Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe:
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 statt 40. Diesen Anspruch
hat das LSG verneint. Die Feststellung eines Gesamt-GdB von 40 sei zutreffend. Die Bewertung des Einzel-GdB für das Augenleiden
des Klägers von 30 sei nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Klägers komme hierfür ein Einzel-GdB von 40 nicht
in Betracht. Denn dies erfordere bei Verlust eines Auges eine dauernde, einer Behandlung nicht zugängliche Eiterung der Augenhöhle
(Hinweis auf Teil B Nr 4.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze <VMG, Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung>).
Ein solcher Sachverhalt sei nicht durch belastbare ärztliche Feststellungen belegt. Auch eine höhere Bewertung der psychischen
Störung des Klägers als mit einem Einzel-GdB von 20 sei nicht angemessen (Urteil vom 8.5.2019).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht das Vorliegen einer Rechtsprechungsabweichung (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und eines Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) geltend.
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 19.8.2019 genügt nicht der vorgeschriebenen Form,
denn er hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise bezeichnet.
1. Divergenz iS des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die in zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen.
Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten
Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat. Darüber hinaus verlangt der
Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht.
Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz
in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch
steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung in einem künftigen
Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 25.10.2018 - B 9 V 27/18 B - juris RdNr 8 mwN).
Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger benennt weder einen abstrakten Rechtssatz aus einer der von ihm zitierten Entscheidungen des BSG, noch stellt er einem solchen höchstrichterlichen Rechtssatz einen divergierenden abstrakten Rechtssatz des LSG aus dem angefochtenen
Urteil gegenüber. Er referiert in seiner Beschwerdebegründung lediglich Aussagen des BSG zu den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht"
und den VMG. Der Kläger zeigt allein mit diesen Angaben aber nicht auf, dass das BSG in den genannten Entscheidungen eine Fallkonstellation, die mit derjenigen des Klägers vergleichbar ist, tragend anders entschieden
hat. Dafür genügt es nicht, isoliert einzelne aus Entscheidungen des BSG abgeleitete Passagen zu referieren und - völlig losgelöst von ihrem Bezugsrahmen - zu behaupten, es handele sich um tragende
höchstrichterliche Rechtssätze, von denen das LSG in der angefochtenen Entscheidung tragend abgewichen sei. Stattdessen ist
der tatsächliche und rechtliche Kontext darzustellen, in dem zum einen der herangezogene bundesgerichtliche Rechtssatz und
zum anderen der vom LSG in der angefochtenen Entscheidung aufgestellte divergierende Rechtssatz steht. Denn eine die Rechtseinheit
gefährdende Abweichung kann nur bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt vorliegen, auf den dieselben Rechtsnormen anzuwenden
sind (vgl BSG Beschluss vom 9.8.2018 - B 5 RE 3/18 B - juris RdNr 14 mwN). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung aber nichts.
Auch im Übrigen ist eine Divergenz vom Kläger nicht nachvollziehbar dargestellt. Denn die Bezeichnung einer Abweichung iS
von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG setzt die Darlegung voraus, dass das LSG die Rechtsprechung des BSG im angefochtenen Urteil infrage stellt, was nicht der Fall ist, wenn es einen höchstrichterlichen Rechtssatz missverstanden
oder übersehen und deshalb das Recht fehlerhaft angewendet haben sollte (stRspr, zB BSG Beschluss vom 24.7.2019 - B 5 R 31/19 B - juris RdNr 51; BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 73). Deshalb hätte der Kläger vertieft darauf eingehen müssen, dass das LSG im angefochtenen
Urteil nicht lediglich die Tragweite der höchstrichterlichen Rechtsprechung verkannt, sondern dieser Rechtsprechung bewusst
einen eigenen Rechtssatz entgegengesetzt hat (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 16.2.2017 - B 9 V 48/16 B - juris RdNr 23; Senatsbeschluss vom 1.6.2015 - B 9 SB 10/15 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 9.5.2019 - B 10 EG 18/18 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 9.4.2019 - B 1 KR 40/18 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 73; BSG Beschluss vom 27.1.1999 - B 4 RA 131/98 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f). Daran fehlt es. Im Kern kritisiert der Kläger letztlich nur eine - vermeintlich - falsche
Rechtsanwendung des LSG in seinem Fall, in dem er meint, das Urteil widerspreche Teil B Nr 4.1 VMG. Die inhaltliche Richtigkeit
der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist aber nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl stRspr, zB BSG Beschluss vom 29.4.2019 - B 12 R 59/18 B - juris RdNr 14).
2. Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) des LSG in Gestalt einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht rügt, weil das Berufungsgericht kein Sachverständigengutachten
insbesondere zu seinen "psychischen Erkrankungen und deren Folgen" eingeholt habe, erfüllt sein Vorbringen nicht die notwendigen
Darlegungsanforderungen einer Sachaufklärungsrüge (s hierzu allgemein Senatsbeschluss vom 21.12.2017 - B 9 SB 70/17 B - juris RdNr 3). Auf den Verfahrensmangel einer unterlassenen Sachaufklärung (§
103 SGG) kann sich der Kläger schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil er nicht dargetan hat, einen entsprechenden prozessordnungsgemäßen
Beweisantrag bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 8.5.2019 zu Protokoll aufrechterhalten zu haben (vgl
stRspr, zB Senatsbeschluss vom 15.4.2019 - B 9 V 5/19 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 10.7.2015 - B 13 R 170/15 B - juris RdNr 10). Ebenso wenig behauptet er, dass das LSG in dem angefochtenen Urteil einen solchen Beweisantrag wiedergegeben
hat.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.