Anspruch auf Sozialhilfe; Eingliederungshilfe für behinderte Menschen; Kosten für Schulessen als Hilfe zu einer angemessenen
Schulbildung
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Übernahme von Essensgeld, das er an Tagen eines ganztägigen Schulbesuchs in der Zeit vom 1. März 2005
bis 31. Oktober 2006 zu entrichten hatte.
Der 1997 geborene Kläger lebt zusammen mit seinen Eltern und zwei Geschwistern in einer Wohnung. Nach dem Bezug von Sozialhilfe
erhalten die Familienmitglieder seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites
Buch (SGB II). Der Kläger erhielt insoweit Sozialgeld in Höhe von 207 EUR sowie anteilige Unterkunftskosten. Zur Höhe der
Regelleistung und der Kosten der Unterkunft liegt für das Jahr 2005 ein rechtskräftiges Urteil des Landessozialgerichts (LSG)
Baden-Württemberg vor (Urteil vom 22. Oktober 2008 - L 3 AS 4935/06 -).
Der Kläger besuchte ab dem Schuljahr 2003/04 eine Schule für Sprachbehinderte mit Ganztagsunterricht und dem Angebot eines
Mittagessens; seit dem Schuljahr 2007/08 besucht er eine Regelschule (Hauptschule). Die für das Mittagessen anfallenden Kosten
wurden bis Februar 2005 vom Beigeladenen bezuschusst. Nachdem der Kreistag die Einstellung der Förderung der Schulessen ab
März 2005 beschlossen hatte, übersandte der Beigeladene die ihm von der Schule vorgelegten Essensrechnungen an die Beklagte
mit der Bitte um Bearbeitung in eigener Zuständigkeit.
Mit Bescheid vom 9. August 2005 lehnte die Beklagte die Übernahme des Essensgeldes ab, da der Bedarf nach Sicherstellung der
Ernährung bereits bei der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts berücksichtigt worden sei.
Mit seinem Widerspruch machte der Vater des Klägers geltend, das Essensgeld sei erheblich gestiegen, die Leistungen nach dem
SGB II reichten hierfür nicht aus. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück
und führte aus, von dem Sozialgeld von 207 EUR entfielen ca. 38% auf Nahrung und Getränke.
Hiergegen richtet sich die am 2. Dezember 2005 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. August 2006 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zwar könnten neben der Regelleistung
nach §§ 21 Abs. 4, 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB II auch Mehrbedarfe gezahlt werden, wenn Eingliederungshilfe nach § 54 Abs.
1 Nr. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) erbracht werde. Da der Kläger tatsächlich keine Eingliederungshilfe
erhalte, lägen auch die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nicht vor. Eine weitergehende Anspruchsgrundlage sei nicht ersichtlich.
Die hiergegen gerichtete Berufung hat der Senat mit Urteil vom 26. Januar 2007 (L 12 AS 4540/06) zurückgewiesen. Die vorgelegten Rechnungen für Essensgeld umfassten eine Spanne von 22 EUR bis 12 EUR. Es sei nicht erkennbar,
weshalb ein monatlicher Betrag von 22 EUR nicht im Sozialgeld enthalten sein solle. Eine außergewöhnliche Belastung könne
auch nicht deshalb anerkannt werden, weil dem aufgewendeten Betrag eine Ersparnis von Aufwendungen gegenüber stehe. Es erscheine
auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht bedenklich, dass angesichts der vorliegend umstrittenen Beträge keine
besondere Vorschrift existiere, die eine Berücksichtigung dieses Bedarfs zulasse.
Nach Zulassung der vom Kläger eingelegten Revision hat das Bundessozialgericht (BSG) das Senatsurteil vom 26. Januar 2007
aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Verfahren leide an dem Mangel, dass
das LSG den (eigentlich) für eine mögliche Leistung nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII zuständigen Sozialhilfeträger nicht beigeladen
habe. Die Notwendigkeit der Beiladung ergebe sich aus den Besonderheiten des Rehabilitationsverfahrens, insbesondere aus §
14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX). Die erforderlichen Feststellungen, zu welchem Zeitpunkt der Sozialhilfeträger vom fraglichen Rehabilitationsbedarf Kenntnis
erhalten habe und in welcher Weise und zu welchem Zeitpunkt er den Antrag "weitergeleitet" habe, werde das LSG nach Beiladung
des Sozialhilfeträgers nachzuholen haben. Streitgegenstand seien ausschließlich Ansprüche des Klägers auf Zahlung des Schulessens
im Zeitraum 1. März 2005 bis 31. Oktober 2006. Ein Anspruch ergebe sich nicht aus § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 i.V.m. § 21 Abs.
4 SGB II, da dies voraussetze, dass die in der Vorschrift benannten Leistungen zur Teilhabe "erbracht werden". Weitere Anspruchsgrundlagen
seien im SGB II nicht ersichtlich. Ein Anspruch könne sich aus § 54 SGB XII ergeben als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung.
Ob der Kläger zum leistungsberechtigten Personenkreis gehöre, werde das LSG festzustellen haben. Sei eine Leistungsberechtigung
nach § 53 Abs. 1 SGB XII zu bejahen, werde das LSG zu prüfen haben, ob die Leistung zur Erreichung des im Gesetz formulierten
Ziels geeignet und erforderlich sei, insbesondere, welchen Stellenwert die Einnahme eines gemeinsamen Mittagessens als gemeinschaftsfördernde
erzieherische Maßnahme in der Schule für Sprachbehinderte gehabt habe.
Der Senat hat daraufhin den zuständigen Sozialhilfeträger beigeladen, die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige
Zeugen befragt und eine Auskunft der Schule für Sprachbehinderte eingeholt. Entwicklungsberichte über den Kläger sind von
der Schule nicht erstellt worden.
Der Kläger lässt vortragen, dass er wegen seiner Sprachbehinderung selbst nicht in ärztlicher Behandlung gewesen sei, für
die Verbesserung sei gerade die Schule vorgesehen gewesen. Er macht geltend, dass sich ein Anspruch auf Übernahme der Kosten
für das Mittagessen aus § 54 SGB XII ergebe. Das Schulessen sei speziell an dieser Schule Teil des pädagogischen Konzepts
und unabdingbar notwendig. Es komme nicht darauf an, ob die Schule eine Einrichtung i.S.d. SGB XII sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 7. August 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 9. August 2005 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 9. November 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1.
März 2005 bis 31. Oktober 2006 einen Essensgeldzuschuss in Höhe von 277,45 EUR zu zahlen,
hilfsweise, den Kläger von Essensgeldkosten in Höhe von 277,45 EUR freizustellen,
höchsthilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf Übernahme der Kosten für das Schulessen unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung sei der Sozialhilfeträger zuständig für die beantragten Leistungen. Im Rahmen des SGB II bestehe keine
entsprechende Rechtsgrundlage.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er führt aus, eine Weiterleitung des Antrags auf Übernahme der Kosten für Essensgeld
habe nie stattgefunden. Die Beklagte habe mit Bescheid vom 9. August 2005 eine Kostenübernahme abgelehnt und hierüber den
Beigeladenen informiert. Eine Zuständigkeitsproblematik habe nicht bestanden. Die Erfüllung der Schulpflicht sei Aufgabe der
Schulverwaltung. Der Sozialhilfeträger könne Kosten nur übernehmen, wenn er die volle Verantwortung in fachlicher und inhaltlicher
Hinsicht habe. Die W.-B.-Schule sei keine Einrichtung im Sinne des SGB XII, ein Leistungsangebot sei im Rahmenvertrag nach
§ 75 SGB XII nicht enthalten. Die Kosten für das Mittagessen seien somit keine Maßnahmekosten, vielmehr Kosten für einen notwendigen
Lebensunterhalt, welche die Eltern entsprechend beim häuslichen Lebensunterhalt erspart hätten. Davon abgesehen sei die Einnahme
eines gemeinsamen Mittagessens in der Schule keine Hilfe im Sinne einer angemessenen Schulbildung. Die behinderungsbedingten
Folgen würden hierdurch weder beseitigt noch gemindert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aller
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat teilweise Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) eingelegte Berufung ist statthaft (§
143 SGG), da die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG). Die Berufung ist auch insoweit begründet, als die Beklagte zur Neubescheidung über den Antrag auf Übernahme der Kosten
für das Schulessen zu verpflichten ist.
Streitgegenstand ist allein der geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Kosten des Schulessens im Zeitraum 1. März 2005
bis 31. Oktober 2006. Die Beklagte hat insoweit in einem selbstständigen Bescheid eine gegenüber den Bewilligungen der Leistungen
nach §§ 20, 22 SGB II abgrenzbare Regelung getroffen (vgl. BSG SozR 4-4200 § 16 Nr. 1; BSG, Urteil vom 25. Juni 2008 - B 11b
AS 19/07 R - BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 1). Nicht Verfahrensgegenstand ist dagegen die Höhe des Sozialgelds (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom
27. Januar 2009 - B 14/11b AS 9/07 R - (juris)).
Zuständig für den geltend gemachten Anspruch ist die Beklagte. Dies ergibt sich aus §
14 Abs.
1 und
2 SGB IX. Ursprünglich wurden die Essensrechnungen unmittelbar von der Schule an den Beigeladenen übersandt. So sind die Rechnungen
für März und April 2005 dem Beigeladenen am 1. Juni 2005, die korrigierten Rechnungen für diese Zeiträume am 20. Juni 2005
zugegangen. Damit wurde der Antrag auf die Rehabilitationsleistungen beim Beigeladenen gestellt. Den Antrag in Form der Rechnungen
hat der Beigeladene jeweils unverzüglich weitergeleitet (am 3. Juni bzw. 20. Juni 2005), indem er ihn formlos an die Beklagte
zur "Bearbeitung in eigener Zuständigkeit" übersandt hat. Die dem Beigeladenen vorgelegten Rechnungen für Mai und Juni 2005
(vom 11. und 12. Juli 2005) hat er mit Schreiben vom 18. Juli 2005 an die Schule zurückgeschickt mit dem Hinweis, er sei nicht
mehr zuständig, man möge sich an die Beklagte oder den Vater des Klägers wenden. Die Rechnung für Juli 2005 hat er wiederum
an die Beklagte weitergeleitet. Im August 2005 sind Essenskosten nicht angefallen und in der Folgezeit hat der Vater des Klägers
nach eigenen Angaben die Rechnungen an die Beklagte geschickt.
Da es sich bei der Frage der Kostenübernahme für das Schulessen um einen einheitlichen Lebenssachverhalt handelt, ist die
erstmalige Antragstellung nach Abschaffung des Zuschusses durch den Landkreis entscheidend. Es ist daher nicht für jeden Monat
gesondert zu untersuchen, wie mit den eingereichten Rechnungen verfahren wurde, um die Zuständigkeit festzustellen. Da der
Beigeladene nach den Feststellungen des Senats erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur
Teilhabe befasst worden ist, ist er erstangegangener Träger i.S.v. §
14 SGB IX und hat den Antrag unverzüglich innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IX an die Beklagte weitergeleitet. Nach §
14 Abs.
2 Satz 5
SGB IX klärt der Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, der aber für die beantragte Leistung nicht
Rehabilitationsträger sein kann, unverzüglich mit dem nach seiner Meinung zuständigen Rehabilitationsträger, von wem und in
welcher Weise über den Antrag innerhalb der in Satz 2 und 4 genannten Fristen entschieden wird. Nach der Gesetzesbegründung
(BT-Drucks. 15/1783 S. 13) soll diese Regelung klarstellen, dass der Rehabilitationsträger, an den ein Antrag von einem anderen
Träger weitergeleitet wurde, diesen nicht in weiteres Mal weiterleiten darf, und zwar selbst dann, wenn er kein Rehabilitationsträger
sein kann (vgl. BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 §
14 Nr.
1). Aus der in §
14 Abs.
1 und
2 SGB IX getroffenen Regelung folgt, dass durch die fristgerechte Weiterleitung des Antrags eine nach außen verbindliche Zuständigkeit
der Beklagten geschaffen worden ist, gleichzeitig aber interne Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungträgers
fortbestehen und die Träger insoweit auf den nachträglichen Ausgleich nach §
14 Abs.
4 Satz 1
SGB IX und §§ 102 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) verwiesen werden (vgl. BSGE 98, 267; BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 1). Die Zuständigkeit der Beklagten erstreckt sich dabei im Außenverhältnis zum Kläger auf alle Rechtsgrundlagen,
die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (vgl. BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 1; BSG, Urteil vom 20. November 2008 - B 3 KN 4/07 KR R - (juris)).
Anspruchsgrundlagen für die Übernahme der Essenskosten sind im SGB II nicht gegeben, da die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf
behinderter Menschen nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 i.V.m. § 21 Abs. 4 SGB II nicht erfüllt und andere Anspruchsgrundlagen
im SGB II nicht ersichtlich sind (vgl. BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 1).
Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Eingliederungsleistungen nach § 53 Abs. 1 Satz 1
SGB XII. Grundsätzlich sind Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII für Bezieher von Leistungen
nach dem SGB II nicht ausgeschlossen (§ 21 Satz 1 SGB XII, § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten
Personen, die durch eine Behinderung i.S.v. §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder behindert sind, Eingliederungshilfe, wenn
und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung Aussicht besteht, dass
die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Menschen sind behindert i.S.v. §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs
Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt
ist. Eine geistige oder seelische Behinderung besteht bei dem Kläger nicht, wie sich aus den Patientenunterlagen von Dr. M.
(HNO) und Dr. G. (Kinderarzt) entnehmen lässt sowie dem logopädischen Bericht der interdisziplinären Frühförderstelle des
Landkreises G. (IFFS) aus dem Jahr 2002. Eine körperliche Behinderung liegt vor in Form einer Sprachstörung, die zur Sonderschulpflicht
des Klägers in einer Schule für Sprachbehinderte geführt hat. Nach § 1 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung) sind indes durch körperliche Gebrechen wesentlich in ihrer Teilhabefähigkeit eingeschränkt i.S.v. § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB
XII nur Personen, die u.a. (5.) gehörlos sind oder denen eine sprachliche Verständigung über das Gehör nur mit Hörhilfen möglich
ist oder (6.) Personen, die nicht sprechen können, Seelentauben und Hörstummen, Personen mit erheblichen Stimmstörungen sowie
Personen, die stark stammeln, stark stottern oder deren Sprache stark unartikuliert ist. Diese Voraussetzungen sind beim Kläger
nicht gegeben. Die ursprünglich vorhandenen Hörstörungen, die zur Sprachbehinderung geführt hatten, waren nach Behandlung
(Legen von Paukenröhrchen) nicht mehr gegeben. Die Sprachstörungen waren jedenfalls im hier streitigen Zeitraum nicht von
einem Ausmaß, das einem nicht sprechen Können, starken Stammeln, Stottern oder stark unartikulierter Sprache i.S.v. § 1 Nr. 6 Eingliederungshilfe-Verordnung entspricht. So findet sich die Diagnose einer Sprachentwicklungsstörung in der Karteikarte des Kinderarztes Dr. G. letztmals
am 4. Februar 2003. Die zunächst 2001/2002 als gravierend beschriebenen Befunde mit Dyslalie und Dysgrammatismus (Berichte
von Dipl. Päd. S. vom 3. März, 2. Mai und 10. Juni 2002) hatten sich nach logopädischer Behandlung schon vor der Einschulung
erheblich gebessert, insbesondere die Verständlichkeit der Sprache des Klägers, wie sich aus dem logopädischen Bericht von
Frau K. von der IFFS entnehmen lässt. Berichtet wird hierin noch über mittelgradigen Dysgrammatismus mit Verbendstellung,
Sigmatismus lateralis (lispeln), inkonstanten Schetismus (Fehlbildung von Sch-Lautverbindungen) und auffälligen Stimmklang.
Eine wesentliche Beeinträchtigung der Teilhabe i.S.v. § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII war damit nicht verbunden.
Ein Anspruch auf Eingliederungshilfe nach dem Recht der Jugendhilfe (§ 35a Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII)) kommt ebenfalls nicht in Betracht, da ein solcher eine hier nicht gegebene seelische Behinderung voraussetzt. Eine Beiladung
des Trägers der Jugendhilfe ist daher nicht erforderlich. Ebenso wenig kommt eine vom Kläger angeregte Beiladung der Schulbehörde
oder des Integrationsamtes in Betracht, da es sich insoweit nicht um mögliche Rehabilitationsträger i.S.v. §§
6,
6a SGB IX handelt. Abgesehen davon, sind auch insoweit keine Anspruchsgrundlagen für den geltend gemachten Anspruch ersichtlich. Darüber
hinaus stünde eine vorrangige Leistungspflicht der Schulbehörde den Leistungen der Eingliederungshilfe nur entgegen, wenn
die Schulbehörde Leistungen auch tatsächlich erbrächte, was hier nicht der Fall ist (vgl. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen,
Urteil vom 9. Juni 2004 - 19 A 1757/02 - (juris)).
Nach § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII können indes auch Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung
Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten. Die Sprachstörung des Klägers war während des hier streitigen Zeitraums noch
vorhanden. Zwar erfolgte keine logopädische Behandlung mehr und Entwicklungsberichte, aus denen sich entsprechende Beeinträchtigungen
entnehmen ließen, wurden in der Schule für Sprachbehinderte nicht erstellt. Da die Klassenkonferenz jedoch während der gesamten
Grundschulzeit eine Rückschulung in eine Regelschule nicht für möglich erachtet hat, kann davon ausgegangen werden, dass weiterhin
eine Sprachstörung bestand. Insbesondere bei einer leichteren, nicht wesentlichen Behinderung wie vorliegend steht die Gewährung
von Eingliederungsleistungen nach § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII im Ermessen des Sozialhilfeträgers (vgl. Grube in Grube/Wahrendorf,
SGB XII, 2. Aufl., § 53 Rdnr. 19). Bei der Ermessensüberprüfung darf das Gericht nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle
des Verwaltungsermessens setzen, es überprüft vielmehr nur, ob ein Ermessensnichtgebrauch vorliegt (§ 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch
Erstes Buch), die Verwaltung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen nicht im Sinne des
Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
54 Rdnr. 27 f.). Ermessen hat die Beklagte als im Außenverhältnis zuständiger Träger hier überhaupt nicht ausgeübt, so dass
insoweit bereits wegen Ermessensnichtgebrauchs der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Einer möglichen Gewährung von Essensgeld als Ermessensleistung in Form der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung nach
§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII steht dabei nicht entgegen, dass sich der Kläger die Sachleistung Mittagessen bereits selbst
beschafft hat, denn der Kostenerstattungsanspruch des §
15 Abs.
1 Satz 4
SGB IX gilt auch im Sozialhilferecht (vgl. BT-Drucks. 14/5800 S. 26 und 14/5531 S. 8; BSG SozR 4-3500 § 54 Nr. 3).
Auch kommt die Übernahme der Kosten für das Schulessen als Form der Hilfe zur Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung
in Betracht. Die Maßnahmen, die als Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII ergriffen werden sollen, sind näher in § 12 Eingliederungshilfe-Verordnung bestimmt. Die Hilfe schließt heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen ein, die erforderlich und geeignet sind, dem behinderten
Kind den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern. Dabei ist die Hilfe nicht auf
den eigentlichen Schulbesuch beschränkt (vgl. BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 1; Wahrendorf, aaO., § 54 Rdnr. 21; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII, § 54 Rdnr. 44). Wie der Rektor
der W.-B.-Schule mit Schreiben vom 5. März 2009 mitgeteilt hat, handelt es sich um eine verpflichtende Ganztagsschule mit
Nachmittagsunterricht. Alle Kinder gehen im Klassenverband in den Speisesaal zum gemeinsamen Essen, wobei das Essen innerhalb
des Schullebens nach Mitteilung des Rektors einen wichtigen erzieherischen Stellenwert hat (Aussuchen des Essens, Eindecken
der Tische, Erlernen und Einhalten der Verhaltensweisen beim Essen) und nach Erfahrung Kinder, die eigenes Essen mitbrachten,
in Schwierigkeiten gekommen und von Klassenkameraden "versorgt" worden seien. Zwar kann die gemeinsame Einnahme des Schulessens
nach diesen Ausführungen kaum als integraler Bestandteil der Schulausbildung selbst gesehen werden (anders beim Mittagessen
in einer Werkstatt für behinderte Menschen vgl. BSG 4-3500 § 54 Nr. 3), es handelt sich jedoch um eine Maßnahme, die erforderlich
und geeignet ist, dem behinderten Kind den Schulbesuch zu erleichtern, wenn es an dem gemeinsamen Schulessen teilnehmen kann.
Allerdings wird im Rahmen der Ermessensentscheidung - soweit es um die Höhe der Leistung geht - auch zu berücksichtigen sein,
dass das Mittagessen nicht nur der Eingliederungshilfe, sondern auch dem Lebensunterhalt (der Ernährung) zu dienen bestimmt
ist (vgl. BSG SozR 4-3500 § 54 Nr. 3). Da das Sozialgeld einen Anteil für Mittagessen vorsieht, ist es gerechtfertigt, jedenfalls
den im Sozialgeld hierfür enthaltenen Anteil von den Essenskosten, die sich pro Mahlzeit auf 2 EUR bzw. ab März 2006 auf 2,05
EUR belaufen, abzuziehen. Soweit der Vater des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 20. November 2009 geltend gemacht
hat, es seien keine Aufwendungen erspart worden, da dem Kläger schließlich auch Vesper in die Schule habe mitgegeben werden
müssen, übersieht er, dass auch bei einer Verpflegung zu Hause neben dem (ersparten) Mittagessen Zwischenmahlzeiten anfallen.
Bei einer Übernahme von Kosten für das Mittagessen als Leistung der Eingliederungshilfe werden daher sehr wohl häusliche Aufwendungen
erspart.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.