Anspruch auf Einstiegsgeld nach dem SGB II; Berücksichtigung einer Lebensversicherung als Einkommen
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Einstiegsgeld ab dem 15.06.2009.
Nach einer Beschäftigung als Verkäuferin bis Dezember 2007 und anschließendem Arbeitslosengeldbezug bis einschließlich 27.04.2009
beantragte die 1953 geborene Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) am 17.04.2009 beim Beklagten. Der Rückkaufswert ihrer Lebensversicherung zum 01.06.2009 betrug nach einer Bescheinigung
vom 08.05.2009 10.594,49 EUR bei entsprechend eingezahlten Beiträgen von 11.513,86 EUR. Vertragsende ist der 01.04.2012. Mit
Bescheid vom 19.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2009 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Alg
II ab, da der Wert der Lebensversicherung den Grundfreibetrag von 9.750,00 EUR übersteige.
Am 15.06.2009 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Alg II. Dabei gab sie an, sie übe seit 18.05.2009 eine Tätigkeit
als Dienstleistungsunternehmerin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 - 35 Stunden aus, und sie legte einen Verwertungsausschluss
hinsichtlich der Lebensversicherung vom 05.06.2009 vor. Der Beklagte bewilligte darauf mit Bescheid vom 25.06.2009 vorläufig
Alg II für die Zeit vom 15.06.2009 bis 30.09.2009.
Bereits am 05.05.2009 sprach die Klägerin wegen der Gewährung von Einstiegsgeld vor. Sie plane die Aufnahme einer selbstständigen
Tätigkeit im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen. Am 12.05.2009 beantragte sie dann Einstiegsgeld ab 19.05.2009. Die
Antragsunterlagen - u.a. eine Gewerbe-Anmeldung vom 18.05.2009 - gab sie am 29.05.2009 ab. Sie habe sich als Haushalts- und
Betreuungshilfe für ältere Menschen ab 18.05.2009 in Vollzeit selbstständig gemacht. Mit Bescheid vom 01.10.2009 lehnte der
Beklagte die Bewilligung von Einstiegsgeld ab. Zum Zeitpunkt der Antragstellung hätten die Fördervoraussetzungen im Sinne
von § 7 Abs 1 SGB II und Arbeitslosigkeit nicht vorgelegen. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Einstiegsgeld sei nicht für den Tag der Antragstellung,
sondern für den 15.06.2009 bzw. den Tag der Bewilligung von Alg II ab 15.06.2009 beantragt worden. Den Widerspruch wies der
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2009 zurück. Nach eigenen Angaben habe die Klägerin das Einstiegsgeld ab dem 15.06.2009
beantragt, jedoch bereits am 18.05.2009 das Gewerbe angemeldet, weshalb zum 15.06.2009 keine Arbeitslosigkeit mehr bestanden
habe. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 12.05.2009 habe zwar noch Arbeitslosigkeit, dafür aber im Hinblick auf den Ablehnungsbescheid
vom 25.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2009 keine Hilfebedürftigkeit vorgelegen.
Dagegen hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und die Gewährung von Einstiegsgeld ab dem 15.06.2009 beantragt. Sie habe am 15.06.2009 klargestellt, dass das Einstiegsgeld
nicht ab dem 19.05.2009, sondern erst ab dem Tag der Genehmigung von Alg II gewährt werden solle. Dabei habe sie auch ihren
Business-Plan vorgelegt. Bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 16b SGB II dem Grunde nach sei Einstiegsgeld zu gewähren. Von Seiten des Beklagten seien auch keine Einwendungen erhoben worden. Zumindest
liege aber eine Fehlberatung vor, da sie bei Antragstellung vollumfänglich über ihre Pläne informiert habe. Es bestehe eine
Ermessenreduzierung auf Null. Mit Urteil vom 13.07.2010 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 01.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2009 verurteilt,
der Klägerin Einstiegsgeld ab dem 15.06.2009 zu gewähren. Die Klägerin sei seit der Aufgabe ihrer Beschäftigung als Verkäuferin
ab 01.01.2008 arbeitslos gewesen. Bei Ablehnung einer Zahlung von Alg II wegen Vermögens hätte es eines Hinweises auf die
Möglichkeit eines Verwertungsausschlusses mit der Lebensversicherung und auf die Beantragung von Einstiegsgeld ab der Bewilligung
von Alg II bedurft. Dem Datum der Anmeldung des Gewerbes komme für den Beginn der selbstständigen Tätigkeit allenfalls Indizwirkung
zu. Im Rahmen der Ermessensausübung hätte der Beklagte berücksichtigen müssen, dass eine Integration im Erwerbsleben im Hinblick
auf das Lebensalter der Klägerin und die zeitliche Bindung durch die Erkrankung ihres Sohnes schwierig sei. Die Tätigkeit
in einem Nischenbereich sei erfolgversprechend, da die Gewinne höher als erwartet ausgefallen und die Klägerin nach einem
kürzeren Zeitraum als einem Jahr von Alg II unabhängig geworden sei. Insofern sei von einer Ermessensreduzierung auf Null
auszugehen.
Dagegen hat der Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Tatbestandsvoraussetzung der Hilfebedürftigkeit
habe am 18.05.2009 nicht vorgelegen. Der Verwertungsausschluss hinsichtlich der Lebensversicherung sei erst zum 05.06.2009
vorgenommen worden. Im Übrigen habe die Klägerin am 29.04.2009 unterschriftlich bestätigt, das Merkblatt SGB II erhalten zu haben, worin der Verwertungsausschluss erläutert werde. Ein Verstoß gegen die Beratungspflicht liege somit nicht
vor. Nach der Gewerbeordnung sei der Beginn der Tätigkeit gleichzeitig der zuständigen Behörde anzuzeigen, weshalb aus Gründen der Rechtssicherheit auf
die Gewerbeanmeldung abzustellen sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.07.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte habe sie über die Möglichkeiten der Veränderung ihrer Vermögenssituation aufklären müssen. Hinsichtlich des Zeitpunkts
der Aufnahme der Erwerbstätigkeit komme einer Gewerberegistereintragung allenfalls Indizwirkung zu. Hieraus sei nicht ersichtlich,
dass die Klägerin ihre selbstständige Tätigkeit als Hauptgewerbe im Umfang von 15 Stunden und mehr bereits mit der Anmeldung
aufgenommen habe. Die Gewerbeanmeldung zum 18.05.2009 sei deshalb erfolgt, da sie zu diesem Zeitpunkt in der Stadt gewesen
sei und sich zur Erledigung der ohnehin notwendigen Gewerbeanmeldung entschieden habe. Ab diesem Zeitpunkt habe sie sich auf
Zeitungsinserate gemeldet, wobei der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit zunächst auf Büro- und Akquisetätigkeit gelegen habe. Ab
Ende Mai bzw. Anfang Juni habe sie ihre ersten Kunden gehabt. Ab Juni habe sich der Schwerpunkt der Arbeit dann von der Bürotätigkeit
hin zu den eigentlich geplanten Reinigungsarbeiten verschoben. Für den Beklagten sei das Begehren von Einstiegsgeld ab Bewilligung
von Alg II ohne Weiteres offenkundig gewesen. Möglicherweise sei ein Merkblatt ausgehändigt worden. Dabei habe es sich aber
um eine umfassende Broschüre mit zahlreichen Informationen gehandelt. Der Verwertungsausschluss sei im Hinblick auf ihr Schreiben
vom 17.05.2009 bereits zum 18.05.2009 anzunehmen, da davon ausgegangen werden könne, dass ein bei der Post aufgegebenes Schreiben
grundsätzlich am nächsten Tag beim Adressaten ankomme.
Die Versicherungsgesellschaft hat mitgeteilt, der Verwertungsausschluss für die Lebensversicherung der Klägerin datiere vom
17.05.2009 und sei ausweislich des Eingangsstempels bei ihr am 22.05.2009 eingegangen und damit wirksam.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-) und begründet. Das SG hat zu Unrecht den Bescheid des Beklagten vom 01.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2009 aufgehoben
und den Beklagten zur Leistung von Einstiegsgeld ab dem 15.06.2009 verurteilt. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und
verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einstiegsgeld.
Nach § 16b Abs 1 Satz 1 SGB II idF des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917) kann erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen, die arbeitslos sind, zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen
oder selbstständigen Erwerbstätigkeit ein Einstiegsgeld erbracht werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt
erforderlich ist. Voraussetzung ist damit, dass alle Voraussetzungen nach § 7 Abs 1 SGB II, also auch Hilfebedürftigkeit, bei Aufnahme der Erwerbstätigkeit vorliegen müssen (vgl. Thie in: Münder, SGB II, 4.Aufl, § 16b Rdnr 3). Unerheblich ist zwar, dass die Voraussetzungen nach § 7 Abs 1 SGB II nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit wegfallen, nicht aber dass beispielsweise die Hilfebedürftigkeit erst nach Aufnahme der
Erwerbstätigkeit hinzukommt.
Die Klägerin hat ihre selbstständige Erwerbstätigkeit im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen am 18.05.2009 aufgenommen
und sie hat laut Antrag Einstiegsgeld ausdrücklich ab 19.05.2009 begehrt. Zu diesem Zeitpunkt lag (noch) keine Hilfebedürftigkeit
im Sinne von § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II idF des 4.Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) vor. Bei der Tätigkeit der Klägerin
im Bereich der Dienstleistung als Haushaltshilfe, Büroservice und Betreuung von Senioren und Kindern handelt es sich um eine
selbstständige Tätigkeit. Eine solche beginnt mit der Aufnahme des Geschäftsbetriebs, die sich im Regelfall aus dem Datum
der Anmeldung bei den Gewerbe- oder Finanzämtern ergibt (vgl. Thie aaO Rdnr 8). Die Klägerin hat vorliegend ihr Gewerbe am
18.05.2009 bei der Stadt A-Stadt angemeldet. Dabei hat sie auch den Beginn der angemeldeten Tätigkeit für den 18.05.2009 angegeben.
Weiterhin gab die Klägerin diesen Aufnahmezeitpunkt auch nach dem Aktenvermerk des Beklagten im Rahmen der persönlichen Vorsprache
am 29.05.2009 an und wurde im Rahmen des Formulars zur Anforderung der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle als beabsichtigtes
Aufnahmedatum vermerkt. Ebenso ist dies in der Veränderungsmitteilung vom 13.06.2009 so angegeben. Sowohl bei der Vorsprache
der Klägerin am 29.05.2009 als auch in der Veränderungsmitteilung vom 13.06.2009 hat die Klägerin dieses Datum rückwirkend
angegeben, so dass an dessen Richtigkeit keine Zweifel bestehen. Auf Anfrage des Gerichts hat die Klägerin im Berufungsverfahren
darüber hinaus angegeben, sie habe sich ab dem 18.05.2009 auf Zeitungsinserate gemeldet und zunächst Büro- und Akquisetätigkeiten
erledigt. Ende Mai/Anfang Juni habe sie dann ihre ersten Kunden gehabt und ab Juni den Schwerpunkt der Arbeit hin zu den eigentlich
geplanten Reinigungsarbeiten verlegt.
Da nach dem Sinn und Zweck des Einstiegsgelds die Arbeitslosigkeit beendet werden muss und die Eingliederung in den allgemeinen
Arbeitsmarkt gefördert wird, ist es erforderlich, dass die Tätigkeit wenigstens 15 Wochenstunden umfasst bzw. wenigstens auf
diesen Zeitumfang ausgerichtet ist (vgl. Thie aaO Rdnr 7). Zur Überzeugung des Senats war die von der Klägerin ab 18.05.2009
aufgenommene Tätigkeit zumindest auf einen solchen Zeitumfang ausgerichtet. In der Veränderungsmitteilung vom 13.06.2009 hat
die Klägerin angegeben, die am 18.05.2009 aufgenommene Tätigkeit weise eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 - 35 Stunden auf.
Trotz entsprechender Nachfrage des Gerichts vom 27.01.2011 zur konkreten Darlegung, weshalb der zeitliche Umfang der Tätigkeit
zunächst geringer gewesen sein soll, hat die Klägerin lediglich angegeben, der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit habe zunächst auf
Büro- und Akquisetätigkeiten gelegen. Daraus allein ergibt sich aber nicht, dass der Umfang der Tätigkeit weniger als 15 Stunden
pro Woche in Anspruch genommen hat. Erfahrungsgemäß erfordert gerade die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zunächst
Verwaltungsarbeiten und die Anbahnung von Aufträgen. Dies muss nicht weniger zeitintensiv sein als die spätere Ausführung
von Reinigungsarbeiten. So gibt die Klägerin auch an, der Schwerpunkt ihrer Arbeit habe sich von der Bürotätigkeit hin zu
den Reinigungsarbeiten verlagert, womit aber nicht geltend gemacht wird, dass dadurch auch eine Arbeitszeiterhöhung einhergegangen
ist. Die Tätigkeit wurde zweifelsfrei hauptberuflich ausgeübt.
Bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit ab 18.05.2009 war die Klägerin nicht hilfebedürftig. Nach § 9 Abs 1 SGB II idF des 4.Gesetzes für moderne Dienstleistung am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) ist hilfebedürftig, wer seinen
Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen
nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,
(2.) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere
von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Den Antrag auf Alg II vom 20.04.2009 hat der Beklagte mit
Bescheid vom 25.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2009 bestandskräftig abgelehnt. Damit ist zwischen
den Beteiligten bindend geregelt, dass die Klägerin bis einschließlich 14.06.2009 keinen Anspruch auf Alg II hat (§
77 SGG). Unabhängig davon fehlt es bis einschließlich 21.05.2009 an einer Hilfebedürftigkeit. Nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II idF des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demographische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen
der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.04.2007 (BGBl I 554) war vom Vermögen der Klägerin ein Grundfreibetrag in Höhe
von 150,00 EUR je vollendetem Lebensjahr abzusetzen. Hieraus folgt ein Freibetrag bis einschließlich 04.05.2009 in Höhe von
8.250,00 EUR (55 x 150,00 EUR) und ab 05.05.2009 in Höhe von 8.400,00 EUR (56 x 150,00 EUR). Hinzu kommt noch ein Freibetrag
in Höhe von insgesamt 1.500,00 EUR (2 x 750,00 EUR) nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II für notwendige Anschaffungen der Klägerin und ihres mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Sohnes. Hieraus folgt ein Gesamtfreibetrag
in Höhe von 9.750,00 EUR bzw. 9.900,00 EUR, den der Rückkaufswert der Lebensversicherung in Höhe von 10.594,49 EUR übersteigt
(zum Verkehrswert einer Lebensversicherung vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 29/12 R - [...]). Ein weiterer Grundfreibetrag für Kinder in Höhe von 3.100,00 EUR nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 1a SGB II konnte dagegen nicht berücksichtigt werden, da sich diese Freibetragsregelung nur auf das eigene Vermögen des jeweiligen
Kindes bezieht (vgl. BSG, Urteil vom 13.05.2009 - B 4 AS 58/08 R - [...]; Mecke in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.Aufl, § 12 Rdnr 42).
Die Lebensversicherung unterfiel bis zur wirksamen Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses auch nicht der Freibetragsregelung
des § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB II. Danach sind vom Vermögen geldwerte Ansprüche in einer bestimmten Höhe abzusetzen, die der Altersvorsorge dienen, soweit
der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann. Eine entsprechende
Vereinbarung mit der Versicherung zum Ausschluss der Verwertung wurde frühestens am 22.05.2009 wirksam. Bis dahin war der
Wert der Lebensversicherung als Vermögen zu berücksichtigen. Die Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses gemäß § 165 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) stellt einen zivilrechtlichen Vertrag dar, mit dem sich Versicherungsnehmer und Versicherungsgeber durch übereinstimmende
Willenserklärung über eine Rechtsfolge - Ausschluss der Verwertung vor Eintritt in den Ruhestand - einigen (BSG, Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 63/06 R - [...]). Selbst bei Annahme, es handle sich bei dem Verwertungsausschluss um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung,
ist die Wirksamkeit frühestens am 22.05.2009 - den Eingang der Erklärung bei der Versicherungsgesellschaft - eingetreten.
Nach Vorlage des Schreibens der Klägerin vom 17.05.2009 mit dem entsprechenden Eingangsstempel der Versicherung vom 22.05.2009
steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das Schreiben dort erst am 22.05.2009 eingegangen ist. Dies wurde dementsprechend
von der Versicherung bestätigt. Der nachträglich vereinbarte Verwertungsausschluss entfaltet auch keine Wirksamkeit für abgelaufene
bzw. vergangene Zeiträume (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 29/12 R - [...]).
Ein anderes Ergebnis kann nicht über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch erreicht werden. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch
ist auf Vornahme einer Amtshandlung gerichtet, um den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger
seine Nebenpflichten aus dem Sozialrechtsverhältnis ordnungsgemäß erfüllt hätte. Mit dem Herstellungsanspruch lassen sich
vor allem Fristversäumnisse heilen (verspätete Antragstellung, Beitragsentrichtung, Urkundenvorlage), die auf einem pflichtwidrigen
Verhalten des Leistungsträgers beruhen. Dagegen kann der Sozialleistungsträger fehlende Tatbestandsmerkmale oder anspruchsschädliche
Tatsachen, die außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegen, nicht durch rechtmäßige Amtshandlungen fingieren oder beseitigen.
Veränderungen in der Lebens- oder Verhaltenssituation des Betroffenen, die Voraussetzung eines Anspruchs sind, können durch
den Herstellungsanspruch weder negiert noch geschaffen werden (BayLSG, Urteil vom 13.04.2011 - L 10 AL 60/09). Die Anwendung des Herstellungsanspruchs, den die Klägerin wegen einer angeblich unterlassenen bzw. unzureichenden Beratung
geltend macht, scheidet damit vorliegend aus, denn es geht um eine Ersetzung von tatsächlichen Umständen - dem Vorliegen einer
vertraglichen Vereinbarung -, denen gestaltende Entscheidungen der Klägerin zugrunde liegen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 63/06 R - [...]; Urteil vom 31.01.2006 - B 11a AL 15/05 R - [...]). Es ist nicht möglich, die Klägerin im Wege einer Amtshandlung
so zu stellen, als hätte sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt den Verwertungsausschluss vertraglich vereinbart.
Die Lebensversicherung war auch nicht wegen der Vorschrift des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II von der Berücksichtigung ausgenommen, denn die war Klägerin nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
in diesem Sinne befreit. Sie war zwar möglicherweise als Selbstständige nicht versicherungspflichtig und konnte deshalb insofern
durch ihre Tätigkeit keine Rentenanwartschaften begründen, jedoch fällt sie wegen der unterschiedlichen Ausgangsituationen
der Personenkreise nicht unter diese Regelung (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 70/09 R - [...]).
Die Verwertung der Lebensversicherung ist nicht offensichtlich unwirtschaftlich im Sinne von § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 1.Alt SGB II. Der mit einer Verwertung eintretende Verlust im Hinblick auf die Differenz der eingezahlten Beträge in Höhe von 11.513,86
EUR zum Rückkaufswert von 10.594,49 EUR beträgt weniger als 10%. Bei Verlusten unter der Grenze von 10% kann aber nicht von
einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit ausgegangen werden (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14 AS 27/07 R - [...] - mwN). Schließlich sind Anhaltspunkte dafür, die Lebensversicherung unter Härtegesichtspunkten nach § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 2.Alt SGB II von der Verwertung auszunehmen, nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Insbesondere fehlen Hinweise dafür, dass die
Lebensversicherung zum Ausgleich von Versorgungslücken im Hinblick auf eine frühere selbstständige Tätigkeit abgeschlossen
worden wäre. Zudem war das ursprünglich vereinbarte Ende des Lebensversicherungsvertrages zum 01.04.2012 vereinbart, mithin
zu einem Zeitpunkt vor Eintritt des gesetzlichen Rentenalters. Die Klägerin hat auch bis 2007 als Verkäuferin gearbeitet und
dadurch entsprechende Rentenanwartschaften erworben. Bei Beantragung von Alg II hatte sie zudem die Aussicht, in den noch
mehr als neun verbleibenden Erwerbsjahren eine weitere entsprechende Altersvorsorge treffen zu können.
Schließlich ergibt sich auch kein Anspruch auf Einstiegsgeld bei einer unterstellten Beantragung erst für die Zeit ab 15.06.2009.
Werden Leistungen erst dann beantragt, wenn die Erwerbstätigkeit bereits aufgenommen ist, fehlt es an der Voraussetzung der
Arbeitslosigkeit im Sinne von § 16b Abs 1 Satz 1 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R -; Thie aaO Rdnr 4). Wie oben ausgeführt, hat die Klägerin zur Überzeugung des Senats ab 18.05.2009 eine selbstständige
Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Wochenstunden ausgeübt, so dass sie am 15.06.2009 nicht mehr arbeitslos gewesen
ist. Auch kommt die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in Bezug auf die Beratungen des Beklagten zum Einstiegsgeld
nicht in Betracht. Es fehlt schon an einem Beratungsfehler. Zur Aushändigung der Antragsunterlagen am 05.05.2009 ist im Aktenvermerk
des Beklagten vermerkt, die Klägerin habe am 20.04.2009 Alg II beantragt und sei noch nicht im Alg II-Bezug. Hinweise auf
die mögliche Ablehnung des Alg II-Antrages wegen Vermögens gab es zu diesem Zeitpunkt nicht. Eine entsprechende Beratung war
daher nicht möglich. Bei Abgabe des Antrages auf Einstiegsgeld am 29.05.2009 war zwar die Ablehnung der Alg II-Bewilligung
wegen der Lebensversicherung bekannt, die Klägerin hatte aber die selbständige Tätigkeit bereits aufgenommen. Eine Beratung
dahingehend, die Tätigkeit dürfe erst später aufgenommen werden, kam deshalb nicht mehr in Betracht.
Die Klage der Klägerin gegen den Bescheid vom 01.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2009 ist damit
ohne Erfolg und war auf die Berufung des Beklagten unter Aufhebung des Urteils des SG vom 13.07.2010 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.