Beschädigtenversorgung nach dem IfSG
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Rüge der fehlerhaften Sachaufklärung durch das LSG
Weitere Ermittlungen nach Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten
Gründe:
I
Mit Urteil vom 24.5.2018 hat das LSG einen Anspruch des Klägers auf Beschädigtenversorgung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz wegen eines Impfschadens in Form einer Enzephalopathie nach einer Impfung am 14.6.2007 mit dem Impfstoff Infanrixe hexa (6-fach
Impfung gegen Diphterie, Tetanus, Keuchhusten, Hepatitis B, Kinderlähmung und Haemophilus influenzae Typ B) und Prevenar (Pneumokokken)
verneint. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei der Impfung am 14.6.2007 eine gesundheitliche Schädigung
im Sinne einer unüblichen Impfreaktion erlitten habe, die zu einem globalen Entwicklungsrückstand als Impfschaden geführt
habe. So fehle es schon an dem Nachweis einer (Impf-)Komplikation und dem erforderlichen Nachweis der Wahrscheinlichkeit des
Kausalzusammenhangs zur Impfung am 14.6.2007. Hierbei stütze sich der Senat auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten
von Prof. Dr. W., Direktor der Neuropädiatrie des Klinikums K., vom 11.11.2009, das Gutachten für die Gutachter- und Schlichtungsstelle
für ärztliche Behandlungen bei der Landesärztekammer Hessen, Dr. S., vom 1.2.2011 und das Gutachten von Prof. Dr. K. vom 14.1.2018
nebst einer ergänzenden Stellungnahme vom 1.4.2018. Dem Gutachten von Dr. H. vom 13.3.2014 sei nicht zu folgen. Insoweit nehme
der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden und ausführlichen Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung
Bezug. Auch lägen die Voraussetzungen für einen Anspruch nach der sog Kann-Versorgung nach § 60 Abs 1 IfSG iVm § 61 S 2 IfSG nicht vor.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Er rügt das Vorliegen eines Verfahrensmangels. Das Tatsachengericht sei zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet,
wenn die vorhandenen Gutachten ungenügend seien. Es sei nicht nachvollziehbar, warum das Berufungsgericht sich ohne eigene
kritische Würdigung dem Gutachten von Prof. Dr. K. angeschlossen habe. Auch sei der Kläger ausweislich seines Schreibens vom
7.3.2018 damit einverstanden gewesen, ein weiteres MRT durchzuführen. Hierauf habe weder der Sachverständige Prof. Dr. K.
noch das LSG reagiert, sodass ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör vorliege. Dies gelte auch hinsichtlich
der fehlenden Auseinandersetzung mit dem nach §
109 SGG eingeholten Gutachten von Dr. H. vor dem SG.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung der Beschwerde vom 10.9.2018 genügt nicht den gesetzlichen
Anforderungen (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Der geltend gemachte Verfahrensmangel ist nicht ordnungsgemäß dargetan worden.
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Wer einen Verstoß
gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG) rügen will, muss deshalb nicht nur einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnen, sondern auch darlegen, warum die
Tatumstände das LSG zu weiterer Sachaufklärung hätten drängen müssen, was diese vermutlich ergeben hätte und warum die angefochtene
Entscheidung auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann. Nur dies versetzt die Vorinstanz in die
Lage, die Entscheidungserheblichkeit des Antrags zu prüfen und ggf seine Ablehnung iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ausreichend zu begründen (vgl Senatsbeschluss vom 9.7.2015 - B 9 SB 19/15 B - Juris RdNr 12). Maßgeblich ist dabei die Rechtsauffassung des LSG (vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Diese Darlegungen enthält die Beschwerde nicht.
a) Soweit sie lediglich allgemein ein Beweisangebot zu einer weiteren MRT-Untersuchung mit Schriftsatz vom 7.3.2018 vor dem
LSG erwähnt, zeigt sie nicht substantiiert auf, welchen konkreten Beweisantrag der Kläger wann gestellt und bis zum Schluss
der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten hat. Dass ein solcher prozessordnungsgemäßer Beweisantrag gestellt
und bis zuletzt aufrechterhalten worden ist, zu deren Beweiserhebung sich das LSG hätte gedrängt fühlen müssen (vgl §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG), behauptet die Beschwerde selbst nicht.
b) Auch sonst ist eine fehlerhafte Sachaufklärung durch das LSG nicht ausreichend dargelegt. Wer einen Verstoß gegen die tatrichterliche
Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG) geltend macht, muss ua darlegen, warum dem LSG bestimmte Tatfragen weiter als klärungsbedürftig hätten erscheinen und es
zu weiterer Sachaufklärung hätten drängen müssen (BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Ist bereits Beweis durch Sachverständige erhoben worden, so ist das LSG nach §
103 SGG zu weiteren Ermittlungen in der Regel nur verpflichtet, wenn das Gutachten, das als Entscheidungsgrundlage dienen soll, bedeutsame
Mängel aufweist (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 16.6.1955 - 3 RJ 118/54 - BSGE 1, 91), wenn die in verschiedenen Gutachten enthaltenen, sich widersprechenden Schlussfolgerungen auf miteinander unvereinbaren
tatsächlichen Feststellungen beruhen (vgl BSG Urteil vom 15.10.1986 - 5b BJ 80/85 - SozR 1500 § 103 Nr 24) oder begründete Zweifel an der Sachkunde der gehörten Gutachter bestehen (vgl BSG Beschluss vom 16.2.2017 - B 9 V 48/16 B - Juris RdNr 13 mwN). Solche konkreten Mängel zeigt die Beschwerde jedoch nicht auf. Dies gilt zunächst, soweit der Kläger
rügt, dass das LSG dem Gutachten von Dr. H. vom 13.3.2014 nicht gefolgt ist und insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen
auf die Ausführungen der Gründe in der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen hat. Zum einen ist dieser Umstand durch
§
153 Abs
2 SGG verfahrensrechtlich gedeckt. Warum das vom LSG bewertete Sachverständigengutachten unter Bezugnahme auch auf die Gründe im
Urteil des SG aber eine fehlerhafte und widersprüchliche Sachaufklärung darstellen sollte, legt der Kläger ebenso wenig substantiiert dar
wie konkrete Zweifel an der Sachkunde der übrigen Sachverständigen. Denn ausweislich der Entscheidung des Berufungsgerichts
(s Urteil S 7, ab S 10) scheitert der Anspruch des Klägers am Nachweis der erforderlichen Kausalität der festgestellten gesundheitlichen
Schädigungen mit der Impfung am 14.6.2007. Maßgeblich für die Entscheidung des LSG war somit ausdrücklich, dass Dr. H. in
seiner Begutachtung eine abweichende Kausalitätsbewertung vorgenommen hat, die das LSG nicht mehr mit der Kausalitätslehre
im sozialen Entschädigungsrecht für vereinbar bewertete. Hiermit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Ebenso wenig
zeigt die Beschwerde konkrete Mängel oder Widersprüche in den Gutachten von Prof. Dr. W., Dr. S. oder Prof. Dr. K. auf. Die
bloße Behauptung der Möglichkeit reicht nicht aus. Dies gilt auch hinsichtlich der Kritik, dass keine von den Pharmaunternehmen
unabhängige Forschung existiere und keine von Pharmaunternehmen unabhängige Gutachter zu finden seien. Zudem behauptet die
Beschwerde nicht einmal, wie oben bereits ausgeführt, einen weiteren Beweisantrag zur medizinischen Sachaufklärung bzw eine
ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen vor dem LSG eingefordert zu haben. Denn unabhängig von der nach §
411 Abs
3 ZPO in pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts stehenden Möglichkeit, das Erscheinen eines Sachverständigen zum Termin von Amts
wegen anzuordnen, steht den Beteiligten gemäß §
116 S 2
SGG, §
118 Abs
1 S 1
SGG iVm §§
397,
402,
411 Abs
4 ZPO grundsätzlich als Ausdruck rechtlichen Gehörs das Recht zu, den Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die
sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 29.1.2018 - B 9 V 39/17 B - Juris RdNr 16 mwN). Dabei reicht es aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen (stRspr;
zB Senatsbeschluss vom 29.1.2018, aaO; Senatsbeschluss vom 12.10.2017 - B 9 V 32/17 B - Juris RdNr 17), zB auf Lücken oder Widersprüche hinzuweisen. Ein entsprechendes Begehren hat der bis zum 30.4.2018 vor
dem LSG durch den VdK vertretene Kläger selbst nicht behauptet. Vielmehr stellt sich seine Beschwerdebegründung über weite
Strecken als reine Kritik an der Entscheidung des LSG dar, weil es den Feststellungen des Dr. H. nicht gefolgt sei. Weiter
führt der Kläger in seiner Beschwerdebegründung im Wesentlichen aus, dass das LSG falsche Schlüsse aus den seiner Entscheidung
zugrunde gelegten Gutachten gezogen habe. Die Richtigkeit der Entscheidung ist jedoch - wie unten ausgeführt - nicht Gegenstand
der Nichtzulassungsbeschwerde.
c) Soweit der Kläger darüber hinaus rügt, das LSG habe durch die Übergehung seines Vortrags und der vorliegend erfolgten Beweisführung
und -würdigung seinen Anspruch auf ein faires Verfahren und auf rechtliches Gehör nach Art
103 Abs
1 GG verletzt, so hat er auch hierzu die Darlegungsanforderungen nicht erfüllt.
Wer einen Gehörsverstoß rügen will (Art
103 Abs
1 GG, §§
62 und
128 Abs 2
SGG), hat darzulegen, warum das LSG Vorbringen der Beteiligten nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und erwogen hat (vgl BSG Urteil vom 17.2.1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33) oder seine Entscheidung auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten
nicht haben äußern können (vgl BSG Urteil vom 23.5.1996 - 13 RJ 75/95 - SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Dabei ist auch darzutun, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene
Entscheidung darauf beruhen kann (vgl BSG Beschluss vom 7.10.2016 - B 9 V 28/16 B - Juris RdNr 6 mwN). Diese zwingend erforderlichen Darlegungen enthält die Beschwerde des Klägers nicht. Sie teilt insbesondere
nicht die tragende Begründung des angefochtenen LSG-Urteils mit.
Soweit der Kläger eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs darin sieht, dass das Berufungsgericht seine Entscheidung auf
eine fehlerhafte Sachaufklärung gegründet hat und keine weitere MRT-Untersuchung durchgeführt hat, liegt hierin keine Gehörs-,
sondern allenfalls eine Sachaufklärungsrüge. Deren Darlegungsanforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung - wie oben aufgezeigt
- nicht. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge können nicht dadurch umgangen werden, dass der Vorhalt
unzureichender Sachaufklärung in der Gestalt einer Gehörsrüge geltend gemacht wird (vgl BSG Beschlüsse vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - Juris RdNr 15 und vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr 12).
Dass der Kläger mit der Auswertung und Würdigung der Sachverständigengutachten durch das LSG nicht einverstanden ist, ist
für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unerheblich. Denn insoweit wendet er sich gegen die Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 S 1
SGG) des Berufungsgerichts. Nach der ausdrücklichen Regelung des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann hierauf eine Verfahrensrüge nicht gestützt werden. Hierauf weist der Kläger in seiner Beschwerdebegründung selbst hin.
Denn die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Gutachtenergebnissen gehört zur Beweiswürdigung selbst und damit zu den
Kernaufgaben der Tatsacheninstanz (vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 8). Soweit der Kläger eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG in seinem Einzelfall rügen
wollte, so kann er auch insoweit keine Revisionszulassung erreichen (vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2, §
169 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.