 3-1300 § 111 Nr 8) - die Vorschrift des §
30 Abs
3 Satz 2
SGB I weder ausgeschlossen noch umgangen werden. Bei den in §
30 Abs
3 SGB I enthaltenen Legaldefinitionen des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts handelt es sich um zwingende Rechtsnormen.
Mit ihnen kommt zum Ausdruck, dass "Wohnsitz" und "gewöhnlicher Aufenthalt" grundsätzlich als einheitliche Anknüpfungspunkte
für die Anwendung aller Rechtsmaterien des SGB dienen sollen und abweichende Regelungen (vgl §
37 SGB I) dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben (vgl Schlegel in jurisPK
SGB I, 2. Aufl 2011, §
30 SGB I RdNr 25 mwN).
Ob und welche vertraglichen Regelungen auf dem Gebiet eines Landes § 112 SGB XII zulässt, die von den Kostenerstattungsregelungen des Zweiten Abschnitts im Dreizehnten Kapitel des SGB XII abweichen, kann offen bleiben. Um eine abweichende Vereinbarung der Kostenerstattung handelt es sich nicht; denn die vertragliche
Vereinbarung aus dem Jahr 1997 trifft inhaltliche Regelungen lediglich über den gewöhnlichen Aufenthalt, an die eine (abweichende)
Kostenerstattungsregelung nur als vertragliche Folge geknüpft ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs
1 und
3 SGG iVm §
154 Abs
1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertentscheidung beruht auf §
197a Abs
3 und Abs
1 Satz 1
SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei waren die Streitwerte der Leistungs- und Feststellungsklage zusammenzurechnen (§ 39 Abs 1 GKG). Der Streitwert der Leistungsklage entspricht dem Betrag der mit dem Revisionsbegründungsschriftsatz geltend gemachten Hauptforderung
(§§ 40, 47 Abs 1 und 2, § 52 Abs 3 GKG). Für die Feststellungsklage war mangels hinreichender Anhaltspunkte für deren Wert der Auffangstreitwert von 5000 Euro anzusetzen
(§ 52 Abs 2 GKG).