Darlegung einer Verletzung rechtlichen Gehörs
Aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des Sachverhalts
Bezugnahme in einer Beschwerdeschrift
Gründe
I
Der Senat hat mit Beschluss vom 11.6.2021 die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG
Rheinland-Pfalz vom 23.9.2020 als unzulässig verworfen. Es fehle bereits an einer zusammenhängenden, vollständigen und aus
sich heraus verständlichen Darstellung des Streitgegenstands, der Verfahrens- und Prozessgeschichte sowie des vom LSG festgestellten
Sachverhalts und damit der Umstände, die möglicherweise zu einem entscheidungsrelevanten Verfahrensfehler geführt hätten.
Unabhängig davon habe der Kläger die Darlegung versäumt, warum seine schriftliche Anhörung als Beteiligter durch das Berufungsgericht
nicht als wiederholte Beweisaufnahme ausgereicht habe.
Mit seiner Anhörungsrüge, die der Kläger mit Schriftsatz vom 5.7.2021 am 7.7.2021 gegen den am 3.7.2021 zugestellten Beschluss
erhoben hat, rügt er eine Verletzung seiner Verfahrensgrundrechte. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde habe alle
für die Problematik des Verfahrensmangels relevanten Tatsachen unter Angabe der jeweiligen Fundstellen in der Gerichtsakte
angeführt.
II
Die Anhörungsrüge des Klägers ist unzulässig, weil er keine Gehörsverletzung dargelegt hat.
Nach §
178a Abs
1 Satz 1
SGG ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn (1)
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und (2) das Gericht den Anspruch dieses
Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Die Rüge muss gemäß §
178a Abs
2 Satz 5
SGG die angefochtene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in §
178a Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGG genannten Voraussetzungen darlegen.
Die danach erforderliche Darlegung einer Verletzung rechtlichen Gehörs enthält der Schriftsatz vom 5.7.2021 nicht. Der Kläger
macht darin geltend, er habe alle Tatsachen, die für die Problematik des behaupteten Verfahrensmangels relevant seien, unter
Angabe der jeweiligen Fundstelle in der Gerichtsakte angeführt. Wie jedenfalls ein Anlesen dieser Fundstellen zeige, habe
das Urteil des Berufungsgerichts den Vorgaben des BVerfG widersprochen, weil es ohne rechtlichen Hinweis von der Beweiswürdigung
des Erstrichters abgewichen sei. Mit diesem Vortrag räumt der Kläger indes selbst ein, dass seine Beschwerdeschrift nur mithilfe
einer ergänzenden Aktenlektüre und damit gerade nicht, wie von §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gefordert, aus sich selbst heraus verständlich gewesen ist. Kommt es zum Verständnis einer Nichtzulassungsbeschwerde auf
den Inhalt außergerichtlicher oder innerprozessualer Erklärungen der Beteiligten an, so sind diese - soweit wie erforderlich
auch im Zusammenhang - zu zitieren und zusätzlich die Aktenstellen anzugeben, aus denen sich die behaupteten Äußerungen ergeben
(Karmanski in Roos/Wahrendorf/Müller,
SGG, 2. Aufl 2021, §
160a RdNr 92). Es ist dagegen nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, sich aufgrund einer Bezugnahme in der Beschwerdeschrift die vollständigen
zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels erforderlichen Tatsachen aus den Akten herauszusuchen (BSG Beschluss vom 22.6.2021 - B 13 R 256/20 B - juris RdNr 5 mwN). Wie der Senat in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt hat, ist der Gesamtzusammenhang der vom Kläger zitierten Urteilspassage
und insbesondere ihre Verknüpfung mit dem vom Berufungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten allein auf der Grundlage
einer Lektüre der Beschwerdebegründung ebenso unklar geblieben, wie der zum Verständnis wesentliche vollständige Inhalt der
vom LSG eingeholten schriftlichen Äußerungen des Klägers zu den Auswirkungen seines Diabetes mellitus. Damit hat der Kläger
entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG nicht die Tatsachen bezeichnet, die den von ihm behaupteten Verfahrensmangel ergeben.
Auch nach der vom Kläger in seiner Anhörungsrüge zitierten Kammerrechtsprechung des BVerfG erlaubt es das Grundrecht auf rechtliches
Gehör, dem Beschwerdeführer (dort: im Klageerzwingungsverfahren) abzuverlangen, dass er in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens,
den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die Gründe für ihre Unrichtigkeit wiedergibt und eine "aus sich selbst heraus verständliche
Schilderung des Sachverhalts" liefert, die eine Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die (Ermittlungs)Akten ermöglicht
(BVerfG <Kammer> Beschluss vom 2.7.2018 - 2 BvR 1550/17 - juris RdNr 18 mwN). Das umfasst auch die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts der Beweismittel (BVerfG, aaO RdNr 23). Eine solche vollständige Prüfungsgrundlage hat die Beschwerdeschrift des Klägers gerade nicht geschaffen, sondern etwa hinsichtlich
des entscheidungserheblichen Gutachtens des Sachverständigen A lediglich auf eine Aktenfundstelle verwiesen und auch die schriftlich
eingeholten Äußerungen des Klägers nicht ausreichend mitgeteilt.
Ohnehin hat der Senat seinen Beschluss unabhängig von dem geschilderten Darlegungsmangel auf die weitere tragende Erwägung
gestützt, das LSG sei nicht lediglich von der Beweiswürdigung des SG abgewichen, sondern habe zwei schriftliche Antworten des Klägers zu den Auswirkungen seines Diabetes mellitus eingeholt.
Die Beschwerde habe nicht dargelegt, warum diese schriftliche Anhörung als wiederholte Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz
nicht ausreichte. Zu dieser selbstständig tragenden Erwägung bringt der Kläger mit seiner Gehörsrüge lediglich vor, zur Bejahung
einer Verfahrensrüge habe es dieser Überlegungen des Senats nicht bedurft. Auch damit legt der Kläger keine Gehörsverletzung
dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Der Beschluss über die Anhörungsrüge ist unanfechtbar (§
178a Abs
4 Satz 3
SGG).