LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.05.2005 - 4 KR 1491/03
Versicherungspflicht selbständig Tätiger in der Rentenversicherung
Wenn ein selbstständiger Handelsvertreter im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist und ihm Untervertreter zugeordnet
sind, die ebenfalls als selbstständige Handelsvertreter fungieren, so wird dadurch die Versicherungspflicht der Selbstständigen
in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht ausgeschlossen. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Normenkette: EG Art. 49 ,
,
SGB VI § 2 S. 1 Nr. 9 Buchst. a § 2 S. 1 Nr. 9 Buchst. b
Vorinstanzen: SG Mannheim 24.01.2003 S 4 RA 3054/01
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) ab 01. Januar
1999 streitig.
Der am 1958 geborene Kläger übt seinen Angaben zufolge seit 01. Januar 1997 eine selbstständige Tätigkeit als Handelsvertreter
aus. Im "Fragebogen" der Beklagten "zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für arbeitnehmerähnliche
Selbständige" gab er an, nicht lediglich für einen Auftraggeber tätig zu sein und verwies auf die beigefügte "Liste der Auftraggeber
und Produktpartner", in der er unter der Überschrift "Banken und Bausparkassen" sowie "Versicherungsgesellschaften" jeweils
fünf Unternehmen und unter der Überschrift "Investmentgesellschaften" sechs Unternehmen aufgeführt hatte. Ausweislich des
im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Vertrags hatte der Kläger am 25. bzw. 30. April 2000 mit der Deutschen Vermögensberatung
Aktiengesellschaft (DVAG) den so genannten Vermögensberater-Vertrag abgeschlossen, nach dem er seine Vermittlungstätigkeit
in der Rechtsstellung eines Handelsvertreters im Sinne der §§ 92, 84 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB) ausübt. Zu seiner Tätigkeit ist unter Ziffer I. dieses Vertrages u.a. Folgendes ausgeführt:
"Bei der Erfüllung seiner vertraglichen Vermittlungsaufgaben, wozu ihm alle von der Gesellschaft jeweils bereitgestellten
Vermögensanlagen (Produkte) zur Verfügung stehen, unterliegt der Vermögensberater keinen regionalen Beschränkungen; er ist
berechtigt, diese Tätigkeit im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auszuüben, und zwar nach seiner freien Wahl
entweder in der Weise, dass er abweichend von § 84 III HGB neue Vermögensberater oder Vertrauensleute mit vertraglicher Bindung nur an die Gesellschaft gewinnt, schult und führt und
seine Vermittlungserfolge durch Einsatz dieses Stammes von Vermögensberatern der Gesellschaft optimiert, oder aber indem er
in Person Kunden berät und ihnen die Produkte der Gesellschaft vermittelt (Vermögensberater-Praxis), wobei der Vermögensberater
berechtigt ist, diese beiden Formen der Vermittlungstätigkeit nicht nur alternativ, sondern auch nebeneinander zu praktizieren.
Für die Ausübung einer anderweitigen Beratungs-, Vermittlungs- oder Verkaufstätigkeit bedarf der Vermögensberater der vorherigen
schriftlichen Einwilligung durch die Gesellschaft. Werden vom Vermögensberater sonstige Erwerbstätigkeiten ausgeübt, sind
diese der Gesellschaft unverzüglich schriftlich anzuzeigen."
Mit dem erwähnten Fragebogen ging bei der Beklagten am 02. August 2000 gleichzeitig auch der Antrag des Klägers auf Befreiung
von der Versicherungspflicht in der RV für arbeitnehmerähnliche Selbständige ein.
Mit Bescheid vom 25. August 2000 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, das Antragsrecht gemäß § 231 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs ( SGB VI) sei auf den 30. Juni 2000 begrenzt gewesen. Da der Kläger die Befreiung von der Versicherungspflicht erst nach diesem Zeitpunkt
beantragt habe, sei der Antrag abzulehnen. Im Hinblick auf die Prüfung der Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI erhalte er einen gesonderten Bescheid. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, ohne diesen zu begründen Mit Bescheid vom
08. August 2001 stellte die Beklagte dann die RV-Pflicht des Klägers in seiner selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter
ab 01. Januar 1999 gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI fest. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger beschäftige im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen
Arbeitnehmer. Auch übe er seine Tätigkeit auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber, nämlich die DVAG aus.
Die benannten 16 Finanz- und Versicherungsunternehmen seien Produkt- bzw. Kooperationspartner der DVAG und stellten in Bezug
auf das mit der DVAG eingegangene Vertragsverhältnis keine eigenständigen Auftraggeber im Sinne der genannten Vorschrift dar.
Auch gegen diesen Bescheid erhob der Kläger ohne Begründung Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid der bei der Beklagten eingesetzten
Widerspruchsstelle vom 22. November 2001 wurden die Widersprüche im Wesentlichen mit den Gründen aus den angefochtenen Bescheiden
zurückgewiesen.
Dagegen erhob der Kläger am 10. Dezember 2001 beim Sozialgericht (SG) Mannheim Klage. Er legte die Struktur der für die DVAG tätigen Handelsvertreter dar, wobei ihm auf der unteren Vermögensberater-Stufe
als Agenturleiter vier nebenberufliche Vermögensberater-Assistenten zugeordnet seien. Über die DVAG habe er Gelegenheit, unterschiedlichste
Finanzdienstleistungsprodukte zu vertreiben, und zwar Bankdienstleistungen (beispielsweise Hypothekendarlehen, Sparbriefe,
Baudarlehen), Investmentfonts (beispielsweise Aktien- und Rentenfonts), Lebens- (beispielsweise Kapital-, Risikolebensversicherungen,
Krankenversicherungen) und sonstige Versicherungen (beispielsweise Firmen-, Betriebsunterbrechungs-, Transport- und Unfallversicherungen),
wobei Produktpartner u.a. die Badenia, die Bank für Gemeinwirtschaft sowie die Dresdner Bank seien. Er sei für eine Vielzahl,
nämlich insgesamt 16 Unternehmen (Produktpartner) tätig, wobei er in seiner Entscheidung darüber frei sei, für welche dieser
Produktpartner er tätig werde. Einzig verbindendes Element dieser Produktpartner sei der einheitliche Handelsvertretervertrag,
der Basis für die Vermarktung der von jenen angebotenen Produkte sei. Dadurch werde er zwar wirtschaftlich an die DVAG gebunden,
hingegen bestehe eine Produktabhängigkeit zu den Produktpartnern. Denn diese entschieden, welche Produkte auf den Markt gebracht
und von ihm vertreten werden könnten. Diese Produktpartner entschieden auch, zu welchen Bedingungen die jeweiligen Produkte
am Markt angeboten und welche sonstigen Vertragsformen gewählt würden. Daher stehe er in einer direkten wirtschaftlichen Abhängigkeit
zu diesen Produktpartnern, auch wenn die Abrechnung der Provisionen über die DVAG erfolge. Da er somit nicht von einer Bank,
einer Investmentgesellschaft oder einer Versicherung abhängig sei, sei seine wirtschaftliche Abhängigkeit auf eine breite
Basis gestellt; sein unternehmerisches Risiko habe er daher gemindert. Hierauf komme es bei der Ausnahmeregelung des § 2 Satz 1 Nr. 9 Buchst. b SGB VI entscheidend an. Ungeachtet dessen erfülle er auch nicht die Voraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 9 Buchst. a SGB VI. Denn er beschäftige selbstständige Untervertreter, was der Beschäftigung eines Arbeitnehmers im Sinne dieser Vorschrift
gleichstehe. Da der Gesetzgeber mit Einführung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI in die gewachsenen Gestaltungsformen des Handelvertreterberufs nicht habe eingreifen wollen, sei die genannte Regelung so
auszulegen, dass die Tätigkeit und die Fortentwicklung des Handelsvertreters nicht unnötig behindert würden. Da es grundlegenden
Strukturen des Handelsvertreterberufs entspreche, Untervertreter zu beschäftigen, könne der Arbeitnehmerbegriff im Sinne der
genannten Regelung daher nur so verstanden werden, "dass es sich um einen Beschäftigten handeln muss, wie er typischerweise
von Selbständigen beschäftigt" werde. Da selbstständige Handelsvertreter typischerweise selbstständige Untervertreter beschäftigten,
würde jedes andere Verständnis der Ausnahmeregelung dazu führen, dass der Handelsvertreter bei der Organisation seiner Tätigkeit
insoweit eingeschränkt wäre, als er keinen selbstständigen Untervertreter, sondern nur noch angestellte Arbeitnehmer beschäftigen
dürfe, um von der RV-Pflicht befreit zu sein. Da es dem Gesetzgeber jedoch nicht darauf ankomme, den Anteil des pflichtversicherten
Personenkreises zu erhöhen, um auf diese Weise zusätzliche Beiträge in die gesetzliche RV zu generieren, sondern auf den Schutz
des kleinen Selbstständigen, bestehe keine Veranlassung, bei der Anwendung der Ausnahmebestimmung den Handelsvertreter auf
eine eingeschränkte Organisation seiner Berufsausübung zu verweisen. Er legte einen Auszug aus dem Vermögensberater-Vertrag
mit der DVAG sowie den ergänzenden Bescheid der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen vom 15. August 2001 über die versicherungsrechtliche
Beurteilung von selbstständigen Vermögensberatern vor.
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer den Kläger betreffenden Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres
bisherigen Standpunktes entgegen. Die Formulierung in § 2 Satz 1 Nr. 9 Buchst. a SGB VI sei eindeutig und entziehe sich einer Auslegung im Sinne der Rechtsauffassung des Klägers. Versicherungspflichtige Arbeitnehmer
in diesem Sinne seien Personen, die dem Grunde nach von § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfasst würden. Ein selbstständiger Untervertreter zähle nicht zu diesem Personenkreis der abhängig Beschäftigten. Auch eine
Regelungslücke, die eine analoge Anwendung der erwähnten Vorschrift rechtfertige, liege nicht vor. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI sei den Nrn. 1 und 2 dieser Regelung nachgebildet. Die besondere Schutzbedürftigkeit der genannten Personengruppen rühre
daher, dass sie allein auf ihre Arbeitskraft angewiesen seien, solange sie keine Arbeitnehmer beschäftigten. Diese Schutzbedürftigkeit
werde nicht dadurch beseitigt, dass der Selbstständige im Falle der Untervertretung von der Beauftragung eines weiteren Selbstständigen
finanziell profitieren könne. Denn aufgrund der fehlenden Weisungsbefugnis habe der Handelsvertreter im Gegensatz zur Beschäftigung
eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers gerade keine Verfügungsmöglichkeit über die Arbeitskraft des Untervertreters
und somit werde seine eigene Arbeitskapazität auch nicht erweitert. Der Grund, weshalb der Gesetzgeber den Einsatz eines versicherungspflichtigen
Arbeitnehmers verlange, sei jedoch die spürbare Erweiterung der Arbeitskapazität. Nur wenn der Umfang der Beschäftigung die
Geringfügigkeitsgrenze überschreite, sei der Versicherte nicht mehr hauptsächlich auf seine eigene Arbeitskraft angewiesen.
Entgegen der Auffassung des Klägers habe der Gesetzgeber in § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI keine Sonderregelung für Untervertreter aufnehmen wollen, was zur Folge hätte, dass praktisch alle Handelsvertreter nicht
der Versicherungspflicht unterlägen. Der Gesetzgeber habe lediglich die Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und Beschäftigung
als problematisch erachtet und daher die Regelung des § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB VI in das Gesetz aufgenommen. Der Kläger sei im Übrigen auf Dauer und im Wesentlichen auch nur für einen Auftraggeber tätig.
Vertragspartner des Klägers sei nach dem Handelsvertretervertrag die DVAG. Dieser Vertrag lege fest, dass dem Kläger nur die
von der DVAG bereitgestellten Produkte zur Vermittlung zur Verfügung stehen. Die genannten 16 Finanz- und Versicherungsunternehmen
seien Produkt- bzw. Kooperationspartner der DVAG und böten die von der DVAG ausgewählten Versicherungsprodukte an. Im Übrigen
sei davon auszugehen, dass der Kläger seinen Kunden gegenüber als Vermögensberater im Auftrag der DVAG und nicht als Vertreter
der einzelnen Produktpartner der DVAG auftrete und mit entsprechenden Materialien der DVAG mit deren Logo ausgestattet sei.
Mit Urteil vom 24. Januar 2003 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung wird auf das dem Bevollmächtigten des Klägers am 04. Februar 2003 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte
Urteil verwiesen.
Dagegen richtet sich die am 20. Februar 2003 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung des Klägers. Er ist der Auffassung,
dass er als Handelsvertreter schon nicht dem Schutzzweck des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI unterfalle. Die versicherungsrechtliche Schutzbedürftigkeit einer Person orientiere sich nämlich nicht daran, ob ein versicherungspflichtiger
Arbeitnehmer beschäftigt werde oder beschäftigt werden könne, sondern daran, in welchem wirtschaftlichen Umfeld sich die jeweilige
Person befinde und ob dieses geeignet sei, dieser Person einen RV-Schutz zu gewährleisten, der dem eines versicherungspflichtigen
Arbeitnehmers entspreche. Schließlich könne der allein tätige Handelsvertreter finanziell wesentlich besser gestellt sein
als derjenige, der mit "Ach und Krach" einen gerade geringfügig über der Geringfügigkeitsgrenze liegenden versicherungspflichtigen
Arbeitnehmer beschäftige. Unter dem Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit sei das Kriterium der Beschäftigung eines Arbeitnehmers
daher kein geeigneter Ansatz. Vergleiche man den Handelsvertreter, der einen Arbeitnehmer beschäftige, mit dem Handelsvertreter,
der einen Untervertreter habe, so ergäben sich hierbei keine nennenswerten Unterschiede. Für beide Vertragsverhältnisse bestehe
kein Bestandsschutz, wobei mit der Beschäftigung des Untervertreters die Flexibilität sogar noch mehr eingeschränkt sei als
bei der Beschäftigung eines Arbeitnehmers, da bei diesem deutlich längere Kündigungsfristen einzuhalten seien. Daher bedeute
die Beschäftigung eines Untervertreters ein größeres wirtschaftliches Risiko. Wesentliche Unterschiede ließen auch das Vergütungssystem
beider Gruppen nicht erkennen, nachdem eine leistungsorientierte Vergütung auch dem Arbeitsverhältnis nicht unbekannt sei.
Soweit das SG die Versicherungspflicht des Beschäftigten als tragendes Kriterium für seine Auffassung sehe, sei dies widersprüchlich, da
auch der selbstständige Untervertreter, sofern nicht ein Befreiungstatbestand in Betracht komme, gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI RV-pflichtig sei. Unter Beachtung des ursprünglichen gesetzgeberischen Ziels, nämlich des Schutzes des kleinen Selbständigen,
und der Entwicklung des § 2 SGB VI sei daher eine Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs dahingehend möglich, dass versicherungspflichtig beschäftigter Arbeitnehmer
im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI jeder Beschäftigte sei, der im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit beschäftigt werde. Soweit die Auslegung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI nicht dahingehend erfolge, dass selbstständige Untervertreter wie versicherungspflichtige Arbeitnehmer behandelt würden,
komme ein Verstoß gegen Art. 12 des Grundgesetzes ( GG) insoweit in Betracht, als der Beruf des Handelsvertreters in seiner berufstypischen Gesamtheit dadurch beschränkt werde,
dass der Handelsvertreter verpflichtet werde, versicherungspflichtige Arbeitnehmer einzustellen, statt sein Unternehmen mit
selbständigen Untervertretern zu organisieren, wenn er der RV-Pflicht entgehen wolle. Eine derartige Beschränkung der freien
Berufswahl sei nur dann statthaft, wenn ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut aktuell gefährdet oder dadurch höchstwahrscheinlich
in Gefahr zu geraten drohe. Entsprechendes sei vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Sofern das SG im Übrigen davon ausgehe, er sei im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig, berücksichtige es nicht, dass es nicht
maßgeblich auf die Vertragsbeziehung ankomme, sondern auf die tatsächliche Einflussmöglichkeit im Zusammenhang mit dem Ausnahmetatbestand
des § 2 Satz 1 Nr. 9 Buchst. b SGB VI. Denn der Umstand, dass die Provision über die DVAG abgerechnet werde, habe nur mit der Vereinfachung des Abrechnungsprozesses
zu tun, berühre jedoch nicht seine Entscheidungsfreiheit, selbst darüber zu bestimmen, ob er Produkte des Produktpartners
A, B oder C vertreiben wolle. Diese Freiheit sei aber wesentliches Kriterium für die Beantwortung der Frage, ob er für einen
oder mehrere Auftraggeber tätig sei. Letztlich führe seine RV-Pflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI aber auch zu einer Inländerdiskriminierung nach Maßgabe des Art. 49 EGV i.V.m. Art. 3 GG. Denn bei ansonsten identischen Sachverhalten unterfalle der im Inland tätige und niedergelassene Handelsvertreter der RV-Pflicht,
während der im Inland tätige, aber im Ausland wohnende Handelsvertreter hiervon befreit sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24. Januar 2003 abzuändern und unter Aufhebung des Bescheids vom 08. Juni 2001
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2001 festzustellen, dass er in seiner Tätigkeit als selbstständiger
Handelsvertreter seit 01. Januar 1999 in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei ist,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und legt die ihre Rechtsauffassung stützenden Entscheidungen des SG Kassel
(Gerichtsbescheid vom 15. Oktober 2002 - S 2 RA 707/01) und des Hessischen LSG (Urteil vom 22. Juli 2003 - L 2 RA 1213/02) vor.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten
vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes ( SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 08. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 22. November 2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt,
dass der Kläger seit 01. Januar 1999 in der gesetzlichen RV pflichtversichert ist. Über die Frage, ob die Beklagte es zu Recht
abgelehnt hat, den Kläger von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV zu befreien, war im Berufungsverfahren nicht
mehr zu befinden, da der Kläger den entsprechenden, im Klageverfahren noch gestellten Antrag nicht mehr aufrecht erhalten
hat.
Das SG hat zutreffend dargelegt, dass der Kläger im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter seit 01. Januar
1999 gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI der Versicherungspflicht in der RV unterliegt. Der Senat verweist sowohl zur Darstellung der maßgeblichen Vorschrift als
auch bezüglich der Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung. In dem maßgeblichen Zeitraum seit 01. Januar 1999 beschäftigt der Kläger im Zusammenhang
mit seiner selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsentgelt
aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig EUR 400,00 (bis 31. März 2003: EUR 325,00) im Monat übersteigt; außerdem ist
er auf Dauer im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig. Damit erfüllt er die Voraussetzungen der genannten Regelung
und ist in der gesetzlichen RV versicherungspflichtig.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren unter Hinweis auf die Entwicklung des § 2 SGB VI und das vom Gesetzgeber mit Einführung der in Frage stehenden Vorschrift verfolgte Ziel weiterhin die Auffassung vertritt,
Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 9 Buchst. a SGB VI sei auch die Beschäftigung eines selbstständigen Untervertreters, vermag der Senat dieser Interpretation schon deshalb nicht
zu folgen, weil diese bereits mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen ist. Die dem Kläger nachgeordneten
Untervertreter sind nämlich ebenso wie der Kläger selbst als selbstständige Handelsvertreter anzusehen und stehen zudem nicht
in einer vertraglichen Beziehung zu diesem, sondern lediglich zum Vertragspartner des Klägers, nämlich der DVAG. Damit verbietet
es sich aber, diese als Beschäftigte des Klägers zu begreifen. Denn § 7 Abs. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches ( SGB IV) definiert die Beschäftigung gerade als nichtselbstständige Arbeit, so dass selbstständig Tätige in ihrer Tätigkeit nicht
zugleich als Beschäftigte angesehen werden können. Das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit schließt die Annahme einer
Beschäftigung vielmehr aus. Die vom Kläger für sich geltend gemachte Beschäftigung eines Selbstständigen ist mit den gesetzlichen
Regelungen nicht in Einklang zu bringen. Denn dem Sozialversicherungsrecht ist eine Dritte, neben der Beschäftigung und der
selbstständigen Tätigkeit stehende Kategorie einer Art "abhängigen Selbstständigkeit" fremd. Soweit der Kläger daher für die
DVAG Untervertreter gewonnen hat, deren Rechtsstellung als selbstständige Handelsvertreter auch von ihm nicht in Zweifel gezogen
werden, beschäftigt er keine Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 9 Buchst. a SGB VI. Auf den Umstand, dass diese Untervertreter ihrerseits gegebenenfalls selbst im Sinne der in Rede stehenden Vorschrift versicherungspflichtig
sind, kommt es daher nicht mehr an. Auch kann offen bleiben, ob die vom Kläger für die DVAG gewonnenen Untervertreter, die
allesamt nur nebenberuflich tätig sind, diesem durch ihre Tätigkeit Provisionen in einem Umfang verschaffen können, dass sich
seine Verdienstmöglichkeiten so darstellen, wie sie vom Gesetzgeber für den Fall der Beschäftigung eines Arbeitnehmers in
mehr als geringfügigem Umfang für den Regelfall angenommen werden.
Die in Frage stehende Vorschrift verstößt auch nicht deshalb gegen Art. 12 GG, weil diese für den Beruf des Handelsvertreters keine Ausnahmen von der RV-Pflicht vorsieht, wenn der betreffende Handelsvertreter
zwar keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt, sein Unternehmen aber mit selbstständigen Untervertretern organisiert
hat. Da durch diese Vorschrift der Zugang zum Beruf des Handelsvertreters nicht beeinträchtigt wird, liegt schon keine Beschränkung
der freien Berufswahl vor. Die Regelung stellt zwar eine Beschränkung der Berufsausübung dar, doch werden reine Berufsausübungsbeschränkungen
durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert (BVerfGE 10, 1, 28; 95, 173, 183). Der Gesetzgeber besitzt hierbei hinsichtlich der Festlegung arbeits- und sozialpolitischer Ziele einen
weiten Spielraum (BVerfGE 81, 156), wobei die Einführung der RV-Pflicht nach Maßgabe des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI durch das sozialpolitische Ziel des Schutzes der "kleinen Selbstständigen" gerechtfertigt ist, die, solange sie keinen Arbeitnehmer
in einem bestimmten Umfang beschäftigen, nicht in der Lage sind, so erhebliche Verdienste zu erzielen, dass sie sich außerhalb
der gesetzlichen RV angemessen absichern können. Dass diese vom Gesetzgeber vermutete generelle soziale Schutzbedürftigkeit
bei der Berufsgruppe der Handelsvertreter nicht in jedem Einzelfall zu bejahen und insbesondere bei der Inanspruchnahme selbstständiger
Subunternehmer dann zu verneinen ist, wenn über die eigene Arbeitskraft hinaus zur Erweiterung des Auftragsvolumens der persönliche
Einsatz selbstständiger Dritter genutzt wird, erfordert aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Sonderregelung für die Berufsgruppe
der Handelsvertreter, die sich zur Erweiterung ihrer unternehmerischen Chancen selbstständiger Untervertreter bedienen.
Bezüglich der zur Begründung von Versicherungspflicht weiteren Voraussetzung in § 2 Satz 1 Nr. 9 Buchst. b SGB VI hat das SG zutreffend dargelegt, dass der Kläger "im Wesentlichen" nur für einen Auftraggeber tätig ist. Ergänzend weist der Senat im
Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers darauf hin, dass Auftraggeber des Klägers im Sinne der genannten Vorschrift
nicht die Produktpartner der DVAG sind, deren Produkte der Kläger vertreibt. Denn Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit
diesen Produktpartnern unmittelbar in vertraglichen Beziehungen steht, sind weder ersichtlich, noch hat der Kläger Entsprechendes
vorgetragen. Ebenso wenig ist erkennbar, dass er unmittelbar gegenüber diesen Vergütungs- bzw. Provisionsansprüche hätte.
Ein Vertragsverhältnis besteht ausschließlich zwischen dem Kläger und der DVAG, weshalb der Kläger Provisionsansprüche auch
nur aus dem mit dieser geschlossenen Vermögensberater-Vertrag erwerben kann. Entsprechend werden die Provisionen des Klägers
auch allein über die DVAG abgerechnet. Dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit in eigener Verantwortung darüber entscheiden
kann, welche Produkte er im Einzelnen vertreibt und welche Produktpartner er dadurch unter Umständen bevorzugt, ändert nichts
an dem Umstand, dass als Auftraggeber des Klägers im Sinne der in Rede stehenden Vorschrift allein die DVAG in Frage kommt,
nicht aber deren Produktpartner.
Soweit der Kläger eine Inländerdiskriminierung nach Maßgabe des Art. 49 EGV i.V.m. Art. 3 GG geltend gemacht hat, ist darauf hinzuweisen, dass nicht ersichtlich ist, inwieweit durch die vorliegende Fallgestaltung Gemeinschaftsrecht
tangiert wird. Der Sachverhalt weist keinen Auslandsbezug auf. Im Übrigen unterfielen der Versicherungspflicht im Inland tätige
Handelsvertreter auch dann, wenn sie im Ausland ihren Wohnsitz hätten.
Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision vor dem Hintergrund des großen Kreises Betroffener wegen grundsätzlicher Bedeutung der zu beurteilenden
Rechtsfrage gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
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