Zulässigkeit einer beantragten Beweisaufnahme im sozialgerichtlichen Verfahren für ein berufskundliches Gutachten zur Frage
der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Erwerbsminderungsrente.
Der 1965 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er lebt seit 1989 in Deutschland und war hier zuletzt bis Oktober
2003 als Bauhilfsarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt; seitdem ist er arbeitsunfähig krank bzw arbeitslos. Er bezieht
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende seit dem Jahr 2007. In der Zeit vom 07.04.2004 bis zum 06.04.2009 wurden
mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im
Sinne des §
3 Satz 1 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) entrichtet; insgesamt sind Beitragszeiten von fünf Jahren vorhanden. Auch zur türkischen Sozialversicherung wurden Beiträge
entrichtet. Der Kläger ist als Schwerbehinderter anerkannt, der Grad der Behinderung (GdB) beträgt 100 seit 05.05.2008.
Im Jahr 1994 wurde beim Kläger ein Diabetes mellitus Typ II diagnostiziert. Er befand sich vom 24.01. bis zum 14.02.2006 in
einem stationären Heilverfahren in der Reha-Klinik in Bad M.. Die Entlassung aus diesem Heilverfahren erfolgte zunächst noch
arbeitsunfähig bis zur endgültigen psychischen Restitution. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wurde der Kläger für mittelschwere
Tätigkeiten als ganztägig vollschichtig vermittelbar betrachtet. Vermieden werden sollten Tätigkeiten, die eine besondere
psychische Flexibilität voraussetzen. Am 06.04.2006 stellte der Kläger einen ersten Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers auf internistischem und nervenärztlichem Fachgebiet und lehnte den
Rentenantrag mit Bescheid vom 09.05.2006 und Widerspruchsbescheid vom 11.10.2006 ab. Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht
Heilbronn (SG). In diesem Verfahren (S 4 R 4133/06) erstattete der Internist Dr. S. ein Gutachten, welches auf einer Untersuchung des Klägers am 03.04.2007 beruht. Er diagnostizierte
im Wesentlichen einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II, gut eingestellt, mit diabetischer Polyneuropathie und ein
hyperreagibles Bronchialsystem. Im Rahmen der Leistungsbeurteilung führte er aus, auf internistischem Fachgebiet hätten keine
Befunde erhoben werden können, die der Verrichtung leichter und auch mittelschwerer körperlicher Arbeit entgegenstünden. Im
Mai 2007 wurde beim Kläger ein Makroadenom der Hypophyse festgestellt, welches am 21.05.2007 im Universitätsklinikum W. operiert
wurde. Nach dem Arztbrief der Klinik vom 25.05.2007 (Blatt 119 der Akte des SG S 4 R 4133/06) gestaltete sich der postoperative Verlauf komplikationslos. Nachdem das SG darauf hingewiesen hatte, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht mehr beabsichtigt sind, nahm der anwaltlich vertretene
Kläger am 07.04.2008 die Klage zurück.
Den streitgegenständlichen Antrag stellte der Kläger am 07.04.2009. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung und Begutachtung
des Klägers auf internistischem Fachgebiet. Dr. S. berichtete in seinem Gutachten vom Mai 2009 wiederum über den Diabetes
mellitus und wies auf eine erfolgreich operierte gutartige neubildende Hypophyse hin. Er hielt den Kläger noch für fähig,
leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr zu verrichten. Mit Bescheid vom 26.06.2009
lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab mit der Begründung, dem Antrag könne nicht entsprochen werden, weil in den letzten
fünf Jahren drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht vorhanden seien. Nach den getroffenen
Feststellungen bestehe auch weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 03.07.2009 Widerspruch ein. Er wies darauf hin, die von der Beklagten gegebene Begründung
könne nicht stimmen. In den letzten Jahren seien für ihn Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt worden. Nachdem der Träger
der Grundsicherung für Arbeitssuchende in T. das Vorbringen des Klägers bestätigt hatte, holte die Beklagte noch ein Gutachten
auf nervenärztlichem Fachgebiet ein. Auch in diesem Gutachten, das vom Nervenarzt Dr. H. erstattet wurde, wurde der Kläger
für fähig erachtet, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Auszuschließen seien lediglich
erhöhter Zeitdruck und Nachtschicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten
den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 26.06.2009 als unbegründet zurück. In der Begründung wird ua ausgeführt,
die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Erwerbsminderungsrente seien beim Kläger erfüllt, jedoch
sei dieser weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Der Sozialmedizinische Dienst habe sämtliche Unterlagen überprüft und
komme nach Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis, dass dem Kläger, auch unter Berücksichtigung der festgestellten Erkrankungen
oder Behinderungen, leichte bis mittelschwere Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zumutbar seien.
Am 04.02.2010 hat der Kläger Klage (S 10 R 377/10) beim SG erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, er sei vom 28.07. bis 18.08.2009 in einer Reha-Maßnahme in der Reha-Klinik O.
T. in Bad M. gewesen. Er sei dort arbeitsunfähig entlassen worden. Bereits dort sei erklärt worden, dass er aus internistischer
Sicht nur noch leichte Arbeiten mit vielfachen Einschränkungen drei bis unter sechs Stunden durchführen könne. Dabei seien
die Beeinträchtigungen durch das Hörvermögen und durch die Gesichtsfeldeinschränkung noch nicht berücksichtigt. Insoweit sei
auch an eine Verschlossenheit des Arbeitsmarkts zu denken. Als Beleg für sein Vorbringen hat er zahlreiche Arztbriefe vorgelegt.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie
Dr. E. hat mitgeteilt, beim Kläger sei von einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren auszugehen.
Darüber hinaus bestehe eine mäßig ausgeprägte diabetische Polyneuropathie bei insulinpflichtigem Typ II Diabetes sowie Zustand
nach gutartiger Neubildung der Hypophyse mit Operation im Mai 2007. Er stimme mit der Einschätzung von Herrn Dr. H. hinsichtlich
der Diagnosen und auch der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung überein. Dr. H. hat im Juli 2010 ausgeführt, der Kläger
leide unter einem insulinpflichtigen Diabetes, der 1994 zum ersten Mal diagnostiziert worden sei. Leider lasse sich trotz
engmaschiger Kontrolle und mitbehandelnden Fachärzten keine stabile Blutzucker-Stoffwechsellage einstellen. Ein weiteres großes
medizinisches Problem seien die Folgeerkrankungen, an denen der Kläger aufgrund der Zuckererkrankung leide (distales symmetrische
Polyneuropathie bei zusätzlich drohendem diabetischem Fußsyndrom, autonome Neuropathie mit Reizblase, Adipositas, Hyperlipidämie,
arterielle Hypertonie). Weitere Symptome deuteten auf ein Restless-legs-Syndrom hin. Mit Gerichtsbescheid vom 22.09.2010 hat
das SG die Klage abgewiesen. Der Gerichtsbescheid ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 27.09.2010 zugestellt worden.
Am 11.10.2010 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er hat sein Vorbringen im Klageverfahren wiederholt und vertieft und insbesondere
darauf hingewiesen, dass das Berufungsgericht in eine Überprüfung eintreten müsse, die üblicherweise die Verwaltungsbehörde
hätte durchführen sollen und spätestens die erste Instanz hätte durchführen müssen, die aber bis heute nicht durchgeführt
worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.09.2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.06.2009 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 12.01.2010 aufzuheben und die Beigeladene zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller,
hilfsweise
teilweiser Erwerbsminderung ab 01.04.2009 zu gewähren,
hilfsweise auf orthopädischem Fachgebiet sowie die Leistungseinschränkung aufgrund des obstruktiven Schlaf-Apnoe-Syndroms
weiter aufzuklären.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Während des Berufungsverfahrens ist festgestellt worden, dass auch Beiträge zur türkischen Rentenversicherung entrichtet worden
sind. Daraufhin hat der Berichterstatter des Verfahrens die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern zum Verfahren beigeladen.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Der Senat hat zunächst von Amts wegen beim Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. das
Gutachten vom 21.04.2011 eingeholt.
Der Sachverständige hat als Diagnosen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet aufgeführt: depressive Verstimmungen im
Sinne einer dysthymen Entwicklung auch reaktiver Genese bei sozialen Problemen, Somatisierungstendenzen (ICD 10: F34.1); akzentuierte
Persönlichkeitszüge; anamnestisch delirante Symptomatik 12/2010, ggf medikamenteninduziert, beginnende sensible Polyneuropathie
ohne motorische Ausfälle. Als sonstige Diagnosen hat er aufgeführt: metabolisches Syndrom mit einem insulinpflichtigen Diabetes
mellitus, einer Adipositas, einer Fettstoffwechselstörung und einer arteriellen Hypertonie; Hörminderung beidseits, mittels
Hörgeräten korrigiert, obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom, nächtliche Ventilationstherapie, bekanntes Hämorrhoidalleiden sowie
ein Zustand nach Entfernung eines Hypophysenadenoms ohne sicheren Anhalt für ein Rezidiv. Eine weitgehende, objektivierbare
bzw ausreichend begründbare Einschränkung der Fähigkeit zur Teilhabe an den Aktivitäten des täglichen Lebens beispielsweise
in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Antrieb, Konzentrationsfähigkeit, Interesse und Aufmerksamkeit
liege beim Kläger nicht vor. Eine organisch bedingte vermehrte Erschöpfbarkeit wie zB bei einem ausgeprägten cerebralen Befall
der multiplen Sklerose bestehe nicht. Das zeitliche Leistungsvermögen werde auch nicht durch eine Summationseffekt der Beschwerden
durch Leiden verschiedener Fachgebiete eingeschränkt. Die psychische Symptomatik sei nicht derart ausgeprägt, dass sie ein
unüberwindbares Hemmnis für die Aufnahme und Ausführung einer Tätigkeit im Umfang von arbeitstäglich mindestens sechs Stunden
darstellen würde. Es sei dem Kläger nach seiner Einschätzung keineswegs krankheitsbedingt unmöglich, eine erwerbsorientierte
Lebensgestaltung zu realisieren. Zu diesem Gutachten hat sich der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom
31.05.2011 geäußert. Er hat bemängelt, dass die Problematik eines diabetischen Fußes und einer diabetischen Nephropathie im
Gutachten nicht angesprochen worden sei. Der Sachverständige sei über diese Problematik sehr oberflächlich hinweggegangen.
Auch mit Schriftsatz vom 04.08.2011 hat der Kläger die Begutachtung durch Dr. S. kritisiert. Nachdem der Senatsvorsitzende
dennoch Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 29.09.2011 anberaumt hatte, hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten
vom 31.08.2011 vorgetragen, wegen eines drohenden diabetischen Fußsyndroms sei eine stationäre Diabetes-Behandlung im Schwerpunktkrankenhaus
für Diabetiker in Bad M. für den 21.10.2011 vorgesehen. Eine Entscheidungsreife sei daher nicht gegeben. Sofern noch nicht
bereits im Sinne des Klägers entschieden werden könne, wären noch weitere Ermittlungen unbedingt notwendig.
Daraufhin ist der anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben worden, um die angekündigte stationäre Behandlung
des Klägers in der Diabetes-Klinik abzuwarten. Auf Anforderung des Gerichts hat das Diabetes-Zentrum Bad M. den Arztbrief
vom 02.01.2012 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, an diabetischen Folgeerkrankungen sei eine distal-symmetrische diabetische
Polyneuropathie, eine autonome Neuropathie urogenital sowie eine erektile Dysfunktion bekannt. Bei Polyneuropathie werde das
Tragen diabetesgeeigneter Schuhe empfohlen. An zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktoren sei eine arterielle Hypertonie,
eine Hypertriglyceridämie sowie eine Adipositas bekannt. Die antihypertensive Therapie sei fortgeführt worden. Die Behandlung
habe vom 21.10. bis 31.10.2011 gedauert. Der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten hat ausgeführt, von den zahlreichen Arztbriefen,
die der Kläger vorgelegt habe, sei der interessanteste derjenige aus der Psychiatrie des Kreiskrankenhauses T. vom 16.09.2011.
Darin werde beschrieben, dass auch nach der stationären Behandlung vom 01.12.2010 bis 04.01.2011 eine schwere depressive Episode
bei rezidivierender depressiver Störung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vorliegen würden. Diese Befunde stünden
im Gegensatz zu dem nervenärztlichen Gutachten von Dr. S.. Es empfehle sich daher eine weitere Sachaufklärung in Form eines
erneuten psychiatrischen Gutachtens. Daraufhin hat der Senat eine Begutachtung beim Facharzt für Neurologie, Psychiatrie,
psychotherapeutische Medizin und Psychoanalyse M., H., in Auftrag gegeben. Hierzu hat sich der Kläger mit Schriftsatz vom
08.02.2012 geäußert und kritisiert, bei der Fülle der vorliegenden Feststellungen erscheine die Hervorhebung im Gutachtensauftrag,
die die Möglichkeit einer Simulation oder aber Aggravation in die Beweisfragen erfahre, nicht sachgerecht. Es bestünden Bedenken
gegen die Formulierung, dass, auch wenn der Gutachter eine Aggravation oder aber eine Simulation nicht zweifelsfrei ausschließen
könne, diese schon eine Bedeutung haben sollte. Es werde ferner beantragt, dass dem Berufungskläger erlaubt werde, mit dem
Zug nach H. zu fahren. Des Weiteren werde beantragt, dass der Kläger sich ein Taxi von seinem Wohnort nach L. zum Bahnhof
nehmen könne sowie in H. vom Bahnhof zum Gutachter und jeweils zurück. Er sei sonst nicht in der Lage, die Örtlichkeit zu
finden. Daraufhin hat der Senatsvorsitzende den Herrn M. erteilten Gutachtensauftrag zurückgenommen und stattdessen Prof.
Dr. K., Leiter der Abteilung für forensische Psychiatrie der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in W.
beauftragt. Dieser hat mitgeteilt, dass die Klinik derzeit mit Gutachtensaufträgen völlig überlastet sei und daher der Gutachtensauftrag
wieder zurückgegeben werden müsse. Schließlich hat der Senat Herrn Dr. M., Chefarzt der Klinik für forensische Psychiatrie
und Psychotherapie am Klinik am W. mit der Erstattung des nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. In diesem Zusammenhang ist
der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Beweisfragen des Senats den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG zB im Urteil vom 06.09.2001, B 5 RJ 42/00 R, entsprächen.
Vom 14.05.2012 bis 10.06.2012 hat sich der Kläger in stationärer schmerztherapeutischer Behandlung in der Schmerzklinik am
A. in Bad M. befunden. Dort ist eine chronische Lumbalgie bei degenerativen muskulären Verspannungen und Dysbalancen, eine
Gonalgie sowie ein hochgradig chronifiziertes Schmerzsyndrom diagnostiziert worden (Arztbrief der Klinik vom 20.06.2012, Bl
299/303 der LSG-Akte).
Dr. M. hat sein Gutachten über den Kläger im Juli 2012 erstattet. Der Sachverständige hat ausgeführt, auf psychiatrischem
Fachgebiet sei zunächst vom Vorliegen einer rezidivierenden depressiven Störung auszugehen, wobei - unter laufender thymoleptischer
Behandlung - aktuell von einer weitgehenden Remission ausgegangen werden müssen (ICD 10: F33.4). Zum Zeitpunkt der Exploration
habe eine durchgängig dysthyme Grundstimmung vorgelegen, jedoch keine darüber hinausgehende wesentliche depressive Verstimmung.
Weiter sei vom Vorliegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD 10: F45.4) auszugehen. Weitere Erkrankungen auf
psychiatrischem Fachgebiet lägen nicht vor. Durch die diagnostizierten Gesundheitsstörungen ergäben sich durchaus Beeinträchtigungen,
die sich auch nachteilig auf die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers auswirkten. Leichte körperliche Tätigkeiten möglichst
im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen erschienen durchaus noch möglich, wobei diese Tätigkeiten keine höheren Anforderungen
im Hinblick auf die kognitiven Fähigkeiten stellen sollten. Aufgrund der rezidivierenden depressiven Störung sei eine Nachtarbeit
ebenfalls nicht mehr möglich. Unter Berücksichtigung der angegebenen Einschränkungen erscheine eine leichte Tätigkeit auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig möglich.
Zu diesem Gutachten hat sich der Kläger mit Schriftsatz vom 12.09.2012 geäußert. Er hat ausgeführt, es lägen intensive Beeinträchtigungen
vor, welche eine weitere Arbeitsleistung nicht mehr erlaubten und jedenfalls zur vollen Rentengewährung führen müssten. Soweit
man tatsächlich noch versuchen sollte, eine vollschichtige Leistung zu begründen, sei jedenfalls eine ungewöhnliche Summierung
von Leistungseinschränkungen zu bejahen, welche zum Verschlossensein des Arbeitsmarktes führten. Bezüglich der Sehbeeinträchtigung
sei bisher noch keine Begutachtung erfolgt. Er beantrage entsprechende gutachterliche Feststellungen zur Leistungsbeeinträchtigung
und der gegebenen Sehbeeinträchtigung und der Gesichtsfeldprobleme. Die Beeinträchtigung habe zugenommen. Er verweise auf
den Befund des Kreiskrankenhauses T., Psychiatrische Institutsambulanz, vom 16.09.2011, der eine schwere depressive Episode
beschreibe. Daneben bestehe ein hochgradig chronifiziertes Schmerzsyndrom, ein Schlafapnoe-Syndrom mit CPAP-Maske, eine massive
Knieschädigung links sowie Lendenwirbelsäulenbeeinträchtigungen. Es werde beantragt, für den Fall, dass das Gericht nicht
bereits aufgrund der vorliegenden Situation sich zur Rentengewährung in der Lage sehe, hilfsweise ein berufskundiges Gutachten
zur Frage des Verschlossensein des Arbeitsmarktes bei dieser gesundheitlichen Situation einzuholen. Im Rahmen der Hypophysenerkrankung
habe sich ein deutliches linksseitiges Narbengewebe des restadenoiden Areals mit deutlicher Verziehung des Infundibulums gebildet.
Auch insoweit beantrage er die Feststellung der leistungsmindernden Folgen dieser Narbengewebebildung im Gehirn. Er beantrage
ausdrücklich, hilfsweise im obigen Sinne, eine Begutachtung insoweit, im Hinblick auf die schweren Diabetesfolgen bis hin
zur Gefahr des diabetischen Fußsyndroms.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster
und zweiter Instanz, die Vorakten S 4 R 4133/06 und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger beantragt,
hilfsweise seine Leistungseinschränkung auf orthopädischem Fachgebiet sowie aufgrund des obstruktiven Schlaf-Apnoe-Syndroms
weiter aufzuklären.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§
143,
144,
151 Abs
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
12.01.2010 (§
95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder ab dem 01.04.2009 noch ab einem späteren
Zeitpunkt einen Anspruch gegen die Beigeladene auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, auch nicht wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit, da er noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den er verwiesen
werden kann, mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.
Der Anspruch richtet sich gegen die Beigeladene, da diese nach §
128 Abs
1 SGB VI i.V.m. Art 48 des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens der örtlich zuständige Regionalträger ist. Nach Art 48 Abs 2 des deutsch-türkischen
Sozialversicherungsabkommens werden Verbindungsstellen eingerichtet, um die Durchführung des Abkommens zu erleichtern. Die
Verbindungsstelle ist nach Art 48 Abs 3 Buchst a) des Abkommens für die Feststellung der Rente zuständig, wenn - wie hier
- Versicherungszeiten nach deutschen und türkischen Rechtsvorschriften zurückgelegt oder anrechnungsfähig sind. Als Verbindungsstelle
in Deutschland ist für die Rentenversicherung der Arbeiter im Abkommen die Landesversicherungsanstalt Ober- und Mittelfranken
benannt. Der Name "Landesversicherungsanstalt" wurde mWv 01.01.2005 in "Deutsche Rentenversicherung" umbenannt (§
125 Abs
1 Satz 2
SGB VI). Die Deutsche Rentenversicherung Ober- und Mittelfranken wiederum hat sich gemäß §
141 Abs
1 SGB VI zum 01.01.2008 mit der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken zur Deutschen Rentenversicherung Nordbayern zusammengeschlossen
(Beschlüsse der Vertreterversammlungen vom 25. Juni 2007 und vom 5. Juli 2007; Genehmigung des zuständigen Bayerischen Staatsministeriums
vom 6. September 2007).
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach §
43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach §
43 Abs
2 Satz 1
SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach §
43 Abs
1 Satz 1
SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise
erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für
eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit
erfüllt haben (Nr
3). Voll erwerbsgemindert sind nach §
43 Abs
2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach §
43 Abs
1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser
als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung
gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung
in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung
auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens
sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des §
43 Abs
1 und Abs
2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert;
dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§
43 Abs
3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der im Klage- und Verwaltungsverfahren
eingeholten Gutachten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des
allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Seit 1994 ist beim Kläger ein Diabetes mellitus bekannt, der inzwischen insulinpflichtig ist. Wegen dieser Erkrankung befand
sich der Kläger vom 21.10. bis 31.10.2011 in stationärer Behandlung im Diabetes Zentrum M.. Die Aufnahme erfolgte mit chronisch
hyperglykämischen Blutzuckerwerten zur Korrektureinstellung. Während der stationären Behandlung zeigten sich die Blutzucker-Tagesverläufe
deutlich gebessert und ohne signifikante Schwankungen; Hyperglykämien traten nur noch vereinzelt auf. Dies ergibt sich aus
dem Arztbrief des Diabetes Zentrum vom 02.01.2012 (Bl 235/236 der LSG-Akte). An diabetischen Folgeerkrankungen bestehen eine
distal symmetrische diabetische Neuropathie, eine autonome Neuropathie urogenital sowie eine erektile Dysfunktion. Auch dies
folgt aus dem erwähnten Arztbrief des Diabetes Zentrum. Für eine diabetisch bedingte Netzhautablösung ergeben sich bisher
aus augenfachärztlicher Sicht keine Anhaltspunkte. Dies kann dem Arztbrief der Fachärztin für Augenheilkunde H. (Bl 347 der
LSG-Akte) und dem Bericht der Internistin Dr. H. vom 17.02.2011 (Bl 52 der LSG-Akte) entnommen werden. Im Zusammenhang mit
dem Diabetes kann auch ein Bluthochdruck, eine Fettstoffwechselstörung und eine Adipositas gesehen werden.
Im Mai 2007 wurde beim Kläger ein Makroadenom der Hypophyse festgestellt, welches am 21.05.2007 im Universitätsklinikum W.
operiert wurde. Nach dem Arztbrief der Klinik vom 25.05.2007 (Blatt 119 der Akte des SG S 4 R 4133/06) gestaltete sich der postoperative Verlauf komplikationslos. Eine Rezidiv ist bislang nicht aufgetreten. Bei allen durchgeführten
Kernspintomographien (craniales Hochfeld-MRT), zuletzt am 08.08.2012, konnte kein Rezidivtumor festgestellt werden. Dies entnimmt
der Senat den Arztbriefen des Dr. R., Facharzt für Radiologische Diagnostik, vom 09.03.2009 (Anl zu Bl 14 der LSG-Akte) und
13.08.2012 (Bl 352 der LSG-Akte).
Im Juli 2011 wurde ein Schlafapnoe-Syndrom diagnostiziert, welches mittels eines CPAP-Geräts therapiert wird. Darüber hat
der Kläger die Sachverständigen Dr. S. und Dr. M. informiert. Wegen einer Schwerhörigkeit ist der Kläger mit Hörgeräten versorgt.
Eine Infusionstherapie wegen Tinnitus blieb erfolglos, wie Dr. B., Universitätsklinikum W., im Arztbrief vom 24.04.2008 (Bl
23 ff der LSG-Akte) berichtet. Anlässlich einer ambulanten Untersuchung am 16.04 und 23.04.2012 im Caritas-Krankenhaus in
Bad M. konnte eine stenosierende Koronarsklerose ausgeschlossen werden. Dies schreibt Oberarzt Dr. H. in seinem Arztbrief
vom 23.04.2012 (Bl 293 der LSG-Akte). Im Arztbrief der Schmerzklinik am A. in Bad M. werden ua eine chronische Lumbalgie bei
degenerativen muskulären Verspannungen und Dysbalancen sowie eine Gonalgie diagnostiziert.
Auf psychiatrischem Fachgebiet ist vom Vorliegen einer rezidivierenden depressiven Störung auszugehen, wobei - unter laufender
thymoleptischer Behandlung - aktuell von einer weitgehenden Remission ausgegangen werden muss (ICD 10: F33.4). Zum Zeitpunkt
der Untersuchung durch Dr. M. im Mai bzw Juni 2012 lag eine durchgängig dysthyme Grundstimmung vor, jedoch keine darüber hinausgehende
wesentliche depressive Verstimmung. Weiter ist vom Vorliegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD 10: F45.4)
auszugehen. Andere Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet liegen nicht vor. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr
M. (Bl 305/331 der LSG-Akte), dessen Beurteilung sich der Senat in allen Punkten anschließt. Ein schwere oder mittelschwere
Depression ist beim Kläger nicht nachgewiesen. Soweit in verschiedenen Arztberichten des Kreiskrankenhauses T. davon ausgegangen
wird, dass beim Kläger eine schwere Depression besteht, konnte dies durch die sorgfältige Begutachtung des Klägers durch Dr.
M. nicht bestätigt werden. Der Sachverständige kann lediglich nicht ausschließen, dass es zu Exazerbationen (gesundheitliche
Verschlechterungen bei chronischen Erkrankungen) kommt.
Trotz dieser Gesundheitsstörungen ist der Kläger in der Lage, leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes
im Wechsel zwischen Stehen, Sitzen und Gehen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Aufgrund der psychischen
Erkrankungen kann der Kläger Arbeiten mit erhöhter Verantwortung (zB Vorgesetztentätigkeiten), mit vermehrtem Publikumsverkehr
und Arbeiten unter besonderem Zeitdruck sowie Schichtarbeit nicht mehr ausüben. Auch Nachtarbeiten sind dem Kläger nicht mehr
zumutbar. Dies hat der Sachverständige Dr. M. überzeugend dargelegt. Der Senat schließt sich deshalb seiner Beurteilung an.
Weitere Einschränkungen ergeben sich aufgrund der Gesundheitsstörungen auf internistischem Gebiet nicht. Der Bluthochdruck
ist medikamentös behandelbar. Auch der Diabetes führt zu keinen weiteren Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit.
Dies folgt zum einen aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. S.. Zum anderen hat Dr. S., der auch Arzt
für Innere Krankheiten ist, wegen des Schlafapnoe-Syndroms und des insulinpflichtigen Diabetes nur Schichtarbeit und Nachtarbeit
ausgeschlossen, aber ebenfalls keine zeitliche (quantitative) Einschränkung der Erwerbsfähigkeit angenommen. Diese Ausführungen
macht sich der Senat zu eigen. Wirbelsäulenbeschwerden beruhen im Wesentlichen auf degenerativen Veränderungen mit Muskelverspannungen.
Atrophien oder Paresen konnten bei der klinischen Untersuchung durch Dr. M. nicht festgestellt werden. Er beschrieb die Muskulatur
des Klägers als kräftig ausgebildet. Die Muskeleigenreflexe waren alle mittellebhaft auslösbar. Daraus lässt sich keine zeitliche
Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit ableiten. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit aufgrund des Diabetes besteht
nicht. Im Diabetes Zentrum hat man dem Kläger lediglich empfohlen, geeignete Schuhe zu tragen (Arztbrief vom 02.01.2012).
Dr. S. konnte auch keinen Hinweis für eine neurogene Gangstörung feststellen. Auch die am 07.04.2011 bei Dr. S., Facharzt
für Orthopädie und Unfallchirurgie, erfolgte diagnostische Arthroskopie im linken Kniegelenk mit Außenmeniskushinterhornteilresektion,
und Knorpelshaving verlief ohne Komplikationen. Dr. M. teilte ferner mit, dass der Kläger nach der Begutachtung (Juni 2012)
in einem vermeintlich unbeobachteten Moment ein sicheres, flüssiges und unauffälliges Gangbild aufwies.
Die bei dem Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen, die sämtlich nicht ungewöhnlich sind, lassen keine ernstlichen
Zweifel daran aufkommen, dass er noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus ihnen ergeben sich damit weder
schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher
Leistungseinschränkungen (vgl BSG 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, [...]) dar. Dem Ausschluss von Akkord-, Schicht- und Nacharbeit wird bereits dadurch Rechnung getragen, dass dem Kläger
nur noch körperlich leichte Arbeiten zugemutet werden.
Der Antrag des Klägers, ein berufskundiges Gutachten zur Frage des Verschlossensein des Arbeitsmarktes bei seiner gesundheitlichen
Situation einzuholen, wird abgelehnt. Da beim Kläger - wie dargelegt - keine schwere spezifische Leistungseinschränkung und
keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegen, die das verbliebene Tätigkeitsspektrum soweit einengt,
dass Zweifel auftreten könnten, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch zumutbare Berufstätigkeiten gibt, ist die Einholung
eines berufskundlichen Gutachtens nicht notwendig. Die unbestimmten Rechtsbegriffe der schweren spezifischen Leistungsbehinderung
und der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sind einer Konkretisierung nur schwer zugänglich. Diesem Umstand
wird dadurch Rechnung getragen, dass immer dann, wenn ernsthafte Zweifel bestehen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar
ist, die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit erfolgen muss, die nicht nur zu dem Vergleich von Leistungsfähigkeit
und Anforderungsprofil führt, sondern auch zu der individuellen Prüfung, ob dem Versicherten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen
ist oder nicht (vgl zuletzt BSG 10.07.2012, B 13 R 40/12 B, [...]). Begründete Zweifel daran, dass der Kläger noch einer zumutbaren Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
nachgehen kann, bestehen aber nicht.
Soweit der Kläger darauf hinweist, dass im Rahmen der Hypophysenerkrankung sich ein deutliches linksseitiges Narbengewebe
des restadenoiden Areals mit deutlicher Verziehung des Infundibulums gebildet habe und er insoweit die Feststellung der leistungsmindernden
Folgen dieser Narbengewebebildung im Gehirn beantrage, wird auch dieser Antrag abgelehnt. Es handelt sich dabei nicht um einen
prozessordnungsgemäßen Beweisantrag. Der Kläger vermag keine Beschwerden oder Beeinträchtigungen zu benennen, die auf ein
"linksseitiges Narbengewebe des restadenoiden Areals mit deutlicher Verziehung des Infundibulums" zurückgeführt werden könnten.
Damit soll im Grunde erst die Beweisaufnahme selbst die Leistungseinschränkungen erbringen. Ein solcher Antrag ist als Beweisausforschungs-
bzw -ermittlungsanträge auch im vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten sozialgerichtlichen Verfahren unzulässig (BSG 19.10.2011, B 13 R 33/11 R, NZS 2012, 230). Im Übrigen ist der Gesundheitszustand des Klägers auf nervenärztlichem Fachgebiet durch die beiden Gutachten von Dr. S.
und Dr. M. aufgeklärt. Diese Gutachten haben dem Senat die zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderliche Sachkunde
verschafft.
Der Antrag, eine Begutachtung im Hinblick auf die schweren Diabetesfolgen bis hin zur Gefahr des diabetischen Fußsyndroms
durchzuführen, wird ebenfalls abgelehnt. Die Folgen des Diabetes ergeben sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Arztbrief
des Diabetes Zentrum vom 02.01.2012 (Bl 235/236 der LSG-Akte). Im Übrigen ist die "Gefahr des diabetischen Fußsyndroms" eine
möglicherweise in Zukunft auftretende Komplikation. Darauf kommt es aber nicht an. Maßgebend ist der aktuelle Gesundheitszustand.
Der Antrag, ein orthopädisches Gutachten von Amts wegen einzuholen, wird ebenfalls abgelehnt. Die Einschränkungen in diesem
Bereich ergeben sich ua aus dem Gutachten des Dr. M., der neurogische Ausfallserscheinungen beim Kläger nicht beschrieben
hat. Er konnte weder Muskelminderungen noch gar Lähmungserscheinungen feststellen, sondern bezeichnete die Muskulatur des
Klägers als kräftig ausgebildet. Diese Beobachtungen kann er als Arzt machen und auch beurteilen. Hierfür bedarf es keiner
orthopädischen Kenntnisse, wie sie nur ein Arzt für Orthopädie hat. Denn es handelt sich insoweit um Befunde, die jeder Arzt
anlässlich einer klinischen Untersuchung eruieren kann. Dr. S., der auch Facharzt für Neurologie ist, hat das Vorleigen motorischer
Ausfälle ausdrücklich verneint. Als Neurologe verfügt er über die entsprechenden Kompetenzen, die ihn zu einer solchen Beurteilung
befähigen. Relevante Einschränkungen der Gehfähigkeit hat keiner der vom Senat gehörten Sachverständigen beschrieben.
Der Antrag, die Leistungseinschränkung aufgrund des Schlaf-Apnoe-Syndroms aufzuklären, wird ebenfalls abgelehnt. Die Auswirkungen
des Schlaf- Apnoe-Syndroms, welches bereits therapiert wird, konnten die vom Senat gehörten Sachverständigen beurteilen. Dr.
S. hat es als ausreichend betrachtet, dass dem Kläger keine Nachtarbeit mehr zugemutet wird. Weitere Einschränkungen sind
nicht zu machen. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Dr. S. hat zudem bestätigt, dass die kognitiven Funktionen
beim Kläger nicht beeinträchtigt sind. Dr. M. hat ebenfalls bestätigt, dass keine relevanten Einschränkungen der Merkfähigkeit
bzw der Gedächtnisfunktionen vorliegen. Damit sind die möglichen Auswirkungen des Schlaf-Apnoe-Syndroms bereits gutachtlich
erfasst und bewertet worden. Weitere Ermittlungen sind deshalb nicht mehr notwendig.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.