Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung einer großen Witwerrente hat.
Der 1928 geborene Kläger hatte am 30. März 1972 seine Ehefrau I. A. geheiratet, die am 12. März 2006 verstorben ist. Er bezog
seit 1. April 1988 laufend eine Altersrente, mit Bescheid vom 8. März 2004 in Höhe von 1.381,16 EUR, im Zeitraum 1. März 2005
bis 28. Februar 2006 in Höhe von 1.520,26 EUR, sowie eine Betriebsrente, ab 1. Juli 2004 in Höhe von 347,65 EUR, im Zeitraum
1. März 2005 bis 28. Februar 2006 in Höhe von 421,25 EUR.
Am 20. März 1988 hatten die Eheleute eine gemeinsame Erklärung zur Anwendung des am 31. Dezember 1985 geltenden Hinterbliebenenrechts
abgegeben und erklärt, dass das am 31. Dezember 1985 geltende Recht für Renten an Witwen und Witwer aus der gesetzlichen Rentenversicherung
auch ab 1. Januar 1986 für sie anzuwenden sei.
Der Kläger stellte am 22. März 2006 einen Antrag auf Hinterbliebenenrente. Er gab an, dass seine Ehefrau überwiegend den Unterhalt
der Familie bestritten habe. Sie habe bis 2001 den Haushalt geführt, in beschränktem Umfang dann auch bis 15. Januar 2004.
Ab 15. Januar 2004 habe sie in einem Pflegeheim gelebt.
Die Ehefrau bezog gemäß der Rentenanpassung zum 1. Juli 2003 eine Altersrente in Höhe von 1.092,02 EUR, im Zeitraum vom 1.
März 2005 bis 28. Februar 2006 in Höhe von 1.015,12 EUR, ferner eine Zusatzrente der Bahnversicherungsanstalt in Höhe von
678,53 EUR ab 1. Januar 2004, im Zeitraum vom 1. März 2005 bis 28. Februar 2006 in Höhe von 689,98 EUR. Ferner leistete die
Pflegekasse einen Betrag für Pflegebedürftige der Pflegestufe III in Höhe von monatlich 1.432.- EUR.
Die Beklagte errechnete ein Familieneinkommen in Höhe von 5.078,61 EUR, ohne Berücksichtigung der Pflegeleistung von 3.646,61
EUR. Mit Bescheid vom 14. Juni 2006 lehnte sie den Antrag auf Hinterbliebenenrente ab, da der Einkommensanteil der verstorbenen
Ehefrau in Höhe von 1.705,10 EUR die Hälfte des Familieneinkommens (in Höhe von 5.078,61 EUR, davon die Hälfte: 2.539,30 EUR)
nicht übersteige.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, das Pflegegeld sei als Einkommen der verstorbenen Ehefrau anzurechnen,
da bei ihm eine Pflegebedürftigkeit nicht anerkannt worden sei. Die Pflegekasse habe mit Bescheid vom 22. Dezember 2005 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2006 Leistungen an ihn abgelehnt. Auf Aufforderung der Beklagten legte
der Kläger Belege für die Aufwendungen der Eheleute im letzten Jahr vor dem Tod der Versicherten vor.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2006 zurück. Sie berechnete, dass die Verstorbene
beispielsweise im Dezember 2005 Einnahmen in Höhe von 3.201,61 EUR im Form der Altersrente (1.082,63 EUR), einer Zusatzrente
(686,98 EUR) und Pflegegeld (1.432.- EUR) gehabt habe. Dem seien Ausgaben in Höhe von 3.317,83 EUR gegenüber gestanden. Der
Kläger habe Einnahmen in Höhe von 1.727,81 EUR in Form einer Rente (351,97 EUR) und einer VBL-Rente (1.375,84 EUR) und Ausgaben
in Höhe von 807,97 EUR gehabt. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Lebensunterhalt des Klägers überwiegend
durch die Verstorbene bestritten worden sei. Der notwendige Lebensbedarf der Verstorbenen sei mit deren Tod entfallen. Es
sei somit dem Kläger keinerlei Bedarfsdefizit entstanden, das durch eine entsprechende Witwerrente auszugleichen wäre.
Mit der Klage zum Sozialgericht Nürnberg begehrte der Kläger weiterhin die Gewährung der Witwerrente. Die Beklagte habe die
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG SozR 4-2600 § 46 Nr. 3) missachtet. Zwar habe sie im Widerspruchsbescheid das
Pflegegeld zum Einkommen der verstorbenen Ehefrau gezählt, jedoch habe sie nicht den gesamten Lebensbedarf vor dem Tode der
Versicherten berücksichtigt, sondern nur die jeweiligen Einnahmen und Ausgaben der Ehegatten getrennt betrachtet. Zu berücksichtigten
sei außerdem seine alleinige Haushaltsführung, die als Unterhaltsbeitrag angerechnet werden müsse. Der gesamte Lebensbedarf
der Familie betrage 4.125,80 EUR zuzüglich Verpflegungskosten in Höhe von 600.- EUR, da er einmal täglich zum Essen in eine
Gaststätte gegangen sei. Unter Berücksichtigung des Werts der Haushaltsführung sei das Einkommen seiner Ehefrau im Verhältnis
zu seinem höher. Die Ehefrau habe den Unterhalt der Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor ihrem Tod überwiegend
bestritten.
Das Sozialgericht ermittelte die Kapitaleinkünfte der Eheleute. Die Beklagte gab den Wert der Haushaltsführung mit Schriftsatz
vom 26. November 2007 ab 1. April 2004 mit 1.793,24 EUR und ab 1. April 2005 mit 1.825,52 EUR an. Sie berechnete zuletzt mit
Schriftsatz vom 13. Dezember 2007 und 15. Februar 2008 ein Gesamteinkommen des Ehemanns in Höhe von 38.841,12 EUR für die
Zeit vom 1. März 2005 bis 28. Februar 2006, für die Ehefrau von 20.896,67 EUR:
Ehemann:
Rente ab 01.04.04: 1.520,26 EUR x 12 = 18.243,12 EUR
VBL
ab 01.04.04: 416,85 EUR x 4 = 1.667,40 EUR
ab 01.07.04: 421,02 EUR x 8 = 3.368,16 EUR
Haushaltsführung:
ab 01.03.05: 1.793,24 EUR x 65 % = 1.165,61 EUR
ab 01.04.05: 1.825,52 EUR x 65 % = 1.186.59 EUR
Zinsen: 257,53 EUR + 89,96 EUR = 344,34 EUR
Gesamteinkommen Ehemann 38.841,12 EUR
Den Wert der Haushaltsführung ermittelte die Beklagte nach dem regionalen Tarifvertrag der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten
(NGG). Unter Berücksichtigung des Pflegeheimaufenthaltes der Verstorbenen sei eine 65-prozentige Ausübung einer Haushaltshilfetätigkeit
angemessen.
Ehefrau:
Rente
ab 01.03.05: 1.087,70 EUR x 4 = 4.350,80 EUR
ab 01.07.05: 1.082,63 EUR x 8 = 8.661,04 EUR
Gesamt: 13.011,84 EUR
Zusatzrente
Ab 01.03.2005 678,53 EUR x 12 = 8.142,36 EUR
Zinsen 2005 74,97 EUR
Gesamteinkommen Ehefrau: 20.896,67 EUR
Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2008 wies die Beklagte darauf hin, dass das Pflegegeld in Höhe von monatlich 1.432.- EUR nicht
berücksichtigt werde. Es sei wie eine Pflegesachleistung nach §
36 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB XI) anzusehen. Die Pflegesachleistungen bzw. Leistungen zur Pflege in vollstationären Einrichtungen seien nicht dem Einkommen
der Ehefrau hinzuzurechnen, denn über diese Leistung habe die Ehefrau keine Verfügungsbefugnis im Sinne einer freien Verfügbarkeit
erlangt. Dem Urteil des 4. Senats des BSG könne die Beklagte nicht folgen. Sie verwies auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen vom 6. März 2006 (Az.: L 13 R 132/05), gegen die Revision beim BSG anhängig sei. Im Übrigen würde eine Hinzurechnung der Pflegesachleistung in Höhe von 17.184
EUR einen Gesamtbetrag von 38.080,67 EUR ergeben; dies läge weiterhin unter dem Gesamteinkommen des Ehemanns.
In nichtöffentlicher Sitzung vom 26. Juni 2008 hörte das Sozialgericht den Kläger insbesondere zur Haushaltsführung. Auf die
Niederschrift der Sitzung wird Bezug genommen.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 8. Juli 2008 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 14. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2006, dem Kläger Witwerrente nach den gesetzlichen
Vorschriften zu bewilligen. Dem Kläger stehe der Rentenanspruch nach §§
46,
303 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB VI) zu. Dabei zählten zum Familienbedarf auch die Kosten des Pflegeheims. Die Verstorbene habe den Familienbedarf überwiegend
bestritten. Zwar seien die Einkünfte des Klägers etwas höher als die der Ehefrau. Das Sozialgericht bezog sich dabei auf die
Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 13. Dezember 2007. Auch sei beim Kläger der Wert der Haushaltsführung zu seinen
Renten- und Zinseinkünften hinzuzurechnen. Allerdings sei der Wert der Haushaltsführung entgegen der Berechnungen der Beklagten
nicht mit monatlich 1.165,61 EUR bzw. ab 1. April 2005 mit 1.186,59 EUR zu beziffern. Für einen Zweipersonenhaushalt ohne
Kinder werde nur 50 % einer Haushaltskraft benötigt (Bayer. Landessozialgericht, Urt. v. 18. Januar 2004, Az.: L 13 RA 265/02; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 26. Januar 2005, Az.: L 8 RA 5/01). Der konkrete Wert der Führung des Einpersonenhaushalts des Klägers sei, auch unter Berücksichtigung seiner Angaben im Erörterungstermin,
allenfalls mit 40 % einer Haushaltskraft zu bewerten (ab 1. April 2005 somit 730,21 EUR). Darüber hinaus seien bei der Verstorbenen
die Pflegeleistung in Höhe von monatlich 1.432,00 EUR hinzuzurechnen. Diese Leistung, die als unmittelbare Zahlung der Pflegekasse
an das Pflegeheim erbracht wurde, stelle Einkommen der Versicherten dar. Es handele sich um einen Anspruch der Versicherten
auf Pflege(sach)leistungen, für die sie Beiträge in die Pflegeversicherung entrichtet habe. Da bei der Ermittlung, wer den
Familienunterhalt zu welchem Bruchteil bestritten habe, auch Dienstleistungen wie die Haushaltsführung und die Erziehung von
Kindern mit einzuberechnen seien, sei es unerheblich, ob es sich bei den Pflegeleistungen um eine Sach- oder Geldleistung
handele. Auf eine Verfügungsbefugnis komme es nicht an. Entscheidend sei, dass der Bedarf, der durch die Unterbringung im
Pflegeheim entstehe, zum Familienbedarf gehöre. Die Zweckgebundenheit der Leistung schade nicht. Insgesamt habe damit die
Verstorbene den Familienunterhalt überwiegend bestritten, so dass der Kläger einen Anspruch auf Witwerrente habe. Es komme
im Rahmen des §
303 S. 1
SGB VI nicht darauf an, dass er durch den Tod seiner Ehefrau keinen Unterhaltsverlust erlitten habe. Es sei eine Gesamtprüfung vorzunehmen.
Es seien daher nicht die jeweiligen Einkommen der Ehegatten mit deren jeweiligem Bedarf zu vergleichen, sondern es sei lediglich
der Familienunterhalt zu ermitteln und zu prüfen, wer diesen überwiegend bestritten habe.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Zwar habe sie im Widerspruchsbescheid bei der Ermittlung des Familieneinkommens
ein monatliches Pflegegeld von 1.432,00 EUR als Einnahme der Verstorbenen berücksichtigt. Diese Auffassung habe sie jedoch
im Klageverfahren geändert. Als Unterhaltsbeiträge könnten dem einzelnen Familienmitglied nur die Leistungen zugerechnet werden,
über die er die Verfügungsbefugnis gehabt habe und die er während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes tatsächlich
zum Familienunterhalt beigesteuert habe. Sie hat sich insoweit auf ein Urteil des BSG vom 1. Februar 1995 (BSG, HVBG-Info 1995, 1529 ff) bezogen. Bei den Pflegesachleistungen bzw. Leistungen für die Pflege bei vollstationären Einrichtungen
habe die verstorbene Versicherte keine Verfügungsbefugnis erlangt. Die Pflegekasse erteile eine Kostenzusage; anschließend
rechne der Leistungserbringer die von ihm erbrachten Leistungen mit der Pflegekasse ab. Die Versicherte habe keine Möglichkeit
gehabt, diese Leistung anderweitig einzusetzen oder darüber zu verfügen. Den Ausführungen des BSG vom 16. März 2006 bezüglich
der Berücksichtigung von Pflegeleistungen werde durch die Rentenversicherungsträger nicht gefolgt. Vielmehr werde auf die
Ausführungen des LSG Nordrhein-Westfalen verwiesen. Anders als Renten der gesetzlichen Rentenversicherung, die als Entgeltersatzleistungen
der Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts dienen, würden Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung zweckgebunden
erbracht. Darüber hinaus sei die Verstorbene privat pflegeversichert gewesen.
Der Kläger hat auf die Gründe des sozialgerichtlichen Urteils sowie die Entscheidung des BSG vom 16. März 2006 verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 8. Juli 2008 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 14. Juni 2006 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2006 abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß §
136 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§
143,
151 SGG), aber unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf die Witwerrente gemäß
§§
46,
303 S. 1
SGB VI zusteht.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 14. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2006 ist allerdings
formell rechtmäßig. Insoweit ist nicht schädlich, dass der Widerspruchsbescheid die Pflegeleistungen der verstorbenen Ehefrau
zurechnete, sich die Beklagte jedoch im Klageverfahren darauf beruft, dass sie nicht der Ehefrau zuzurechnen seien. Maßgeblich
für die Rechtsbeständigkeit eines Verwaltungsaktes ist der Inhalt der getroffenen Verfügung, d.h. die Ablehnung der Witwerrente.
Die Beklagte kann auch im gerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) die Begründung ergänzen oder auch abändern, sofern der Betroffene dadurch nicht in der Wahrung seiner Rechte beeinträchtigt
wird (z.B. BVerwGE 1, 311, 10, 37, 44; 11, 170; BSGE 29, 129; 45, 206; 87, 8) und der Wesensgehalt des Verwaltungsaktes nicht verändert wird (BVerwGE 8, 54 und 238; BSGE 29, 129). Ein Nachschieben von Gründen ist jedenfalls dann möglich, wenn es sich - wie hier - nicht um eine Ermessensentscheidung
handelt (zum Ganzen: von Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 41 Rdnr. 12). Ein Nachholen ist bis zur letzten Tatsacheninstanz des sozialgerichtlichen Verfahrens zulässig, § 41 Abs. 2 SGB X.
Die Ablehnung der Witwerrente ist jedoch materiell rechtswidrig. Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem
Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartzeit erfüllt hat, nach §
46 Abs.
2 Nr.
2 SGB VI Anspruch auf eine große Witwerrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben. Haben die Ehegatten bis zum 31. Dezember
1988 eine wirksame Erklärung über die weitere Anwendung des bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Hinterbliebenenrechts abgegeben,
besteht ein Anspruch auf eine Witwerrente unter den sonstigen Voraussetzungen des geltenden Rechts nur, wenn die Verstorbene
den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode überwiegend bestritten hat, §
303 S. 1
SGB VI. Eine derartige Erklärung haben die Eheleute am 20. März 1988 wirksam abgegeben. §
303 S. 1
SGB VI ist eine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung, die durch das neue Recht modifiziert wurde (BSG SozR 4-2600 § 46 Nr. 3).
Zutreffend ging das Sozialgericht davon aus, dass die verstorbene Ehefrau des Klägers den Unterhalt ihrer Familie im letzten
wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode überwiegend bestritten hat. Der Senat kann hierzu gemäß §
153 Abs.
2 SGG auf die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils verweisen. Wie das Sozialgericht schließt sich auch der Senat
dem Urteil des BSG vom 16. März 2006 (BSG SozR 4-2600 § 46 Nr. 3) an. Der Unterhalt der Familie wird "überwiegend bestritten",
wenn der Unterhaltsbeitrag während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode mehr als die Hälfte des gesamten
Familienzustandes ausgemacht hat (zuletzt auch: BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 23 S. 89). Dabei ist auf die Vorschriften der §§
1360,
1360 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (
BGB) abzustellen. Bezogen auf den vorliegenden Fall ist Unterhalt der Familie alles, was nach den tatsächlichen Verhältnissen
der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten zu
befriedigen (BSG SozR 4-2600 § 46 Nr. 3). Das BSG hat dargelegt, dass zunächst festzustellen ist, wie hoch nach den wirtschaftlichen
und persönlichen Verhältnissen der Ehegatten der gesamte Lebensbedarf der Familie im letzten Jahr vor dem Tode der Versicherten
war. Danach ist festzustellen, mit welchen Mitteln und von welcher Person der Bedarf gedeckt wurde; zuletzt ist durch eine
Gegenüberstellung der von jedem Ehegatten wirklich aufgebrachten Mittel der Anteil jedes Ehegatten festzustellen, der dann
den Schluss auf das überwiegende Bestreiten des Familienunterhalts zulässt (BSG, aaO.).
Für die am 12. März 2006 verstorbene Ehefrau des Klägers ist der Zeitraum vom 1. März 2005 bis 28. Februar 2006 maßgebend.
Zum Lebensbedarf der Familie gehören als tatsächliche Aufwendungen auch die Kosten für das Pflegeheim, in dem sich die Ehefrau
in dieser Zeit bereits befand. Durch den Pflegeheimaufenthalt ist der Familienbedarf im Sinne der §§
1360,
1360 a BGB nicht entfallen, da der Einzug nicht zum Getrenntleben führt (BSG SozR 4-2600 § 46 Nr. 3 m.w.N.). Hierfür sind die gesamten
Kosten anzusetzen, also auch diejenigen, die von der Pflegekasse unmittelbar an den Heimträger geleistet wurden. Hierbei handelt
es sich um die Erfüllung eines der Versicherten zustehenden grundrechtlich geschützten Zahlungsanspruchs gegen die Pflegekasse
in Höhe der pflegebedingten und durch medizinische Behandlungspflege und soziale Betreuung verursachten Aufwendungen, die
bei der Pflegestufe III auf einen pauschalen monatlichen Höchstbetrag von 1.432,00 EUR begrenzt war (vgl. Art. 49 a § 1 Abs. 1 Nr. 3 PflegeVG; §
43 Abs. 2 S. 1, Abs.
5 S. 1 Nr.
3 SGB XI in der 31. März 2007 gültigen Fassung (a.F.); BSG aaO.).
Gemäß dem Widerspruchsbescheid berechnete die Beklagte aufgrund der vom Kläger vorgelegten Unterlagen folgende Ausgaben für
den Dezember 2005:
Ehefrau: Ehemann:
Pflegesatz Stufe III: 2.254,94 EUR Deutsche Telekom: 23,56 EUR
Unterkunft und Abschlagszahlung und
Verpflegung: 531,34 EUR Garagemiete: 137,37 EUR
Investitionskosten DZ: 155,62 EUR
KV-Beitrag: 46,07 EUR Miete: 430,16 EUR
DEVK: 10,31 EUR DAS-Versicherungen 3,56 EUR
KVB: 263,43 EUR Vodafone: 14,95 EUR
Central: 7,68 EUR Arzneimittel: 162,37 EUR
Inkontinenzpauschale: 42,95 EUR
Getränke: 5,50 EUR
Die Gesamtausgaben der Ehefrau beliefen sich damit im Dezember 2005 auf 3.317,84 EUR, die des Klägers auf 807,97 EUR. Abzustellen
ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut des §
303 S. 1
SGB VI nicht auf den Bedarf der einzelnen Eheleute, sondern auf den Unterhalt der Familie. Der Familienbedarf betrug damit 4.125,81
EUR, auf ein Jahr gerechnet: 49.509,72 EUR. Der Senat kann im Hinblick auf das Gesamtergebnis offen lassen, ob monatliche
Verpflegungskosten des Klägers in Höhe von 600.- EUR als tatsächlicher Aufwand hinzuzuzählen ist, so dass sich der Familienbedarf
auf 56.709,72 EUR erhöht.
Dem stehen in dem genannten Jahreszeitraum Einnahmen des Klägers in Höhe von 32.372,61 EUR und der Ehefrau in Höhe von 38.080,67
EUR gegenüber. Diese setzen sich wie folgt zusammen.
Ehemann:
Rente ab 01.04.04: 1.520,26 EUR x 12 = 18.243,12 EUR
VBL
ab 01.04.04: 416,85 EUR x 4 = 1.667,40 EUR
ab 01.07.04: 421,02 EUR x 8 = 3.368,16 EUR
Haushaltsführung:
ab 01.03.05: 1.793,24 EUR x 40 % = 717,30 EUR
ab 01.04.05: 1.825,52 EUR x 40 % = = 730,21 EUR x 11 = 8.032,29 EUR
Zinsen: 257,53 EUR + 89,96 EUR = 344,34 EUR
Gesamteinkommen Ehemann 32.372,61 EUR
Ehefrau:
Rente
ab 01.03.05: 1.087,70 EUR x 4 = 4.350,80 EUR
ab 01.07.05: 1.082,63 EUR x 8 = 8.661,04 EUR
Gesamtbetrag: 13.011,84 EUR
Zusatzrente
ab 01.03.2005 678,53 EUR x 12 = 8.142,36 EUR
Zinsen 2005 74,97 EUR
Pflegeleistungen 1.432,00 EUR x 12 = 17.184,00 EUR
Gesamteinkommen Ehefrau: 38.080,67 EUR
Es ist sachgerecht, den Wert der Haushaltsführung, die während der Abwesenheit der Ehefrau durch den Kläger verrichtet wurde,
nach dem regionalen Tarifvertrag der Gewerkschaft NGG zu berechnen. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass das Sozialgericht
statt der von der Beklagten zugrunde gelegten 65-prozentigen Ausübung einer Haushaltshilfetätigkeit nur eine maximal 40-prozentige
zugrunde gelegt hat, da es sich um einen Einpersonen-Rentnerhaushalt handelte. Ferner gab der Kläger an, den Haushalt auch
noch teilweise selbst zu führen. Er hat sich z.B. teilweise etwas gekocht und hat selbst noch Wäsche gewaschen. Neben verschiedenen
sozialen und kommerziellen Einrichtungen haben ihn auch seine Tochter und die Nachbarschaft unterstützt. Im Ergebnis kann
der Senat offen lassen, ob der Wert der Haushaltsführung noch niedriger anzusetzen ist; eine höhere Bewertung ist angesichts
der tatsächlichen Verhältnisse nicht angezeigt.
Das BSG hat in der genannten Entscheidung vom 16. März 2006 auch ausdrücklich festgestellt, dass die monatlichen Ansprüche
der Versicherten auf Zahlungen der Pflegeversicherung als Unterhaltsbeitrag der Versicherten zu berücksichtigen sind, wenn
sie diese zur Deckung des Familienbedarfs tatsächlich eingesetzt hat. Dafür spreche, dass die Geldbeträge von der Pflegekasse
mit befreiender Wirkung gegenüber der Versicherten unmittelbar an das Pflegeheim zu zahlen waren. Zum einen habe die Pflegekasse
die sich aus dem Recht der pflegebedürftigen Versicherten gegen sie ergebenden monatlichen Zahlungsansprüche erfüllt, zum
anderen habe aber auch die Versicherte in der Höhe der Pflegeleistungen den gegen sie gerichteten zivilrechtlichen Zahlungsanspruch
des Heims erfüllt (BSG SozR 4-2600 § 46 Nr. 3 m.w.N.). Der Senat schließt sich nach eigener Überzeugung dieser Ansicht an.
Pflegebedürftige haben aus dem bestehenden Pflegeversicherungsverhältnis Anspruch auf Pflege in vollstationären Einrichtungen
(vgl. §
43 Abs.
1 SGB XI). Nach §
43 Abs.
2 S. 1
SGB XI a.F. übernahm die Pflegekasse die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung sowie in der Zeit
vom 1. Juli 1996 bis zum 30. Juni 2007 die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege bis zu dem Gesamtbetrag
von 1.432,00 EUR monatlich. In der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 30. Juni 2007 übernahm die Pflegekasse für Pflegebedürftige
der Pflegestufe III pauschal einen Betrag in Höhe von 1.432.00 EUR (§
43 Abs.
5 S. 1 Nr.
3 SGB XI). Auch wenn die Pflege in einer vollstationären Einrichtung grundsätzlich als Sachleistung anzusehen ist, zeigen die Pauschalbeträge
gemäß §
43 Abs.
2 S. 1 bzw. Abs.
5 S. 1
SGB XI a.F. (jetzt: §
43 Abs.
2 S. 2
SGB XI), dass eine Vermengung zwischen Sachleistung und Kostenerstattung bzw. Geldleistung stattfindet (so auch: KassKomm-Leitherer,
§
43 SGB XI Rdnr. 11). Zwischen der Versicherten und dem Heim bestand ein zivilrechtlicher Heimvertrag, bei dem es sich regelmäßig um
einen gemischten Vertrag handelt. Die Versicherte ist damit zu Geldzahlungen verpflichtet; die Leistungen der Pflegekasse
dienen der teilweisen Erfüllung der Zahlungspflicht gemäß §
362 ff
BGB. Es ist zwar zutreffend, dass die Versicherte keine unmittelbare Verfügungsgewalt über den von der Pflegekasse geleisteten
Zahlbetrag in Höhe von 1.432,00 EUR monatlich hat, doch besteht eine mittelbare Verfügungsgewalt aufgrund ihres Antrags auf
Leistungen aus der Pflegeversicherung, der den Pflegeleistungen zugrunde liegt. Die Leistungen sind Ausfluss ihrer Mitgliedschaft
und ihrer Beitragszahlung zur Pflegeversicherung. Eine juristische Sekunde sind der Versicherten damit die Pflegeleistungen
zugeflossen, auch wenn der Zahlungsweg unmittelbar zwischen der Pflegekasse und dem Heim besteht. Dies ist vom Willen der
Versicherten gedeckt gewesen, so dass auch die Zweckgebundenheit der Pflegeleistung einer Zurechnung zu dem Einkommen der
Versicherten nicht entgegensteht.
Da von einer verbliebenen, rechtlichen Verfügungsgewalt der Versicherten auszugehen ist, steht diesem Ergebnis auch nicht
die Entscheidung des BSG vom 1. Februar 1995 (BSG, HVBG-Info 1995, 1529 ff) entgegen. Das BSG stellt unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung darauf ab, ob eine Verfügungsbefugnis
gegeben ist. Als Unterhaltsbeiträge können danach dem einzelnen Familienmitglied nur die Leistungen zugerechnet werden, über
die er die Verfügungsbefugnis hatte. Das BSG hat dies für das Pflegegeld bejaht.
Da die Leistungen aus der gesetzlichen und privaten Pflegeversicherung weitgehend deckungsgleich sind, ist insoweit nicht
weiter zu differenzieren. Unerheblich ist auch, dass das
SGB XI mit seinen Leistungen zum Zeitpunkt der Erklärungsfrist zum 31. Dezember 1985 noch nicht in Kraft getreten war. §
303 S. 1
SGB VI ist nicht auf Einnahmen beschränkt, die zum Zeitpunkt der Erklärung dem Grunde nach bestanden oder zu erwarten waren.
Insgesamt betrug der Familienbedarf somit 49.509,72 EUR - bei Berücksichtigung von Essenskosten in Höhe von 7.200,- EUR jährlich:
56.709,72 EUR. Die Einnahmen der Familie beliefen sich auf 70.453,28 EUR. Hiervon entfiel mit 38.080,67 EUR auf die Versicherte
der überwiegende Teil. Dies gilt auch bei Ansatz des durchschnittlichen Höchstbetrages von 15.339,00 EUR für jeden Pflegebedürftigen
gemäß §
43 Abs.
2 S. 1 HS 2 bzw. Abs.
5 S. 2
SGB XI a.F. (zur Frage der rechnerischen Umsetzung bei den einzelnen Pflegebedürftigen: KassKomm-Leitherer, §
43 SGB XI Rdnr. 31). Danach ergeben sich Einnahmen der Familie in Höhe von 68.608,28 EUR. Hierauf entfallen auf die Ehefrau 36.235,67
EUR. Da dieses Ergebnis mathematisch eindeutig ist, kann darauf verzichtet werden, den Familienbedarf genau zu erfassen; es
ist vielmehr ausreichend, dies anhand eines Monats vorzunehmen und auf das Jahr hochzurechnen, wie dies auch von der Beklagten
im Widerspruchsbescheid geschehen ist. Der Unterhalt der Familie wurde damit überwiegend von der verstorbenen Ehefrau bestritten.
Es besteht daher ein Anspruch auf die Witwerrente, da die übrigen Voraussetzungen wie insbesondere die Erfüllung der allgemeinen
Wartezeit unstreitig vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt, dass die Klage auch im Berufungsverfahren erfolgreich war.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG nicht vorliegen. Insbesondere ist die Rechtslage durch das Urteil des BSG vom 16. März 2006 geklärt. Eine abweichende Entscheidung
des BSG liegt hierzu nicht vor. Die Revision (Az.: B 5 R 40/06 R) gegen das vor der Entscheidung des BSG ergangene Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom
6. März 2006 (Az.: L 3 R 132/05) wurde zurückgenommen.