Begutachtung im sozialgerichtlichen Verfahren, Kostenübernahme durch die Staatskasse; Beweiserheblichkeit des Gutachtens
Gründe:
Die Klägerin beantragte Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab. Im anschließenden Klageverfahren
hat das Sozialgericht Würzburg (SG) ein Gutachten gemäß §
106 SGG bei der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie - Psychotherapie Dr. D. eingeholt. Diese kann eine in Befundberichten erwähnte
Angststörung auch aufgrund des Verhaltens der Klägerin während der Untersuchung nicht bestätigen. Sie beschreibt u.a. eine
leichte depressive und eine somatoforme Störung. Sie hält eine sechsstündige Tätigkeit mit qualitativen Einschränkungen für
zumutbar.
Auf Antrag der Klägerin hat der Internist und Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Prof.Dr.Dr.K. ein Gutachten
gemäß §
109 SGG erstattet. Dieser sieht u.a. eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung, eine generalisierte Angststörung, rezidivierende
depressive Episoden und eine Somatisierungsstörung. Er hält eine Tätigkeit allenfalls von weniger als 3 Stunden täglich für
zumutbar. Dr.D. habe im Wesentlichen auf neurologische Erkrankungen abgestellt und die Frage der generalisierten Angststörung
nicht diskutiert. Auch werde die Begutachtungssituation bei Frau Dr.D. durch die Klägerin anders als durch die Gutachterin
geschildert.
Dr.D. hat auf Nachfrage des Gerichts ergänzend hierzu ausgeführt, das Verhalten und die Angaben der Klägerin während der Untersuchungssituationen
habe keinerlei Anlass geboten, eine solche Diagnose zu vergeben oder ein stationäres Heilverfahren zu empfehlen.
Mit Urteil vom 19.03.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Gutachten von Prof.Dr.Dr.K. könne nicht überzeugen, es fehle ein psychopathologischer Befund und
er habe die von der Klägerin geschilderten Leistungseinschränkungen unreflektiert übernommen. Auch während der mündlichen
Verhandlung habe die Klägerin keinen ängstlich-vermeidenden Anschein angemacht. Dagegen hat die Klägerin Beschwerde zum Bayer.
Landessozialgericht eingelegt.
Den an das SG gerichteten Antrag auf Übernahme der Kosten der Begutachtung durch Prof.Dr.Dr.K. auf die Staatskasse hat das SG im Beschluss vom 20.05.2008 abgelehnt. Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung sei zu berücksichtigen, dass das Gutachten
von Prof.Dr.Dr.K. keine zusätzlichen, entscheidungserheblichen Kenntnisse vermittelt habe. Er habe nicht überzeugend darlegen
können, weshalb die von ihm beschriebene ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung und generalisierte Angststörung zu einer
rentenrechtlich relevanten Erwerbsminderung führe. Allein die Benennung neuer bzw. weiterer Befunde genüge für die Übernahme
der Kosten der Begutachtung auf die Staatskasse nicht. Das Gutachten von Prof.Dr.Dr.K. habe weder Fehler noch Mängel aufgedeckt
noch zu für die Entscheidung bedeutsamen Erkenntnissen geführt.
Dagegen hat die Klägerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Prof.Dr.Dr.K. habe sich mit den Vorgutachtern
auseinandergesetzt und erklärt, wesentliche Aspekte der gesundheitlichen Beeinträchtigung der Klägerin seien nicht berücksichtigt
worden. Er habe daher zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§
172,
173 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Übernahme der für ein Gutachten nach §
109 SGG verauslagten Kosten auf die Staatskasse im Wege einer "anderen Entscheidung" iS des §
109 Abs
1 Satz 2 HS 2
SGG ist in der Regel dann gerechtfertigt, wenn das Gutachten in beträchtlichem Umfang beweiserheblich ist. Dies ist insbesondere
dann der Fall, wenn es durch Aufzeigen bis dahin nicht berücksichtigter medizinischer Gesichtspunkte zur Aufklärung des Sachverhaltes
wesentlich beigetragen oder die Erledigung des Rechtsstreites in sonstiger Weise wesentlich gefördert hat.
Hieran fehlt es vorliegend. Das Gutachten von Prof.Dr.Dr.K. hat lediglich bereits bekannte Diagnosen angesprochen. Lediglich
die aus diesen Diagnosen resultierende Leistungsminderung hat Prof.Dr.Dr.K. anders eingeschätzt. Diese Schlussfolgerung hielt
das SG nicht für nachvollziehbar. Es hat somit nicht auf die Ausführungen von Prof.Dr.Dr.K. zurückgegriffen.
Vielmehr hat sich das SG in seiner Entscheidung allein auf das Gutachten von Dr.D. gestützt. Dieser waren die Diagnosen - wie sich aus den Gutachten
ergibt - hinsichtlich einer Angststörung durchaus bekannt. Sie hat diese allerdings durch das Verhalten und die Angabe der
Klägerin während der Untersuchungssituation nicht bestätigen können. Die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme durch Dr.D.
zu den Ausführungen von Prof.Dr.Dr.K. diente allein dem Zweck, die durch das Gutachten gemäß §
109 SGG entstandene Unsicherheit auszuräumen. Es kann daher nicht von einer weiteren Sachaufklärung durch das Gutachten nach § 109
ausgegangen werden (vgl. Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4.Aufl, Kap.III RdNr 101).
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen. Die Klägerin hat die Kosten des Gutachtens gemäß §
109 SGG endgültig zu tragen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§
177 SGG).