Ablehnung einer Schiedsperson im Schiedsverfahren zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung wegen Besorgnis der
Befangenheit; Beschwerde gegen die Ablehnung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
Gründe:
I. Die Antragstellerinnen wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung ihrer im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
gestellten Anträge.
Die Beteiligten befanden sich in einem Schiedsverfahren zum Abschluss eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung nach
§
73b Abs.
4 SGB V. Durch das Bundesversicherungsamt war Dr. E., Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht (VRiBSG) a.D., als Schiedsperson
bestimmt worden. Während der mündlichen Verhandlung im Schiedsverfahren am 18.08.2010 haben die Antragstellerinnen VRiBSG
a.D. Dr. E. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieser hat das Befangenheitsgesuch zurückgewiesen.
Am 25.08.2010 haben die Antragstellerinnen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) beantragt, 1. den Antrag, die Schiedsperson betreffend das Schiedsverfahren zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung
gemäß §
73b Abs.
4 Satz 1
SGB V wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, für begründet zu erklären, 2. der Schiedsperson bis zur rechtskräftigen Entscheidung
in der Hauptsache zu untersagen, auf der Grundlage der Schiedsverhandlung vom 18.08.2010 einen Schiedsspruch betreffend eines
Vertrages zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gem. §
73b Abs.
4 Satz 1
SGB V zu fällen, 3. hilfsweise für den Fall des Erlasses des Schiedsspruchs aufgrund der Verhandlung vom 18.08.2010 die Zwangsvollstreckung
aus dem Schiedsspruch aufgrund der Schiedsverhandlung vom 18.08.2010 in Stuttgart zur Durchführung eines Vertrages betreffend
der hausarztzentrierten Versorgung gemäß §
73b Abs.
4 Satz 1
SGB V bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache einstweilen auszusetzen.
Das SG hat die Anträge mit Beschluss vom 27.08.2010 abgelehnt. Hiergegen haben die Antragstellerinnen am 10.09.2010 Beschwerde beim
Landessozialgericht eingelegt und beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung den Anträgen vom 25.08.2010 stattzugeben.
Am 13.09.2010 ist der Schiedsspruch ergangen.
Mit Schriftsatz vom 15.9.2010 haben die Antragstellerinnen daraufhin beantragt, 1. die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden
Klage gegen den Schiedsspruch vom 13.9.2010 betreffend die Festsetzung eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung
gemäß §
73b Abs.
1, 4
SGB V einstweilen, mindestens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache anzuordnen; 2. den Antrag, die Schiedsperson
betreffend das Schiedsverfahren zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gem. §
73b Abs.
1, 4, Satz 1
SGB V, VRiBSG a.D. Dr. E., wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, für begründet zu erklären. Hierzu haben sie ausgeführt,
der in erster Instanz gestellte und im Beschwerdeverfahren zunächst weiterverfolgte dortige Antrag zu 2. sowie der Hilfsantrag
würden wegen des Erlasses des Schiedsspruchs nicht mehr aufrechterhalten. Zur Vermeidung von Kostennachteilen würden sie nicht
zurückgenommen. Vielmehr werde der ursprünglich gestellte Antrag zu 2. für erledigt erklärt und der Antrag gestellt, die Kosten
den Antragsgegnern aufzuerlegen. Die Antragsgegner haben sich der Erledigungserklärung angeschlossen und beantragt, die Kosten
den Antragstellerinnen aufzuerlegen.
Mit Beschlüssen vom 28.9.2010 hat der Senat den Antrag der Antragstellerinnen, die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden
Klage gegen den Schiedsspruch vom 13.9.2010 betreffend die Festsetzung eines Vertrags zur hausarztzentrierten Versorgung gemäß
§
73b Abs.
1, 4
SGB V einstweilen, mindestens jedoch bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache anzuordnen, vom vorliegenden Verfahren
abgetrennt, weil dies im Hinblick auf die fehlende Zuständigkeit des Landessozialgerichts zweckmäßig war und ihn an das zuständige
Sozialgericht Stuttgart verwiesen.
Die Antragstellerinnen beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.8.2010, soweit der dortige Antrag zu 1 abgelehnt wurde, aufzuheben und den
Antrag, die Schiedsperson betreffend das Schiedsverfahren zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gem. §
73b Abs.
1, 4, Satz 1
SGB V, VRiBSG a.D., Dr. E., wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, für begründet zu erklären;
die Kosten - auch hinsichtlich des für erledigt erklärten Antrags - den Antragsgegnern aufzuerlegen.
Die Antragsgegner beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen und die Kosten - auch hinsichtlich des für erledigt erklärten Antrags - den Antragstellerinnen
aufzuerlegen.
Sie halten die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten
sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II. 1. Die gemäß §
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerinnen ist statthaft; sie ist insbesondere nicht nach §
172 Abs.
3 SGG ausgeschlossen. Sie ist auch im Übrigen zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Beschwerde richtet sich gegen die Ablehnung des im Beschwerdeverfahren weiterverfolgten Antrags, den Antrag, die Schiedsperson
betreffend das Schiedsverfahren zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß §
73b Abs.
4 Satz 1
SGB V wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, für begründet zu erklären, durch den angegriffenen Beschluss des SG.
Das SG hat den Antrag der Antragstellerinnen zu Recht abgelehnt. Ungeachtet der Frage, ob es eine Rechtsgrundlage für die Ablehnung
einer Schiedsperson wegen der Besorgnis der Befangenheit gibt und der Vortrag der Antragstellerinnen ausreicht, um Zweifel
an deren Unvoreingenommenheit zu begründen, schließt §
44a VwGO, der hier analoge Anwendung findet, die begehrte Anordnung aus. Danach können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen
nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Die Regelung gilt auch
für Anträge nach §
86b SGG, da bereits der Wortlaut, der sich auf alle Rechtsbehelfe bezieht, weit gefasst ist und es darüber hinaus der Sinn der Vorschrift
ausschließt, einen Anspruch auf eine isolierte behördliche Verfahrenshandlung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durchzusetzen
(BVerwG, Beschluss vom 6.4.2006 - 2 VR 2/05 -, veröffentlicht in Juris; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
VwGO, Rn. 3, 4 zu § 44a), für den es kein eigenständiges Hauptsacheverfahren gibt. Denn im Eilverfahren kann kein weitergehender
Rechtsschutz erlangt werden als in Klageverfahren (vgl. BVerwG Beschluss vom 21.03.1997 - 11 VR 2/97 = Buchholz 310 §
44a VwGO Nr. 7). Die Regelung schließt auch ein isoliertes Vorgehen gegen behördliche Verfahrenshandlungen im Wege der Feststellungsklage
aus. Auch dies ist ohne Weiteres dem offenen Wortlaut des §
44a Satz 1
VwGO zu entnehmen (BVerwG, Beschluss vom 17.05.1989 - 5 CB 6/89 -, veröffentlicht in Juris; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, aaO.).
Der Rechtsgedanke dieser unmittelbar nur im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten geltenden Norm, das Verwaltungsverfahren
nicht durch die isolierte Anfechtung von einzelnen Verfahrenshandlungen zu verzögern oder zu erschweren, ist auch im sozialgerichtlichen
Verfahren zu beachten. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb §
44a Satz 1
VwGO wiederholt herangezogen (BSG, Urteil vom 14.12.1988 - 9/4b RV 55/86 -; Urteil von 28.06.1991 - 2 RU 24/90 -, m.w.N.; Urteil vom 10.12.1992 - 11 RAr 71/91 -; Urteil vom 24.11.2004 - B 3 KR 16/03 R -; offen gelassen im Urteil vom 28.01.2009 - B 6 KA 11/08 R -, jeweils veröffentlicht in Juris).
Rechtsschutz unmittelbar gegen Verfahrenshandlungen ist daher nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn anders der durch Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG) gebotene effektive Rechtsschutz nicht gewährleistet wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.10.1990 - 1 BvR 1028/90 -, NJW 191, 415). Dies ist nicht hier nicht der Fall. Denn der Ausschluss der gerichtlichen Überprüfung führt hier nicht
zu unzumutbaren Nachteilen, die in einem späteren Prozess nicht mehr vollständig zu beseitigen sind. Solche irreparable Rechtsverletzungen
können z.B. im Prüfungsverfahrensrecht eintreten im Falle der Verweigerung einer beantragten Prüfungserleichterung, wie z.B.
Schreibverlängerung. Selbst in diesem Bereich ist es allerdings umstritten, ob auch die Befangenheit eines Prüfers im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren geltend gemacht werden kann (vgl. hierzu Zimmerling, Brehm, Der vorläufige Rechtsschutz im Prüfungsrecht,
NVwZ 2004, 651 [655 f.] m.w.N.). Eine vergleichbare Situation ist hier nicht gegeben. Die Schiedsentscheidung führt zu dem Zustandekommen
eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zwischen den Antragstellerinnen und den Antragsgegnern. Ob ein solcher aufgrund einer
rechtmäßigen Schiedsentscheidung wirksam zustande gekommen ist, kann nachträglich geklärt werden. Alleine dadurch, dass der
Schiedsspruch zunächst ergeht und hierdurch ggf. Rechtsverletzungen eintreten können, werden die Betroffenen nicht unzumutbar
beeinträchtigt. Denn Aufgabe der Gerichtsbarkeit ist grundsätzlich nicht die Verhinderung und Verzögerung des Ergehens von
Entscheidungen aufgrund von im Vorfeld erhobenen formellen oder auf den mutmaßlichen Inhalt der künftigen Entscheidung bezogenen
materiellen Bedenken. Die öffentlich-rechtlichen Prozessgesetze und damit auch das
Sozialgerichtsgesetz stellen vielmehr ein System nachgängigen Rechtsschutzes bereit, mit dem das Verfassungsgebot, effektiven Rechtsschutz zu
gewähren (Art.
19 Abs.
4 GG), erfüllt ist. Das gilt sowohl für die Klageverfahren wie für die Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. In aller Regel
ist daher abzuwarten, bis die Verwaltung gehandelt hat. Danach kann Klage bei Gericht erhoben und, sofern notwendig, um vorläufigen
Rechtsschutz nachgesucht werden.
b) Soweit das Verfahren durch übereinstimmende Erledigungserklärung beendet wurde, beruht sie auf §
161 Abs.
1 und
2 VwGO i.V.m. §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG. Danach ist, nachdem die (Haupt-)Beteiligten übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben haben, über die Verfahrenskosten
nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung
war zu berücksichtigen, dass sich der Antrag, der Schiedsperson bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu
untersagen, auf der Grundlage der Schiedsverhandlung vom 18.08.2010 einen Schiedsspruch betreffend eines Vertrages zur Durchführung
einer hausarztzentrierten Versorgung gem. §
73b Abs.
4 Satz 1
SGB V zu fällen, bei summarischer Prüfung als unzulässig erweist.
Vorbeugender Rechtsschutz ist zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Allerdings bedarf es eines qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses.
Denn der sozialgerichtliche (wie der verwaltungsgerichtliche) Rechtsschutz ist grundsätzlich nachgängiger Rechtsschutz. Die
rechtsprechende Gewalt ist nämlich darauf verwiesen, die Tätigkeit der Verwaltung im Nachhinein am Maßstab von Recht und Gesetz
zu überprüfen. Darin besteht ihr Kontrollmandat. In das Handlungsmandat der vollziehenden Gewalt darf sie nicht eingreifen.
Deshalb ist es den Gerichten grundsätzlich nicht erlaubt, der Behörde im Vorhinein den Erlass bestimmter Entscheidungen zu
verbieten oder vorzuschreiben. Anderes gilt wegen des Verfassungsgebots effektiven Rechtsschutzes (Art.
19 Abs.
4 GG) auch insoweit nur dann, wenn der Verweis auf die Inanspruchnahme nachgängigen Rechtsschutzes, auch nachgängigen vorläufigen
Rechtsschutzes, mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre. Deshalb muss ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes
gerichtetes Rechtsschutzinteresse vorliegen (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 15.11.1995, - 6 RKa 17/95 -, veröffentlicht in Juris; BVerwGE 81, 329, 347). In besonderem Maße gilt das für das Begehren nach vorläufigem vorbeugendem Rechtsschutz (Beschluss des Senats vom
20.04.2006 - L 5 KR 890/06 ER-B -, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de). Ein solches Rechtsschutzinteresse der Antragstellerinnen ist im
vorliegenden Fall weder dargetan noch ersichtlich. Vielmehr ergibt sich bereits aus dem oben zu 1. Ausgeführten, dass sie
sich darauf verweisen lassen müssen, die vorgesehenen, auf nachträglichen - ggf. vorläufigen - Rechtsschutz gerichteten Rechtsmittel
in Anspruch zu nehmen.
Auch mit dem Hilfsantrag, für den Fall des Erlasses des Schiedsspruchs aufgrund der Verhandlung vom 18.08.2010, die Zwangsvollstreckung
aus dem Schiedsspruch aufgrund der Schiedsverhandlung vom 18.08.2010 in Stuttgart zur Durchführung eines Vertrages betreffend
der hausarztzentrierten Versorgung gemäß §
73b Abs.
4 Satz 1
SGB V bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache einstweilen auszusetzen, hätten die Antragstellerinnen im Beschwerdeverfahren
keinen Erfolg haben können. Unabhängig davon, dass dieser bereits aufgrund seiner Bedingung unzulässig gewesen sein dürfte,
war er gegen die Vollstreckung aus einer bis dahin noch nicht ergangenen Entscheidung gerichtet. Ein solcher vorbeugender
Vollstreckungsschutz scheidet aus den oben genannten Gründen aus. Soweit der inzwischen ergangene Schiedsspruch eine sofort
vollziehbare Entscheidung sein sollte, waren die Antragstellerinnen auch insoweit auf Vollstreckungsschutz nach dessen Ergehen
zu verweisen,
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§
177 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 4, 63 Abs. 2 und 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert
von € 5.000,00 (Auffangstreitwert) anzunehmen. Wegen der Vorläufigkeit der angestrebten einstweiligen Anordnung ist hiervon
die Hälfte zu nehmen.