Arbeitslosengeld II
Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes
Verfassungsrechtliche Streitigkeit
1. Soweit die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Sozialgesetzbuches - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht begehrt wird, handelt es sich (in
der Hauptsache) um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit.
2. Am Vorliegen einer Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art kann jedenfalls dann kein Zweifel bestehen, wenn die Norm ein
vom Parlament erlassenes Gesetz ist.
3. Damit aber ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet.
Gründe
I.
Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Verfassungswidrigkeit des Neunten Gesetzes zur Änderung
des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.07.2016
(BGBl. I 1824) bzw. ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung u.a. der diesem Gesetz zustimmenden Bundestagsabgeordneten.
Der Antragsteller (Ast), der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II) zuletzt aufgrund der Bescheide
vom 31.05.2016 und 13.07.2016 für die Zeit vom 01.07.2016 bis 30.06.2017 bezieht, hat gegen dieses Gesetz eine Verfassungsbeschwerde
zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erhoben.
Zudem hat er beim Sozialgericht Bayreuth (SG) einstweiligen Rechtsschutz mit dem Antrag begehrt, die Gesetzesänderung des SGB II vom 01.08.2016 und 01.01.2017 als verfassungswidrig aufzuheben. Das SG hat diesen Antrag mit Beschluss vom 07.11.2016 als unzulässig verworfen. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei nicht eröffnet,
es handle sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit. Für einen Anspruch auf Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung
sei der ordentliche Rechtsweg zu beschreiten.
Dagegen hat der Ast "Nichtzulassungs-Beschwerde" zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten
sei eröffnet, zumal sich das BVerfG erst in der letzten Instanz als zuständig ansehe. Das SG sei als ordentliches Gericht zur Entscheidung über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zuständig, die Amtspflichtverletzung
und der begehrte Schadensersatz seien ebenso festzustellen, wie die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Akten des Antragsgegners
(Ag) Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-) ist zulässig. Dabei ist die vom Ast erhobene "Nichtzulassungs-Beschwerde" als Beschwerde auszulegen. Die Beschwerde ist
jedoch nicht begründet.
Soweit der Ast die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Sozialgesetzbuches - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht begehrt, handelt es sich (in der
Hauptsache) um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit. Am Vorliegen einer Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art kann jedenfalls
dann kein Zweifel bestehen, wenn die Norm ein vom Parlament erlassenes Gesetz ist (Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke,
VwGO, 22. Aufl. 2016, §
40 Rn. 32g). Der Ast macht vorliegend auch nicht geltend, unter anderem durch einen aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verwaltungsakt
des Ag unmittelbar betroffen zu sein. Damit aber ist vorliegend der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet (§
51 SGG i.V.m. §
40 Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO-). Unter Berücksichtigung der vom Ast direkt zum Bundesverfassungsgericht erhobenen Verfassungsbeschwerde ist zudem für den
Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz § 32 i.V.m. § 93d Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) zu berücksichtigen. Für eine Zuständigkeit des SG fehlt es zudem an einem Hauptsacheverfahren, für das eine einstweilige Regelung zu treffen wäre, nachdem der Ast vorliegend
nicht gegen einen vom Ag erlassenen Bescheid vorgeht oder ein anderweitiges Sozialrechtsverhältnis gegenüber dem Ag in diesem
Verfahren streitig ist.
Soweit der Ast Anspruch auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung u.a. der dem Gesetz zustimmenden Bundestagsabgeordneten
geltend macht, fehlt es ebenfalls an einem Hauptsacheverfahren, für das eine einstweilige Regelung zu treffen wäre. Zudem
ist der Rechtsweg zu den Sozialgericht ebenfalls nicht eröffnet. Gemäß Art.
19 Abs.
4, 34
Grundgesetz (
GG) i.V.m. §
40 Abs.
2 VwGO kann diesbezüglich der ordentliche Rechtsweg eröffnet sein, d. h. der Rechtsweg zu den Straf- bzw. Zivilgerichten, wobei
der Ast vorliegend Schadensersatz wegen einer Amtspflichtverletzung von Bundestagsabgeordneten begehrt (für Schadensersatzansprüche
wegen Amtspflichtverletzung von Bundestagsabgeordneten ist jedoch der Ag auf keinen Fall zuständig).
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).